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**Zwei Tänzer, ein Wettkampf, ein Ziel – und ein Kuss, der alles ändert** Louisa Bergmann ist die kleine Schwester seines besten Freundes – und aus vielen Gründen tabu. Doch Jonas von Steinberg braucht sie. Denn er muss sich endlich als Tänzer beweisen. Eigentlich soll er eine sichere Zukunft im Hotelbetrieb seiner Familie planen. Aber er träumt von einer Tanz-Profi-Karriere. Dieser Traum scheint endlich in greifbarer Nähe, als er eine Einladung bekommt. Er soll für das neue TV-Format "Dance with the Ocean" vortanzen. Allerdings hat die Teilnahme an der Fernsehshow einen unerwarteten Haken: Louisa wird ihm als Tanzpartnerin zugeteilt. Vor Jahren hat ein Kuss zu falschen Hoffnungen und Louisas Hass geführt. Doch ihre Liebe zum Tanzen zwingt beide zur Zusammenarbeit. Als sie beginnen, die Mauern zwischen sich einzureißen, steht Jonas plötzlich vor einer Entscheidung, die nicht mehr nur seine Karriere aufs Spiel setzen könnte ... »The Secret of Our Hope« ist eine Second Chance-Romance mit Opposites Attract und einer Prise Forced Proximity. //»The Secret of Our Hope« ist der zweite Band der »Golden Sands Resort«-Trilogie. Er ist unabhängig vom ersten Band lesbar, für ein besseres Verständnis empfiehlt es sich jedoch, in chronologischer Reihenfolge zu beginnen. Alle Bände der gefühlvollen New Adult Romance bei Impress: -- The Darkness in Our Lights -- The Secret of Our Hope -- The Shadows of Our Love// Diese Reihe ist abgeschlossen.
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Impress
Die Macht der Gefühle
Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.
Wer nach Geschichten zum Mitverlieben in den beliebten Genres Romantasy, Coming-of-Age oder New Adult Romance sucht, ist bei uns genau richtig. Mit viel Gefühl, bittersüßer Stimmung und starken Heldinnen entführen wir unsere Leser*innen in die grenzenlosen Weiten fesselnder Buchwelten.
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Marie Westendorf
Golden Sands Resort 2: The Secrets of Our Hope
Zwei Tänzer, ein Wettkampf, ein Ziel – und ein Kuss, der alles ändert
Louisa Bergmann ist die kleine Schwester seines besten Freundes – und aus vielen Gründen tabu. Doch Jonas von Steinberg braucht sie. Denn er muss sich endlich als Tänzer beweisen. Eigentlich soll er eine sichere Zukunft im Hotelbetrieb seiner Familie planen. Aber er träumt von einer Tanz-Profi-Karriere. Dieser Traum scheint endlich in greifbarer Nähe, als er eine Einladung bekommt. Er soll für das neue TV-Format „Dance with the Ocean“ vortanzen. Allerdings hat die Teilnahme an der Fernsehshow einen unerwarteten Haken: Louisa wird ihm als Tanzpartnerin zugeteilt. Vor Jahren hat ein Kuss zu falschen Hoffnungen und Louisas Hass geführt. Doch ihre Liebe zum Tanzen zwingt beide zur Zusammenarbeit. Als sie beginnen, die Mauern zwischen sich einzureißen, steht Jonas plötzlich vor einer Entscheidung, die nicht mehr nur seine Karriere aufs Spiel setzen könnte …
Buch lesen
Vita
Danksagung
© privat
Marie Westendorf ist eine junge, deutsche Autorin, die, seit sie denken kann, romantische Geschichten schreibt. Wenn sie nicht gerade vor dem Laptop sitzt, verbringt sie ihre Zeit mit einem guten Buch, ihrer Familie oder ihren Freunden oder arbeitet als Ergotherapeutin. Mit dem Kopf voller Ideen vergeht allerdings kaum ein Tag, am dem sie nicht an ihre Protagonist*innen denkt.
Für Mama und Papa.Danke, dass ihr meine Träume immer unterstützt habt und jederzeit für mich da seid.
Liebe Leserin, lieber Leser,
dieser Roman enthält potenziell triggernde Inhalte. Aus diesem Grund befindet sich hier eine Triggerwarnung. Am Romanende findest du eine Themenübersicht, die Spoiler enthält.
Entscheide bitte für dich selbst, ob du diese Warnung liest. Gehe während des Lesens achtsam mit dir um. Falls du auf Probleme stößt und/oder betroffen bist, bleibe damit nicht allein. Wende dich an deine Familie und an Freunde oder suche dir professionelle Hilfe.
Wir wünschen dir alles Gute und das bestmögliche Erlebnis beim Lesen dieser besonderen Geschichte.
Marie und das Impress-Team
Drei Jahre zuvor
Ich stehe in einem Raum voller Menschen und gehe dennoch unter, bin unsichtbar. Das war schon immer so. Schließlich bin ich nur Linus kleine Schwester. Ich spiele nicht bei den Großen mit und das, obwohl uns nur ein jämmerliches Jahr Altersunterschied voneinander trennt.
»Du meinst, es ist wirklich okay, dass ich hier bin?«, frage ich nach und ernte einen zugebenermaßen berechtigt genervten Blick von Karina, meiner besten Freundin.
»Lukas hat dich zwar nicht offiziell eingeladen, aber er sieht dich wie eine kleine Schwester. Vertrau mir, es ist in Ordnung. Und selbst wenn er seine Meinung schlagartig geändert haben sollte, können wir immer noch das Argument vorlegen, dass deine Anwesenheit meiner moralischen Unterstützung dient.«
Ich seufze. »Ich weiß. Vielleicht bin ich einfach etwas nervös, weil Linus nicht da ist.«
»Was ich nicht verstehe. Linus hätte wieder einmal ein viel zu großes Drama aus allem gemacht. Er lässt dich nie mitkommen, da solltest du die Chance nutzen, dass er nicht da ist.«
»Er ist im Krankenhaus. Irgendwie fühlt sich das wie ausnutzen an.«
»Weil er seine Hirnzellen in den Feierabend geschickt hat, als er meinte, dass es eine geniale Idee wäre, beim Abistreich ausgerechnet auf dem Autodach des Direktors rumzuhüpfen, nur um sich beim Herunterspringen das Bein kompliziert zu brechen.«
So wie Karina Linus Unfall ausspricht, kann ich gar nicht anders, als zu lachen. Er ist definitiv selbst schuld, das stimmt. Das lässt mein schlechtes Gewissen trotzdem nicht komplett verschwinden, weil er niemals erlaubt hätte, dass ich hier bin. Schon gar nicht ohne ihn. Aber unsere Eltern haben keinen Einwand gezeigt und Karina hat mir nicht wirklich eine Wahl gelassen. Und was spricht dagegen, wenn Lukas einverstanden ist, dass ich zu seiner Geburtstagsparty komme? Wir verbringen oft Zeit mit Karinas älterem Bruder, mit Linus und Jonas von Steinberg, dem besten Freund der beiden.
»Also schön, ich gebe auf«, sage ich und blicke an mir herunter. »Wäre auch zu schade, mit diesem Outfit wieder nach Hause zu gehen, ohne auch nur einen Fuß in euren Garten gesetzt zu haben.«
»Eben«, meint Karina grinsend. »Wir dürfen genauso gut hier sein, wie jeder andere auch. Immerhin ist es mein Bruder, der diese Party in unserem Zuhause veranstaltet. Wer also, wenn nicht wir?«
»Stimmt«, sage ich lachend, weil meine Vernunft gegenüber meinem großen Bruder manchmal etwas zu sehr die Oberhand gewinnt. Außerdem haben wir eine Ewigkeit damit verbracht, Outfits zu finden und uns fertigzumachen. Ich glaube, während wir in Karinas Zimmer waren, hat Lukas den gesamten Garten für seine ungefähr 50 Gäste vorbereitet.
»Und wenn ich Glück habe, wird Charlie bemerken, dass ich mir heute extra Mühe mit meinem Outfit gegeben habe«, sagt Karina grinsend und streicht über das schwarze, enganliegende Kleid, von dem ich vermute, dass es aus dem Kleiderschrank ihrer Mutter stammt. Karinas Eltern sind heute Abend nicht im Haus. Andernfalls würden sie sicherlich einen Tobsuchtsanfall erleiden, wenn sie die Tiefe ihres Ausschnitt sehen würden. Nicht, dass das Kleid nicht umwerfend aussehen würde. Nur hat auch sie das Problem, dass gerne über ihren Kopf entschieden wird, was getragen werden darf und was nicht. »Ich glaube, es könnte bald so weit sein.«
Schmunzelnd betrachte ich sie, wie sie sich auf die rotgeschminkten Lippen beißt und sich aufgeregt durch ihre blonden Haare fährt.
Charlie, eigentlich Charles genannt, und sie sind seit ungefähr sechs Monaten zusammen. Kennengelernt haben sie sich durch ihre Eltern. Karinas Vater ist ein großer Investor in der Gegend und hat einen Deal mit Charles Vater abgeschlossen. Dieser hat daraufhin einen Standort in Rostock eröffnet und er und seine Familie sind nach Warnemünde gezogen. Und der Rest ist eigentlich Geschichte. Während meine beste Freundin sich nämlich auf den ersten Blick in Charles verliebt hat, warte ich immer noch vergebens darauf, dass mich überhaupt irgendjemand mal bemerkt. Aber leider hat mein großer Bruder hier einfach zu viel Macht – sowohl über mich als auch über die anderen.
»Dahinten sind Lukas und Jonas«, bemerkt sie, greift nach meiner Hand und zieht mich hinter sich her.
Wir durchqueren die Partygäste, die sich an die provisorisch aufgebaute Bar drängen. Mehr als einmal werde ich dabei angerempelt und mit den verschiedensten Parfüms konfrontiert, sodass meine Nase eine wahre Reizüberflutung erfährt.
Wir erreichen endlich die Jungs, die sich vor der Dartscheibe tummeln. Um sie herum stehen ein paar Leute, die ich aus der Schule kenne. Gespannt schauen sie Lukas und Jonas an, die gerade jeweils drei Dartpfeile in die Hand nehmen.
»Und du bist dir sicher, dass du mich schlagen kannst?«, fragt Lukas selbstsicher.
Jonas grinst ihn nur an. »Ich habe dich schon einmal geschlagen und ich werde es wieder tun.« Dann dreht er sich um und sein Blick liegt erst auf Karina, dann auf mir. Ein Lächeln schleicht sich auf seine Lippen, das mein Herz ein wenig schneller schlagen lässt, bevor er sich Lukas zuwendet. »Aber falls du meinst, du schaffst das nicht, können wir uns gerne Verstärkung dazu holen.«
»Verstärkung? Durch die beiden? Du weißt genauso gut wie ich, dass die beiden absolut keine Treffsicherheit aufweisen.«
»Nicht?«, hake ich nach und sehe Lukas herausfordernd an. »Ich habe geübt.« Dass das eine glatte Lüge ist, muss niemand wissen. Sowohl Karina als auch Jonas wird bewusst sein, dass Lukas seinen besten Freund im Alleingang schlagen möchte.
»Siehst du?« Jonas grinst, ehe er mit den Schultern zuckt. »Das reicht mir, um die beiden ins Spiel zu holen.«
Scheiße, scheiße, scheiße. So war das nicht geplant. Alarmiert blicke ich zu Karina, die mich nur grinsend ansieht. Sie weiß um meine kleine Schwäche für Jonas. Nicht, dass ich dieser jemals nachgehen würde, aber manchmal spuckt mein Hirn in Jonas Anwesenheit merkwürdige Dinge aus. Dinge, die ich sonst niemals sagen würde. Wie, dass ich gut in Dart bin.
»Also schön«, stimmt Lukas ein. »Ich soll eh ein Auge auf die Zwei haben. Aber dann spiele ich auf jeden Fall mit Karina. Die kann wenigstens ein bisschen werfen.«
»Hey«, entfährt es mir.
»Sorry, Lou, aber nein. Du bist zwar eine Sportskanone, aber Werfen kannst du nicht«, teilt er mir seine Meinung mit, nach der ich nicht gefragt habe.
Jonas lacht nur amüsiert und tritt neben mich. Und dann legt er seinen Arm um meine Schultern und zieht mich an seine Seite. Der Duft seines Parfüms steigt in meine Nase. Jonas riecht nach Sandelholz und einer Note von Vanille, gepaart mit einem Hauch Kräutern, die dem Duft eine gewisse Frische verleihen. Dass es ausgerechnet Tom Fords ›Our Wood‹ ist, weiß ich nur, weil ich mit Linus gerade erst zu seinem Geburtstag in der Parfümerie war, um Jonas seinen Standardduft nachzukaufen. Jonas Blick liegt auf mir und er grinst. »Klingt für mich nach purer Angst, meinst du nicht auch?«
»Pass auf, was du tust, von Steinberg«, erwidert Lukas nur. »Wir werden gewinnen, nicht Kleine?«
»Aber hallo«, stimmt Karina grinsend ein. »Ich nehme die roten Pfeile.«
Sofort schnappt Lukas protestierend nach Luft. »Nein, das sind meine. Finger weg!«
Ich lache leise, während Karina und Lukas sich einen dieser geschwisterlichen Kämpfe liefern und wende mich dann Jonas zu. »Welche darf ich nehmen?«
»Nimm die hier«, sagt er und reicht mir drei Pfeile, deren Shafts hellblau sind. »Die sind leichter zum Werfen.«
»Danke. Welche nimmst du?«, frage ich.
»Die Roten. Hier, fühl mal. Die sind viel schwerer«, meint er und hält mir abwartend die Dartpfeile hin. Ich öffne meine Hand und als er die Pfeile darin ablegt, streifen sich unsere Finger. Ich schlucke, als Jonas seine Hand daraufhin schnell zurückzieht, und nicke. »Du hast Recht.«
»Je leichter die Pfeile sind, desto besser kann man den Wurf kontrollieren. Die meisten Dartanfänger spielen mit leichten Pfeilen, bevor sie sich dann mehr und mehr steigern mit dem Gewicht.«
»Woher weißt du das alles?«, frage ich interessiert.
Jonas grinst schief. »Mein Vater hat öfter gespielt, aber das meiste habe ich tatsächlich von Lukas Vater gelernt. Aber um ehrlich zu sein, tanze ich lieber, statt in einer stickigen Kneipe Darts zu spielen.«
»Geht mir genauso«, sage ich. Vielleicht ist es das, was ich an Jonas so interessant finde. Wir tanzen beide gerne und ich weiß von Karina, dass Jonas vorhat, sein Hobby zu seinem Beruf zu machen. Ähnlich wie ich, denn erst vorgestern habe ich eine Bewerbung zu einer renommierten Tanzschule in London geschickt. Auch wenn ich versuche, mir keine Hoffnungen zu machen, weil die Konkurrenz nie schläft.
»Da haben wir neben unserem grandiosen Talent im Dartspielen noch etwas gemeinsam«, meint er grinsend, wobei er das eigentlich längst weiß.
Ich erwidere das Lächeln und nicke, habe aber keine Gelegenheit mehr etwas zu erwidern.
»Bereit? Wir spielen runter. Von 501 auf null«, erklärt Lukas, vorrangig an mich gerichtet.
»Ich weiß.«
Lukas nickt und fährt sich einmal durch die blonden Haare, die sowohl er als auch Karina von ihren Eltern geerbt haben.
»Also dann … los geht’s«, meint Jonas und grinst. Mit großer Entschlossenheit, das Ding zu gewinnen, tritt er mit etwas mehr als zwei Metern Abstand vor die Dartscheibe. Jonas wirft und trifft. Mit dem ersten Pfeil in der Trippel-Zwanzig, neben dem Bullseye wohl das wichtigste Feld auf der Dartscheibe. Der zweite landet in der 20 und der dritte in der Doppel-Zehn.
»Das war super«, rufe ich ihm zu und er nickt lächelnd. Dann tritt Lukas vor die Scheibe und wirft seinen ersten Wurf. Er erzielt ziemlich gute Punkte. 140, und damit immer noch vierzig mehr als Jonas, aber ich bin zuversichtlich, dass sich das Spiel noch drehen und wenden kann.
»Du bist, kleine Bergmann.«
»Ich hasse es, wenn du mich so nennst«, gebe ich nur brummend von mir und tausche mit Lukas den Platz. Als ich auf die Dartscheibe schaue, werfe ich einen kurzen Blick zu Jonas. Gespannt schaut er zwischen mir und der Scheibe hin und her. Innerlich bete ich, dass das Glück auf meiner Seite ist und werfe. Der erste Pfeil landet im Feld der 3.
»Scheiß drauf. Wirf weiter«, ruft Jonas mir aufmunternd zu. Genau das tue ich und treffe die 20. Besser. So viel besser. Ich atme tief durch und werfe den dritten Pfeil und dieser landet nicht einfach irgendwo. Nein, er landet im äußeren Bullseye. Ein überraschter Laut entfährt mir, während Jonas ein siegessicheres Lachen ausstößt und mir die Hand hinhält, damit ich abklatschen kann.
Ich schlage bei ihm ein, doch er hält meine Hand für einen kurzen Augenblick fest und grinst mich an. »Sehr gut!«
»Das war einfach nur Glück, Jonas. Komm wieder runter«, gibt Lukas genervt zurück. »Los, Karina. Du bist dran.«
Karina wirft mir nur einen vielsagenden Blick zu, während ihre Augen zwischen mir und Jonas hin und her wandern, aber ich schüttele den Kopf. Egal, wie sehr mein Herz hofft, irgendwann eine Chance bei Jonas zu haben, so weiß glücklicherweise mein Verstand, dass das nichts wird. Und das ist die meiste Zeit in Ordnung. Es sei denn, er schaut mich so merkwürdig an, hält meine Hand länger fest als nötig oder streift mich mit seinen Berührungen.
Während des Dartspiels gelingt es mir gut, auszublenden, dass Jonas mich bedeutend oft ansieht.
Jedenfalls ist es der letzte Pfeil, den Jonas gerade wirft und die Spannung ist greifbar. Er muss die Doppel 10 treffen, damit er das Spiel für uns entscheidet.
Karina schaut mich aufgeregt an und ich drücke ihm die Daumen.
Einen Wimpernschlag später wirft Jonas und ich jubele laut auf, als sein Pfeil genau in das richtige Feld trifft. Mit einem breiten Lächeln dreht sich Jonas zu mir. Wieder will ich ihm die Hand hinhalten, damit er einschlagen kann, aber er hat andere Pläne. Kurzerhand greift er mich an meiner Taille, drückt mich an sich und wirbelt mich jubelnd durch die Luft.
Ein Lachen entkommt meiner Kehle so unbewusst und alles, was ich fühle, ist Jonas Körper an meinem.
Ich halte mich an seinen Schultern fest und nutze vielleicht ein wenig aus, wie nah wir uns sind. Kaum dass ich mich an dieses Gefühl gewöhnt habe, bleibt Jonas stehen und lässt mich langsam an seinem Körper herunterrutschen, bis meine Sneaker wieder auf dem Boden aufkommen.
»Gutes Spiel«, sagt er. Seine Hände befinden sich trotz allem noch immer an meiner Taille.
»Ich glaube, das meiste hast tatsächlich du erreicht«, gebe ich zu. »Vielleicht war die Aussage, dass ich geübt habe, doch eine kleine Lüge?«
Amüsiert blickt er mich an und hebt die Brauen. »Was? Echt?«, spricht er und es ist klar, dass er mich auf den Arm nimmt. Man muss nicht genau hinsehen, um zu wissen, dass ich eine Niete in Darts bin.
Lachend schlage ich ihm gegen die Brust. »Sei still.«
»Hat doch Spaß gemacht, das ist alles«, meint er und schaut mir direkt in die Augen. »Schätze wir sind ein gutes Team.«
Ich erwidere seinen Blick mit pochendem Herzen. Das hier ist anders. Jonas war immer freundlich zu mir aber das hier fühlt sich besser an. So viel besser. Als würde er in diesem Augenblick mich sehen. »Scheint so.«
»Erwischt«, ruft jemand neben uns und wir fahren auseinander. Ein Mädchen mit geröteten Wangen steht uns gegenüber. Auf ihrem Kleid sind einige dunkle Flecken, die wie ich vermute von ihrem Bier kommen, das bis zum Rand gefüllt ist. »Der Mistelzweig hat euch erwischt. Küssen, küssen, küssen.«
»Aber …«, beginnt Jonas. »Es ist gar nicht Weihnachten.«
Sie kichert. »Na und? Mistelzweig bleibt Mistelzweig. Wer hat entschieden, dass das nur an Weihnachten gilt?«
Lukas schaltet sich ein und nimmt ihr den Mistelzweig ab. »Woher hast du den, Sarah?«
»Aus der Hütte«, beichtet sie kichernd. »Wir dachten, wir spielen Amor.«
»Aber ganz bestimmt nicht hier«, sagt Lukas und dreht sie um. »Los, wir bringen ihn weg und halten den Alkohol von dir fern. Jetzt gibt’s erst mal ein Wasser für dich.«
Sprachlos schaue ich Lukas an, wie er Sarah begleitet, ehe Jonas sich neben mir räuspert und wieder all meine Aufmerksamkeit verlangt. »Das war seltsam.«
Ich nicke bloß.
»Gut, dass Lukas das geregelt hat«, spricht er weiter. Hinter ihm wirft Karina mir einen Blick zu, den ich nicht ganz deuten kann. »Immerhin … also … du bist Linus kleine Schwester.«
Obwohl es der Wahrheit entspricht, tun seine Worte mir weh. Weil ich wieder auf meinen Bruder reduziert werde. Weil ich nicht Louisa, sondern Linus kleine Schwester bin. Dabei bin ich so viel mehr und gerade eben hatte ich für wenige Sekunden das Gefühl, dass Jonas es sehen würde. Denn ich will, dass er es sieht. Mich sieht und erkennt, dass Louisa mehr zu bieten hat. Dass es sich lohnen würde, sie kennenzulernen.
»Klar«, spucke ich die Wörter irgendwie aus. »Linus kleine Schwester. Das wäre eine Katastrophe.«
Jonas Augen weiten sich. »Nein, also …«
»Schon gut«, sage ich und bemühe mich so überzeugend wie möglich zu lachen. Dass ich tief in mir am liebsten weinen möchte, weil ich mir in irgendeiner Weise Hoffnung gemacht habe, muss niemand wissen. »Ist ja noch mal gut gegangen. Wenn du mich entschuldigst, ich muss mal aufs Klo.«
»Louisa, warte«, ruft Karina, doch ich winke ab und laufe weiter. Ich kann jetzt nicht mit ihr darüber reden, wenn in meinem Kopf dieses Chaos herrscht.
Ich steuere die Nebentür des Hauses an und gebe den Code ein, der das Schloss öffnet. So schnell wie möglich und damit niemand auf die Idee kommt, das Haus zu betreten. Im Flur angekommen, stoße ich einen Schwall Luft aus und laufe nach oben.
Das Knallen einer Tür, die ins Schloss fällt, lässt mich zusammenzucken. Ich fahre herum, als ich schnelle Schritte höre. Jonas betritt die erste Stufe auf dem Treppenansatz und ich schlucke. Seine Hand liegt auf dem Geländer, während er in seinem blauen Hemd und dieser unverschämt gut sitzenden Chinohose Stufe für Stufe aufholt. Er lächelt, als er vor mir stehenbleibt, und greift nach meiner Hand. »Das war nicht, was ich sagen wollte«, meint er und ich schaue ihn verwirrt an.
»Was?«, entfährt es mir. »Aber gerade …«
»Gerade war ich ein Mistkerl und es tut mir leid. Natürlich bist du Linus Schwester aber … du bist auch Louisa. Die ich sehr nett, witzig und total hübsch finde«, erklärt er. »Und der Gedanke, dass ich dich küsse … hat mich einfach ein wenig überfordert.«
Ich schlucke. »Und … warum bist du jetzt hier?«
»Ich … Also … Wir sollten die Tradition nicht brechen, oder?«, fragt er leise. »Es sei denn, du willst nicht. Dann vergiss, was ich gesagt habe.«
Ich mustere ihn einen Augenblick und weiß nicht, wie mir geschieht. Meine Hände sind schwitzig vor Aufregung, mein Herz pocht laut und schnell in meiner Brust und meine Lippen … die finden sich in der nächsten Sekunde auf Jonas Lippen wieder. Etwas unkoordiniert zu Beginn, aber kaum, dass Jonas seine Arme um meine Taille legt und mich an sich zieht, verfliegt die Unsicherheit in mir.
Eine Gänsehaut breitet sich auf meinen Unterarmen aus, kaum, dass Jonas mit seiner Zunge sanft, aber neckend über meine Unterlippe streicht.
Ein leises Seufzen entfährt mir, als unsere Zungen aufeinandertreffen und ich schlinge die Arme um Jonas Hals, um ihm näherzukommen.
Jonas löst sich nur wenige Zentimeter von mir und legt seine Stirn an meine. »Tradition erfüllt, würde ich sagen, oder?«
»Mehr als erfüllt«, erwidere ich leise.
Im nächsten Augenblickt küsst Jonas mich erneut und es ist das schönste Gefühl, das ich je erlebt habe.
Ein Abendessen mit der Familie klingt im ersten Moment unspektakulär. Wenn man allerdings bedenkt, dass statt vier Stühlen nun sechs am Tisch stehen und besetzt sind, ist das schon ein weitaus merkwürdigerer Umstand. Damit meine ich nicht, dass Milan, der Freund meiner Zwillingsschwester Zoé, anwesend ist. Nein, es ist eher die Tatsache, dass meine Mutter in unserer Gesellschaft ist und gemeinsam mit meinem Vater und seiner Frau Katharina am Tisch sitzt. Ich weiß nicht, wann das zuletzt der Fall gewesen ist. Oder ob es überhaupt einmal dazu gekommen ist. Mama habe ich vor drei Tagen das erste Mal seit einer Ewigkeit wiedergesehen, und während ich mich an ihre Anwesenheit so etwas wie gewöhnt habe, ist Zoé noch immer etwas skeptisch.
»Und, Zoé? Erzähl doch mal, wie es in deinem Studium läuft«, fordert Mama sie direkt auf. Obwohl ich dankbar dafür bin, dass jemand das Wort ergreift, merke ich deutlich, wie Zoé sich neben mir versteift. Früher war es meine Aufgabe, Zoé beizustehen. Jetzt ist direkt Milan zur Stelle, der unter dem Tisch eine Hand auf ihren Oberschenkel legt.
»Gut. Ich schreibe nächstes Jahr meine Bachelorarbeit und dann bin ich fertig mit dem Studium«, erklärt sie. Sie bemüht sich offen zu sein, das weiß jeder an diesem Tisch, aber man merkt dennoch, wie viel Distanz zwischen ihr und Mama liegt. Was vollkommen verständlich ist.
»Schön. Das ist wunderbar, Darling. Hast du schon Pläne für danach?«, fragt sie interessiert.
Zoé schaut flüchtig in Papas Richtung, der jedoch damit beschäftigt ist, sich Krabben in den Mund zu stopfen und gar nicht richtig zuhört. Katharina sitzt an seiner Seite und begegnet meinem Blick. Ein aufmunterndes Lächeln wirft sie mir zu, dann greift sie zu ihrem Glas Wein und nippt daran. Falls es für unsere Stiefmutter schwierig sein sollte, dass Mama hier ist, lässt sie es sich zumindest nicht anmerken. Dass Papa absolut nicht begeistert ist, weiß jeder an diesem Tisch. Auch Mama, weshalb diese nicht einmal in unserem Hotel untergebracht ist, sondern ein Ferienhaus bezogen hat, da sie plant, für einen Monat zu bleiben.
Und dann wären wir schon bei mir angekommen. Ich, der keine Ahnung hat, wie ich dazu stehe, dass Mama hier ist. Vielleicht hatte ich mehr Kontakt zu ihr als beispielsweise Zoé, weil ich oft mit unserer ältesten Schwester Carolina schreibe und telefoniere. Da ist es klar, dass ich hin und wieder etwas von Mama mitbekomme, aber unser Verhältnis würde ich dennoch als distanziert bezeichnen. Ich rechne es ihr dennoch hoch an, dass sie hier ist und nicht wie sonst immer verlangt hat, dass wir sie besuchen. Was genau genommen nie vorgekommen ist, weil immer wieder der Kontakt eingeschlafen ist. Seit der Trennung unserer Eltern vor etlichen Jahren ist unsere Beziehung so eisig zueinander. Zoé und ich sind damals bei unserem Vater in seinem Hotel, dem Golden Sands Resort, geblieben. Während der Trennung ist Mama urplötzlich nach London zu ihrem neuen Partner gezogen und hat nur Carolina mitgenommen. Keiner von uns weiß so richtig, warum Mama nur sie dabeihaben wollte und bis heute haben weder Zoé noch ich irgendeine Antwort darauf erhalten. Für Papa ist das Thema Trennung ein rotes Tuch und Mama spricht nicht darüber, weil sie diejenige ist, die unseren Vater betrogen hat. So lautet zumindest die Erklärung in meinem Kopf, die ich mir immer gegeben habe, wenn mich das Thema wieder eingeholt hat.
»Nein«, sagt Zoé auf Mamas Frage. »Keine Pläne für danach.«
Ich weiß, dass das eine glatte Lüge ist, aber ich würde Zoé niemals in den Rücken fallen und ausplaudern, was sie und Milan heimlich planen. Eigentlich wollte Zoé immer nur eines: In Papas Fußstapfen treten. Nur seinetwegen hat sie ihr Hotelmanagementstudium überhaupt erst begonnen. Und wenn ich mir das Golden Sands Resort anschaue, kann ich verstehen, warum es für Zoé wichtig ist, ins Familiengeschäft einzusteigen. Immerhin ist es unser Zuhause. Wenn ich nicht gerade in Hamburg bin, wohne ich in meiner eigenen Suite. Das Hotel ist eines der Besten in Warnemünde und Umgebung und so gut wie immer ausgebucht. Papa hat sich ein tolles Geschäft aufgebaut, nur leider sieht er nicht Zoé als seine Nachfolgerin, sondern Carolina. Was die Sache zwischen meinen Schwestern nur noch komplizierter gestaltet.
Dass Zoé inzwischen mit ihrem Freund Milan ganz eigene Pläne ausheckt, muss niemand wissen. Meine Zwillingsschwester wird schon davon berichten, wenn die Zeit gekommen ist und sie sich bereit fühlt. Außerdem kann ich mir denken, was passiert, wenn Papa erfährt, dass Zoé gemeinsam mit Milan ein eigenes Hotel eröffnen will.
»Nun, das ist schade. Ich halte nichts davon, wenn man keine Zukunftspläne macht. In den Tag hineinzuleben ist nichts, was sich für einen jungen Menschen wie dich gehört.«
Zoé lacht heiser. »Wie gut, dass ich nicht in den Tag hineinlebe, sondern studiere«, erwidert Zoé. Ihre Stimme klingt fest und tatsächlich etwas provokant.
»Und in einem Jahr kann noch viel passieren«, ergreift Katharina Partei für sie. Mama verdreht daraufhin nur die Augen, aber ich glaube, Katharina bemerkt es nicht.
»Ich war nie ein Fan dieses Blickwinkels, aber nun gut«, erwidert Mama daraufhin. Der Spott in ihrer Stimme ist nicht zu überhören. Ich vermute, selbst wenn Katharina ihrer Meinung wäre, würde Mama genauso reagieren. Einfach, weil es Katharina ist. »Jonas, was ist mit dir?«
Ich lege meine Gabel zur Seite und schlucke die Trüffelpasta herunter. »Ich habe gerade meine Bachelorarbeit geschrieben und möchte mich nun mehr auf das Tanzen fokussieren«, erkläre ich und kann nicht anders als den Stolz, der sich in mir breitmacht, zu bemerken.
Mamas falsches Lächeln verrutscht und ihre Augen weiten sich. »Du willst … tanzen?«
»Ja«, entgegne ich. »Du weißt doch, dass ich tanze.«
»Das stimmt, aber ich hätte nie gedacht, dass du ausgerechnet das als Beruf anstrebst.«
»Nicht?«
»Nein, wozu dann das Studium?«, hakt sie irritiert nach und presst ihre rotgeschminkten Lippen aufeinander. Mama war schon immer auf den Luxus aus, aber seit dem letzten Mal ist eine Menge passiert. Ich würde sogar behaupten, dass sie sich die Nase und die Lippen hat machen lassen. Was okay ist, nur verstärkt es das Gefühl, dass eine vollkommen fremde Frau vor mir sitzt.
Ich räuspere mich und schaue Papa an, der mir aufmunternd zunickt. »Weil ich mit Papa abgemacht habe, dass ich eine Alternative vorweisen kann, sollte es mit dem Tanzen nicht funktionieren.«
Mama lacht und wirft Papa einen fassungslosen Blick zu. »Na, da bin ich aber froh, dass er bei eurer Erziehung daran gedacht hat, euch keine Flausen in den Kopf zu setzen.« Der Sarkasmus in ihrer Stimme ist kaum zu überhören.
»Immerhin war ich für diese Kinder da«, erwidert Papa provokant. »Im Gegensatz zu dir. Du hast dir eines ausgesucht und mitgenommen.«
»Das hatte andere Gründe.«
»Und welche?«, fährt Zoé dazwischen.
»Das ist kein geeignetes Thema für diesen Anlass«, antwortet Mama und ich schaue sie kopfschüttelnd an.
Zoé lacht abfällig. »Es gibt nie einen guten Anlass für deine Fehler, Mama«, zischt sie und spuckt vor allem das letzte Wort mehr als gequält aus. »Aber du hast recht. Eigentlich hat Jonas vorgeschlagen, dass wir gemeinsam Essen gehen, weil er tolle Neuigkeiten hat.«
Neuigkeiten, die nun im Grunde egal sind. Denn ich bin der festen Überzeugung, dass sie nur schlecht geredet werden, kaum dass mir die Wörter über die Lippen kommen.
Augenblicklich herrscht Stille an unserem Tisch und ich blicke in fragende Gesichter.
»Was gibt es denn für Neuigkeiten?«, fragt Katharina, die als erste ihre Stimme wiederfindet.
Eigentlich hatte ich mir das anders vorgestellt. Ich wollte es nicht verraten, um einen Streit zu verhindern, sondern dann, wenn niemand damit gerechnet hat. Als Überraschung und noch dazu eine der schönen Art. Weil es endlich vorangeht und ich nicht mehr feststecke. Und nun weiß ich nicht einmal mehr, wie die Reaktionen dazu ausfallen könnten.
»Ich habe mich bei einer Tanzshow im Fernsehen beworben und wurde angenommen. Ich erhalte in den nächsten Tagen den Vertrag und in einem Monat geht es schon los mit dem ersten Training.«
»Wie bitte?«, entfährt es Mama lachend. »Eine Tanzshow? Bist du der nächste Let’s Dance Gewinner, oder wie darf ich das verstehen?«
Irritiert blicke ich sie an und schüttele den Kopf. »Nein, das ist sicher nicht der Fall«, sage ich. »Das Konzept ist etwas anders als das von Let’s Dance.«
»Erzähl uns bitte mehr davon«, sagt Papa. »Wir hatten uns doch darauf geeinigt, dass du zunächst noch einmal in Hamburg vorsprechen willst – bei meinen Bekannten. Was ist daraus geworden?«
»Ich bin ein zu schlechter Sänger, um in einem Musical zu tanzen. Das habe ich dir schon öfter gesagt«, erwidere ich schulterzuckend. »Die Möglichkeit hat sich geboten und …«
»Und was ist dein Ziel bei dieser Teilnahme? Den Geldpreis kann auch ich dir auszahlen, wenn es dir darum geht«, bietet Papa an. Nur mit der Tatsache, dass das hier kein Angebot ist, sondern einfach unverschämt und beleidigend in meinen Augen.
»Papa«, entfährt es Zoé. »Jonas liebt das Tanzen.«
»Ja und gerade verschwendet er eine Menge Zeit damit«, erwidert Papa angesäuert. »Es war abgemacht, dass er sich entweder in Musicals bewirbt oder sich dem Weiterbilden seiner Tanzfähigkeiten widmet.«
Angespannt balle ich die Hände zu Fäusten. Dass wir im privaten Raum des Seeblicks, unserem Hotelrestaurant, sitzen, kommt mir nur zugute, andernfalls würde ich niemals derartig aus der Haut fahren. Ich schiebe hörbar meinen Stuhl zurück und erhebe mich. Papa mustert mich kritisch, während Katharina ihren Kopf gesenkt hat. Mama beobachtet das Ganze amüsiert. »Ich wurde nirgendwo angenommen, Papa. Da hilft ausnahmsweise auch dein Geld oder dein Name nicht, um mich irgendwo einzukaufen. Bei dieser Tanzshow habe ich die Möglichkeit, einen Platz in einer renommierten Tanzschule in Amsterdam zu gewinnen. Deswegen mache ich bei der Show mit. Christiano Solerno sitzt in der Jury, genauso wie Sarah de Vries. Beides sehr erfolgreiche Tänzer.«
»Jonas, ich weiß, du tanzt gerne und ich habe dir diese Leidenschaft nicht wegnehmen wollen, aber jetzt sind wir an einem Punkt angekommen, an dem es so nicht mehr weitergeht. Vielleicht solltest du überlegen, ob das, was du bieten kannst, das ist, was die Leute suchen«, versucht Papa mich milde zu stimmen oder zur Vernunft zu bringen. Keine Ahnung, was diese Worte in mir auslösen sollen, aber ich fühle nur eins: Scham, Wut und Trauer. Nichts, was ein Vater in seinem Kind auslösen sollte. Ich habe jahrelang dabei zugesehen, wie er Zoé mit seinen Worten und den hohen Ansprüchen, die Carolina sonst erfüllt hat, immer wieder zum Weinen gebracht hat. Aber damit ist für heute Schluss.
Fassungslos schaue ich Papa an und weiß beim besten Willen nicht, was ich erwidern soll. Betretene Stimmung herrscht im Raum und Zoé schaut mich mit einem traurigen Lächeln an. »Jonas, du darfst dir das nicht zu Herzen nehmen. Mir liegt nur dein Wohlbefinden am Herzen, und wenn ich so was sage, meine ich das nicht negativ. Ich befürchte, du jagst einem Traum hinterher, der etwas zu groß für dich ist.«
Ich schlucke diese Worte herunter und gleichzeitig all die Gefühle, die an der Oberfläche kratzen.
»Du solltest zusagen«, ertönt Mamas Stimme aus dem Nichts. Sie lächelt. Dieses Mal irgendwie weniger spöttisch, aber ich erwarte auch keine Wesensveränderung von ihr. Mama ist hier, um zu provozieren. Vielleicht auch, um ums kennenzulernen, aber dennoch bin ich mir sicher, dass sie Hintergedanken hat.
Katharina lacht leise. »Natürlich bist du hier ganz anderer Meinung. So kannst du die Kinder gegen ihren Vater auflehnen und dich gut darstellen.«
»Ich lasse mir von einer geldgierigen Schlampe nichts vorwerfen, schon gar nicht vor meinen Kindern«, entfährt es Mama.
Sofort erhebt sich Papa wütend und die Diskussion des Jahrhunderts entfacht. Nicht, dass Mamas Worte in Ordnung waren, auf gar keinen Fall, aber ich hasse es, wie ich mit einem Mal aus meinem eigenen Kampf geworfen werde, nur damit unsere Eltern sich die Köpfe einschlagen können. Während Mama und Papa heftig miteinander streiten, sitzt Katharina mit großen Augen auf ihrem Stuhl. Entschuldigend schaut sie mich an, doch ich reagiere nicht. Das hier ist die reinste Katastrophe.
»Das ist ja wie im Kindergarten«, murmelt Milan und ich muss ihm zustimmen.
»Haltet die Klappe. Alle«, brülle ich, um gegen ihr lautes Wortgefecht anzukommen. Es dauert eine Sekunde, aber dann herrscht Stille in diesem Raum. »Setzen. Sofort.«
»Jonas, ich verbitte mir diesen Ton.«
Mahnend schaue ich ihn an und deute auf seinen Stuhl. »Du sollst dich verdammt noch mal hinsetzen, Papa!«
»Liebling, bitte setz dich«, bittet auch Katharina ihn. Mit mürrischer Miene lässt er sich auf den Stuhl fallen und verschränkt die Arme.
»Ich werde an der Show teilnehmen. Ganz gleich, ob du mir rätst, dass es eine gute Idee ist«, wende ich mich an Mama, bevor ich Papa anschaue, »oder du mir sagst, dass ich irgendeinem Traum hinterherlaufe.«
Abwartend blicke ich in die Runde, ob jemand das Wort gegen mich erhebt, doch das ist nicht der Fall. Zoé lächelt mich lediglich an und nickt. Also spreche ich weiter. »Ich habe vor drei Tagen die Zusage erhalten und ohne Weiteres geantwortet, dass ich dabei bin. Im Grunde kann niemand mir diese Teilnahme verwehren. Ich bin schließlich erwachsen. Die Entscheidung lag allein bei mir und ich bin stolz darauf.«
»Das solltest du auch sein«, pflichtet Katharina mir bei. »Das siehst du ebenfalls so, Sebastian.«
Papa schweigt.
»Wir sind stolz auf dich, Jonas«, unterstützt Zoé mich. »Das ist eine großartige Möglichkeit und die solltest du nutzen.«
»Danke«, sage ich und schaue Papa abwartend an. Dabei weiß ich nicht, was ich mir genau von ihm erhoffe. Dass er einfach akzeptiert, dass ich teilnehme? Sicher wird er es mir nicht so leicht machen. Vorher darf ich mir noch tausende Predigten anhören, warum die Teilnahme eine schlechte Idee sei.
»Bist du dir sicher, dass es das ist, was du willst?«
»Meine Entscheidung steht fest«, antworte ich mit fester Stimme.
»Gut«, sagt Papa. »Das ist die letzte Chance. Entweder du gewinnst oder du wirst fortan allein dein Leben finanzieren. Dann gibt es kein Geld mehr von mir, du verlierst die Wohnung und Zugang zu all unseren Konten. Und das ist meine Entscheidung, die feststeht.«
Papas Worte gleichen einer harten Ohrfeige und ich stehe nur so da, weiß nicht, wo ich anfange, wo ich aufhöre, wo ich stehe, wer ich bin. In diesem Moment fühlt sich alles nach einer Schwerelosigkeit an, nur damit ich nach einem Wimpernschlag fest auf den Boden aufknalle. Das hier ist keine Forderung, es ist ein Ultimatum. Entweder ich gewinne, oder verliere alles. Und dieses Mal scheint er seine Worte ernst zu meinen. Dass er schon immer skeptisch war, weiß ich, aber eine derartige Situation gab es noch nie und ich weiß nicht, ob ich ihm glaube oder nicht. Er würde das nicht durchziehen, oder?
Papa schiebt seinen Stuhl zurück und erhebt sich. Dann steuert er direkt die Tür an, um das Zimmer zu verlassen. Als wäre alles gesagt, wo mein Kopf vor lauter Fragen und Verzweiflung brennt. Es ist, als wäre die Wut in mir verpufft und ihr Platz hätte in wenigen Sekunden der Verrat eingenommen. »Das Essen ist beendet. Gute Nacht allerseits!«
Es herrscht Stille in der Strandvilla der Familie Bergmann, als ich frühmorgens um sieben in das Esszimmer trete, wo meine Eltern bereits am Tisch sitzen. Papa liest wie immer die Zeitung, sodass ich von ihm zunächst nur seine Hände zu Gesicht bekomme, während Mama an ihrem Kaffee nippt. Ihr Laptop steht neben ihr. Natürlich tut er das. Es würde mich vermutlich mehr wundern, wenn sie nicht bereits beim Frühstück arbeitet. Linus sitzt gegenüber von Papa am anderen Ende des Tisches und filmt sein Frühstück. Neuerdings probiert er sich als Influencer aus, was mich persönlich nicht unbedingt stört, aber nervt, wenn er nicht einmal das Frühstück zu sich nehmen kann, ohne seinen 20.000 Followern davon zu berichten. Etwas verloren stehe ich im Türrahmen und beobachte das, zugegebenermaßen traurige Bild, das sich mir bietet, ehe ich mich räuspere und sie mit einem leisen »Guten Morgen« aus ihrem Trott reiße.
»Louisa, wie schön, dass du schon wach bist«, begrüßt Papa mich und blickt über den Rand seiner Zeitung. »Eigentlich hatten wir erst heute Mittag mit dir gerechnet.«
»Wärt ihr denn dann überhaupt noch hier?«, hake ich nach und lasse mich auf dem freien Stuhl nieder, wo das Geschirr noch unbenutzt ist.
»Nein«, sagt Mama direkt. Sie macht sich nicht einmal die Mühe von ihrem Bildschirm aufzusehen, ehe sie sich dem Stapel an geschlossenen Briefen widmet, der neben ihr liegt. »Wir haben Termine heute Vormittag.«
»Offensichtlich bereits jetzt«, murmele ich leise mit einem Blick auf ihren Laptop.
»Was hast du gesagt?«, fragt sie und schaut mich tatsächlich an. Ihre roten Haare fallen glänzend über ihre Schultern und der filigran geschnittene Pony verdeckt ihre gerunzelte Stirn.
Ich lächele ihr offen zu. »Ich habe gesagt, dass es schön ist, dass wir uns dann wenigstens jetzt sehen.«
»Da hast du recht«, meint Papa und zwinkert mir zu. »Dass die Familie an einem Tisch sitzt, kommt ja nicht mehr so häufig vor. Umso schöner ist es, dass mein Mädchen wieder bei uns ist. Und dieses Mal nicht nur für zwei Wochen, sondern mindestens einen ganzen Monat.«
Ich nicke. »Ich freue mich auch wieder hier zu sein. Ich habe mein Zuhause wirklich vermisst.«
»Aber St. Clara war die letzten drei Jahre doch ein nettes Zuhause, nicht? Ich bin immer noch ganz hin und weg von den Tanzsälen dort. Da macht sich das Schulgeld wenigstens sichtbar«, erklärt Mama.
Diplomatisch nicke ich. Selbst wenn meine Erfahrungen negativ gewesen wären, hätte es nicht genützt, Mama zu widersprechen. »Natürlich war es dort wunderschön. Aber wieder in der Heimat zu sein ist eine willkommene Abwechslung. Nun kehrt etwas Ruhe ein.« Oder auch nicht, denke ich mir. Aber wenn ich ihnen sage, dass ich nicht zurück nach London fliege, wird Mama mich bei lebendigem Leibe häuten und eigentlich hatte ich vor, meinen Seelenfrieden noch etwas länger zu bewahren.
»Wovon brauchst du bitte eine Pause?«, fragt Linus und stopft sich eine Weintraube in den Mund. Belustigt schaut er mich an, sodass ich ihm am liebsten nicht nur die Traube, sondern gleich seine Faust hinterherschieben möchte.
»Vom täglichen, stundenlangen Training, von den Unterrichtseinheiten, wo es nicht nur darum geht, am Körper, sondern an der eigenen mentalen Stärke zu arbeiten. Pause vom strikten Ernährungsplan, damit bloß kein Körperfett an der falschen Stelle sitzt? Von den Abschlussprüfungen?«, erwidere ich provokant und werfe meine roten Haare nach hinten über die Schulter. »Richtig, das ist nichts, von dem man sich erholen muss.«
»Das kannst du nicht ernst meinen, oder? Ich studiere Jura. Wenn jemand eine Pause nötig hat, dann wohl ich.«
»Oh«, ziehe ich ihn auf. »Du armes Ding. Hat man dich in der Kanzlei von Onkel Tobi wieder zu hart rangenommen?«
Linus verdreht die Augen. »Du hast doch keine Ahnung, was es bedeutet, sich für den Beruf reinzuknien«, zischt er.
Erbittert lache ich auf. »Natürlich nicht. Ich tanze ja nur«, erkläre ich entnervt. »Ein bisschen herumhüpfen hier, ein bisschen Tanzerei dort. Gar nicht erst der Rede wert.«
»Kinder, bitte«, zischt Mama und öffnet den nächsten großen Umschlag, kaum dass sie eine Rechnung auf einem anderen Stapel ablegt. »Einige Menschen versuchen hier zu arbeiten, während der Rest der Welt sich bloß darüber streitet.«
»Wie dem auch sei. Ich muss los«, erwidert Linus und schiebt hörbar seinen Stuhl zurück.
»Was zur Hölle ist Dancing at the Ocean?«, flucht Mama und schaut mich in der nächsten Sekunde fassungslos an. Sofort rutscht mir das Herz in die Hose und ich erstarre zur Salzsäule. »Adressiert an Frau Louisa Bergmann. Das kann nur ein Fehler sein, oder?«
Vorsichtig wäge ich ab, was ich sage und verfluche, dass Emanuel tatsächlich den Mut findet, diese Art von Post direkt zu mir nach Hause zu schicken. Kacke, kacke, kacke. »Mama, ich …«
»Sehr geehrte Frau Bergmann, mit großer Freunde haben wir Ihre Teilnahmebestätigung zur Kenntnis genommen und senden Ihnen anbei den Vertragsentwurf zur Teilnahme an unserem Format Dancing at the Ocean zu«, liest Mama vor. Sie klingt nicht verärgert, eher spöttisch und überrascht. »Das ist wohl ein schlechter Scherz.«
»Vielleicht bleibe ich doch noch …«, murmelt Linus und stopft sich weiterhin Trauben in den Mund. Ich schenke ihm nur einen entnervten Blick, ehe ich mich räuspere.
»Emanuel hält es für eine gute Idee, mich in Deutschland bekannt zu machen.«
»Eine Tanzshow im Fernsehen? Wo sind wir hier gelandet? Bei einem Abklatsch von Let’s Dance?«
»Witzig, dass du das sagst«, erwidere ich. »Das Konzept ist tatsächlich etwas spannender als das von Let’s Dance.«
Mama lacht abfällig und schüttelt den Kopf. Meine Post lässt sie hörbar auf dem Tisch nieder. »Na da bin ich mal gespannt.«
»Lasst es mich erklären, okay?«
»Markus, hast du dazu noch etwas zu sagen?«
»Meine Güte, Liebling«, beginnt Papa und faltet seine Zeitung zusammen. Mama wirft ihm nur einen warnenden Blick zu. »Nathalie, lass sie das bitte erklären, okay? Vielleicht verteufelst du hier eine großartige Möglichkeit, ohne überhaupt zu wissen, was geplant ist.«
»Na gut«, brummt Mama und lässt sich resigniert gegen die Lehne ihres Stuhls fallen. Die Arme verschränkt sie vor ihrer Brust und ich bin mir sicher, dass sie, bevor sie das Haus verlässt, noch ein anderes Jackett anzieht, weil dieses hier Falten geworfen hat.
»Also schön«, beginne ich. »Wie du bereits so begeistert festgestellt hast, geht es um ein TV-Format. Es treten insgesamt 10 Paare in 10 Liveshows an, in denen am Ende der Sendung immer ein Paar das Format verlassen muss. Das Ganze findet an der Nord- und Ostsee statt – auf verschiedenen Inseln und in Küstenstädten. Unter anderem in Warnemünde. So sind Emanuel und ich erst auf das Konzept gestoßen. Es gibt keine Voraussetzungen für eine Teilnahme, was die Kombination der Tänzer noch einmal spannender gestalten soll.«
»Und was macht diese Teilnahme für dich so wichtig? Wieso glaubt dein Manager, es sei eine gute Idee, dort mitzumachen? Kann er diese Kontakte nicht für dich knüpfen?«
»Er will mich auf dem deutschen Boden bekanntmachen. Es soll in erster Linie dazu dienen, eine größere Reichweite auf Social Media zu generieren. Aber das ist natürlich nicht alles. Das Gewinnerpaar hat die Chance, einen sechsmonatigen Kurs in Sarah de Vries Tanzschule in Amsterdam zu gewinnen. Ich muss dir nicht sagen, wie wichtig Sarah am Broadway ist, oder? Wenn ich zu ihr komme, dann stehen mir weitere Türen offen. Mehr als nur der Abschluss von der St. Clara Academy mir bietet.«
Linus lacht. »Bist du nicht diejenige, die sich über mich lustig macht, weil ich meine erste große Kampagne vorbereite?«
»Ich werde keine Influencerin dadurch. Es soll mich einfach bekannter machen. Mein Namen soll kein Unbekannter sein«, erkläre ich.
Papa räuspert sich. »Aber meinst du nicht, dass wir das auch anderweitig erreichen?«
»Emanuel meint, es wäre ungünstig mich als Investorentochter zu vermarkten.«
»Aber das bist du.«
»Richtig aber es rückt meine harte Arbeit in den Hintergrund«, erkläre ich. »Tut mir leid, Papa, aber ich halte das auch für den falschen Weg. Deswegen habe ich mich beworben und wurde angenommen.«
»Natürlich wurdest du das«, zischt Mama. »Dein Niveau ist ein ganz anderes. Du bringst Schwung in die Bude, entfachst den Konkurrenzkampf und ehe du dich versiehst, wirst du rausgeschmissen, weil du zu gut bist und nicht zur Erfolgsstoryline passt, die die Produktion sich wünscht.«
»Mama, ich glaube nicht, dass ich …«, beginne ich, doch sie lässt mir nicht einmal die Chance mich zu erklären.
»Ich weiß, wo der Hase langläuft und glaub mir, so überzeugst du niemanden in den großen Theatern dieser Welt«, spricht sie energisch, während sie sich von ihrem Stuhl erhebt. »Aus dieser Branche fliegst du schneller raus, als du schauen kannst. Im einen Moment florierst du, im anderen wirst du zurechtgepfiffen, warum du sechs Wochen aussetzen musst, und fliegst raus. Wenn jemand weiß, wovon er spricht, dann ich.«
Ich schlucke, als ich die Tränen in Mamas Augen erkenne.
Mama schüttelt den Kopf als sie ihren Laptop zuklappt und mir den Vertrag zuwirft. Die Blätter rieseln wie Schnee auf den Esstisch nieder. »Dass du deine Zukunft derartig riskierst, halte ich für unverantwortlich und falsch. Komm hinterher nicht bei mir an und heule dich aus, wenn sie dich rauswerfen und ich Recht behalten habe.«
»Emanuel meint, es könnte meiner Karriere nicht schaden, Mama. Ich vertraue ihm und …«
»Ich wünsche dir wirklich, dass du recht behältst, weil ich weiß, dass du hart gearbeitet hast an der St. Clara. Wir dachten immer, dass du wüsstest, worauf es ankommt. Offenbar habe ich mich geirrt«, spricht sie leise, dann verlässt sie den Raum. Das Humpeln ihres rechten Beines springt mir in diesem Augenblick noch stärker ins Augen als sonst. Es ist das, was sie alles gekostet hat. Wie ein Mahnmal legt es sich in diesem Augenblick auf mein Herz. Ich zucke zusammen, als die Haustür lautstark ins Schloss fällt.
»Wow«, witzelt Linus neben mir. »Das war eine tolle Shitshow.«
»Verpiss dich, Linus. Keiner hat nach deiner Meinung gefragt«, fahre ich ihn an.
Er grinst nur schief und richtet seine Krawatte, bevor er ein weiteres Mal nach den verdammten Trauben greift und sich eine in den Mund wirft. »Ich muss jetzt eh los. Aber das war es wert«, sagt er lachend und klopft mir im Vorbeigehen auf die Schulter. »Hast du super gemacht, Schwesterherz. Ich hab’s echt vermisst, deine Dramen mitzubekommen. Schade, dass ich die Kamera nicht dabeihatte. Meine Follower hätte das sicherlich interessiert.«
Ein Donnern links von mir lässt mich zusammenzucken. Papa haut auf den Tisch, schiebt quietschend seinen Stuhl zurück und erhebt sich. Mein Bruder sieht so aus, als wolle er im Boden versinken. Seine Augen weiten sich beunruhigt, als er unseren Vater anblickt. »Linus«, fährt mein Vater ihn an. »Es reicht. Verschwinde, bevor mein Bruder sich bei mir auslässt, dass du zu spät deinen Dienst antrittst.«
»Na schön. Bis später«, brummt mein Bruder und verlässt endlich das Esszimmer.
Kaum, dass er das Haus verlassen hat, kehrt eine merkwürdige Stimmung ein. Papa setzt sich wieder an den Tisch, liest seine Zeitung weiter und in meinem Kopf rauschen die Gedanken. Irgendwie wirkt es beinahe friedlich. Von der Stille, die ich zu Beginn des Frühstücks noch verteufelt habe, bin ich jetzt gar nicht mehr so abgeneigt. Da sind nur Papa und ich, die das eben Geschehene sacken lassen. Früher waren es oft nur Papa und ich, wenn das nächste Familiendrama der Bergmanns stattgefunden hat.
»Hältst du es auch für eine schlechte Idee?«, frage ich Papa.
»Du kennst deine Mutter«, sagt er und schenkt mir ein sanftes Lächeln. »Das Thema ist sensibel für sie und gleichzeitig möchte sie das Beste für dich.«
Ich seufze, während Papa seine Zeitung zusammenfaltet und sich vom Tisch erhebt. »Das weiß ich. Aber was, wenn das aktuell das Beste für mich ist?«, frage ich und drehe mich auf meinem Stuhl in Richtung Flur, wo mein Dad bereits auf dem Weg aus dem Haus ist.
»Das wird Mama spätestens dann erkennen, wenn du das Ding gewinnst, Schatz«, sagt er lächelnd und zwinkert mir aufmunternd zu. »Wir glauben an dich, das weißt du.«
»Danke, Papa.«
»Nichts zu danken, mein Schatz. Und hab einen schönen Tag, ja? Wenn du willst, prüfe ich den Vertrag für dich, wenn ich zu Hause bin.«
»Nicht nötig«, lehne ich ab. »Emanuel hat ihn schon geprüft. Aber ich wünsche dir auch einen schönen Tag.«
»Bis heute Abend«, ruft er mir noch zu, dann schnappt er sich seine Aktentasche, die an der Haustür steht und darauf wartet, in Einsatz zu kommen. Als er die Tür hinter sich zuzieht, bin ich allein. Ich sitze an diesem viel zu großen Tisch und habe das Gefühl, wieder siebzehn zu sein und keine Entscheidungen für mich selbst treffen zu können.
Wieder ist da diese Stille. Nur werde ich dieses Mal nicht schlau draus, ob sie mich erfüllt oder verschluckt.