Gott-Töten für Einsteiger - Lukas Wolfgang Börner - E-Book

Gott-Töten für Einsteiger E-Book

Lukas Wolfgang Börner

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Beschreibung

Gott besucht die Erde. Das wäre ja nicht so schlimm, würde sich der selbstgefällige und altväterische Schöpfer nicht ausgerechnet in einer Studenten-WG einnisten - und der depressiven Studentin Lilli schöne Augen machen. Für Anup, der in Lilli verliebt ist, und den überzeugten Atheisten Gottlieb ist die Sache klar: Gott muss wieder weg. Ein Lustspiel in drei Aufzügen inkl. Kakerlaken.

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© 2020 Lukas Wolfgang Börner

2. Auflage

Autor: Lukas Wolfgang Börner

Umschlaggestaltung: Sabrina Börner

[email protected]

www.boerner-literatur.de

Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40–44, 22359 Hamburg

ISBN:

978-3-347-02069-6 (Hardcover)

 

978-3-347-02070-2 (e-Book)

Lukas Wolfgang Börner

Gott-Tötenfür Einsteiger

Personen

Gott, in Gestalt eines unscheinbar gekleideten Mittdreißigers

Aurelie, Studentin

Gottlieb, Student

Anup, Student

Kellner

Overbeck, ein schönheitschirurgisches Meisterwerk

Bischof

Junge, Passant

Mann, Passant

Radfahrer, Radfahrer

Bote

Drei Kakerlaken

Prolog

Gewöhnliche Großstadtseitenstraße. Dunkle, moderne Lokale beißen sich mit Altbauten, vorne Fußgänger- und Fahrradweg. Auf letzterem steht Gott und blickt sich neugierig um.

Gott:

Nun steh ich also hier, hienieden,herabgefahren aus den Lüften,zu schaun nach jenen, die mich mieden,verärgerten – und doch verblüfften.

Welch roter Weg, welch schmucke Nachtbar,und doch: ein Nichts im Universum.Der Mensch – und dichtet er auch achtbar,es lohnt sich nicht, schon ist der Vers um.

Die Kraft gering, der Anspruch riesig –ein seltsam Wesen ist der Mensch.Um ihn zu sehen nur, verließ ichden Garten Eden, meine Ranch.

blickt sich kopfschüttelnd um

Noch so still. Und das anderthalb Stunden nach Sonnenaufgang. Die Menschheit muss wohl erst erwachen. Ach, es stimmt schon, was man hört: Müßiggang wird bei den Menschen großgeschrieben. Aber was ist von einem Volke auch zu erwarten, das die Sechstagewoche abgeschafft hat und obendrein zu faul ist, den Sonntagsgottesdienst zu besuchen?

Junge:

nähert sich, blickt immerzu auf sein Handy

Ha, nur noch neun Meter. Und hopp! nur noch acht Meter. Gleich, gleich bin ich an Ort und Stelle.

Gott:

Nanu, ein Erdensohn? Wohin des Weges, kleiner Mann?

Junge:

Und hopp! noch sieben Meter.

Gott:

Na, wohin wird er schon wollen, so früh am Werktage? Gewiss zur Schule. Jaja, Lernen heißt Begreifen.

Junge:

Noch sechs Meter.

Gott:

Ob er mich wohl als seinen Schöpfer und Übervater lobpreisen wird?

Junge:

Oh Shit! Meine Energie geht flöten! Hier muss irgendwo ein Urk-Loch sein! Shit, Shit, Shit! Ich muss mich ganz dringend wieder agiltanzen.

tanzt hemmungslos, ohne von seiner Umwelt Notiz zu nehmen, blickt wieder aufs Handy

Puh, das sollte vorläufig genügen. Nun schnell den Iota-Hoshu einsammeln und weiter, bevor Lord Kaibut von Urmania seine Drohung wahrmacht. Noch vier Meter, hopp!

Gott:

Na, kleiner Mann. Wie gefällt dir das Erdenleben?

Junge:

ohne aufzuschauen

Da steht jemand auf meinem Iota-Hoshu. Würden Sie bitte einen Schritt zur Seite treten?

Gott:

Sprichst du mit mir?

Junge:

Mir läuft die Zeit davon! Weg da, sonst ist es zu spät! Der Hoshu blinkt ja schon!

Gott:

Du solltest deinen Blick auf die Welt richten und alle Schöpfung redlich betrachten, Junge. Nur so wirst du meiner Großartigkeit teilhaftig werden.

für sich

Nun habe ich der Andeutungen genug gemacht.

Junge:

Dreck! DRECK!! Er ist weg!

Gott:

Nanana!

Junge:

noch immer aufs Handy blickend

Oh Mann, jetzt muss ich zwei-komma-drei Kilometer weiterlaufen. Und alles nur wegen diesem senilen, alten Dackel.

Gott:

Hoho! So wagst du es, mit deinem Schöpfer zu sprechen?! Das soll dir schlecht bekommen.

packt ihn bei der Schulter

Junge:

Iiiiiiiih! Iiiiiiiih!

schaltet die Fernlichtfunktion am Handy ein, blendet Gott, der ihn erstaunt fahren lässt

Urmanier! Error zwei-strich-sieben! Iiiiiiiih! Iiiiiiiih!

rennend ab

Gott:

Was um Himmels willen war das?!

Mann:

betritt die Bühne, in Anzug und Krawatte gekleidet, Knopf im Ohr, telefoniert

Was soll das heißen? … Jetzt komm mal wieder runter!

Gott:

Ist geschehen. Quod erat demonstrandum.

Mann:

Ja, aber wie willst du das machen?

Gott:

Geflogen bin ich, einfach geflogen. Ich hätte aber durchaus auch schwimmen können.

Mann:

Mach dich doch nicht lächerlich.

Gott:

Es mag für dumpfe Menschenohren wohl unglaublich klingen. Wenn Sie mir genau ins Gesicht blicken, wird Ihnen aber einiges klarwerden.

Mann:

Geht das nicht in deinen Schädel rein? Das muss aus Kundensicht betrachtet werden!

Gott:

I wo, das geht schon in Ordnung.

Mann:

Klar doch! … Ja, du bist ja eh unfehlbar, ich weiß, ich weiß.

Gott:

Nur kein Neid. Auch ich habe Entscheidungen getroffen, die ich hinterher bereut habe. Die Sommerzeit …

Mann:

Weißt du, in der Sache geb’ ich dir ja recht! … Nein, da bin ich hundert Prozent bei dir! Was mich aber ankotzt, ist die Art und Weise, das rüberzubringen, capisce? Das hat mit Respekt wirklich nichts mehr zu tun!

Gott:

Wie meinen?

Mann:

Na, weil du herkommst und alles auf deine Fahne schreibst!

Gott:

Das … das war ja auch alles ich.

Mann:

Sorry, aber das ist asozial.

Gott:

Das darf doch wohl nicht wahr sein.

baut sich vor dem Telefonierenden auf, der ihn versehentlich anrempelt

Mann:

Hoppla! Verzeihen Sie!

Gott:

Was heißt da „Verzeihen Sie“? Sie haben mich als asozial beschimpft. Ich, der ich das soziale Gefüge überhaupt erst erfunden habe. Zur Strafe werde ich Ihnen …

Mann:

läuft und telefoniert weiter

Ja, dann geh meinetwegen zum Scheidengraber und heul dich aus. Aber der wird dir auch nichts anderes erzählen. Beim Schulterblick am Montag haben wir ganz klar vereinbart …

geht ab

Gott:

Blitz und Donner!!

blickt zum Himmel, aber es tut sich nichts

Blitz und Doonner!?

blickt wieder hinauf, aber erfolglos

Was ist nur mit der Menschheit los? Entweder sind sie hanebüchen unverschämt oder sie kennen mich tatsäch…

es blitzt und donnert, Gott zuckt zusammen

Nun ist es zu spät, verdammt!! Ach, das hat man nun davon. Habe ich den Erdball nicht extra so positioniert, dass die Menschheit über eine heimelig warme Temperatur verfügt? Habe ich ihn bei meinem Weggang nicht eigens noch mit reichlich Ozoncreme Faktor 100 eingerieben? Aber ich fürchte, man kann sich die Liebe seiner Kinder mit Geschenken nicht erkaufen. Das ist die Lektion, die selbst der Herrgott lernen muss. Zuletzt verlangen Kinder doch stets nach Aufmerksamkeit. Ach, aber was stehe ich hier und lamentiere? Hat der kleine Junge nicht zuletzt irgendwas von einem Lord gemurmelt? Könnte er damit nicht mich gemeint und lediglich meinen Namen falsch ausgesprochen haben? Ja, es kann nicht anders sein. Wie ein gewöhnlicher Mensch bin ich ihnen erschienen. Indes weilt der Respekt vor Gott nach wie vor auf Erden. Die Menschen haben nur vergessen, wie ich heiße … und wie ich aussehe. Nun, dem kann ja beigekommen werden. Bei meiner nächsten Erdenreise werde ich wieder auf einem Berge erscheinen, zweihundert Meter groß und vom Kopf bis zu den Füßen golden glänzend. Solcherlei Spezialeffekte wirken erfahrungsgemäß sehr nachhaltig auf den Menschen. Nun aber will ich rasch wieder gen Himmel fahren und Entspannung in der körperlichen Ertüchtigung suchen. Mein guter, alter Universums-Expander liegt schon allzu lange ungenutzt herum.

Radfahrer:

nähert sich, klingelt sich die Finger wund

Aus dem Weg!

Gott:

Ein paar Jahrhunderte ausschwitzen und dann den wohlverdienten Milchstraßentrunk für den Muskelaufbau. Ach, das wäre jetzt …

Radfahrer:

Bist du taub? Oder einfach ein Idiot?!

im Vorbeifahren

DAS Fahrradweg, DAS Fußgängerweg! Herrgott!

Flüche murmelnd ab

Gott:

Bitte? Wie sagte diese unflätige Kanaille? „Herrgott“? Oh, ich habe mich geirrt! Die Menschheit kennt mich ja! Die Menschheit kennt mich ja! Bei mir selbst! sie hat mich nicht vergessen! Aber sie hat sämtlichen Respekt gleich einer Schlangenhaut abgestreift! Und nun kommt jenes ekle Tier zum Vorschein, in dessen Obhut mein Ebenbild aufgewachsen ist und dessen animalische Gesetze es allzu rasch über meine setzte. Oh! es ist meine Schuld! Zu lange habe ich gewartet, zu lange mein Werk als Selbstläufer betrachtet, zu lange mich nur um mich selbst geschert. Ach, und der Stolz auf mein Werk, dieser schnöde, vermaledeite, frevelhafte Stolz, hat der Pflege desselben doch allzu rasch keinen Raum mehr gelassen. Jawohl, es ist meine Schuld! Nun aber soll alles anders werden! Geduld, mein treuer Expander! Ein wenig noch wirst du meiner harren müssen, denn ich werde hierbleiben, hier zwischen den Menschen. Und Respekt werde ich sie lehren – KOSTE ES, WAS ES WOLLE!

will gravitätisch abgehen, hält zuletzt aber inne und kommt zurückgetrippelt

Also, ich meine, „kosten“ wird es in dem Sinn ja gar nichts, weil ich ja allmächtig und allvermögend bin, nicht wahr? Ich meinte vielmehr, ich werde die Menschen Respekt lehren – UND WENN ICH DABEI DRAUFGEHEN SOLLTE!

will abgehen, hält wieder inne, kommt zurück, öffnet den Mund, ändert seine Meinung und geht ab

*

Erster Aufzug, erster Auftritt

Studenten-WG. Zusammengewürfeltes Mobiliar, zeitgemäße und antiquarische Einrichtung wechseln sich ab. Links Haustür, im Hintergrund moderne Küchenzeile, in der Mitte ein langer Eichenholztisch mit Stühlen und stark abgenutzter Couch, darauf Gottlieb und Aurelie beim Frühstück. Die drei Zimmer der Studenten liegen weiter rechts außerhalb der Szene.

Aurelie:

Wo ist eigentlich Anup? In seinem Bett liegt er nicht mehr. Und das Klo ist auch nicht besetzt.

Gottlieb:

Wo wir wieder beim Thema wären.

Aurelie:

Hä?

Gottlieb:

Ich hab dir eine Frage gestellt.

Aurelie:

Ach ja?

Gottlieb:

Ja.

beide essen eine Weile, ohne zu sprechen

Aurelie:

Was für eine Frage?

Gottlieb:

Wenn dem Uni-Hauptgebäude aufgrund seines neoklassizistischen Stils – du weißt schon, Säulengänge, Rundbögen, Mosaiken etc. pp – nur zwei Räume als Toiletten zur Verfügung stehen, wie sollte deiner Meinung nach die Aufteilung vorgenommen werden?

Aurelie:

Die Aufteilung der beiden Toiletten?

Gottlieb:

Ja.

Aurelie:

Na, eine Herren- und eine Damentoilette halt.

beide betrachten sich, dann prusten sie los, lachen lange

Gottlieb:

Aber jetzt mal im Ernst. Wie soll man’s machen?

Aurelie:

Hm … das ist wirklich schwierig. So oder so dürfte jemand diskriminiert werden. Vielleicht eine Toilette für diejenigen, die sich auf kein Geschlecht festnageln lassen wollen, und eine für … hm …

Gottlieb:

Das ist ja die Krux an der Geschichte. Sinnvoll wäre es meiner Meinung nach, eine Toilette für alle zusammen zu haben. Dann kann sich niemand benachteiligt fühlen.

Aurelie:

Ich weiß ja nicht.

Gottlieb:

Man könnte einen Durchbruch machen. Am besten wäre, wenn du mich fragst, aber eine normale Toilette für alle und eine reine Pissoir-Toilette. Also ebenfalls für alle. Du hast doch auch eine von diesen Stehpiesel-Tassen, oder?

Aurelie:

Das ist eine Menstruationstasse. Außerdem gefällt mir die Idee gar nicht, mit Männern das Klo teilen zu müssen. Die Vergewaltigungsgefahr wäre ungleich höher, wenn du mich fragst.

Gottlieb:

Ach was! Ob der Vergewaltiger ins Damenklo einbricht oder auf der Cross-Gender-Toilette in eine einzelne Kabine, dürfte sich wohl nichts nehmen.

Aurelie:

Das glaub ich nicht. Gelegenheit macht Triebe.

beide frühstücken nachdenklich weiter

Gottlieb:

Dann sollte man vielleicht eine Toilette für Vergewaltiger und eine für Nicht-Vergewaltiger einrichten.

Anup:

betritt die Bühne durch die Haustür, blackgefaced

Morgen zusammen.

Aurelie:

Anup! Wo warst du denn?

Anup:

Im Keller.

Gottlieb:

Und was hast du mit deinem Gesicht gemacht?

Anup:

nimmt ein Geschirrtuch, macht es nass und wischt sich die Schwärze aus dem Gesicht

Hab versucht, die Vespa von meinem Onkel zu reparieren. Tja, und nun ist sie so kaputt, dass ich sie nicht einmal mehr verkaufen kann.

Gottlieb:

Dann halt weiter Öffis – es gibt Schlimmeres.

Aurelie:

Zumal deine Kurse ohnehin alle online sind. Ich glaube, du hast die Wohnung seit drei Semestern nicht mehr verlassen. Zumindest nicht zu Studienzwecken.

Anup:

Na ja, so ganz stimmt das jetzt auch wieder nicht.

setzt sich dazu und frühstückt

Gottlieb:

Ja, ich erinnere mich: Vorletztes Semester hattest du fünf Tage Geländepraktikum im Loisachtal. Das muss sehr hart für dich gewesen sein.

Aurelie:

Ach, ich wünschte, wenigstens meine Vorlesungen gäbe es online. Aber meine Disziplin ist manchmal entsetzlich old-school.

Gottlieb:

Ich bitte dich, Lilli.

Anup:

Oh nein, jetzt geht das schon wieder los.

Gottlieb:

Ich sag ja gar nix.

gespannte Stille, Uhrenticken

Aber Volkskunde ist nun mal keine wissenschaftliche Disziplin.

Aurelie:

Es heißt nicht Volkskunde.

Gottlieb redet das Folgende tonlos mit

Es heißt Empirische Kulturwissenschaft, Schrägstrich, Europäische Ethnologie.