7,99 €
Dolf Hermannstädter setzt sich in ungewöhnlich konsequenter Art und Weise mit dem Hauptproblem der Menschen in unserer Gesellschaft auseinander: Mit der permanenten Verwechslung der Erscheinung (wie eine Sache nach außen erscheint) und dem Wesen (was eine Sache, eine subkulturelle Bewegung, das menschliche Zusammenleben bedeuten soll). Was sich wie ein roter Faden eben auch durch die Punk/HC-Bewegung zieht, ist die von Dolf erkannte Tatsache, dass der Mensch nicht ist, was er sein sollte, und das er sein sollte, was er sein könnte. Das macht diese in klarem und nüchternem Stil gehaltenen Kolumnen zu etwas besonderem. Gerade weil doch jeder, der 1979 die Sex Pistols hörte, schon ein Buch darüber geschrieben hat. Neben der konzentrierten Analyse jeweiliger Szenemoden und dem feinen Gespür für Trends plus einer guten Portion Gesellschaftskritik beharrt Hermannstädter auf der ursprünglichen Forderung von Punk: think for yourself - sich etwas eigendes aufzubauen, ohne dich von den Trends blenden zu lassen. Wie in fast keinem anderen Bereich gehen bei den Begriffen Punk und Hardcore Wesen und Erscheinung so weit und so widersprüchlich auseinander. Einerseits ein dümmlicher, sich selbst abfeiernder Haufen von Kaputt-Chic. Andererseits eine eventuell noch bescheuertere Veranstaltung von tätowierten Testosteron-Gorillas. Doch für ein tieferes Verständnis, um was es Punk und dem jüngeren Hardcore-Punk eigentlich geht, was ihr Wesen ausmacht, wofür und wogegen sie sind, dafür stehen Dolf Hermannstädters Kolumnen, die zwischen 1986 und 2007 im Musik-Fanzine Trust erschienen sind.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2012
Dolf Hermannstädter
GOT ME?
Hardcore-Punk als Lebensentwurf
— ›‹ —
Trust-Kolumnen 1986 – 2007
FUEGO
Dolf Hermannstädter setzt sich in ungewöhnlich konsequenter Art und Weise mit dem Hauptproblem der Menschen in unserer Gesellschaft auseinander: Mit der permanenten Verwechslung der Erscheinung (wie eine Sache nach außen erscheint) und dem Wesen (was eine Sache, eine subkulturelle Bewegung, das menschliche Zusammenleben bedeuten soll). Was sich wie ein roter Faden eben auch durch die Punk/HC-Bewegung zieht, ist die von Dolf erkannte Tatsache, dass der Mensch nicht ist, was er sein sollte, und das er sein sollte, was er sein könnte. Das macht diese in klarem und nüchternem Stil gehaltenen Kolumnen zu etwas besonderem. Gerade weil doch jeder, der 1979 die Sex Pistols hörte, schon ein Buch darüber geschrieben hat.
Neben der konzentrierten Analyse jeweiliger Szenemoden und dem feinen Gespür für Trends plus einer guten Portion Gesellschaftskritik beharrt Hermannstädter auf der ursprünglichen Forderung von Punk: think for yourself - sich etwas eigendes aufzubauen, ohne dich von den Trends blenden zu lassen.
Wie in fast keinem anderen Bereich gehen bei den Begriffen Punk und Hardcore Wesen und Erscheinung so weit und so widersprüchlich auseinander. Einerseits ein dümmlicher, sich selbst abfeiernder Haufen von Kaputt-Chic. Andererseits eine eventuell noch bescheuertere Veranstaltung von tätowierten Testosteron-Gorillas. Doch für ein tieferes Verständnis, um was es Punk und dem jüngeren Hardcore-Punk eigentlich geht, was ihr Wesen ausmacht, wofür und wogegen sie sind, dafür stehen Dolf Hermannstädters Kolumnen, die zwischen 1986 und 2007 im Musik-Fanzine Trust erschienen sind.
»Living backwards«
Der Laden war ausverkauft, es war heiß und feucht. Als YUPPICIDE endlich die Bühne betraten, gab es kein halten mehr: Die Band verschwand hinter Stage-Divern, die problemlos von den Leuten aufgefangen worden, es wurde getanzt und gepogt, alles verwob sich ineinander. Man sah fast nur glückliche Gesichter, Bier spritzte und YUPPICIDE legten einen Knaller nach dem anderen nach. Unglücklicherweise mussten wir das Konzert früh verlassen, weil die ältere Schwester meines Konzertbegleiters uns vor dem AJZ Bahndamm Wermelskirchen an einem kalten November-Abend 1993 abholte, damit wir beiden Fünfzehnjährigen einigermaßen pünktlich nach Hause kommen. Der Physik-Test am nächsten Tag war miserabel, aber ich hatte etwas live gesehen, was ich vorher nur auf Tape kannte, etwas wildes, aufregendes, freakiges, etwas total abgefahrenes: Hardcore-Punkrock. Schneller als Punk, Texte mit mehr Aussage, keine Macho-Idioten, die Übernahme von guten Elementen der Hippie-Subkultur verbunden mit etwas eigenem und mit besserer Musik und mit mehr oder anderem Spaß.
Dass das alles jedoch für Leute, die seit Beginn der Punkrock-Kultur aktiv waren, längst schon die vierte oder fünfte Generation von Bands war, wusste ich nicht. Dass sich das TRUST-Fanzine seit 1986 damit auseinandersetzt, wusste ich damals jedoch, weil ich mir zu der Zeit das Heft zum ersten Mal gekauft hatte. Ich hätte es damals natürlich nicht geglaubt, dass ich fast 15 Jahre später selber bei dem Heft mitmache, ja, dass es dann das Heft überhaupt noch geben wird und dass ich ein Vorwort zu den gesammelten TRUST-Fanzine-Kolumnen von Mitbegründer, Herausgeber und Chef-Shitworker Dolf schreiben würde.
Wozu soll dieses Kolumnenbuch gut sein? File-it-next-to-the other-Bücher von Leuten, die ihre Wilde-Jugend-Jahrzehnte später abfeiern? Gibt es nicht genügend Romane und Fotobücher und geschichtliche Betrachtungsweisen in Buchform von und über Punkrock, Hardcore, Death-Grind und Calypso-Punk?
Ich denke, dass dieses Buch mehr als alle anderen eine extrem wichtige Sache aufzeigt: Der »alte Widerspruch« der Punk-HC-DIY-Unkommerziellen-Bewegung; der hohe Anspruch, nachdem alles mehr als nur Musik sein soll(te), der paradoxerweise genau dadurch vermittelt werden soll, dass Bands Musik machen und in ihren Texten darauf hinweisen, dass im Prinzip all das nicht wichtig und längst nicht genug ist, dass es in erster Linie um die kritische Betrachtung der kapitalistischen Gesellschaftsstruktur geht, um die Veränderung von einem Selber hin zu etwas Gutem, das Leben selber in die Hand nehmen, mit anderen Menschen etwas gemeinsames zu schaffen, für eine selbstbestimmte Kultur kämpfen. Also im Prinzip die Verwirklichung des alten Spruchs von Karl Marx: »Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, aber es kommt darauf an, sie zu verändern«.
An einigen Kolumnen, besonders an denen Ende der 80iger, merkt man, dass es nicht reicht, die »Politiker«, die »Bosse« etc. abzulehnen, sich sein Nest in der Subkulturszene zu suchen und dann ist man fertig. Falsch! Zum Glück muss man seinen eigenen Kopf immer benutzen, sei es dazu, Prozesse im Mainstream intensiver zu verstehen, sei es dazu, szene-interne Doktrinen, nach der eine Band oder eine Bewegung das und das zu sein hat, zu hinterfragen. Wir sind alle Menschen, wir machen alle Fehler, wir müssen das auch machen, sonst gäbe es nie Fortschritt.
Dolfs Kolumnen zeichnet es aus, dass sie sich nur indirekt mit Musik beschäftigen. Meistens geht es um das Leben, Gedankensprünge, alltägliche Reflexionen. Das zeichnet die Kolumne im Vergleich zu dem üblichen Standard an Kolumnen in der Punk-Fanzine-Kultur sehr aus und bleibt auch etwas besonders in dem Erscheinungsorgan, dem TRUST Fanzine, in dem es in erster Linie um musikalische (und die sie stützende Szene-Infrastruktur) und in zweiter Linie um sozio-kulturelle Inhalte geht.
Vielleicht findet die Ü30-Generation in der Kolumnen- Sammlung, die mit der ersten Ausgabe im Sommer 1986 beginnt und auch noch einundzwanzig Jahre später weiterläuft, ihre eigene Biografie wieder. Eventuell bekommen auch U20-Leser einen Eindruck, wie es damals war – eben genauso wie heute, nur halt völlig anders – vielleicht erkennt man, dass es im Punkrock/HC immer schon von Anfang an Trends und Widersprüche gab zwischen dem, was gesagt und dem, was getan wurde, und dass es vom Beginn an (wir gehen jetzt mal von CRASS aus) eine Gegenbewegung war die etwas neues, etwas bewußteres und konstruktives wollte und will, als der destruktive Punk der Spät-70iger: Hardcore-Punkrock.
Oder eben die »deutsche« Version von »American Hardcore«?
HC-Punk ging und geht im besten Falle immer aufs Ganze: Auf das Leben. Musik beeinflusst nicht das Leben, aber wie viele Menschen hatten Songs im Kopf, als sie ihr Studium oder ihre Ausbildung geschmissen hatten, endlich Schritte vollzogen haben, die längst überfällig waren? Musik und somit auch diese Kolumnensammlung verändert nicht dein Leben, das wäre ja auch zu einfach: Den ersten Schritt muss man immer selber machen, es kann kein anderer für einen machen. Und hier wird es doch kurios: Gibt es nicht genügend Bücher und historische Abrisse, die genau das nicht vermitteln oder die dieser »do it yourself bzw. together«-Mentalität nur eine zeitlich begrenzte Gültigkeit für die 80iger bzw. bis zu GREEN DAYs Dookie zugestehen wollen? Fuck no, die Zeit ist heute, wir leben heute, es ist unsere Zukunft und wir haben es selber in der Hand!
In den Kolumnen gibt es noch zumindest eine weitere wichtige Botschaft, die vermittelt wird und man sollte sie trotz ihrer offensichtlichen Banalität oder Selbstverständlichkeit keineswegs übersehen: HC-Punk ist der Versuch, eine auf gegenseitigem Respekt und Vertrauen gegründete Gegenkultur zu einem auf Egoismus, Profitsucht und letztendlich menschlich nicht fassbarer Idiotie basierenden kapitalistischer Gesellschaftssystem aufzubauen (oder läuft es für 95% der Aktivisten nicht doch parallel? Heute ein Punk, morgen wieder bei der Bank etc.?). Die Gegenkultur schafft Widersprüche: Im echten Arbeitsleben gibt es Hierarchien, größere Egos, all den ganzen Scheiß, den wir doch nicht wollen, aber dann viel zu oft in der doch so alternativen Kultur wiederfinden, uns darüber empören und zuguter Letzt dann noch dieser Kultur jeglichen Belang absprechen, dass sie ja teilweise noch schlimmer als der so verhasste Mainstream sei.
Dolf ist Dolf in allen Lebensbereichen, wer kann das in dieser Konsequenz schon von sich sagen? Und was ich klasse an ihm finde und was eigentlich selbstverständlich sein sollte, es aber nicht ist: Er ist nett, behandelt neue oder fremde Leute mit Respekt. Vielleicht ist er womöglich zu nett angesichts einer auch seit Anfang an in der Szene vorhandenen »I know more than you«-Mentalität und Praxis? Nein, aber es fällt auf im Vergleich zu vielen Menschen im Mainstream und im Underground, die sich trotz ihres verschiedenen Aussehens und Dresscodes doch so ähneln in ihren Denk- und Verhaltensweisen: Menschenverachtende Intoleranz gegenüber anderen, die nicht so sind wie sie, und destruktive »Me vs. You«-Mentalität. Wir wollen alle dasselbe, vom großen Direktor über den links-radikalen zutättowierten Crust-Punk bis hin zum kleinen Kassierer, nicht wahr? Den Mitmenschen nett behandeln, Freundschaften, Liebe, wild sein, Spaß haben, lachen, Erkennt-nisse gewinnen, was neues sehen, aus Fehlern lernen, »gut und richtig leben so weit es geht«. Haben nicht CRASS schon Ende der 70iger Jahre gesagt: Don´t fight People, fight the System? Müsste ich jetzt nachschauen, aber könnte passen. Wie wollen wir eine neue Welt schaffen, wenn wir genau so schwarz-weiß (nur umgekehrt) wie der Mainstream denken und handeln? All cops are bastards? All parents suck? »Think about it«, würde Dolf wohl sagen und »fuck Mainstream-Gedankengut«, sei es »bei ihnen« oder »im Punk«.
Weist Dolf nicht genügend in seinen Kolumnen darauf hin, dass man sich permanent vor Augen halten muss, dass ein System, was auf dem Grundmechanismus der Warenproduktion »Profit ist wichtig, der Sinn der mit dem Profit erzielten Produkte oder Dienstleistungen ist zweitrangig« basiert, eine endlose Masse von Idiotismus produziert, die Menschen dumm macht bzw. sie nicht befähigt, das zu durchschauen? Natürlich. Dolf wäre allerdings nicht Dolf, wenn er selber nicht auch sehen würde, dass er es wahrscheinlich nicht genug gemacht hat. Was hat sich schon groß verändert seit der ersten Kolumne von 1986? Was in der Antike als die höchste Beschäftigung des Menschen galt, als seine größte Befähigung und als Lebenszweck, Malerei, Theater, Musik, Literatur, ist seit Beginn der kapitalistischen Industriegesellschaft im späten 19.Jahrhundert zu einem der niedersten Bereiche des Menschen degradiert worden, ganz nach der Profitmaxime »Wenn es Geld bringt, radikal ausschlachten, wenn es kein Geld bringt, weg damit«. Das Mittel Geld als Äquivalent für den Warentausch, als Tauschmittel – hat sich zum Zweck verselbstständigt und wir fragen uns nach dem Sinn des Ganzen. Denn trotz des andauernden Beharrens auf Rationalität und Effizienz bleibt einem nur festzustellen, dass dieses System eindeutig durch Irrationalität gekennzeichnet ist. Der Mensch hat es geschafft, atomare Waffen zu entwickeln, die die ganze Menschheit auslöschen können, geschaffen im Interesse einer wahnwitzigen Kriegsindustrie, dabei könnte es doch alles so einfach sein: Durch die andauernde technische Vereinfachung, durch die permanenten technischen Revolutionen könnte es doch möglich sein, den alten Menschheitstraum »Nie wieder Lohnarbeit« zu verwirklichen und wir alle könnten uns auf das echte Leben konzentrierten und nicht wie Hamster im Laufrad der Lohnarbeitsspirale durch das Leben hetzten, immer zu viel zum Sterben, aber zu wenig, um gut zu leben! Aber nein: Es werden Waren produziert, die Profit, aber keinen Sinn bringen und an der Stelle, an der sie Sinn bringen könnten, gibt es jedoch keinen Profit: Oder glaubst du, wenn reiche Nationen wie USA oder Japan von einer ähnlichen Krankheit wie AIDS betroffen wären, dass die Entwicklung eines besseren Impfstoffes ähnlich lang dauern würde wie in afrikanischen Ländern? »Think about it«.
Dieses Buch soll im besten Falle alle, die es lesen, dazu auffordern, ihr Leben kritisch zu überdenken und es bei Feststellen des Nichtgefallens zu ändern, es soll im besten Falle alle auffordern, sich dafür einzusetzen, den Politikern, die Sonntags immer so gerne von dem wichtigen »bürgerschaftlichen Engagement« sabbeln und dann Montags ihre Unterschrift unter die Räumung bzw. Mietvertragsauflösung eines weiteren unkommerziellen Wohn-, Lebens- und Kulturprojektes setzen, einen Mittelfinger zu zeigen und sich mit anderen zusammenzuschließen, unkommerzielle Netzwerke zu bilden, ihren eigenen Weg zu gehen, aber zusammen mit anderen.
In diesem Sinne: »Walk together, rock together!«
Jan Röhlk, Juli 2007
Ich traf Dolf auf FUGAZIs erster Europatour 1988. Wir wurden fürs TRUST interviewt und schafften es aufs Titelbild. Zu sehen war ein Foto, auf dem ich bei einer unserer allerersten Shows in die Luft sprang. Der Sprung taugte für ein gutes Foto, war aber auch eine unangenehme und schmerzvolle Erfahrung. Ich denke, das trifft auch auf vieles beim Machen eines Fanzines zu. Um zu schreiben, braucht man eine bestimmte Dreistigkeit und Unverschämtheit, zwei Qualitäten von denen ich glaube, dass Dolf sie im Überfluß hat. Ich bin mir sicher, hätte ich die Geduld, meine rudimentären Deutschkentnisse zu benutzen, um seine Kolumnen über die Jahre zu übersetzen, wahrscheinlich hätte ich ein paar seiner pointierten Meinungen abtörnend gefunden. Wie es so ist, hatte ich nicht die Geduld (oder Fähigkeit) rauszubekommen, über was er sich auf den Seiten vom TRUST so ausgelassen hat. Aber unsere lange Freundschaft hat ihm reichlich Gelegenheit gegeben, mir mitzuteilen, was ich da so verpasst habe. Für mich ist einer der zentralen Lehrsätze von Punk zu meinen, was man sagt. Und ob du nun mit Dolfs verschiedenen Ansichten einverstanden bist oder nicht, ich denke, wir sind uns alle einig, dass er ein »straight-up punk« ist.
Ian MacKaye
Ian interviewt Dolf
Ian: Wenn ich ein Buch voll mit jemandes Kolumnen lese, würde ich gern mehr über die Person erfahren wollen, die sie geschrieben hat. Ich hätte gern den Kontext, aus dem diese Ansichten kommen. Lass uns also damit anfangen: Du bist Augsburger, richtig?
Dolf: Ich bin in Augsburg geboren und aufgewachsen.
I: Hast du Musik gehört vor Punk-Rock?
D: Als ich elf oder zwölf war, hab ich Radio gehört, die Disco Hits oder was auch immer gerade angesagte Musik war, aber ich war viel zu jung, um nach einem bestimmten Genre zu suchen. Das waren meist englischsprachige Songs, das machte es interessant, aber ich hatte noch keinen entwickelten Geschmack für Musik. Ich erinnere mich noch an meinen ersten Schallplattenkauf in einem echten Plattenladen, ich kaufte mir DEEP PURPLEs »Live in Japan«. Danach noch zwanzig oder dreißig weitere Platten.
I: War das alles Hard-Rock-Zeugs?
D: BLACK SABBATH, SAXON, ein wenig QUEEN, ein bisschen PINK FLOYD …
I:SCORPIONS?
D: Nein, nicht die SCORPIONS, aber MEAT LOAF, MANFRED MANN’S EARTH BAND. Du weißt schon, man braucht Scheiben, bei denen man durchdrehen kann, und welche …
I: Aber keineSCORPIONS? Haben die dir nichts bedeutet?
D: Ich hatte nichts von den SCORPIONS.
I: Aber sie sind Deutsche!
D: Ich weiß, aber irgendwie … Warte mal, ach ja, ich hab eine Doppel-LP von ihnen, die Live-Scheibe ›Tokyo Tapes‹.
I: Was hast du als junger Teenager gemacht?
D: Ich denke, zu der Zeit haben wir ziemlich viel Alk aus Läden geklaut und uns besoffen, haben im Wald Soldaten gespielt, Bäume gefällt und kleine Lager gebaut.
I: War Mitch (TRUST-Mitgründer) damals dein Freund?
D: Nein, damals noch nicht. Kaum jemanden aus der Zeit hab ich noch auf dem Schirm.
I: Keiner von ihnen wurde also Punk?
D: Nein. Als ich mit Punk anfing, hab ich fast all meine alten Freunde verloren.
I: Das war in den späten Siebzigern?
D: Das erste Mal, als ich Punk-Rock hörte, war 1979, aber zu der Zeit hat er mir nicht gefallen.
I: Wer hat ihn dir vorgespielt?
D: Unser Musiklehrer an der Schule hat uns aufgetragen, Scheiben mitzubringen, die wir mögen, und ich hab den Rocky-Horror-Picture-Show-Soundtrack mitgebracht. Ich war angenervt, weil er nicht aufgelegt wurde, dafür wurden diese dummen SEX PISTOLS gespielt. Wie auch immer, das hab ich mir bald danach anders überlegt.
I: Ich glaube, ich hatte ein ähnliches Erlebnis. Ich mochte Punk-Rock nicht, als ich ihn zum ersten Mal hörte, aber der Sound wollte mich nicht in Ruhe lassen. Ich musste weiter forschen.
D: Genau, ich hab natürlich von diesem Punk-Rock-Ding aus der Bravo erfahren, dem deutschen Teenmagazin, wo über so Sachen berichtet wird wie: »Du wirst vom Zungenkuss nicht schwanger«. Sie brachten Fotos von einigen Londoner Punks mit ihren nietenbesetzten Jacken. Zu ungefähr der gleichen Zeit sah ich ein paar Punks, die so aussahen, in Augsburg. Das hat mich alles schwer beeindruckt.
I: Kanntest du die Leute?
D: Nein, aber ich dachte mir, das müssen ganz schön mutige Spinner sein, wenn sie so rumlaufen. Dann gab es da einen Typen, den ich von der Schule kannte, der wurde immer mehr zum Punk, also hab ich mir mal einen Schwung Schallplatten von ihm ausgeliehen, und es fing an, mir zu gefallen. Das war so in den frühen Achtzigern. Ungefähr zu der Zeit ging ich in denselben Plattenladen, in dem ich die DEEP PURPLE Doppel-LP kaufte. Dort sah ich ein Fanzine mit dem Titel Antz. Ich dachte mir, was ist das? Es sieht nicht aus wie eine richtige Zeitschrift, es sieht aus wie … Ich wußte nicht, wie es aussieht. Irgendwie sah es ein bisschen aus wie eine Schülerzeitung, aber warum sollte es dann in einem Plattenladen verkauft werden?
Ich hab eines aufgeschlagen und begann, einen Artikel zu lesen, in dem sinngemäß stand: »Mann, eine Horde wirklich stocksaurer Punks kam uns auf der Straße entgegen. Sie brüllten ›fucking bullshit!‹«
Dieses ‘fucking bullshit’ hat mich so beeindruckt. Das war so echt, und ich mochte es, also kaufte ich das Fanzine.
I: Hast du jemals was fürs Antz geschrieben?
D: Nein, aber ich hab dann angefangen, für ein anderes Fanzine zu schreiben, das hieß Augsburger Scheißhaus Njus
I: Also in den frühern Achtzigern hast du bei Fanzines mitgemacht. Was hast du den für Musik gehört? Deutsche Bands, britische Bands, amerikanische Bands?
D: Am Anfang hörte ich alles, was ich in die Finger bekam, solange Punk draufstand.
I: Was wäre ein gutes Beispiel für eine Scheibe dieser Zeit, die nie von deinem Schallplattenspieler runterkam?
D: Um genau zu sein, all die Schallplatten waren geliehen und verließen meinen Plattenspieler sofort, nach dem ich sie aufgenommen hatte. Ich konnte es mir nicht leisten, sie zu kaufen.
I: Hast du frühen britischen Punk gehört, wie999undUK SUBS?
D: Nein, der frühe Punk-Rock war nie wirklich mein Ding, ich mochte CRASS, aber in erster Linie wegen den Texten und ihrer Einstellung. Ich mochte einiges an frühem deutschem Punk-Rock, aber fand dann heraus, dass viel von dem doof war.
Dann kam amerikanischer Hardcore, und so wie wir Europäer den amerikanischen Hardcore auslegten, das war mein Ding.
I: Was war deine erste Punk-Show?
D: Ich glaube, es war eine Band aus Augsburg, aber ich kann mich nicht wirklich dran erinnern.
I: Warum kannst du dich nicht erinnern?
D: Weil ich damals keinen Sinn darin sah, Dinge aufzuschreiben.
I: Aber du hast mir grade erzählt, dass du dich genau dran erinnerst, wie du in einen Laden gegangen bist und dort dasAntz-Fanzine gesehen hast, das war vor über fünfundzwanzig Jahren. Das hast du dir auch nicht aufgeschrieben. Die Tatsache, dass du dich daran erinnern kannst, aber nicht an die erste Band, die du gesehen hast, zeigt mir, wie dein Filter arbeitet. Das geschriebene Wort hat dich tiefer beeindruckt als die Musik.
D: Das ist wahr. Ich sag den Leuten, die ganze Zeit, dass ich Musik liebe und liebte, aber für mich ist der Inhalt wichtiger als die Musik.
I: Was hast du zuerst geschrieben?
D: Am Anfang hab ich nur Briefe an Leute geschrieben. So sind wir damals alle in Verbindung geblieben. Ich wollte den Leuten meine Ansichten mitteilen. Dann dachte ich ‘Wart mal, das ist ja doof, ich muss doch nicht in jedem scheiß Brief immer wieder aufschreiben, warum man Vegetarier werden soll oder warum Leute in der 3.Welt den Hungertod sterben’. Also hab ich einen kleinen Flyer gemacht, der hieß ‘Dolf Flyer’. Von denen gab es vier Stück, und da hab ich gelernt, wie man die Botschaft mit dem Layout zusammenbringt. Die hab ich dann in die Briefe dazugepackt, als Zusatzinformation. Das mit den Flyern war ein paar Jahre, nachdem die ersten Texte im Augsburger Scheißhaus Njus veröffentlicht wurden.
I: Wirst du die mit ins Buch nehmen?
D: Gute Idee, vielleicht sollte ich das.
I: Hast du als Kind geschrieben? Kreatives schreiben?
D: Ich war wohl bei ein paar Schülerzeitungen mit dabei, aber das war nicht wichtig.
I: Es kommt also nicht so sehr aufs Schreiben an, sondern auf deine Ansichten, die du verbreiten willst. Mit anderen Worten, du liebst nicht das Schreiben, du willst einfach deine Gedanken sprechen lassen.
D: Ja.
I: Weißt du noch, was du in den ersten Fanzines geschrieben hast? Was hast du im Scheißhaus Njus geschrieben? Eine Kolumne, Plattenbesprechungen?
D: Ich glaube, es war ein Live-Review, wie wir Bier trinken, zum Konzert gehen und mehr Bier trinken, oder es war eine Kritik am ›Punk-Konsum‹. Ich glaube, dass ich ziemlich lange dachte, ich wäre nicht die richtige Person, um zu schreiben. Obwohl ich auch schon Szeneberichte fürs Maximumrocknroll (MRR) und Flipside geschrieben hatte. In erster Linie sammelte ich Fanzines, so wie andere Leute Schallplatten sammelten. Ich war ein Fan.
I: Es war für dich komisch, dich im Schreiben zu versuchen?
D: Ja.
I: Welche Fanzines haben dich wirklich inspiriert?
D: Nasty Facts war ziemlich gut.
I: Aus welcher Stadt war das?
D: Aus dem Ruhrgebiet. Winni Wintermeyer von TUDO HOSPITAL hat das rausgebracht. Nasty Facts war wahrscheinlich die größte deutsche Fanzine-Inspiration, aber wirklich umgepustet hat es mich 1983 oder 1984, als mir Dave Dictor (von MDC) jeweils eine Kopie vom MRR und Ripper schickte. Das hat meine Einstellung zu Fanzines geändert.
I: Welche Ausgabe vom MRR war es?
D: Ausgabe sechs oder sieben. Ich kann mich erinnern, dass ich ein paar alte Ausgaben von ihnen nachkaufte.
I: Gab es einen bestimmten Aspekt, der dich bei Fanzines anzog?
D: Damals hab ich alles von Anfang bis Ende durchgelesen, weil mich das alles interessiert hat. Ich wollte neue und interessante Ideen kennen lernen, neue Sichtweisen und interessante Leute. Es war also nicht so, dass ich mir nur die Plattenbesprechungen und die Kolumnen ansah.
I: Wann hast du angefangen, für die Zines zu schreiben, die dir Dave geschickt hatte?
D: Ich glaube ziemlich bald dannach, da ich sofort an Tim Yohannan (MRR) und Tim Tonooka (Ripper) schrieb und dann ihre Fanzines hier vertrieb, geschrieben hab ich nur für MRR.
I: Warst du der erste, der MRR in Deutschland vertrieben hat?
D: Das weiß ich nicht, aber ich erinnere mich dran, dass ich der einzige war, der es auf Gigs in Süddeutschland verkaufte.
I: Was waren deine Lieblingskolumnen?
D: Ich denke die von Tim, er erschien mir eher alt, aber immer noch sehr jung im Kopf.
Wenn du damals über dreißig warst, dann warst du entweder ein komplett durchgeknallter Typ oder eben total Mainstream. Es gab so gut wie niemanden, von dem man sagen konnnte: »Hey, seht euch den Typ an, der ist beinah vierzig und immer noch gut drauf«. Zumindest kannte ich niemanden, auf den das zugetroffen hätte.
I: Wann und wie hast du mit dem TRUST angefangen?
D: Das war 1986. Wir hatten immer wieder Treffen von Leuten aus dem ganzen süddeutschen Raum organisiert. Die Treffen waren offen für alle, die ähnliche Ideen hatten und kommen wollten. Am Anfang waren die Treffen sehr klein und wurden dann immer größer.
I: Aus welchem Grund habt ihr die Treffen gemacht? Um was ging es überhaupt? Habt ihr versucht, eine Szene aufzubauen?
D: Ja. Es waren Leute, die amerikanischen Hardcore und den neuen europäischen Hardcore mochten. Wir haben uns getroffen, weil wir keinen Bock hatten, mit den älteren, trinkenden, gewalttätigen, destruktiven Punks von den Konzerten rumzuhängen. Wir waren die jüngeren, nicht gewalttätigen, denkenden, trinkenden, konstruktiven Punks.
I: Wie groß waren diese Treffen?
D: Am Anfang waren da vielleicht drei Autos voll.
I: Zwölf Leute?
D: Ja, zwölf oder fünfzehn Leute. Es waren ja keine Treffen, wo wir uns hinsetzten und den ganzen Abend nur redeten. Wir haben, natürlich, auch was getrunken. Dann hatten wir ein ziemlich großes Treffen, da waren so fünfzig Leute, das war in Heidenheim.
I: Habt ihr euch auf dem Treffen entschieden, das Fanzine zu machen?
D: Ja.
I: War es deine Idee?
D: Es war eine kollektive Idee.
I: Wie viele Leute erklärten sich bereit mitzumachen?
D: So fünf oder sechs Leute: Armin Hoffmann vom X-Mist-Label und den SKEEZICKS, Moses, der dann später das Zap machte, Mitch von NUCLEAR, der neben mir die einzige Person ist, die noch dabei ist, Tomasso von EVERYTHING FALLS APART und NO NO YES NO und Anne, sie war für die Fotos zuständig. Wir haben uns dazu entschieden, TRUST zu gründen, weil es damals kein regelmäßig erscheinendes Fanzine in Deutschland gab. Nun, es gab da einen Typen in Wuppertal, der versuchte das mit dem regelmäßigen erscheinenden Fanzine. Es hieß A+P und sollte alle zwei oder drei Monate erscheinen, aber eigentlich sind alle Versuche, so was zu machen, nach drei oder vier Ausgaben gescheitert. Es gab eine Menge geiler Fanzines, die erschienen aber immer unregelmäßig. Natürlich gab es damals keine ›alternativen‹ Musik-Zeitschriften, du warst schon froh, wenn dir ein Flyer in die Hände gefallen war.
I: Gab es dann noch Anschluss-Treffen mit den gleichen Leuten?
D: Ja. Das erstaunliche war: Normalerweise, wenn Leute so eine kollektive Idee haben – passiert oft nicht viel mehr. Aber in dem Fall vom TRUST war die erste Ausgabe zwei Monate später fertig.
I: Wer war auf dem Titelbild der ersten Ausgabe?
D: Es war eine Collage. Eine Menge Fotos von Leuten, die tanzten, stagedivten, pogten, slammten, und das alles zusammengepackt.
I: War ein Statement auf dem Titelbild?
D: SÜDDEUTSCHES HARDCORE MAGAZIN
I: Ich schreibe ja nicht viel, hab aber herausgefunden, dass wenn ich mal was schreibe, es oft vorkommt, dass man kaum Reaktionen von den Leuten bekommt. Ich glaube, das ist eins der Dinge, die Fanzine-Schreiber inspiriert, ungeheuerliche Dinge von sich zu geben. Sie versuchen, irgendeine Form von Reaktion zu bekommen. Habt ihr viel Reaktion auf die erste Ausgabe erhalten?
D: Es scheint, dass wir früher viel mehr Reaktion bekommen haben als heute, aber es waren meist mündliche Kommentare von Leuten auf Konzerten oder am Telefon. Die haben dann gefragt: »Warum hast du dies oder das geschrieben?« oder »Das war gut oder schlecht«, aber es war auch häufig so, dass es gar kein Feedback gab, und ich den Eindruck hatte, wir können schreiben, was wir wollen …
I: … »Ich esse Scheiße zum Frühstück!«
D: … genau, und die Leute würden nicht reagieren. An dem Punkt hab ich erkannt, dass es nicht unser Problem war. Ich hatte noch nie das Bedürfnis, etwas zu schreiben, nur um eine Reaktion darauf zu bekommen.
I: Hast du je was geschrieben und dann später realisiert, dass du jemandes Gefühle verletzt hast? Vielleicht etwas, das nicht so gut von dir überlegt war, oder etwas, das die Leute wirklich sauer auf dich werden ließ?
D: Ich weiß, dass sich Leute geärgert haben, aber ich weiß nicht wirklich, ob das meine Kolumnen waren oder das ganze Heft. Ich kann mich auf jeden Fall nicht dran erinnern, dass irgendwas die Leute so genervt hätte, dass sie mir das Fahrrad abfackeln wollten.
I: Welche Band hast du als erstes interviewt?
D: Da müsste ich nachschauen.
I: Ich kann nicht glauben, dass du dich an solche Sachen nicht erinnern kannst.
D: Vielleicht waren es RAW POWER aus Italien.
I: Wie war dein Englisch früher?
D: Es war nicht so gut, aber da ich die ganze Zeit viel Übung hatte, entwickelte es sich.
I: Wie ist dein Italienisch?
D: Kein Italienisch.
I: Wie hast duRAW POWERinterviewt?
D: In Englisch.
I: Ich glaube, du hast damals viel zu Übersetzen gehabt.
D: Ja, viel Übersetzen und viel Tippen.
I: Ich finde das total interessant, dass ich dich seit so vielen Jahren kenne, und in der Zeit haben wir beide uns sehr viel unterhalten. Zum Glück sprichst du Englisch, und obwohl dein Englisch sehr gut ist, fehlen die Details und Nuancen einer Muttersprache. Es scheint mir, dass wenn ich fließend Deutsch sprechen würde, meine Wahrnehmung von dir als Person auch ganz anders sein könnte. Wie wir andere wahrnehmen, kann ernsthaft davon beeinträchtigt sein, wie sie sprechen. Da du viele Bands auf Englisch interviewt hast, amerikanische Bands und britische Bands ebenso wie Bands aus anderen europäischen Ländern, stelle ich mir vor, dass diese Beziehungen durch die subtilen Aspekte dessen, wie du gesprochen hast, verändert wurden. Es muß beeinflußt haben, wie die Leute dich wahrgenommen haben.
D: Ich glaub mein Englisch ist okay, in erster Line, weil ich es schon so lange benutze. Mein Grundstock ist Schulenglisch, aber was man dort lernt, sind nur die grundlegenden Dinge. Ich begann, die Sprache zu nutzen, um all diesen Leuten auf der ganzen Welt zu schreiben, weil die Sprache eben von den meisten verstanden wird. Aber es stimmt schon, es wäre gut, wenn du sehr gut Deutsch sprechen würdest, dann könnte ich das gleiche noch mal auf Deutsch sagen, um exakt auszudrücken, was ich sagen will.
Trust #1 – Juli 1986
Think Positive – zwei alte Wörter, die in letzter Zeit auch in unseren Gefilden immer häufiger gehört werden und falsch verstanden bzw. mißbraucht werden, doch dazu später mehr. Zuerst werd ich mal sagen was positives Denken ist bzw. für mich bedeutet. Positives Denken hilft die innere Harmonie und den Optimismus zu stärken, man kommt leichter über seelische und körperliche Störungen hinweg, bekommt eine feste Grundhaltung und ist somit auch besser geistig und physisch belastbar, d.h. man kann mehr machen und mehr Energie aufwenden. Nicht zuletzt hilft das positive Denken auch über Zeiten hinweg wo alles schiefläuft, man wird aus jeder Situation einen positiven Effekt holen können und sei es auch ›nur‹ der, um eine schlechte Erfahrung reicher geworden zu sein. Durch dieses Denken (das meine MY POWER Idee sehr unterstützt – dazu evtl. noch was in Zukunft) kann man auch alles irgendwie einfacher lösen, man ist immer gut gelaunt, versucht zu helfen und was auch wichtig ist: Freundlichkeit und gesprächsbereite Aufgeschlossenheit anderen Menschen gegenüber – man ist eben einfach gut drauf. Und hier kann ich auch schon wieder ansetzen, denn viele denken ja in erster Linie positiv weil es aus den usa kommt und sehen wieder die ganze Geschichte nicht (siehe Straight Edge). Man ist eben den ganzen Tag fröhlich, hat Spaß und denkt eben positiv. Das sich hierbei allerdings eher eine ›I dont Care Einstellung‹ als eine positive Grundhaltung entwickelt entgeht den meisten, da sie so sehr mit dem positiven Gutdraufsein beschäftigt sind, eben ganz nach amerikanischen Vorbild – Think positive keep laughing was geht mich das alles an Hauptsache ich hab Spaß mit meinen (Betonung liegt hier auf den Leuten die man bereits kennt und nicht erst kennenlernen muß) Freunden. Oder man mißbraucht den Ausdruck so nach dem Motto: Ich kann ja eh nix machen, wird schon irgendwie alles laufen. Und dann sind wir soweit das man sagen kann, dass diese Kids sich in keiner Weise von irgendwelchen Normalo-Asso-Proll-Typen unterscheiden. Die gehen eben in die Disco oder sonstwohin und haben dort ihren Spaß und sind gut drauf. Aber es fehlt jegliches geistige-politische-revolutionäre Bewusstsein und das ist genauso wichtig. Wörter wie Verantwortungsbewusstsein, Zuverlässigkeit, Vertrauen, Bereitschaft usw. kommen mir in den Sinn. Klar, Spaß haben ist auch sehr wichtig, ob das nun skaten, blödeln, tanzen (wobei einige scheiß Stirnbandträger, Skater, Straight Edger etc. – besonders im Norden – immer noch nicht abgerafft haben, dass es viel besser ist zusammen zu tanzen als gegeneinander, denn für mich machts keinen Unterschied ob ein Tuchträger mir auf den Kopf knallt oder ein Nietenträger mir seine Springer ins Schienbein rammt – beides ist unangenehm, aber hier bin ich schon wieder bei nem ganz anderen Thema, vielleicht das nächste mal ihr Slambrutalos), trinken, spielen oder sonstwas ist. Aber es ist nicht das einzige, weil eben auch andere Sachen gegenwärtig sind, die entweder durch Mitarbeit unterstützt gehören oder aber aufs schärfste bekämpft werden müssen. Ich hoffe irgendjemand hat das alles verstanden so wie ichs meine, wenn nicht lies dirs so oft durch bis dus gerafft hast. Mensch ändere dich. … naja, ich hab was, think positive, drink positive.
Trust #2 – September 1986
Mit kennenlernen gehts los, man sieht sich, hat gemeinsame Erlebnisse, lernt die andere Person genauer kennen und es entwickelt sich etwas, das von loser Freundschaft bis zur innigen Liebe reichen kann. Na, habt Ihr schon erraten wovon ich heute schwafeln will, ja richtig (nicht von Sex, Du Depp), von Beziehungen, und zwar alle, also nicht nur auf die typische Junge-Mädchen bzw. Frau-Frau/Mann-Mann – ja auch, ach Ihr werdet sehen. Wie war das, kennenlernen, besser kennenlernen, gemeinsame Erlebnisse haben, welche, ob gut oder schlecht, einen Einfluß auf die Entwicklung haben. Entwicklung, man entwickelt gemeinsame Interessen, lernt von und miteinander, durchlebt Höhen und Tiefen, erkennt die tollen Seiten, aber auch die Fehler und Schwächen des anderen. Hier kann ich gleich mal ansetzen, wie ist das eigentlich wenn man jemanden kennenlernt und ihn ganz toll, gut drauf findet und es stellt sich mit der Zeit raus, je öfter man mit ihm zusammen ist, dass er eigentlich (ach ja, ich könnte jetzt immer schreiben man/frau, ihm/ihr usw. das ist aber zu stressig – ich meine es immer auf männlich und weiblich bezogen, ok) ein ziemlicher Depp ist, eben garnicht das was man sich erwartet hat. Darf man überhaupt etwas von einer Freunschaft erwarten, oder von einem Freund, oder ist es noch gar kein Freund, oder wie? Und wie siehts aus wenn man den anderen schon so gut kennt, dass man sich irgendwie nicht mehr traut ihm zu sagen was man an ihm schlecht findet? Was ist richtig – was ist falsch? Eben genannter Fall ist ja für mich nicht so schlimm, was mich vielmehr beschäftigt ist, wenn Leute die ich schon lange kenne, sich plötzlich anfangen zu ändern, sich in eine völlig andere Richtung weiterentwickeln, die ich eher als Zurückentwicklung sehe. Was ist denn dann mit all dem erlebten, den Ideen die der andere hatte, wenn sie plötzlich wie weggeblasen erscheinen, mir kommen dann immer Zweifel an der Überzeugtheit der Leute, da ›verschwende‹ ich mein Leben mit Leuten nur um Spaß gehabt zu haben und sonst ist nichts, kein Weiter, sondern ein Auseinander. Oder ist es meine Schuld, weil ich (noch?) nicht bereit bin mich von den Vorstellungen und Idealen, die ich (&Ihr) habe, abzuwenden, nicht bereit bin erwachsen zu werden und an meine Zukunft – in Form von Arbeit, Familie etc. – zu denken? Bin ich etwa konservativ? Ich glaube nicht, denn ich finde es gut sich weiter zu entwickeln, nur da gibt es Unterschiede. Ich habe ein unbestimmtes Ziel (Leben?) vor Augen, auf dieses Ziel bewege ich mich zu, auf einem Weg, diesen Weg verlasse ich ab und zu um neue Erfahrungen zu machen, um sie entweder mit in meinen Weg einzubauen oder aber sie auszuschließen, dann gibt es noch so einige Wege deren ich noch unschlüssig bin ob ich sie mit einbauen soll oder nicht. Klingt das alles egoistisch oder ichbezogen? Lies weiter! Es gab in den letzten sechs Jahren (die Zeit davor will ich mal beiseite lassen) immer wieder Leute die vorgaben das selbe Ziel zu haben bzw. in die selbe Richtung zu wollen. Dort sind sie auch einige Zeit hin, doch dann plötzlich haben sie die Richtung völlig gewechselt. Nicht das ich jemand vorschreiben will was für ein Ziel man vor Augen haben muß, aber ich komm mir da irgendwie verarscht vor. Wo sind die ehemaligen Gemeinsamkeiten – das, was einen zu Freunden machte, wo sind die alten Ideen, warum mußten mich diese Leute enttäuschen? Weshalb konnten sie nicht von Anfang an das Ziel verfolgen das sie jetzt haben? Oder wechseln bei ihnen die Ziele alle paar Jahre, wissen sie überhaupt was sie wollen? Und was soll ich machen, gleich radikal brechen oder die Freundschaft langsam zerbröseln lasssen und meine Zeit ›verschwenden‹? Naja, das ist mein Problem(?), lassen wirs. Ein verdammt komplexes Thema, über das ich mit Leuten ewig reden kann, wie soll ich das hier in ein paar Sätzen abfassen, egal, es wird noch schlimmer. Nämlich dann, wenn der Partner eines anderen Geschlechts ist und man irgendwann etwas empfindet, was man bei gleichgeschlechtlichen Leuten nicht empfindet (also ich auf jeden Fall nicht, sorry). Das kennt man ja, aber auf was ich in diesem Fall hinauswill, soll/kann/darf (?) man das für mehrere Menschen empfinden und es ihnen dann auch zeigen, in From von Zärtlichkeit und Sex (äh, das Wort ist irgendwie schlecht gewählt)? Klar, werden einige sagen, und es ist auch bestimmmt einfach bei reinen ›Fickbeziehungen‹. Wie aber siehts aus mit dem Partner, versteht er, dass es ›neben ihm‹ auch noch andere gibt, die ebenso viel Zuneigung empfangen. Oder wie verkraftest du es, wenn du erfährst, dass es neben dir noch einen (oder mehrere) gibt, denen dieselben Gefühle entgegengebracht werden wie dir? Da kommt dann nämlich ein sehr unschönes Wort ins Spiel – Eifersucht (totale Scheißerfindung!). Oh Mann, theoretisch sind diese Sachen für mich alle so klar, aber ob ich (& die anderen) sie auch dann ohne weiteres so durchführen können? Einfach ist es nicht, ich glaube da muß noch sehr viel drüber nachgedacht/erfahren/gelernt werden, bevor man das alles so sehen kann wie es wirklich ist. Lassen wir das mal gut sein. Ich fang mal wieder bei den Freundschaften an. Du kennst doch bestimmt viele Leute, einige gut, andere nicht so usw., frag dich doch einfach mal wen von all denen, die du kennst, magst du ›nur‹, weil du sie schon lange kennst und wen würdest du sofort als Depp ansehen, wenn du ihn neu kennenlernen würdest? Fällt dir niemand ein? Gut für dich – ich kenne nämlich einige solcher Leute – traurig aber wahr. Mann, vielleicht schreib ich das hier ja alles umsonst, vielleicht braucht man darüber ja garnicht reden/schreiben, weil es immer ein Thema für die entsprechenden Leute ist? Egal, für mich ist das Thema sehr wichtig und ich bin auch überzeugt davon dass es richtig ist mal darüber zu sprechen, oder traut ihr euch nicht, eure Gefühle zu teilen? Hats eure Erziehung geschafft, ein »das geht nur mich was an« Wesen aus euch zu machen? Würde mich echt freuen, wenn über dieses Thema mal ne rege Diskussion in Form von Schrift und Wort erfolgen würde, wir müssen noch soviel lernen – oder nur ich? Naja, ich hab was, think positive, drink positive – und ändere dich (wie war das vorhin mit Zielen/ändern etc. ...)
Trust #3 – November 1986
Neulich hab ich mir mal wieder Gedanken über meine/unsere Zukunft gemacht, natürlich bin ich nicht auf DIE Lösung gekommen. Also haltet mir nicht schon wieder vor, ich würde nur Themen anschneiden, ohne sie ausführlich zu behandeln. Die Themen sind einfach zu komplex, als dass man sie in dieser Form erörtern könnte, auch kann ich keine Patentlösung anbieten, ich spreche bewußt nur die Sachen an, den Rest könnt Ihr Euch selbst überlegen – oder wenn ihr wollt auch wieder kritisieren. Aber zurück zu der Zukunft – wie lange wird es das TRUST noch geben, in dieser Regelmäßigkeit und Form? Sagen wir mal ein Jahr. Wenn wir es geschafft haben den Vertrieb bis dahin zu organisieren (ist ja nicht unsere Schuld – siehe sonstwo im Heft) kann bzw. denken wir an eine Auflagensteigerung, warum auch nicht? Das hat aber eigentlich gar nichts mit dem Kernpunkt zu tun, also bin ich mal ganz direkt. Ich mach momentan soviel (??) für die Szene, dass ich nebenbei gar nicht mehr die Zeit habe einen Job zu haben um Kohle zu verdienen. Geld brauch ich aber, und da stellt sich die Frage, soll ich meine Aktivitäten zurückschrauben um auch noch Zeit für nen Job zu haben oder soll ich versuchen irgendwie davon zu leben? Ich würde es vorziehen noch mehr zu machen und davon zu leben, klar, Kommerz hör ich jetzt schon wieder die ersten schreien, aber egal, schreit nur, wir sprechen uns wieder wenn ihr in fünf Jahren immer noch schreit. Ich frage mich nur, ob es überhaupt möglich ist von den Dingen die ich z.Zt. mache, sprich TRUST & Co, zu leben. Bisher ists ein +0 Geschäft bzw. zahl ich noch eher drauf – und zumindest das muß aufhören. Ich finde es gar nicht schlimm wenn jemand von dem, was er macht, lebt, es kommt eben drauf an, wie. Man kann Leute ausbeuten oder aber korrekt sein und solange jemand korrekt ist, gibts nichts dran auszusetzen, oder? Ich hab halt immer noch meine idealistische Einstellung, dass es möglich ist eine gute Szene aufzubauen, ohne Kommerz und Ablinkerei. Aber da scheiterts oft an den Fähigkeiten der Leute. Ein ziemlich leistungfähiger sogenannter Independent-Vertrieb, für mich ist es keiner, ist EFA, ich bin mir sicher, wenn es einer aus der echten Independent-Szene schaffen würde, ähnlich ›gut‹ zu arbeiten, dass dann einige Leute umsteigen würden, aber solange die Szenster keine Alternative zu dem Bestehenden bieten, wird eben immer noch zu den Großen gerannt. Da gibts unzählige Kleinvertriebe die zehn-zwanzig Platten verkaufen und dann Schwierigkeiten haben, nicht dass ich diesen Leuten ausreden will was sie machen, aber einige sollten sich doch mal überlegen ob sies nicht besser machen könnten. Oder, Gigs, da gibts Leute, die haben die Möglichkeit in ihrer Stadt/Umgebung Gigs zu machen, und dann machen sie das mit einem Eifer dass einem schlecht wird. Warum ist es nicht möglich irgendwo anzurufen, Bescheid zu geben welche Band zu welchem Zeitpunkt wo spielen will usw. und derjenige dann zu einem ausgemachten späteren Zeitpunkt wieder zurückruft und sagt was Sache ist – Nein, da muß man dann immer wieder selbst nachfragen ohne irgendwelche konkreten Infos zu erhalten und die Telefonrechnung steigt und steigt, für völlig sinnlose Actions. Es gibt zum Glück in D-land einige Leute die die Sache geblickt haben, aber sicher noch nicht genug. Stop, da fällt mir noch was ein – einige werden bestimmt meinen, warum soll der von der Sache leben und ich nicht? Ganz einfach, es steht jedem frei genau das zu machen, was ›der‹ auch macht, also mach! Hier ist dann wieder die neue Frage, stell dir vor jeder in der Szene würde Gigs, Zine, Touren, Band, Vertrieb machen, dann ist irgendwann mal zuviel da, ich glaub aber dieses Problem wird eh nicht auftreten. Trotzdem wäre es zu überlegen mal was Neues zu starten, eben nicht den üblichen Vertrieb, Tape-Sampler, etc., lasst euch doch mal was einfallen. Ach ja, wenn ihr meint dass ihr jetzt schon durch den Kauf des Heftes meinen Lebensunterhalt zahlt liegt ihr falsch – ich hab die Sache nur mal angesprochen, davon, dass ich/wir es jetzt so machen war kein Wort, mal sehen wie es weitergeht. Jetzt noch was, ich werde sehr wahrscheinlich ab ca. Mitte November für vorerst zwei Monate nach Kalifornien gehen, sollte es nicht klappen erübrigt sich das hier. Wenn ich weg bin kann ich logischerweise keine Post usw. machen, also, ich bin praktisch für ne kleine Zeit außer Betrieb (wenns ganz dringend ist bin ich über die MRR- Adresse zu erreichen). Aber ich komme wieder zurück und dann gehts volle Kanne weiter! Jetzt möchte ich zum Abschluß zwei berühmte Männer zitieren, das eine ist von Mykel Board: »It is just that the consumers pay in money, the producers in time and effort. Thats the deal.« Das andere ist von Goethe: »Andere verschlafen ihren Rausch, meiner steht auf dem Papier.« Wir sehen uns – MACHT WEITER!!
Trust #4 – Januar 1987
Ich glaube an Kapitalismus – hat mir neulich jemand gesagt, allerdings mit dem Anhang – wenn niemand damit ausgebeutet wird. Nun, außer einer langen Unterhaltung hab ich da noch … Kapitalismus in der Form wie er jetzt besteht, ist schlecht, da gibts keine Zweifel. Die einen, die etwas fixer sind, haben alles und die anderen haben nichts und werden von den Kapitalisten ausgebeutet. Das nix gut. Nehmen wir also mal an, Kapitalismus ohne Ausbeutung, d.h. für mich, dass jeder versucht möglichst viel Geld zu verdienen und darauf achtet, dass er niemanden ausbeutet. Klingt nicht schlecht, jeder hat Geld und kann es auch ausgeben, z.B. fürs Kino, für Essen, wenn es langweilig ist einkaufen gehen, STOP, aus Langweile einkaufen?? Ja, die Amis machen das, und mein Freund meinte dazu – ist doch ok, du gibst dein Geld für Gigs aus, die eben für shopping. Ja es stimmt schon, beides wird zur Unterhaltung gemacht, aber aus Langeweile einkaufen?? Versteh ich das als Europäer nicht oder ists nicht richtig? Es ist nicht richtig, für mich auf jeden Fall nicht, denn das ist unnötiges Konsumieren, wenn man nichts braucht und einfach aus Entertainment irgendwas kauft, ist das so als ob man auf nen Gig geht und überhaupt kein Interesse an den Bands und Leuten hat, reines konsumieren eben (Jetzt würde mein Freund wieder sagen, was ist denn schlecht an Konsum … aber lassen wir das, würde wohl doch zu weit führen). Nun bin ich zwar etwas vom Thema weg, aber ich kann ja hier wieder weiter machen. Die Frage ist ja, braucht der Mensch überhaupt soviel Geld und wenn ja, wieviel denn mindestens oder höchstens. Da ja jeder verschiedene Ansprüche stellt dürfte die Frage nicht so einfach zu beantworten sein, vielleicht so, dass es jedem gut geht? Aber dem einen gehts halt erst gut wenn er ein paar Mille verdient … & diese Anhäufung von Kapital wird dann praktisch immer auf Kosten anderer gemacht. Was mich wieder zu dem Schluss kommen lässt, nicht der Kapitalismus ist das Übel, sondern der Mensch, der gierig und machtgeil ist. Wäre er das nicht, würde alles viel einfacher sein, aber … Zu dem Schluss, dass der Mensch die Wurzel allen Übels ist, komm ich zwar meistens, aber was solls, ist nun mal die Wahrheit.
Trust #5 – März 1987
Neulich ist mir mal wieder was durch den Kopf geschossen, wie immer eine sehr komplexe Idee, mal sehen was draus wird. Das ganze dreht sich um das Wörtchen TOLERANZ bzw. INTOLERANZ. Wo ist da die Frage nach was wohl richtiger ist, werden sich wahrscheinlich einige Fragen, ist ja klar, Toleranz ist das was wir brauchen. Intolerant sind nur die Spießer und ähnliches Gesocks. Wollen doch mal sehen was das Wörterbuch zu dem Wort sagt, shit, ich hab ja gar kein Wörterbuch – also werde ich es mal aus meiner Erinnerung versuchen. Toleranz bedeutet, dass man andere Ideen/Lebewesen/Lebensformen, eben alles, was von der eigenen Einstellung abweicht, duldet (so seh ich es wenigstens). Dulden heißt aber noch lange nicht, dass man das Anderssein auch für gut befindet, man duldet es eben nur. Auch wenn man machmal lieber etwas dagegen machen oder sagen würde; da man ja aber nicht intolerant sein will, hält man eben den Mund und ist tolerant. Also ist es ja gar nicht tolerant, wenn sich innerlich alles dagegen strebt und man nur äußerlich tolerant ist, oder? Nun, man ist eben zur Außenwelt tolerant, hat eben doch noch seine kleine Intoleranz in sich. Sicherlich gibts auch die Toleranz, die nicht nur äußerlich, sondern innerlich ist. Das heißt also, man ist völlig tolerant und schert sich einen Dreck drum ob jemand seine Pomm Fritz mit der Gabel oder mit den Fingern ist. Das also erstmal zur Toleranz, jetzt weiter zur Intoleranz. Intolerant bedeutet, dass man andere Ideen/Lebewesen/Lebensformen, eben Dinge, die von der eigenen Einstellung abweichen, nicht duldet. Nicht dulden heißt in dem Fall also, es wird etwas dagegen unternommen, verbal oder sonstwie. Das heißt also, diese Leute sind zu ihrer Außenwelt intolerant und sind auch innerlich intolerant (natürlich gibts auch einige Fälle wo es vorkommt, dass man gewisse Dinge innerlich toleriert und sich der Umwelt gegenüber intolerant äußert, da eine Furcht besteht seine wahre Toleranz zu zeigen, das soll aber diesmal nicht mein Thema sein), weil sie sich eben um verschiedene Dinge kümmern. Nun sind wir an dem wichtigen Punkt angelangt. Wenn intolerante Leute sagen, was ihnen nicht passt oder sich drum kümmern, etwas zu ändern, während die toleranten alles dulden, weil es ihnen gleichgültig ist – dann stellt sich doch wohl die Frage, was besser ist. Ich weiß, so pauschal kann man das nicht sagen, da es ja ein großer Unterschied ist ob jemand duldet, wie eine andere Person isst, oder ob geduldet wird, wenn jemand unterdrückt wird. Ebenso besteht wohl zweifelsohne ein gewaltiger Unterschied, ob jemand gegen eine andere Person etwas unternimmt, weil ihm dessen Haarfarbe nicht passt oder weil er Frauen vergewaltigt. Für mich besteht da auf jedenfall einer. Was will ich jetzt mit diesen Überlegungen sagen, nicht das Toleranz in Zukunft automatisch mit Gleichgültigkeit gleichzusetzen ist (obwohl es irgendwo doch richtig ist) oder Intoleranz automatisch bedeutet, dass man sich um Dinge kümmert. Für mich haben nach all diesen Überlegungen die beiden Wörter Toleranz und Intoleranz einen ganz anderen Wert und ich werde in Zukunft sorgsamer damit umgehen. In diesem Fall bin ich nämlich intolerant und es ist mir nicht gleichgültig wie ich diese Wörter verwende, ich bin also intolerant, toleriere aber, wenn du dir keine Gedanken über das Geschriebene hier machst, das zeigt nämlich nur wie tolerant du bist, soll ich jetzt etwa sagen: Sei intolerant???
Jetzt noch was anderes, wie die meisten von euch ja mitbekommen haben war ich für zweieinhalb Monate in den USA. Ich wollt eigentlich wieder ein TRIPZINE machen, was mir allerding etwas schwerfallen dürfte, da ich fast die ganze Zeit in San Francisco war, also nicht besonders viel rumgetrippt bin. Das heißt also, das ganze dürfte mehr so tagebuchmässig ausfallen. Da ich ja niemanden langweilen will, frag ich also jetzt einfach ob Leute da sind, die über meinen Aufenthalt dort drüben (bzw. hier) lesen wollen was ich gemacht und erlebt hab, was für Leute und Konzerte ich gesehen hab usw. Ich kann für nichts garantieren, weiß aber, dass bei Interesse das ganze Ding von der Aufmachung her so ausfallen wird, wie das letzte Tripzine, wird allerding so ca. zwanzig A4-Seiten haben. Also bei Interesse bitte eine kurze Postkarte schreiben, wenn genügend Leute Bock drauf haben werd ich das Ding fertigstellen und drucken und dann zu einem billigen Preis unter die Leute bringen. Ich würds ganz gern machen.
Trust #6 – Mai 1987