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**Zwei Welten, die aufeinandertreffen – und Trümmer hinterlassen** Um ihren Traum zu erfüllen, muss Carolina von Steinberg den von Luca zerschlagen. Denn sie soll das familiäre Hotelimperium übernehmen. Ihr Plan, sich zu behaupten und das Hotel gemäß den Visionen ihres Vaters auszubauen, stößt allerdings auf Widerstand. Für die Expansion soll eine Strandbar weichen. Doch der attraktive Besitzer und Barkeeper Luca hat nicht vor, ihr das Feld zu überlassen. Seine charmante Art löst mehr als nur Herzklopfen in Carolina aus. Zwischen Diskussionen, Bauplänen und Cocktails am Strand kommen sie sich immer näher. Sehr zum Missfallen ihres Vaters, der andere Fortschritte sehen will. Wie kann Carolina sich auf Luca einlassen, wenn sein Lebenswerk ihre Zukunft verbaut? In der Opposites Attract-Romance zwischen dem heißen Barkeeper Luca und der reichen Hotelerbin Carolina sprühen von Anfang an die Funken! //»The Shadows of Our Love« ist der dritte Band der »Golden Sands Resort«-Trilogie. Er ist unabhängig lesbar, für ein besseres Verständnis empfiehlt es sich jedoch, in chronologischer Reihenfolge zu beginnen. Alle Bände der gefühlvollen New Adult Romance bei Impress: -- The Darkness in Our Lights -- The Secrets of Our Hope -- The Shadows of Our Love// Diese Reihe ist abgeschlossen.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Impress
Die Macht der Gefühle
Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.
Wer nach Geschichten zum Mitverlieben in den beliebten Genres Romantasy, Coming-of-Age oder New Adult Romance sucht, ist bei uns genau richtig. Mit viel Gefühl, bittersüßer Stimmung und starken Heldinnen entführen wir unsere Leser*innen in die grenzenlosen Weiten fesselnder Buchwelten.
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Marie Westendorf
Golden Sands Resort 3: The Shadows of Our Love
Zwei Welten, die aufeinandertreffen – und Trümmer hinterlassen
Um ihren Traum zu erfüllen, muss Carolina von Steinberg den von Luca zerschlagen. Denn sie soll das familiäre Hotelimperium übernehmen. Ihr Plan, sich zu behaupten und das Hotel gemäß den Visionen ihres Vaters auszubauen, stößt allerdings auf Widerstand. Für die Expansion soll eine Strandbar weichen. Doch der attraktive Besitzer und Barkeeper Luca hat nicht vor, ihr das Feld zu überlassen. Seine charmante Art löst mehr als nur Herzklopfen in Carolina aus. Zwischen Diskussionen, Bauplänen und Cocktails am Strand kommen sie sich immer näher. Sehr zum Missfallen ihres Vaters, der andere Fortschritte sehen will. Wie kann Carolina sich auf Luca einlassen, wenn sein Lebenswerk ihre Zukunft verbaut?
Buch lesen
Vita
Danksagung
© privat
Marie Westendorf ist eine junge, deutsche Autorin, die, seit sie denken kann, romantische Geschichten schreibt. Wenn sie nicht gerade vor dem Laptop sitzt, verbringt sie ihre Zeit mit einem guten Buch, ihrer Familie oder ihren Freunden oder arbeitet als Ergotherapeutin. Mit dem Kopf voller Ideen vergeht allerdings kaum ein Tag, am dem sie nicht an ihre Protagonist*innen denkt.
Für meine große, kleine Schwester Jette.Wenn du es liest, weißt du wieso.
In den letzten Jahren habe ich erstaunlich viel Zeit damit verbracht, die größtmögliche Entfernung zwischen mich und mein Zuhause zu bringen. Als ich jetzt durch die Türen des Golden Sands Resorts trete, gleicht das Gefühl des Nachhausekommens einem Schwergewicht, das sich auf mich legt. Direkt auf meine Brust, um mir die Luft zum Atmen zu nehmen. So ist es immer, wenn ich zurückkehre. Dieses Hotel ist der Anfang vom Ende und gleichzeitig der ganze Stolz meines Vaters. Doch meine Gedanken werden bei dem beeindruckenden Anblick, der sich mir bietet, beiseite gewischt. Sobald man durch die doppelflügeligen Glastüren tritt, öffnet sich eine großzügige Lobby, die um diese Zeit gut besucht ist. Kein Wunder, es ist kurz nach neun Uhr morgens, die meisten machen sich für ihren Urlaubstag bereit oder gehen zum Frühstück. Ich habe meinen Flug von London nach Hamburg absichtlich so früh gewählt, um zumindest bei meiner Ankunft nicht allzu lange auf das Gespräch mit meinem Vater warten zu müssen.
Die hohen Decken lassen den Raum prachtvoll und endlos wirken. Die Kronleuchter werfen warmes Licht auf den glänzenden, schwarzen Marmorboden. Auf beiden Seiten der Lobby stehen Säulen, die dem Raum eine königliche Atmosphäre verleihen. Exakt so, wie mein Vater es gewollt hat. Die Lobby ist mit etlichen Blumenarrangements geschmückt und übersät mit Sitzgelegenheiten für die Hotelgäste. Die großen Fensterfronten, die diesen Raum umschließen, spenden viel Tageslicht. Alles hier strahlt Luxus, Geld und Exklusivität aus und trifft somit genau den Geschmack des Wohlstandes, der hier regelmäßig residiert. Es erinnert mich daran, dass ich mich professionell verhalten muss, denn ich bin nun mal die Tochter meines Vaters. Er würde es hassen, wenn ich mich in diesen heiligen Hallen danebenbenehme. Und wenn ich daran denke, weshalb ich hier bin, muss ich ihm sogar gewissermaßen zustimmen. Professionalität ist von nun an ein ständiger Wegbegleiter und somit genau das Gegenteil von der Art und Weise, wie ich in London gelebt habe. Frei, kopflos und ohne jeglichen Widerstand.
In der Mitte des Raumes steht ein großer Empfangstresenht – ebenfalls aus glänzendem schwarzen Marmor. Zwei überaus freundlich dreinblickende Angestellte schauen mich erwartungsvoll an, als ich nähertrete.
»Guten Abend, Frau von Steinberg. Ich hoffe, Sie hatten eine gute Anreise«, begrüßt mich eine der beiden Frauen, ehe ich die Chance habe, das Wort zu ergreifen.
»Hallo«, grüße ich die beiden, bevor ich den Aufzug ansteuere, der mich direkt zur Suite meines Vaters bringt. Er ist seit gestern wieder aus dem Krankenhaus zurück und hat mich bereits vor zwei Wochen gebeten, heute wieder anzureisen. Damit wir uns unterhalten können. Dass ich außerdem ruhig etwas mehr Kleidung mitbringen könne, lässt mich darauf schließen, dass mein Aufenthalt dieses Mal nicht bloß einige Tage dauert. Nein, bereits beim letzten Mal, als ich hier war, hat Papa angedeutet, dass er sich wünscht, dass ich wieder herziehe. Das war vor seinem Schlaganfall. Ich solle endlich nach Hause kommen, wie er es so schön gesagt hat. Nur mit dem Unterschied, dass ich mich in meinem Zuhause wie ein Fremdkörper fühle. Mittlerweile ist es nicht mehr ganz so schlimm wie früher, was vermutlich daran liegt, dass ich zu meinen Geschwistern immerhin wieder etwas habe, das man eine Beziehung nennen könnte. Doch es ist längst nicht alles okay, und da ich eine Vorahnung habe, dass mein Vater gerne hätte, dass ich bei ihm ins Hotel einsteige, weiß ich, dass da einiges an Konflikten unter der gerade erst gefrorenen Eisschicht zwischen mir und Zoé wartet. Den Zeitpunkt, wenn das Eis bricht und ich darunter ertrinken werde, kann ich förmlich schon spüren. Und ich bin selbst dran schuld.
Ich fahre im Aufzug nach oben und entdecke auf meiner Smartwatch eine Nachricht von Katharina, der Frau meines Vaters. Ich kenne sie schon, seit ich ein kleines Kind war. Nach der Trennung meiner Eltern hat es ungefähr ein halbes Jahr gedauert, bis sie zusammengekommen sind. Sie hat, seit ich denken kann, in Papas Hotel an der Rezeption gearbeitet. Mittlerweile ist sie die Managerin des Hotels. Ich nehme an, zwischen ihnen hat sich schon immer etwas angebahnt. Nur hatte mein Vater im Gegensatz zu meiner Mutter den Anstand zu warten, bis sie sich getrennt hatten.
Katharina: Er freut sich sehr auf dich.
Ihre Nachricht löst in mir Freude und Unbehagen zugleich aus. Eigentlich weiß ich bereits, was mich erwartet, und dennoch bin ich vollkommen verängstigt. Ich wusste, dass es irgendwann passieren wird. Schon als ich klein war, hat Papa sich gewünscht, dass ich ins Hotel einsteige und in seine Fußstapfen trete. Früher, als ich hier noch gewohnt habe, war das eine schöne Vorstellung. Heute bereitet es mir Bauchschmerzen. So sehr, dass ich seit gestern Abend kaum etwas runterbekommen habe. Das flaue Gefühl in meinem Magen ist mein Reisebegleiter, der mich auch jetzt im Aufzug nach oben geleitet. In diesem Metallkäfig habe ich das letzte Mal die Chance durchzuatmen, der Furcht einen Raum zu geben. Wenn ich gleich aussteige, treffe ich meine Familie. Kein Mensch sollte sich jemals davor fürchten, wo die Familie doch etwas wie ein Ruhepol sein sollte. Doch in diesem Moment ist die Anspannung so groß, dass ich die Augen zusammenkneife und es gerade noch schaffe, zweimal tief ein- und auszuatmen. Dann ertönt der Gong des Aufzugs und zwei Sekunden später öffnen sich die Türen.
Ich stehe direkt in der Suite meines Vaters. Es ist die größte im Haus und belegt das gesamte oberste Stockwerk. Das Wohnzimmer offenbart sich mir und für einen Augenblick glaube ich, dass noch niemand hier ist. Doch dann höre ich Stimmengewirr und betrete das Zuhause meines Vaters und seiner Frau. Meine Koffer lasse ich an der Seite stehen, genauso wie meinen Rucksack und meinen Trenchcoat, der mir bereits im Auto zu warm gewesen ist. Zoé hatte angeboten, dass sie und ihr Freund Milan mich vom Flughafen abholen, aber das habe ich dankend abgelehnt. Ich wollte lieber allein herkommen. An Gesprächen hätte ich mich sowieso nicht beteiligt, weil meine eigenen Gedanken schon laut genug sind.
»Ich glaube, das ist sie«, höre ich Katharina freudig sagen, ehe der Klang von Absätzen aus dem Flur hallt, der zu den privaten Räumen der Wohnung führt. Dann erscheint ihre Gestalt im Türrahmen und sofort lächelt sie breit, ehe sie mit ausgebreiteten Armen auf mich zukommt. »Es ist so schön, dich wiederzusehen.«
»Dabei haben wir uns vor zwei Monaten erst gesehen«, sage ich lachend, ehe ich mich von ihr in eine warme Umarmung ziehen lasse. »Aber es ist auch schön, dich zu sehen. Wie geht es dir?«
Der Schlaganfall unseres Vaters hat uns alle sehr unerwartet getroffen, aber Katharina hat seitdem die Seite meines Vaters nie wieder verlassen. Sie ist sieben Tage die Woche für ihn da und hat unseren Vorschlag, dass sie eine private Pflegekraft engagieren könnten, abgelehnt. Anhand der tiefen Augenringe und der müden Augen kann ich nur erahnen, wie es ihr geht. Viel Schlaf bekommt sie offenbar nicht.
»Es gibt bessere Tage, aber auch deutlich schlechtere. Jetzt, wo Sebastian wieder zu Hause ist, müssen wir uns erst einmal daran gewöhnen, dass alles etwas anders ist.«
Ich nicke verständnisvoll. »Wo ist er denn? Und Zoé und Jonas?«
»Jonas setzt ihn gerade um und Zoé beobachtet alles mit Argusaugen«, erklärt sie mit einem kleinen Lächeln. »Milan ist in der Küche und bereitet das Frühstück zu Ende vor. Willst du nicht zu ihm gehen? Dann hole ich die anderen.«
»Natürlich«, erwidere ich und zwinge mich zu einem Lächeln. »Es ist schön, wieder hier zu sein.«
»Ich freue mich auch, dass du wieder hier bist«, meint sie und streicht mir behutsam über den Oberarm, bevor sie sich von mir löst und zurück im Flur verschwindet.
Ich atme aus und merke, wie sich die Anspannung in mir etwas legt. Ich lasse meine Sachen an Ort und Stelle stehen, da ich früher oder später ohnehin in ein Hotelzimmer einziehen werde, bevor ich die Küche ansteuere. Ich laufe vorbei an den dunkelbraunen Ledersofas und dem großen Bücherregal meines Vaters, bevor ich meinen Kopf durch die Tür der Küche stecke. In Anzughose und einem hellblauen Hemd, dessen Ärmel er aufgekrempelt hat, steht Milan mit dem Rücken zu mir und hantiert an der Kaffeemaschine.
»Ich wusste gar nicht, dass du unser neuer Privatkoch bist«, sage ich und grinse schief, als er herumfährt. Als er mich erblickt, lacht er heiser.
»So kann ich mich etwas nützlich machen, während Jonas und Zoé Katharina unter die Arme greifen. Ich glaube, dein Vater würde lieber eigenständig versuchen sich anzuziehen, statt sich von Daans Sohn helfen zu lassen«, meint er und kommt mit einem Lächeln auf mich zu. Dann umarmt Milan mich und ich erwidere die Begrüßung. »Schön, dich zu sehen.«
»Ich freue mich auch, dich zu sehen«, erwidere ich, ehe wir uns wieder voneinander lösen. Dann kaue ich unsicher auf meiner Unterlippe herum, ehe ich doch nachfrage, was mir die gesamte Zeit unter anderem auf der Seele liegt. »Wie sehr freut sich Zoé, mich zu sehen?«
Milan kratzt sich unbeholfen im Nacken. »Sie freut sich«, sagt er sofort und ich ziehe fragend eine Augenbraue in die Höhe.
»Du lügst«, stelle ich fest und verschränke die Arme. »Also will sie nicht, dass ich komme.«
»Nein, das stimmt nicht. Ich glaube … sie ahnt, dass du dieses Mal länger bleibst.«
»Da hat sie recht. Ich wurde gebeten, mehr Kleidung einzupacken. Ich glaube, wir beide wissen, was das bedeutet«, erkläre ich. Milan nickt bloß. Er ist in derselben Position wie ich. Wir sind Erben. Wir wurden genauso wenig gefragt wie unsere Geschwister. Ich habe immer aus freiwilligen Stücken studiert. Ich bin aus freiwilligen Stücken hier und bereit, aber es ist nicht leicht, wenn ich weiß, dass eines meiner Geschwister deshalb unglücklich ist. Ich hätte nichts dagegen, gemeinsam mit meiner Schwester ein Team zu bilden, doch es ist unser Vater, der sich querstellt. Zoé hat ihm immer wieder offen gezeigt, dass sie sich wünscht, in seine Fußstapfen zu treten. Ich hingegen war etliche Jahre nicht hier und hätte überall angefangen, wo man mir eine Chance gegeben hätte. Aber Papas Erwartungen waren immer klar und unmissverständlich, was Zoé und mich nur noch weiter voneinander entfernt hat. Das und die Tatsache, dass Mama und ich eines Tages nicht mehr da waren, als Zoé aufgewacht ist.
»Ich weiß, dass du das nicht so meinst, und ich hoffe auch, dass du weißt, dass sie gewisse Dinge nicht so meint, wie sie zunächst herüberkommen.«
»Keine Sorge. Ich habe aufgehört, es ihr übel zu nehmen«, sage ich. »Ich weiß, dass ihre Gefühle berechtigt sind.«
Milan nickt bloß. »Sie hat im letzten Jahr genug durchgemacht und ich bin dir sehr dankbar, dass du da warst, als das mit uns beinahe in die Brüche gegangen wäre. Du bist eine gute Schwester.«
Milans und Zoés Fake Beziehung hat angefangen, als jemand ein kompromittierendes Foto gepostet hat. Dieser jemand hat sich als meine ehemalige beste Freundin Jule entpuppt und wie sich herausstellte, hat sie dann sogar versucht, Zoés Beziehung zu Milan zu sabotieren, als die Beziehung längst nicht mehr fake war. Beinahe hätte sie es geschafft, aber gemeinsam mit Jonas und Milan habe ich einen Plan eingefädelt. Und letztlich sind die beiden wieder zusammengekommen und seitdem verliebter denn je.
»Das bin ich nicht immer«, sage ich.
»Aber dann, wenn es drauf ankommt«, sagt er lächelnd. »Und das ist okay. Es ist viel vorgefallen und dennoch hast du nicht aufgegeben.«
Ich nicke und es sind schöne Worte, wenngleich ich sie ihm nicht ganz glauben kann. Doch dafür bleibt auch keine Zeit, denn Schritte näher sich, genauso wie die Geräusche eines Motors. Ich drehe mich um und erblicke den Rest meiner Familie. Zoé und Jonas laufen hinter Katharina und Papa. Letzterer sitzt in einem elektrischen Rollstuhl, den er mit einem kleinen Hebel steuern kann. Er lächelt, wenngleich er anders aussieht als noch vor wenigen Monaten. Er ist grau geworden und genauso wie es bei seiner Frau der Fall ist, zieren auch sein Gesicht tiefe Augenringe. Sein linker Arm wirkt vollkommen verkrampft – nicht gerade untypisch bei einer spastischen Hemiparese. Sein Arm ist seit dem Schlaganfall vollkommen gelähmt und größtenteils spürt er auch nicht mehr, wenn man ihn dort berührt.
»Carolina«, ertönt die tiefe Stimme meines Vaters. Durch die Aphasie, die sich am Anfang gezeigt hat, fallen ihm gewisse Buchstaben in der Aussprache noch schwer und allgemein hat sich der Klang seiner Stimme ein wenig verändert. Er klingt immer noch relativ heiser. Dabei hat Katharina mir versichert, dass sich die Sprachstörung größtenteils gelegt hat und nur noch in etwas angespannteren Situationen zum Vorschein kommt. »Schön, dass du wieder zu Hause bist.«
»Hallo, Papa. Ich freue mich auch, dich wiederzusehen«, sage ich und beuge mich zu ihm herunter, um ihn zur Begrüßung zu umarmen. »Wie geht es dir?«
»Es geht mir blendend. Vor allem jetzt, wo du wieder hier bist, wo du hingehörst«, sagt er und klingt so glücklich, dass ich mich zu einem Lächeln zwinge, um ihm ja nicht das Gefühl zu geben, dass ich eben nicht glücklich bin, hier zu sein. Wobei auch das nicht stimmt. Ich bin mir sicher, dass sich diese Gefühle verflüchtigen werden, wenn Papa mir endlich sagt, warum ich hier bin. Ich muss es von ihm hören, sonst drehe ich womöglich noch durch. Er tappt um ein Thema herum und ich kann mit dieser Ungewissheit nur schwer leben.
Zoé räuspert sich und Jonas ist es, der sich in Bewegung setzt, als alles um uns herum ganz still wird. »Hey, Schwesterherz«, begrüßt er mich und zieht mich in eine lange Umarmung, die mir etwas Nervosität nimmt.
»Hey«, sage ich lächelnd, ehe wir uns lösen und ich Zoé anschaue, die mit einem schmalen Lächeln auf den Lippen auf mich zukommt. Auch sie umarmt mich und ich genieße jede Sekunde davon. Wir standen uns einmal so nah und nun ist alles kompliziert und unangenehm. Es ist so unfassbar traurig.
»Schön, dass du da bist«, ist alles, was sie sagt, und ich nicke.
»Sollen wir uns erst einmal setzen?«, fragt Katharina in die Runde und als hätten alle nur darauf gewartet, rührt sich jeder von uns und sucht sich einen Platz. Papa sitzt kurze Zeit später wie immer am Kopfende, während Katharina rechts neben ihm sitzt. Ich sitze Papa gegenüber, Jonas sitzt links von mir und Zoé und Milan an der anderen Seite des Tisches.
»Schade, dass Louisa nicht hier sein kann«, sage ich an Jonas gewandt.
Jonas nickt. »Ja, aber für die kurze Zeit hätte es sich nicht gelohnt« Seine Freundin bereitet sich gerade als Trainerin für eine Tanzshow im englischen Fernsehen vor. Nachdem die beiden letztes Jahr gemeinsam an dem neuen Tanzformat Dancing at the Ocean teilgenommen haben, sind sie unzertrennlich. Ich wusste bis vor kurzem nicht, dass die beiden vor einigen Jahren schon einmal zusammen waren. Aber offenbar gibt es doch etwas wie zweite Chancen. Abgesehen davon ist Louisa unheimlich talentiert.
»Und du bist immer noch zufrieden mit eurer Fernbeziehung? Amsterdam und London sind immer noch ein gutes Stück voneinander entfernt«, sage ich.
Zoé seufzt. »Solange die beiden glücklich sind, ist doch alles ok.«
»Stimmt«, antworte ich. »Aber trotzdem ist es nicht immer leicht, oder?«
»Wir sehen uns jedes zweite Wochenende. Manchmal auch öfter. Es kommt ganz drauf an. Wir telefonieren jeden Tag oder sehen uns über FaceTime. Es hilft, dass ich genauso viel wie sie zu tun habe«, erklärt Jonas. »Die Tanzschule ist wahnsinnig anstrengend, aber es lohnt sich. Ich habe schon so viel dazugelernt.«
»Und im Vergleich zur ersten Tanzschule ist das sicher ein massiver Unterschied, oder?«
»Es ist überhaupt nicht zu vergleichen. Aber glücklicherweise hat sich das Problem beseitigt.«
»Wohl eher Papas Anwälte, die den Laden auseinandergenommen haben«, wirft Zoé ein und Papa lächelt schwach, als ich zu ihm herüberschaue. »Aber zum Glück ist das vorbei und dir geht es wieder besser.«
»Zum Glück«, meint er.
Jonas ist letztes Jahr, während der Teilnahme an der Show, auf einen Tanzlehrer gestoßen, der mit sehr ungesunden Unterrichtsmethoden um sich geschmissen hat. Louisa hat zum Glück bemerkt, dass etwas nicht stimmt und auch Papa und Zoé haben bemerkt, dass Jonas immer mehr abgenommen hat, bis es schließlich in Panikattacken und einer Beziehungskrise zwischen Louisa und Jonas endete. Zum Glück hat sich alles zum Guten gewendet.
Eine Weile herrscht einvernehmliches Schweigen. Ich schätze, es ist normal, dass man sich erst einmal wieder aneinander gewöhnen muss. Doch dann räuspert sich Papa und ich blicke auf. Automatisch weiß ich, dass es nun so weit sein muss und er endlich das Thema anschneidet, bei dem ich nicht weiß, wie ich darüber fühlen soll.
»Ich möchte noch etwas mit euch besprechen.«
Augenblicklich herrscht Stille. Nicht einmal mehr das Klimpern des Bestecks ist zu hören und ich traue mich nicht, nach links oder rechts zu schauen. Mein Herz ist vermutlich stehen geblieben und ich traue mich nicht einmal, laut einzuatmen.
»Ich werde ab Montag eine Reha beginnen«, sagt er. »Die beste Möglichkeit, etwas von meinen verlorenen Fähigkeiten zurückzuerlangen, ist jetzt. Ich könnte mir natürlich auch hier Therapieplätze in der Ergotherapie, Physiotherapie und Logopädie suchen, aber Fakt ist, dass es mit einem Intensivprogramm am besten funktionieren wird.«
»Wie lange wirst du weg sein?«, fragt Jonas.
»Sechs Wochen. Und ich werde nicht allein wegfahren. Katharina wird mich begleiten«, erklärt er. Dabei liegt sein Blick auf mir. Kaum merklich nicke ich, aber er sieht es trotzdem. »Ich kann das Hotel nicht so lange allein lassen. Deshalb wird Carolina für die nächsten sechs Wochen die Führung übernehmen und Katharina vertreten.«
Ich schlucke. Ein Blick zu Jonas verrät mir, dass auch er auf Zoés Reaktion gespannt ist. Ich folge seinem Blick. Zoé starrt auf ihren Teller.
»Wir werden sehen, wie es auf Dauer anschlägt. Aber ich möchte, dass ihr wisst, dass die Möglichkeit besteht, dass ich mich zurückziehen werde. Ich habe die letzten Wochen viel Zeit gehabt, um nachzudenken. Fakt ist, dass ich meine Frau und meine Kinder nicht allein lassen möchte, nur weil ich nicht weiß, wann Schluss ist. Ich habe in den letzten Jahren alles dafür getan, das Golden Sands Resort so zu führen, dass es nun ist, wie es ist. Ich bin stolz auf dieses Hotel. Aber ich habe gelernt, dass Gesundheit das wichtigste Privileg ist, das wir haben.«
»Carolina bleibt also hier«, entfährt es Zoé. Es ist keine Frage. Mehr eine Art Feststellung.
»Sie wird Katharina vertreten, ja. Darüber hinaus müssen Dinge besprochen werden, die wir dann in Angriff nehmen, wenn wir wieder zu Hause sind«, sagt Papa.
Jeder hier im Raum weiß, dass dieses Thema für Zoé sensibel ist und ich hasse es, dass er so emotionslos von seiner Entscheidung berichtet, als wäre es nicht unsere Beziehung, die daran hängt.
Zoé sagt nichts mehr und Papa räuspert sich, ehe Katharina eingreift. »Wir werden heute Nachmittag alles in Ruhe durchsprechen. Ich habe mir ein paar Stunden Zeit geblockt, während Jonas deinen Vater versorgt.«
»Du wusstest also davon?«, fragt Zoé an Jonas gerichtet.
Jonas nickt.
»Und du hast es nicht für nötig gehalten, mich vorzuwarnen?«
»Sei doch mal ehrlich zu dir selbst. Du wusstest, dass es so kommen wird.«
»Und dass du vor mir eingeweiht wurdest, ist scheißegal«, sagt sie lachend. Ich erkenne Tränen, die in ihren Augen schimmern. »Aber ist schon gut. Es ist ja nicht so, als würde ich hier in irgendetwas miteinbezogen werden. Wenn ihr mich also entschuldigt, mir ist der Appetit vergangen.«
Zoé schiebt hörbar ihren Stuhl zurück und auch Milan erhebt sich einen kurzen Augenblick nach ihr. Er steht immer bedingungslos hinter ihr. Etwas, das ich sehr an ihm schätze.
»Zoé, das ist doch wirklich nicht nötig.«
»Doch, Papa, ist es. Du weißt genau, wie ich denke, und trotzdem interessiert es niemanden hier einen Scheißdreck.«
»Carolina ist …«
»Es hat nichts mit ihr zu tun, sondern mit dir. Du bevorzugst sie. Immer und immer wieder. Dabei ist sie gegangen. Sie wollte nicht hier sein. Schau sie dir doch mal an. Sie will es auch jetzt nicht, aber ist zu feige etwas zu sagen, weil sie dich nicht enttäuschen will.«
Ich schnappe nach Luft, doch ich kriege keinen Ton heraus.
Zoé steuert den Aufzug an und kurz darauf sind sie und Milan verschwunden.
Und dann wird weitergegessen. In vollkommener Stille. Weil jeder weiß, dass Zoé recht hat. Nur traut sich niemand außer ihr, die Wahrheit auszusprechen.
Im Hause Fischer herrscht Chaos. Immerzu, jeden Tag, weshalb ich immer wieder froh bin, dass ich zumindest eine eigene Wohnung in unserem Haus habe, deren Tür ich abschließen kann, sobald es mir zu viel wird. Valeria, meine Cousine, hockt auf der Küchenzeile, während Mama in einer Jogginghose und einem dicken Hoodie vor dem Herd steht und Pancakes brät. Es ist eine Art Tradition geworden, dass wir uns ein Luxusfrühstück zubereiten, wenn Mama vom Nachtdienst im Krankenhaus wiederkommt. Sehr zum Unmut von Papa, der bereits um sieben das Haus verlässt und die Schiffe bereitmacht, um den ganzen Tag über Touristen von A nach B zu kutschieren. Dementsprechend bleiben für ihn immer nur die Reste über, die Valeria ihm meist zur Mittagspause bringt.
»Valeria, jetzt sei doch mal leise«, brumme ich. Ich hatte noch keinen Kaffee, habe verschlafen und bereits jetzt habe ich eine Krankmeldung von Tobi erhalten, was bedeutet, dass aus meinem freien Tag heute doch nichts wird.
»Sie kann nichts dafür, dass du ein alter Brummbär bist, Luci.«
»Es reicht, wenn sie mir heute im Dock ein Ohr abkaut. Jetzt auch noch ihr schlechter Gesang? Da wäre es mir wirklich lieber, wenn sie Taylor Swift einfach nur aufdreht.«
»Ich habe dir doch gesagt, dass ich dich zum Swiftie mache«, meint sie, hüpft von der Küchenzeile herunter und grinst mich frech an. »Weißt du eigentlich, dass das deinen Wert auf dem Dating Markt deutlich erhöht? Du solltest mir dankbar sein.«
»Ich hab doch gerade gar keinen Bock darauf, jemanden zu daten.«
Mama verdreht die Augen. Dafür, dass sie eine 20-Stunden-Schicht hinter sich hat, wirkt sie immer noch erstaunlich munter. Ihre schwarzen Haare fallen mittlerweile aus dem Dutt und ihre Augen wirken ein wenig müde, aber ansonsten wirkt sie topfit. Mit einem Lächeln stellt sie mir eine dampfende Tasse mit schwarzem Kaffee vor die Nase und gibt mir einen Kuss aufs Haar. »Würde dir aber vielleicht nicht schaden, wenn ich ehrlich bin. Du wirkst unausgeglichen, mein Schatz. Und ganz ehrlich – jünger wirst du nicht.«
»Was soll das denn heißen?«, hake ich lachend nach, bevor ich mich aufsetze und den ersten Schluck meines Kaffees trinke. Die brühwarme Flüssigkeit belebt mein Innerstes und ich seufze wohlig auf.
»Dass ich deinen Vater in deinem Alter schon gekannt habe.«
»Das kann man doch gar nicht miteinander vergleichen«, sage ich. »Früher war das alles anders.«
»Du hast recht. Heute hat jeder Zweite eine Bindungsphobie.«
Valeria lacht. »Oder ein Problem, treu zu sein.«
»Oder –«, beginnt Mama, doch ich unterbreche sie, bevor diese Diskussion ausartet.
»Okay, okay. Ich meine doch nur, dass ich aktuell nicht die Lust habe, jemanden kennenzulernen. Natürlich kann jetzt jemand um die Ecke kommen und mich umhauen, aber aktiv nach einer Beziehung suchen, werde ich nicht.«
Mama und Valeria schauen sich an, ehe sie wenige Sekunden später in Gelächter ausbrechen. »Wow. Jetzt klingst du wirklich wie ein alter Mann.«
Ich lasse sie über mich herziehen, weil sie die beiden Frauen in meinem Leben sind, die das dürfen. Bei denen ich weiß, dass sie mich nur aufziehen wollen und denen ich ohnehin niemals böse sein könnte. Vollkommen egal, ob ich regelmäßig Thema ihrer Trashtalks bin.
Ihr Gelächter, und zu meinem Übel leider auch das Frühstück, finden ein jähes Ende, als plötzlich der Rauchmelder ohrenbetäubend laut Alarm schlägt, weil eine fette Rauchwolke sich über dem Herd gebildet hat.
»Meine Pancakes!«, ruft Mama alarmiert, ehe sie zum Herd hinüberläuft und mit einem Handtuch versucht, den Rauch fortzuwehen.
Als auch das nichts bringt, stehe ich kurzerhand auf, schnappe mir den Feuerlöscher, den Papa aus Gründen in einem Vorratsschrank deponiert hat, öffne den Verschluss und setze der Panik und dem aufkeimenden Feuer ein Ende.
***
Familie Fischer
Papa: Warum hat Valeria mir gekaufte Pancakes gebracht?Valeria: Die sind selbstgemacht, Onkel D!Mama: Sind sie wirklich …Papa: Ich erkenne deine Pancakes aus meilenweiter Entfernung. Die hier riechen nach Chemie.Mama: So ein Unsinn.Luca: *schickt ein Bild*Mama: Du bist enterbt.Valeria: Luca, du Verräter!Papa: Will ich es überhaupt wissen?Valeria: Vermutlich nicht.
Lachend stecke ich mein Telefon weg und überlasse Mama und Valeria sich selbst. Es ist halb drei am Nachmittag und das Dock, meine Strandbar, die ich vor drei Jahren eröffnet habe, ist gut besucht. So gut, dass ich sogar kurzerhand meine Cousine und deren beste Freundin Julia um Hilfe bitten musste. Dass Tobi krank ist, ist an einem vollen Tag eher nicht von Vorteil. Aber damit muss man rechnen und immerhin kann ich mich glücklich schätzen, dass mein Team genauso an dieser Bar hängt, wie ich es tue.
»Das war richtig gemein!« Valeria kommt in mein Sichtfeld und tritt hinter die Bar. »Du hast uns einfach ausgeliefert.«
»Ausgeliefert?«, frage ich lachend. »Spätestens in drei Stunden hätte er bemerkt, dass mit dem Ofen etwas nicht stimmt.«
»Bis dahin hätten wir uns noch eine Ausrede einfallen lassen können, du Penner.«
»Daniel kann euch sowieso nicht böse sein«, wirft Julia ein und bindet sich ihre dunkelroten Haare zu einem hohen Zopf. Mit einem Lächeln auf den Lippen, nickt sie mir zu.
»Stimmt. Er liebt mich, als wäre ich seine Tochter«, meint Valeria grinsend.
Das tut er wirklich. Für mich ist Valeria auch eher wie eine Schwester. Sie wohnt, seit ich denken kann, bei uns, nachdem ihre Mutter damals bei einem Autounfall gestorben ist. Wir waren so klein, dass wir uns kaum mehr an die Zeit erinnern können, weshalb ich es gar nicht anders kenne. Dass Valeria und ich irgendwann einmal nicht zusammenleben, ist unvorstellbar und dennoch kann ich es kaum erwarten, ein Stück von meinem Seelenfrieden wiederzubekommen. Und Privatsphäre. Ein weiterer Grund, warum ich nämlich kaum jemanden mit nach Hause nehme, ist die Tatsache, dass Valeria direkt nebenan wohnt und allzu gerne ihre Detektivkünste auspackt. Das heißt, wenn sie weiß, dass ich eine Verabredung mit nach Hause nehme, dann wissen es auch meine Eltern.
»So, genug gequatscht. Macht euch an die Arbeit«, sage ich.
»Ich gehe mal die Gläser einsammeln«, meint Valeria und lässt mich mit Julia hinter der Theke allein.
Während ich den Kühlschrank mit neuen, bereits vorgekühlten Getränken bestücke, lehnt Julia sich an die Theke. Aus dem Augenwinkel nehme ich wahr, wie sie ihre Arme vor der Brust verschränkt und zu mir nach unten blickt. »Hast du über mein Angebot nachgedacht?«
Shit. Ich hatte gehofft, sie lässt das Thema einfach fallen.
»Habe ich.«
»Und?«
»Nun ja, ich denke nicht, dass das eine gute Idee ist.«
»Wieso nicht?«
»Du bist Valerias beste Freundin. Wenn etwas schiefgeht zwischen uns, wird automatisch auch eure Freundschaft in Mitleidenschaft gezogen. Das will ich ihr nicht antun. Außerdem arbeiten wir zusammen. Sex verkompliziert alles.«
»Was, wenn es nicht schiefgeht? Ich habe dir doch gesagt, dass ich das nicht das erste Mal mache.«
»Und mit wie vielen dieser Menschen bist du heute noch befreundet?«, hake ich nach. Die Antwort darauf kenne ich nämlich bereits.
Julia verdreht die Augen. »Das sagt gar nichts darüber aus, wie es zwischen uns laufen könnte.«
»Tut mir leid, Julia, aber meine Entscheidung steht fest. Kein Interesse an einer Freundschaft plus.«
Sie seufzt. »Na schön. Dann werde ich mir wohl jemand anderen suchen müssen«, meint sie und begibt sich auf die andere Seite.
Erleichtert, dass das Thema vom Tisch ist, räume ich weiter den Kühlschrank ein. Als ich wenige Sekunden später wieder auftauche, sitzt jemand an der Bar.
Wobei es definitiv nicht irgendjemand ist.
Amüsiert mustert sie mich, während ich sie nur anstarren kann, weil ihre Attraktivität mich für einige Sekunden vollkommen umhaut.
»Das war nett«, sagt sie grinsend.
»Was denn?«
»Bietet ihr euren Gästen immer eine Art Telenovela?«
Ich lache, ehe ich mich kurz umsehe und sichergehe, dass Julia nicht in Hörweite ist. »Sorry, aber das eben hat überhaupt nichts mit einer Telenovela gemeinsam. Eher war es der Versuch, so höflich wie möglich einen Korb zu erteilen.«
»Verstehe. Ist dir halbwegs geglückt, würde ich sagen. Sie sieht nicht so aus, als wolle sie dich mit einer Flasche erschlagen, aber auch nicht, als würde sie gleich vor Freude in die Luft springen.«
Ich winke ab. »Julia ist cool. Sie versteht das«, sage ich und räuspere mich. »Kann ich dir etwas bringen?«
»Ich hab keine Piña Colada auf der Getränkekarte entdeckt«, sagt sie und klingt relativ enttäuscht. »Was kannst du stattdessen empfehlen?«
Ein Lachen entfährt mir. »Natürlich haben wir Piña Colada im Angebot. Meine Cousine hat letztens die Tafel neu beschrieben und manchmal arbeitet sie ein wenig chaotisch. Schätze, sie hat es vergessen. Also eine Piña Colada?«
Sie lächelt nun. Von der vorherigen Enttäuschung ist keine Spur mehr da, als sie nickt. »Das wäre großartig, danke.«
Ich schnappe mir ein Glas und mache mich ans Werk. Ich weiß ja nicht, was die Menschen an einem derartig süßen Cocktail so reizvoll finden, aber meine Kundschaft bekommt, was sie will. Ich spüre den Blick der Gästin auf mir und schaue kurz zu ihr hoch. Als ich sie dabei erwische, wie ihre Augen meinen Körper einmal auf und abfahren, kann ich mir ein kleines Grinsen nicht verkneifen.
Die Frau an der Bar ist schön. Ihre blonden langen Haare fallen in sanften Wellen über ihre Schultern, die von ihrem Kleid kein bisschen versteckt werden. Ihr schlanker Hals ist von zwei goldenen Ketten geschmückt und ihre Augen – Shit, sie sind so unendlich blau, dass ich beinahe darin verloren gehe. Ihr Lächeln ist strahlendweiß. Bis sie ihre vollen Lippen plötzlich aufeinanderpresst. Es wirkt fast so, als wolle sie sich ein Lachen verkneifen.
»Was ist?«
»Ähm«, beginnt sie und deutet auf meine Hände.
Ich folge ihrem Blick und merke erst jetzt, dass ich statt 4 cl bereits über die Hälfte mit weißem Rum gefüllt habe.
»Luca, was soll das denn?«, fährt mich jemand an und ich zucke zusammen. Als Valeria plötzlich neben mir auftaucht, entzieht sie mir die Flasche. »Wen willst du damit abfüllen?«
»Niemanden«, brumme ich und spüre, wie es in meinen Wangen ganz warm wird. »Ich habe eine Sekunde nicht aufgepasst.«
»Woran das nur gelegen hat …«, höre ich die Fremde an der Bar murmeln.
Natürlich entgeht Valeria nicht, was sie sagt. Sie schubst mich ein Stück zur Seite, nimmt mir auch noch den Shaker ab und fängt an, einen richtigen Cocktail zu mixen. Ich kann mir auch nicht erklären, was gerade in mich gefahren ist.
»Entschuldige den Trottel hier drüben«, sagt sie lachend. »Wenn du einen Cocktail willst, sollte ich das heute wohl besser übernehmen. Manchmal ist Luca etwas … abgelenkt.«
»Ich habe eine Sekunde nicht aufgepasst. Ich bin Barkeeper. Natürlich mixe ich gute Cocktails«, verteidige ich mich.
»Haben wir ja gerade gesehen«, meint Valeria lachend, bevor sie den Shaker verschließt und gekonnt anfängt, die Cocktails zu mixen. Valerias Cocktails schmecken tatsächlich immer etwas besser. Ich kann mir nicht genau erklären, woran es liegt. Aber ich kann nicht sagen, dass meine eigenen Kreationen nicht munden.
»Hier«, sagt Valeria. »Eine Piña Colada für dich.«
»Danke«, meint unser Gast und schiebt einen Geldschein über die Theke, doch ich winke schnell ab.
»Geht aufs Haus. Dafür, dass ich dir fast einen schlechten Cocktail serviert hätte.«
Sie lächelt, dann schaut sie Valeria an und reicht ihr den zehn Euro Schein. »Dann hier, dein Trinkgeld. Immerhin hast du meinen Cocktail gerettet.«
Valeria schaut mich zögernd an, weshalb ich nur nicke. »Du hast unseren Gast gehört.«
Lächelnd nimmt sie den Schein entgegen und steckt ihn in ihr Sparschwein hinter der Theke. Jeder von meinen Angestellten hat ein eigenes und das Trinkgeld, das ich bekomme, wandert am Quartalsende aufgeteilt in ihre Spardosen. Macht vielleicht nicht jeder so, aber mir ist es wichtig, dass meine Mitarbeitenden zufrieden sind. Valeria macht sich wieder an die Arbeit und auch ich sollte eigentlich etwas tun, aber irgendwas hält mich davon ab.
Vielleicht ist es das Seufzen, das meinem Gegenüber entfährt, als sie den Cocktail kostet, das mich an Ort und Stelle hält. »Schmeckt er dir?«
»Und wie. Genau das, was ich nach dem heutigen Tag brauche.«
Ich blicke auf meine Smartwatch und stelle fest, dass es erst kurz vor drei ist. »Dabei ist der Tag noch nicht vorbei.«
»Glaub mir, für mich wird er spätestens heute Abend um acht enden. Ich bin heute Morgen aus London zurückgekommen, von Hamburg mit einem Mietwagen hergefahren und habe ein anstrengendes Familienfrühstück hinter mir, inklusive einer darauffolgenden, langen Besprechung über Zukunftspläne, die nicht von mir stammen«, erklärt sie. »Diesen Cocktail habe ich mir verdient. Und dann gibt es heute Abend Room Service, eine lustige Romcom und ein Bad, bevor ich vermutlich ins Bett falle und bis morgen früh durchschlafe.«
»Klingt nach einem anstrengenden Tag.«
»Du hast echt keine Ahnung«, meint sie. »Aber sicherlich interessiert dich das gar nicht. Ich weiß auch nicht, warum wir Menschen bei Barkeepern immer unser gesamtes Leben ausbreiten.«
Ich grinse. »Das tun wirklich viele. Aber es ist auch unheimlich interessant.« Vor allem, weil ich lange keine Kundin mehr hatte, die mich mit ihren Augen so für sich eingenommen hat. »Also wohnst du eigentlich in London?«
»Ich bin dort hingezogen, als meine Eltern sich getrennt haben, ja. Aber ich schätze, nun bin ich erst einmal wieder hier und ich weiß auch noch nicht genau, ob ich zurückgehen werde. Vermutlich nicht.«
Also ist sie keine Touristin. Interessant. »Und du kommst aus Warnemünde?«
Sie nickt. »Und du?«
»Ich auch. Meinem Vater gehört eines der vielen Schifffahrtsunternehmen. Seine Fahrgastschiffe fahren ungefähr zwanzigmal am Tag an meiner Bar vorbei.«
»Oh, das ist toll«, meint sie begeistert. »Früher haben meine ehemalige beste Freundin und ich uns immer auf diese Schiffe gesetzt und uns als Touristen ausgegeben. Jeder hat sich gefragt, warum zwei dreizehnjährige Mädchen allein auf einem Schiff unterwegs sind. Irgendwann durften wir immer gemeinsam mit dem Kapitän das Schiff steuern. Es war toll«, meint sie lächelnd.
»Und jetzt seid ihr nicht mehr befreundet?«
»O Himmel, nein. Das ist lange vorbei und ich glaube, manche Menschen durchleben auch hin und wieder eine weniger schöne Entwicklung.«
»Verstehe«, sage ich. Das ist bei mir und Tobi zum Glück nicht der Fall gewesen. Wir haben uns bereits im Kindergarten angefreundet und sind bis zum heutigen Tag unzertrennlich.
»Und du heißt Luca?«
Shit, ich hätte sie längst nach ihrem Namen fragen sollen. Offenbar habe ich meinen klaren Verstand heute zu Hause gelassen.
»Luca Fischer. Verrätst du mir auch deinen Namen?«, frage ich und stütze mich mit meinen Händen auf der Theke ab.
Ihre Augen wandern für eine kleine Sekunde nach unten, ehe sie schluckt und mich wieder ansieht. Ein kurzes Zögern liegt in ihrem Blick und ich frage mich, woher das plötzlich kommt. Doch kaum, dass ich diesen Gedanken zu Ende ausgeführt habe, lächelt sie wieder und streckt mir ihre Hand entgegen.
»Ich bin Carolina. Carolina Monroe.«
Mit einem Grinsen ergreife ich ihre Hand und halte sie fest. »Freut mich sehr, dich kennenzulernen, Carolina.« Belustigt schaut sie auf unsere Hände, ehe sie einmal mit ihrem Daumen über meinen Handrücken streicht. Verdammt, sie flirtet mit mir und alles daran gefällt mir. Eigentlich hätte ich schon anhand ihrer Blicke erahnen können, dass auch sie mich attraktiv findet.
Augenblicklich muss ich an die Konversation denken, die ich heute Morgen mit Mama und Valeria geführt habe. Dass ich aktuell keine Lust habe, jemanden kennenzulernen und nicht gezielt nach einer Frau suche, von der ich mir vorstellen könnte, sie zu daten. Eigentlich glaube ich nicht an so etwas wie Schicksal. Aber dass ausgerechnet Carolina einen halben Tag später vor mir sitzt, kann kein Zufall sein.
Als ein Räuspern neben uns ertönt, lasse ich Carolinas Hand schnell wieder los.
Valeria grinst schief. »Ich müsste da mal vorbei«, sagt sie und ich drücke mich an die Theke, um ihr Platz zu machen. Als ich einen Blick über meine Schulter werfe, wackelt sie nur mit den Augenbrauen und Carolina, die nun wieder an ihrem Cocktail nippt, lacht.
Was für ein Tag …
Familie Fischer
Valeria: LUCA FLIRTET! IN DER BAR!!!Mama: Wie bitte? Kannst du ein Video machen?Mama: Valeria!Mama: Hallo???Papa: Lasst meinen Sohn in Ruhe! Ich will in diesem Leben irgendwann noch einmal Opa werden und das geht nicht, wenn seine Cousine ihn davon abhält.Valeria: Wartet, ich versuche, eine gute Position zu finden!!!Valeria hat ein Bild geschickt.Valeria: Er steht schon seit einer halben Stunde da. Sie unterhalten sich sooooo süß.Mama: Oh, die ist aber niedlich!! Luci, bitte versau es nicht, okay? Auch ich möchte mal Oma werden.Papa: Ihr seid unmöglich …Du hast diese Gruppe verlassen.Valeria hat dich zu dieser Gruppe hinzugefügt.Ich: Wenn du nicht gefeuert werden willst, solltest du dringend wieder an die Arbeit!Valeria: Oh oh. Mein Boss wird wütend. Ich muss gehen.Mama: Später erzählst du mir alles!
Es ist halb sechs, als ich zum Hotel zurückkehre. Die Piña Coladas haben mir zumindest für kurze Zeit geholfen, die ratternden Gedanken in meinem Kopf auszustellen. Oder vielleicht war es auch der Barkeeper. Luca, wie ich inzwischen weiß, bereitet auf jeden Fall die besten Cocktails zu, auch wenn er beim allerersten ein kleines bisschen abgelenkt war. Woran das nur gelegen hat? In der Lobby herrscht reges Treiben und ich gehe vollkommen darin unter. Zum Glück, denn der Gedanke, nun allein in meine Suite zu gehen und womöglich wieder in meinem emotionalen Chaos zu versinken, klingt nicht gerade berauschend.
Ich lasse mich in einen Loungesessel fallen und zücke mein Telefon aus meiner Handtasche. Mein gesamter Sperrbildschirm ist mit Nachrichten übersät. Doch als ich einen bestimmten Namen entdecke, muss ich automatisch lächeln.
Schnell drücke ich auf den Hörer und FaceTime baut sich auf. Es dauert nicht lange, bis Derek ans Telefon geht und ich sein strahlendes Lächeln auf meinem Bildschirm sehe.
»Hello, Darling.«
»Hi. Störe ich gerade?«, antworte ich. Derek und ich haben uns vor etwas mehr als zwei Monaten auf Tinder kennengelernt. Eine Beziehung führen wir nicht, was vor allem daran liegt, dass ich doch schneller als gedacht zurück nach Deutschland fliegen musste.
»Ich sitze im Uber und bin auf dem Weg zu einem Geschäftsessen. Wie war das Frühstück?«, fragt er.
»Es war genauso, wie ich es mir vorgestellt habe. Irgendwie unangenehm und Dad hat verkündet, dass er sechs Wochen lang an einer Reha teilnimmt. In der Zeit ist das Golden Sands mein.«
»Was? Das ist doch großartig!«
»Ist es das, wenn meine Schwester deshalb traurig ist?«
»Es ist eben ein Business. Was kannst du dafür, wenn dein Vater dich als Ersatz möchte? Außerdem hast du bereits Berufserfahrung, dein Studium ist beendet. Natürlich bist du die geeignetere Wahl.«
»Rein theoretisch stimmt das. Aber für Dad kommt es nicht infrage, dass Zoé ins Familienbusiness einsteigt.«
Derek seufzt. »Das ist nicht deine Schuld.«
»Das weiß ich. Aber trotzdem ist es kein schönes Gefühl«, sage ich und zucke mit den Schultern. »Ich werde gleich noch mal zu ihr gehen. Vielleicht können wir gemeinsam essen und über alles sprechen.«
Derek wirft mir ein aufmunterndes Lächeln zu. »Sie soll sich nicht so zieren. Du bist ihre Schwester. Der verzeiht man doch alles.«
»Wenn das immer so leicht wäre …«, meine ich bloß und lehne den Kopf entmutigt gegen die Sessellehne. »Wie läuft es bei dir?«
»Wir haben einen großen Fall zugewiesen bekommen. Viel Arbeit, aber ich bin überzeugt, dass wir gewinnen werden. Ich bin auch sofort da, deshalb muss ich gleich Schluss machen«, meint er.
»Klar. Gar kein Problem. Ruf mich an, wenn du zu Hause bist.«
»Ja … also was das betrifft …«, beginnt er. »Bevor wir auflegen, wollte ich dir noch kurz was sagen.«
Der plötzliche Stimmungswechsel in Dereks Stimme gefällt mir nicht. Fragend blicke ich in die Kamera meines Handys und mustere Dereks Gesichtsausdruck. »Was gibt es denn?«, frage ich besorgt.
»Es läuft zwar richtig gut mit uns, aber jetzt, wo du zurück in Deutschland bist, wollte ich noch einmal sichergehen, dass das mit uns nur eine lockere Geschichte ist«, beginnt er und ich verschlucke mich an meiner Spucke. »Ich meine, es wäre doch verrückt, wenn wir in dieser Zeit, in der wir uns nicht sehen, keine anderen Leute kennenlernen, oder?« Derek lacht nervös.
»Du meinst also, es geht dir darum, dass wir für unbestimmte Zeit keinen Sex haben und uns deshalb nicht weiter kennenlernen können?«, frage ich und richte mich auf. Die Leichtigkeit der eben getrunkenen Piña Coladas verfliegt im Nu.
»Na ja, wer weiß wie lange du letztlich dortbleibst und im Grunde glaube ich, dass wir besser nur befreundet bleiben. Eine Beziehung macht über so eine Entfernung einfach keinen Sinn. Das wirst du doch wohl verstehen.«
»Natürlich, Derek. Das verstehe ich sehr wohl«, sage ich, obwohl ich in diesem Moment nicht glauben kann, dass er mich tatsächlich am Telefon abserviert. »Das hättest du mir allerdings auch persönlich sagen können. Gestern Abend, zum Beispiel.«
Er verdreht die Augen. »Das hätte es doch nur noch komplizierter gemacht.«
»Oder weil sich die Chance, dass ich mit dir ins Bett gehe, eliminiert hätte?«
»Komm schon, Caro. Mach kein Drama aus der Sache. Wir beide wollten Casual Sex.«
»Und wir wollten schauen, ob es mehr werden könnte. Aber ich habe verstanden, Derek. Wir sind Freunde.«
Erleichtert lächelt er. »Ich wusste, du würdest es verstehen«, sagt er, dann höre ich jemand leise im Hintergrund sprechen. Derek antwortet, bevor er sich mir wieder zuwendet. »Tut mir leid, Darling. Ich muss los.«
»Natürlich. Bis dann, Derek«, sage ich und lege auf. Mir entfährt ein Lachen. Eines dieser verzweifelten Art und Weise. Kapitulierend lasse ich mein Telefon in meinen Schoß sinken und schaue das Hintergrundbild an, das ich benutze, seitdem ich mein erstes Smartphone bekommen habe.
Zoé und Jonas – als kleine Babys in meinen viel zu kleinen Armen. Und doch glaube ich, mich an diesen Tag erinnern zu können, als wäre es gestern gewesen. Wie ich sie an mich gedrückt habe, damit Mama und Papa sie mir bloß nicht wieder entreißen können. Weil ich sie für immer behalten wollte und sie von der einen zur anderen Sekunde mein Leben verändert haben. Ich habe mich lange nicht mehr so einsam gefühlt, wie es heute der Fall gewesen ist.
Derek war das Letzte, was mich in London noch gehalten hat – abgesehen von meiner Mutter und meinen Freund*innen. Offenbar ist nun auch das vorbei. Wieso also fällt es mir so schwer, hier zu sein? Das Unausweichliche zu akzeptieren?
Als würde mir das Schicksal in diesem Augenblick vor Augen führen, wieso ich mich nicht willkommen fühle, läuft Zoé an mir vorbei. Sie trägt ein pinkes, luftiges Kleid, darüber eine Lederjacke, und eine schwarze, große Sonnenbrille sitzt in ihren Haaren. Vom Aufzug bis zum Ausgang ist es nicht weit, weshalb ich aufspringe und sie, kurz bevor sie das Hotel verlassen kann, abfange.
»Hey, willst du los?«
Zoé zuckt zusammen, als ich sie am Arm berühre und am Gehen hindere. Eine Hand legt sie sich auf die Brust, ehe sie keuchend ausatmet. »Gott, hast du mich erschreckt.«
»Tut mir leid«, sage ich und lache leise. »Ich hatte gehofft, wir können vielleicht gemeinsam Abendessen gehen?«
»Ich habe leider keine Zeit. Milan wartet auf mich«, sagt sie und beißt sich auf die Unterlippe. »Vielleicht ein anderes Mal.«
»Natürlich, gar kein Problem.«
»Milans Eltern haben zum Abendessen eingeladen. Das kann ich schlecht canceln«, sagt sie und schaut mich mit Bedauern in ihren Augen an.
Natürlich kann sie so ein Abendessen nicht absagen. Aber selbst wenn, bin ich mir nicht sicher, ob sie es tun würde. Für mich eine Verabredung abblasen, um Zeit mit mir zu verbringen. »Natürlich nicht«, antworte ich ein kleines bisschen zu spöttisch. Aber ich kann nichts dafür. In mir kochen Unmut, Wut und Verzweiflung. Vielleicht auch ein kleines bisschen Traurigkeit. Und Zoé, die mir ganz offensichtlich aus dem Weg geht, schürt alle drei Komponenten.
»Was ist dein Problem?«, fährt sie mich an.
»Ich habe kein Problem. Du aber schon. Nur sprichst du es nicht an, sodass immer wieder irgendetwas zwischen uns steht.«
»Das ist doch Bullshit.«
»Ist es das?«, frage ich lachend. »Oder ist es die Art und Weise, wie du mir aus dem Weg gehst, seitdem Papa mich als seinen Ersatz bestimmt hat?«
Zoé verdreht die Augen. »Das ist alles, woran du denken kannst, richtig?«
»Gib doch zu, dass das der Grund ist, warum du heute Morgen abgehauen bist.«
»Natürlich bin ich deshalb abgehauen. Was zur Hölle stimmt nicht mit dir, dass du mir das ausgerechnet jetzt wieder unter die Nase reiben musst?«
»Ich reibe dir nichts unter die Nase.«
»Ach nein? Wie toll, dass Papa dich ausgewählt hat. Wir wussten alle, dass es eines Tages so kommen wird. Kein Wunder, wenn du ihm ständig in den Hintern kriechst, um dein schlechtes Gewissen wieder gutzumachen«, entfährt es ihr wütend.
»Ein schlechtes Gewissen?«, frage ich lachend. »Wofür?«
»Wenn dir das noch immer nicht klar ist, solltest du dich vielleicht fragen, ob du hier wirklich richtig bist.«
»Das Golden Sands ist auch mein Zuhause, Zoé. Ich habe genauso das Recht, hier zu sein wie du.«
»Bist du dir da sicher?« Provokant hebt sie die Augenbrauen. »Das hier ist nicht dein Zuhause. Schon lange nicht mehr. Immerhin hast du dich entschieden, zu gehen.«
Ich schlucke. »Das heißt nicht, dass es mir leichtgefallen ist.«
Sie lacht ironisch auf. »Und es ändert trotzdem nichts daran. Wenn du mich nun entschuldigst, mein Freund wartet auf mich.«
»Du willst das hier jetzt einfach so stehen lassen?«
»Sorry, aber was erwartest du? Ich lasse mein Leben nicht stoppen, nur weil du jetzt plötzlich reden willst«, meint sie. »Das kommt reichlich spät.«
»Schon komisch. Als ich das letzte Mal hier war, hast du dich mir gegenüber nicht so verhalten. Was hat es mit diesen zwei Gesichtern auf sich, die du mir zeigst?«
Zoé lacht spöttisch. »Zwei Gesichter?«
»Du weißt genau, was ich meine. Als mit Milan alles im Argen war, haben Jonas und ich dafür gesorgt, dass sich etwas ändert. Vor Papas Schlaganfall haben wir uns wieder angenähert. Und jetzt, wo diese eine Sache zwischen uns steht, ist alles wieder anders«, sage ich. In meiner Brust zieht sich etwas zusammen und ich merke, wie meine Augen verräterisch brennen. »Ich hasse es, Zoé. Dieses Gefühl, nicht willkommen zu sein.«
»Frag dich doch mal, warum das so ist«, sagt sie, wendet sich von mir ab und geht. Sie lässt mich einfach stehen. Inmitten dieses Hotels, das immer wieder Grund dafür ist, dass wir nie wie richtige Schwestern eine normale Beziehung aufbauen können. Irgendetwas steht immer zwischen uns. Und meistens ist es unser Vater, der die Strippen zieht.
***
Nachdem ich im Seeblick zu Abend gegessen habe – Spaghetti mit Meeresfrüchten, die Spezialität des Hauses – habe ich keine Zeit verschwendet. Alles, was ich getan habe, war, mich frisch zu machen, meinen E-Reader aus meinem Rucksack zu fischen und mir einen Hoodie überzuziehen. Es ist dunkel in meiner Suite. Die Vorhänge lassen nur wenig Licht durch ihren Stoff und vereinzelt schafft es die Abendsonne, Schatten an die Wand zu werfen.