GESTRANDET VOR DER BUCHT - Bill Knox - E-Book

GESTRANDET VOR DER BUCHT E-Book

Bill Knox

0,0
5,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Ein britischer Öltanker ist vor der Küste Portugals gestrandet und versperrt die Einfahrt zum Fischerhafen von Porto Esco. Andrew Laird ermittelt im Auftrag seiner Versicherungsgesellschaft den Hergang des Unglücks. Ein Taucher, der für Laird arbeiten soll, kommt unter Wasser ums Leben. Und auch Laird selbst entgeht nur mit Glück und Zufall mehreren Anschlägen. Offenbar versucht ein Unbekannter mit allen Mitteln, den Tanker so schnell wie möglich wieder flottzubekommen. Warum? Der Roman GESTRANDET VOR DER BUCHT von Bill Knox (* 1928 in Glasgow; † März 1979) erschien erstmals im Jahr 1978; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte in gleichen Jahr. Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



 

 

 

 

BILL KNOX

 

 

Gestrandet vor der Bucht

 

Roman

 

 

 

 

Apex Crime, Band 209

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

GESTRANDET VOR DER BUCHT 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

 

 

Das Buch

 

Ein britischer Öltanker ist vor der Küste Portugals gestrandet und versperrt die Einfahrt zum Fischerhafen von Porto Esco. Andrew Laird ermittelt im Auftrag seiner Versicherungsgesellschaft den Hergang des Unglücks. Ein Taucher, der für Laird arbeiten soll, kommt unter Wasser ums Leben. Und auch Laird selbst entgeht nur mit Glück und Zufall mehreren Anschlägen. Offenbar versucht ein Unbekannter mit allen Mitteln, den Tanker so schnell wie möglich wieder flottzubekommen. Warum?

 

Der Roman Gestrandet vor der Bucht von Bill Knox (* 1928 in Glasgow; † März 1979) erschien erstmals im Jahr 1978; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte in gleichen Jahr.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

  GESTRANDET VOR DER BUCHT

 

 

 

 

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Auf den Klippen lag flach auf dem Bauch ein Mann. Er hatte eine Schrotflinte und ein starkes kleines Fernglas dabei. Seine schwarze Lederjacke und die braune Cordhose hoben sich kaum von der Farbe der Steine und des trockenen Gestrüpps ab. Das Fernglas hatte er auf das Schiff gerichtet, das unter ihm am Eingang der Bucht auf Grund gelaufen war.

Der lange schwarze Schiffsrumpf des Öltankers glänzte wie ein riesiger gestrandeter Wal in der grellen Sonne. Sein Kiel hatte sich in die felsigen Untiefen am Rand des Kanals gegraben, der die offene See mit der lagunenähnlichen Bucht verband, in der das Fischerstädtchen Porto Esco lag.

Die Ruhe an Deck des Tankers täuschte. Er war nicht verlassen. Ein Beiboot, das gegen den mächtigen Schiffsrumpf beinahe winzig wirkte, schaukelte unter dem Heck auf den Wellen, und an einer zwischen den Bootskränen der Rettungsboote gespannten Leine flatterte Wäsche im Wind.

Der Mann auf den Klippen verlagerte vorsichtig sein Gewicht. Er hatte das Fernglas auf die beiden Männer gerichtet, die Seite an Seite am Bug des Tankers auf die Reling gestützt standen. Den einen kannte er, doch der andere war ein Fremder, dessen Ankunft im Auto er eine halbe Stunde zuvor in Porto Esco beobachtet hatte. Zufrieden senkte er das Fernglas, griff nach dem Gewehr und robbte ins Gebüsch zurück.

In sicherem Abstand zum Klippenrand stand er schließlich auf, steckte das Fernglas in die Tasche, klemmte die Flinte mit geknicktem Lauf in die Armbeuge und ging weiter.

Wenige Minuten später schoss er einen Hasen. Zufrieden schob er die Beute in den Sack, den er über der Schulter getragen hatte, und marschierte auf direktem Weg durch die Macchia nach Porto Esco.

Neugier hatte ihn auf die Klippen getrieben. Was er im Moment hatte tun können, war getan. Alles Weitere hing von anderen ab. Trotzdem lud er noch im Gehen die Flinte neu. Das war eine alte Gewohnheit, die mit der Jagd auf Niederwild nichts zu tun hatte.

 

Den Schuss hörten die beiden Männer am Bug des Tankers nur wie einen entfernten Peitschenknall. Kapitän John Amos von der Craig Michael die unter liberianischer Flagge fuhr, der anglo-griechischen Reederei Antarah Line gehörte, und an der Südküste Portugals auf Grund gelaufen war, warf stirnrunzelnd einen flüchtigen Blick zu den Klippen hinüber. Amos war ein kleiner, untersetzter, dunkelhaariger Waliser Anfang Vierzig. In seinem alten Rollkragenpullover, den Jeans und Sandalen sah er kaum wie der Kapitän eines Fünfzigtausendtonnentankers aus.

»Es macht mich also niemand für das Desaster verantwortlich. Das ist ja großartig«, sagte er bitter und fuhr sich mit der Hand durch das an den Schläfen bereits ergraute Haar. »Aber bilden Sie sich wirklich ein, dass man sich daran später noch erinnern wird? Nein, da mache ich mir keine Illusionen. Ich werde der verdammte Waliser Amos bleiben, der sein Schiff auf Grund gesetzt hat.«

»Wir haben alle unsere Probleme, Käpt’n«, bemerkte Andrew Laird gelassen, obwohl er Amos’ Gefühle verstand. »Es könnte schlimmer sein.«

Tatsächlich hatte der Sturm, der am ersten April über dem Atlantik und dem Mittelmeer gewütet hatte, für viele weitaus verheerendere Auswirkungen gehabt.

Zwei kleinere Frachtschiffe waren mitsamt ihren Besatzungen untergegangen, andere hatten schwer beschädigt den nächsten Hafen erreicht, und ein Zerstörer der US-Marine war mit völlig verwüsteten Aufbauten und einem Leck im Schiffsrumpf in Lissabon eingelaufen. An der Küste hatte der Orkan Häuser abgedeckt, Bäume entwurzelt und Viehherden dezimiert.

»Das alte Mädchen ist tatsächlich unbeschädigt geblieben«, erklärte Kapitän Amos. »Ihr Kiel hat sich zwar ungefähr zehn Meter weit in die Felsen gegraben, aber es sind nur ein paar Tropfen Wasser reingekommen. Wir haben wirklich verdammt viel Glück gehabt.«

Andrew Laird nickte und starrte über das dreihundert Meter lange Deck zu der Wäscheleine am Heck hinüber. Mit einem Deck, auf dem zwei Fußballfelder Platz gehabt hätten, und einer Breite von dreißig Metern war die Craig Michael bei ihrem Stapellauf vor zwanzig Jahren ein Tankerriese gewesen. Inzwischen wurden zwar laufend Supertanker mit zweihundertfünfzigtausend Bruttoregistertonnen gebaut, doch die Craig Michael war noch immer ein großes Schiff.

Wie sie den Sturm überstanden hatte, das grenzte jedenfalls beinahe an ein Wunder.

Andrew Laird sah sich um, und die trockene Standortbeschreibung aus der Akte der Clanmore Versicherungsgesellschaft wurde vor seinen Augen lebendig.

Die lange, felsige Halbinsel von Cabo Esco, vierzig Kilometer westlich der portugiesisch-spanischen Grenze, war einer Bucht vorgelagert, welche die Form einer verbogenen Hantel hatte. Die Craig Michael hatte bereits vier Monate lang ohne Ladung mit Kapitän Amos und einer Mindestbesatzung an Bord in der äußeren Bucht vor Anker gelegen. Für Tanker der Größenordnung der Craig Michael war die Auftragslage schlecht. Im Zeitalter der Supertanker waren Schiffe wie sie für die Reeder beinahe zu einer Belastung geworden, und viele dieser Frachter lagen in der ganzen Welt in irgendwelchen Buchten und Flussmündungen und warteten auf eine Ladung. Und es kam häufig vor, dass sie nur noch zur letzten Fahrt in die Werft ausliefen, wo sie dann abgewrackt wurden.

Fünf Tage zuvor, bei-Ausbruch des Sturmes, der sich als unerwartet heftig und heimtückisch erwiesen hatte, hatten riesige

Brecher die Anker der Craig Michael losgerissen. Das schwere Schiff war anschließend in die Öffnung des Kanals getrieben worden, der die innere mit der äußeren Bucht von Porto Esco verband, und dort war der Tanker dann auf Grund gelaufen.

Die Craig Michael hatte den Rest der Sturmnacht in dieser gefährlichen, ausweglosen Situation verbracht und war erst am folgenden Tag von den Fischern, die mit ihren Booten aus dem Hafen von Porto Esco ausgelaufen waren, entdeckt worden. Sie blockierte teilweise - zum Glück nicht ganz - die Kanalausfahrt zur See. Zwischen dem Heck der Craig Michael und der felsigen Halbinsel Cabo Esco konnte gerade noch ein Fischerboot hindurchschlüpfen. Es war ein Wunder, dass der Tanker im Sturm nicht auseinandergebrochen war.

»Ich bin seit zwanzig Jahren Kapitän, und es ist das erste Mal, dass ein Schiff unter meinem Kommando auf Grund läuft; und dann gleich so«, murmelte Amos, als habe er Lairds Gedanken erraten. Der Kapitän lehnte sich mit dem Rücken gegen die Reling und betrachtete seinen Besucher prüfend. Wie fast alle Schiffsführer war auch Amos gegenüber den Leuten von der Schifffahrtsversicherung vorsichtig und reserviert. »Nicht gerade die feinste Art zu stranden, was?«

Andrew Laird lächelte flüchtig. Unter ihnen klatschten die Wellen gegen den Rumpf der Craig Michael, und Laird konnte durch das klare Wasser die Schatten der Riffe sehen, die an dieser Stelle vom Meeresgrund emporragten. Er spürte die warme Nachmittagssonne auf seinem Rücken, und die durch die lange Fahrt müden Muskeln entspannten sich langsam. Obwohl Amos im Augenblick sicher in anderer Stimmung war, fühlte sich Laird unter dem strahlend blauen südlichen Himmel ausgesprochen wohl.

Laird war groß und breitschultrig, Anfang Dreißig, hatte dichtes braunes, an den Schläfen ebenfalls bereits ergrauendes Haar, grau-grüne Augen und eine durch einen Bruch etwas verunstaltete Nase, die seinem kantigen Gesicht einen beinahe harten Ausdruck verlieh. Der weich geschwungene Mund und das io jungenhafte Lächeln straften diesen Eindruck jedoch Lügen. Laird hatte schmale, lange Hände, und er sprach mit leichtem schottischem Akzent.

Amos’ prüfendem Blick war auch die lässige Eleganz des braunen Gabardineanzuges nicht entgangen, den Laird zusammen mit einem blauen Oberhemd, einer Strickkrawatte und bequemen Lederschuhen trug. Plötzlich erregte die Messingschnalle mit dem Seemannsabzeichen an Lairds Gürtel Amos’ Aufmerksamkeit.

»Sind Sie früher zur See gefahren, Mister?«, erkundigte sich der Kapitän neugierig.

»Ja, ’ne Zeitlang«, erwiderte Laird. »Allerdings nie auf Tankern...«

Amos nickte zufrieden. »Das habe ich mir beinahe gedacht. Na gut, dann sprechen wir ja dieselbe Sprache. Was haben Sie jetzt vor?«

Laird zuckte mit den Schultern. »Uns liegen bereits die Berichte eines Sachverständigen und des Tauchers vor. Ich mache ebenfalls einen Situationsbericht und schicke ihn an unsere Zentrale nach London. Alles Weitere wird von der Geschäftsleitung mit Ihren Reedern ausgehandelt. Die Höhe des Versicherungsanspruchs kann erst festgelegt werden, wenn wir die Craig Michael wieder flottgemacht haben und sämtliche Rechnungen präsentiert wurden. Aber ich glaube nicht, dass es Schwierigkeiten geben wird.«

»Das Flottmachen ist kein Problem«, erklärte Amos zuversichtlich. »Ich bin derselben Meinung wie der Sachverständige. Wenn wir die zehn Tage warten, bis der höchste Frühjahrswasserstand erreicht ist und die Craig Michael dadurch noch eine Portion Wasser mehr unter dem Kiel hat, kommt sie von allein wieder los. Ich brauche nur zwei starke Schlepper und einen Bergungsinspektor, der seinen Job versteht, dann können wir wieder in der äußeren Bucht vor Anker gehen.«

»Ja, es hat keinen Sinn, es vorher zu versuchen«, bemerkte Laird.

»Sie meinen wohl, bei einem arbeitslosen Tanker hat’s sowieso niemand eilig«, brummte Amos, zog eine altmodische Taschenuhr heraus, warf einen Blick darauf und steckte sie wieder ein. »Kann ich Ihnen sonst noch was zeigen, Mister?«

»Heute nicht mehr«, antwortete Laird.

Amos zögerte. »Sie... wissen Sie, dass meine Frau an Bord ist?«

Laird nickte. Es kam oft vor, dass Schiffsoffiziere ihre Frauen auf große Fahrt mitnahmen.

»Um diese Zeit gibt es bei uns meistens Kaffee. Meine Frau möchte Sie kennenlernen... natürlich nur, wenn Sie nicht in Eile sind«, fügte Amos hinzu.

»Nein, das bin ich nicht.« Obwohl Laird im Augenblick eher Lust auf ein kühles Bier gehabt hätte, war seine Neugier geweckt. Außerdem war er an einer guten Zusammenarbeit mit dem Kapitän der Craig Michael interessiert. »Gehen Sie voraus, Kapitän.«

An einer Bodenluke in der Nähe lehnten zwei Fahrräder. Die meisten Tanker hatten einige Fahrräder an Bord, damit die Besatzung die verhältnismäßig weiten Entfernungen an Deck schneller überwinden konnte. Laird und Amos setzten sich auf die Fahrräder und fuhren los. Die Gummireifen summten leise über die stählernen Deckplatten. Auf ihrem Weg begegneten der Kapitän und Laird einem schlanken, großen blonden Mann, der neben einer offenen Kontrollluke kniete und ihnen freundlich zuwinkte.

»Das ist Jody Cruft, unser Bootsmann«, erklärte Amos, als sie vorbeifuhren. »Er überprüft die Tanks... eine unserer Routinearbeiten.«

Dann erreichten sie die hohen Brückenaufbauten im Achterschiff der Craig Michael, stiegen von den Rädern, stellten sie neben der Tür zum Niedergang ab und betraten eine große kühle Kabine, in der bereits ein Mann in einem Sessel saß und eine Tasse Kaffee trank. Er nickte ihnen flüchtig zu, als eine rothaarige Dame auf sie zukam und sie lächelnd begrüßte.

»Das ist meine Frau Mary«, stellte Amos sie mit einem zärtlichen Unterton in der rauen Stimme vor. »Mary, das ist Andrew Laird. Für einen Versicherungsagenten macht er einen ganz menschlichen Eindruck.«

Harry Amos schüttelte Laird lachend die Hand. Sie hatte ein sommersprossiges, breites, jedoch noch immer hübsches Gesicht, war ungefähr Mitte Vierzig, trug Jeans und ein Männerhemd und hatte ihr rotes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Obwohl sie barfuß war, war sie einige Zentimeter größer als ihr Mann.

»Ich habe, was Sie betrifft, bereits meine Anweisungen, Mr. Laird«, erklärte sie amüsiert. »Ich soll freundlich sein, bis wir wissen, mit wem wir’s zu tun haben.«

»Sagen Sie es mir, sobald Sie sich entschieden haben«, erwiderte Laird gelassen.

»Wenn ersieh entschieden hat«, verbesserte Mary Amos ihn und zwinkerte ihrem Mann zu. »Wie lange werden Sie bleiben?«

»Ein paar Tage... das heißt, solange, bis ich meinen Bericht geschrieben habe.« Laird ahnte, was sie in Wirklichkeit wissen wollte. »Im Augenblick sieht es so aus, als gäbe es keine Probleme. Ihren Mann trifft jedenfalls keine Schuld.«

»Gut.« Mary Amos sah ihren Mann erleichtert an und deutete dann auf die Kaffeemaschine. »Wie wär’s mit einer Tasse Kaffee?«

»Gern.« Laird bat um eine Tasse schwarzen Kaffee, und während die Kapitänsfrau mit dem Geschirr klapperte, stand der Mann, der bisher stumm in seinem Sessel gesessen hatte, brummend auf. Er hatte eine Glatze, war groß und hager und wesentlich älter als Amos.

»Vielleicht trifft uns keine Schuld, aber ’ne Medaille kriegen wir dafür auch nicht«, sagte er mürrisch. »Die Reeder hätten keine Träne vergossen, wenn wir dem Sturm zum Opfer gefallen wären. Die hätten sich vielmehr auf den Scheck von der Versicherung gefreut.«

»Darf ich Ihnen unseren Zyniker vom Dienst, Andy Dawson, den Schiffsingenieur, vorstellen«, murmelte Amos.

»Seid ihr vielleicht anderer Meinung?«, fragte Dawson mit finsterer Miene. »Natürlich ist die Craig Michael ein gutes Schiff. Aber wer will sie schon... oder uns?«

»Halt den Mund, Andy«, sagte Mary Amos, während sie Laird einen Becher Kaffee reichte. »Und wenn du das nicht kannst, dann geh raus und spiel irgendwo mit deiner Ölkanne rum. Das ist mein Ernst.«

Dawson starrte sie einen Moment stirnrunzelnd an, zuckte dann mit den Schultern und stellte seinen Kaffeebecher ins Regal.

»Ich hab’ sowieso was zu erledigen«, murmelte er, nickte Laird kurz zu und ging.

»Manchmal reitet ihn der Teufel«, seufzte Amos entschuldigend. Er zog eine Packung Zigaretten aus der Tasche, gab seiner Frau eine Zigarette und bot dann auch Laird eine an. »Hier, nehmen Sie. Wir sind im Raucherabteil. Auf dem Tanker gibt’s nicht viele davon.«

Laird zündete sich eine Zigarette an und trank einen Schluck Kaffee. »Außer Ihnen sind noch drei Mann an Bord, stimmt’s?«, fragte er schließlich.

Amos nickte. »Dawson, Jody Cruft, der holländische Bootsmann, und Cheung, unser Mädchen für alles. Cheung ist aus Honkong.« Amos sah stirnrunzelnd seine Frau an. »Wo ist Cheung überhaupt?«

»Unten. Er unterhält sich mit dem Mann, der Mr. Laird mit dem Motorboot hergebracht hat«, antwortete sie und setzte sich in einen Sessel. »Er knüpft gutnachbarliche Beziehungen an.«

»Das kann nicht schaden.« Amos zog an seiner Zigarette und schnitt eine Grimasse. »Seit wir den Kanal blockieren, sind wir bei den Fischern von Porto Esco nicht besonders beliebt. Die Fischerboote kommen zwar noch knapp an uns vorbei, aber wundern Sie sich nicht, wenn die Fischer Schadensersatzansprüche an Ihre Gesellschaft stellen:«

»Weil die Burschen neue Boote wollen?« Laird grinste. »Versuchen können sie’s ja.« Doch Laird dachte an etwas anderes.

»Sie haben vorhin gesagt, dass Ihr Bootsmann die Tanks überprüft, Käpt’n. Haben Sie denn keine gründliche Tankreinigung vorgenommen, bevor die Craig Michael außer Dienst gestellt worden ist?«

»Doch, natürlich, aber darauf sollte man sich nicht hundertprozentig verlassen«, erwiderte Amos und starrte selbstvergessen an Laird vorbei. »Ich habe nur einmal gesehen, wie ein Tanker in die Luft geflogen ist, das genügt mir, Mister. Sie wissen vermutlich, wie das in unserem Geschäft so ist. Der Tanker ist am sichersten, solange die Tanks voll sind, und es ist am gefährlichsten, wenn sie leer sind.«

Laird nickte. Es sind die heimtückischen Öldämpfe, die ein Tankerkapitän am meisten fürchtet. Selbst in einem gut gereinigten Tank können aus irgendeiner Pumpe oder einem Rohr noch diese Dämpfe entweichen, die dann in Verbindung mit Luft in einem abgeschlossenen Raum ein hochexplosives Gemisch ergeben.

»Sie gehen wirklich auf Nummer Sicher«, sagte Laird leise.

»Würden Sie anders handeln?« Amos grinste. »Außerdem steht Schwarz Mary nicht. Ich bin ein Gewohnheitstier, und deshalb werden die Tanks täglich auf Gasbildung untersucht.«

Andrew Laird betrachtete Amos anerkennend. Es war keineswegs selbstverständlich, dass ein Kapitän, der mit seinem außer Dienst gestellten Schiff monatelang irgendwo vor Anker lag, konsequent die tägliche Wartungsroutine aufrechterhielt. Laird runzelte nachdenklich die Stirn.

»Sind Sie schon Schiffsführer auf der Craig Michael gewesen, bevor der Tanker hier... sagen wir auf Eis gelegt wurde?«

Amos nickte. »Ja, seit fünf Jahren. Die Craig Michael ist das erste Schiff, das ich als Kapitän bekommen habe.«

»Nicht viele Reeder würden einen Kapitän und drei weitere qualifizierte Männer auf einem Schiff zurücklassen, das...«

»Nicht drei, sondern zwei«, verbesserte Amos den Versicherungsagenten. »Cheung ist eher eine Aushilfskraft.«

»Also gut, zwei«, nickte Laird. »Aber Sie sind an Bord geblieben, und das kostet die Reederei ’ne Stange Geld. Normalerweise lässt man auf einem solchen Schiff ein paar Pensionäre als Wache zurück, das genügt.«

Amos warf seiner Frau einen flüchtigen Blick zu. Diese lachte humorlos.

»Die Antarah Line wirft ihr Geld nicht zum Fenster raus, Mr. Laird«, erklärte sie trocken. »Von dieser Gruppe englischer und griechischer Geschäftsleute könnte selbst die Mafia noch was lernen. Sie haben ihre guten Gründe, meinen Mann an Bord zu lassen.«

Amos nickte. »Chartergeschäfte, Mr. Laird. Das ist jetzt die Devise. Meine Aufgabe ist es, die Craig Michael rund um die Uhr startbereit zu halten. Falls jemand dringend einen Tanker braucht, weil ein anderes Schiff in Schwierigkeiten geraten ist, dann springt die Antarah Line ein. Meine Bosse lassen eine kurzfristig zusammengestellte Mannschaft einfliegen.« Amos schien von der Vorstellung nicht begeistert zu sein. »Die Gesellschaft hatte noch zwei weitere Tanker, einen in England und den anderen in Südamerika, in Wartestellung liegen, und beide sind im Augenblick wieder auf Fahrt. Wir kommen auch bald dran... eine Notcharter bringt verdammt viel Geld.«

»Ich dachte mir schon, dass es sich bei der Antarah Line um keinen wohltätigen Verein handelt.« Laird warf einen Blick auf seine Uhr. Es war kurz vor vier Uhr nachmittags, und das Hauptbüro in London arbeitete nur bis fünf. Er trank seinen Kaffee aus, stellte den Becher beiseite und stand auf. »Danke, dass Sie mir alles gezeigt haben, Käpt’n. Ich muss jetzt nach Porto Esco zurück, komme allerdings morgen wieder.«

»Wir hätten eine Kabine an Bord für Sie herrichten können«, sagte Amos und erhob sich ebenfalls. »Das ist noch immer möglich, falls...«

»Ich habe in Porto Esco bereits ein Zimmer vorbestellt«, entgegnete Laird. »Und zwar im Hotel Pousada Pico.«

»Dort sind Sie gutaufgehoben. Es ist das einzige Haus, das man Touristen empfehlen kann... das heißt, falls sich mal ein

Tourist hierher verirrt.« Mary Amos drehte sich in ihrem Sessel um und warf ihrem Mann einen halb amüsierten, halb spöttischen Blick zu. »Und man sagt, dass das Pico eine besondere Attraktion hat, stimmt’s, John?«

Amos grinste flüchtig, ließ sich jedoch nicht provozieren. Als er Laird zur Tür begleitete, blieb er vor einem Schild mit der Aufschrift Sie verlassen die Zone, in der geraucht werden darf stehen und deutete auf einen Aschenbecher. Sie drückten beide die Zigaretten aus und gingen an Deck.

Laird blinzelte geblendet in die grelle Nachmittagssonne und wäre beinahe mit dem blonden Jody Cruft zusammengestoßen, der offensichtlich in die Kajüte wollte. Der Bootsmann trug ein schweres Messgerät an einem Riemen über der Schulter.

»Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Amos.

»Ja, ich konnte keine Gasbildung in den Tanks feststellen, Käpt’n«, antwortete Cruft beruhigend, grüßte Laird und verschwand im Niedergang.

Der Kapitän der Craig Michael begleitete Laird schweigend bis zur Strickleiter, die zu dem kleinen Motorboot hinunterführte, mit dem der Versicherungsagent gekommen war. Der Bootsführer entdeckte Laird sofort und sagte etwas zu dem kleinen Mann im Overall, der neben ihm im Heck gesessen hatte. Cheung, der Chinese, stand auf, kletterte die Leiter hinauf, zeigte Amos stolz das Netz voller Orangen, die er offensichtlich erstanden hatte, und ging dann in Richtung Küche davon.

»Er macht Tauschgeschäfte«, seufzte Amos müde. »Farben und Schiffsvorräte gegen frisches Obst und Gemüse.« Amos streckte Laird die Hand hin. »Also dann bis morgen.«

»Ich komme am Vormittag«, versprach Laird, schüttelte Amos die Hand und kletterte die Strickleiter hinunter. Als er an Bord des kleinen Motorbootes sprang, hatte der Portugiese bereits die Leinen losgemacht.

Mit knatterndem Motor nahm das Fischerboot Kurs auf Porto Esco. Laird schickte einen letzten Blick hinauf zum Tanker, setzte sich dann auf die Ruderbank und lehnte sich zurück. Sie fuhren den schmalen Kanal entlang in die innere Bucht, in der, da gerade Ebbe war, auf der Nord- und Ostseite das Wasser fast völlig verschwunden war. Am Westufer lagen hinter einer grauen Kaimauer, an der viele kleinere Fischerboote festgemacht hatten, die weiten, flachen Häuser von Porto Esco.

Etwas weiter nördlich konnte Laird die Brücke sehen, die über den Fluss führte. Dieser mündete in die Bucht. An der Nordostseite der Bucht entdeckte Laird zwischen den Sandbänken, die sich in der Ebbe zeigten, einen Streifen tieferen Wassers, hinter dem an der Küste ein alleinstehender Gebäudekomplex lag.

Laird wandte sich an den portugiesischen Bootsführer und deutete zu dieser Uferseite hinüber. »Was ist das dort drüben?«

Der Portugiese folgte Lairds Blick. »Für alte Schiffe«, antwortete er dann. »Eine Werft für alte Schiffe.«

»Eine Abwrackfirma?« Laird hob interessiert eine Augenbraue. »Wem gehört denn die Firma, Pousada Pico?«

»Das kommt ganz darauf an, wem Sie diese Frage stellen.« Der Bootsführer spuckte grinsend in den Wind. »Einige behaupten, sie gehört noch immer dem Arbeiterrat, andere meinen, Señor da Costa und dessen Freund seien die rechtmäßigen Besitzer. Mir ist das gleichgültig. Ich kümmere mich nicht darum.«

Laird drang nicht weiter in ihn. Ausländer waren in Portugal zwar willkommen, aber man erwartete, dass sie in einem Land, das gerade eine mehr oder weniger unblutige Revolution überstanden hatte, nicht zu viele indiskrete Fragen stellten. Sein Blick schweifte zu einem offenen Behälter zu Füßen des portugiesischen Bootsführers, und er konnte nur mit Mühe ein Lächeln unterdrücken. Zwischen rostigem Werkzeug hatte er eine Büchse Milchpulver entdeckt, die aus den Vorratsbeständen eines Schiffes zu stammen schien.

Die privaten Bedürfnisse und Sehnsüchte der Menschen hatten mit Politik nichts zu tun.

 

Kurz darauf machten sie zwischen anderen Fischerbooten am Kai von Porto Esco fest. Laird bezahlte den Bootsführer, stieg die ausgetretene Holztreppe zum Pier hinauf und ging zu dem Parkplatz hinüber, auf dem er den gemieteten gelben Simca abgestellt hatte, mit dem er vom Flughafen Faro nach Porto Esco gefahren war.

Als er den Wagen sah, wurden seine Schritte unwillkürlich langsamer.

Ein bulliger Polizeisergeant lehnte, die Hände in den Hosentaschen, ein Zigarillo im Mundwinkel, an der Motorhaube. Kaum hatte er Laird entdeckt, warf er das Zigarillo fort und legte lässig die Hand zum Gruß an die Mütze.

»Ist das Ihr Auto, Señor?«, erkundigte er sich.

Laird zog prüfend die Luft ein, während er zustimmend nickte. Der Sergeant benutzte eine stark riechende Aftershave-Lotion. Er hatte ein kantiges, grobes Gesicht, trug ein dünnes, schwarzes Oberlippenbärtchen und hatte einen Bauch.

»Kann ich mal Ihren Pass sehen?« Der Sergeant hatte die Daumen in den Ledergürtel gesteckt, an dem ein Gummiknüppel und eine Pistole im Halfter hingen, und wartete gelassen, bis Laird seinen Reisepass aus der Brieftasche gefischt hatte und ihn ihm reichte. Er blätterte den Ausweis mit undurchdringlicher Miene durch und gab ihn dann Laird mit einem Nicken zurück. »Obrigado. Jetzt bleibt allerdings noch ein kleines Problem.«

»Und das wäre, Sergeant?«, fragte Laird höflich, während er den Reisepass wieder einsteckte.

»Ihr Auto.« Der Sergeant tippte mit seinem glänzend gewichsten Stiefel gegen den rechten Vorderreifen. »Am Pier ist Parkverbot. Und selbst hier in Porto Esco sollte man einen Wagen, in dem sich noch Gepäck befindet, abschließen.«

Laird fluchte unterdrückt, öffnete die Autotür und starrte prüfend ins Wageninnere. Seine Reisetasche stand noch immer unberührt auf dem Beifahrersitz, doch die Plastiktüte mit dem Whisky und den Zigaretten aus dem Duty-free-Shop am Londoner Flughafen war verschwunden. Er schlug seufzend die Tür wieder zu. Laird wusste, dass auch das normale Autoschloss für einen geübten Dieb kein Hindernis war.

»Und fehlt was, Señor?«, erkundigte sich der Sergeant.

Laird schüttelte langsam den Kopf. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass es besser war, im Ausland erst dann einen Wirbel zu veranstalten, wenn es der Mühe wert war.