Grabratten - Robert E. Howard - E-Book

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Robert E. Howard

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Beschreibung

Ein grausamer Mörder bringt im Haus der Wilkinsons ein Familienmitglied nach dem anderen um. Steve Harrison nimmt sich der Sache an und muss sich in undurchdringlichen Sümpfen gegen Voodoo-Priester, Alligatoren und einen uralten afrikanischen Schlangenkult behaupten. Drei seltsame Kriminalfälle des Detektivs Steve Harrison. Aus dem Amerikanischen von Thomas Kovacs. Die Printausgabe umfasst 166 Buchseiten.

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Robert E. HowardGRABRATTEN

In dieser Reihe bisher erschienen:

1001 Edgar Rice Burroughs Caprona - das vergessene Land

1002 Ernst Konstantin Sten Nord - der Abenteurer im Weltraum

1003 Unbekannter Autor Jack Franklin, der Weltdetektiv

1004 Robert E. Howard Die Geier von Wahpeton

1005 Robert E. Howard Abrechnung in den Los Diablos

1006 Robert E. Howard Steve Costigan – Seemann und Boxer

1007 Murray Leinster Der tollwütige Planet

1008 Robert E. Howard Grabratten

1009 Martin Winfried u. a. Percy Stuart

Robert E. Howard

GRABRATTEN

Die seltsamen Fälle desDetektivs Steve Harrison

Aus dem Amerikanischen vonThomas Kovacs

Seine von zahlreichen Umzügen geprägte Kindheit verbrachte der 1906 im texanischen Peaster geborene Robert Ervin Howard in zehn verschiedenen, zumeist durch Viehzucht geprägten, Kleinstädten und Dörfern.

Mit achtzehn Jahren verkaufte Howard seine erste Story an das Weird Tales Magazine. Bevor es ihm gelang, seinen Lebensunterhalt ausschließlich als Schriftsteller zu finanzieren, verdingte er sich in verschiedenen Jobs, beispielsweise als Landvermesser oder Cowboy. In seiner Freizeit beschäftigte er sich mit Bodybuilding und Boxen. Innerhalb weniger Jahre stieg Howard zu einem der erfolgreichsten, amerikanischen Pulp-Autoren seiner Zeit auf. Jedoch war es ihm nicht vergönnt, die Früchte seiner Arbeit lange zu genießen. Am 11. Juni 1936 nahm er sich in Cross Plains in Texas im Alter von nur 30 Jahren das Leben.

Obwohl Robert E. Howard keine lange Schaffenszeit vergönnt war, hinterließ er der Nachwelt ein umfangreiches Werk. In Deutschland ist er in erster Linie durch seine Fantasy-Storys um Helden wie Conan den Barbaren bekannt, aber auch durch Horrorerzählungen und die Zugehörigkeit zum Lovecraft Circle. Daneben verfasste er zahlreiche Geschichten aus dem Orient, Western sowie Anekdoten rund um schlagkräftige Boxer.

Von Howards mysteriösen Abenteuern rund um den hemdsärmeligen Privatdetektiv Steve Harrison wurden zu seinen Lebzeiten nur vier veröffentlicht. Dieser Band enthält drei Geschichten, die unter diesen Originaltiteln erschienen sind:

Graveyard Rats (Thrilling Mystery, Februar 1936)

People of the Serpent (Strange Detective Stories, Februar 1934)

Names in the Black Book (Strange Detective Stories, Mai 1934)

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Reihen-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2019 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogogestaltung: Mark FreierSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-777-1Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Howards Haarsträubende Horror-Krimis

Conan, Kull, Solomon Kane, Bran Mak Morn, James ­Allison, Cormac Mac Art. Diese und noch viel mehr Helden schuf Robert E. Howard in seiner relativ kurzen Laufbahn als Schriftsteller. Er hat jedes nur erdenkliche Genre ausgelotet, das die Pulps der 1920er und 30er Jahre hergaben. Dem deutschen Leser wurden bisher vor allem seine Fantasy Geschichten präsentiert, allen voran die oben erwähnten Protagonisten. Daneben erschienen auch einige Horror- und Abenteuergeschichten des Autors auf Deutsch. Weniger bekannt sind hierzulande die Texte aus stiefmütterlicheren Genres wie Boxsport oder Wildwest. Zu beiden Kategorien erschienen beim BLITZ-Verlag Geschichten von Howard: Steve Costigan, Seemann und Boxer, Die Geier von Wahpeton und Abrechnung in den Los Diablos.

Dieser vierte Band von Robert E. Howard präsentiert drei seiner sonderbaren und makabren Kriminalgeschichten. So ist Grabratten dem ­Sub-Genre Weird Menace, zu Deutsch ungefähr sonderbare Bedrohung zuzuordnen. Das Pulp Thrilling ­Mystery, in dem es im Februar 1936 erschien, brachte lauter Geschichten, in denen es ein beinahe übernatürliches Element gab, etwas Seltsames, Gruseliges aber gerade noch im Rahmen des Erklärbaren, Weird Menace eben.

Eigentlich sind die Geschichten um den vierschrötigen, muskelbepackten Polizeidetektiv Steve Harrison im ­weitesten Sinne Krimis. Meist geht es um Morde und deren Aufklärung. Weil aber in jeder Story etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, irgendein mysteriöser Kult die Finger im Spiel hat, oder einfach nur Leute auf grausame Art umgebracht werden, sind es zumindest ungewöhnliche Krimis. Deshalb erschien Schlangenvolk im Februar 1934 im Pulp Strange Detective Stories. An dieser Geschichte ist eindeutig etwas Seltsames dran, und der Titel des Magazins lässt ja wohl keinen Zweifel an der Art des Inhalts offen.

Wir kennen ähnliches vom guten alten Fernsehen. Da konnte man ab 1980 im ZDF die britische Fernsehserie Die ungewöhnlichen Geschichten von Roald Dahl (­Originaltitel: Tales of the ­Unexpected) genießen. Das waren Episoden, die am Ende immer eine perfide Wendung nahmen, oft waren es Krimis mit einem Hauch des Sonderbaren und Makabren. So ist es auch mit Steve Harrisons Abenteuern. Nichts ist gewöhnlich, alles grundsätzlich möglich. Das Übernatürliche lauert immer nur wenige Schritte hinter unserem Helden, auch wenn es sich seinem Auge entzieht, sobald er sich umdreht. ­Gruselig. Makaber. Sonderbar.

Steve Harrison ist aber auch ein moderner Conan, Howards schwertgewandter cimmerischer Barbar. Das Schwert hat er allerdings gegen einen gewichtigen stahlblauen Sechsschüsser eingetauscht - das ist ja auch handlicher in der Zeit, in der er gegen das Böse kämpft. Obwohl - wenn er so richtig aufdreht, weiß er auch primitivere Waffen, wie zum Beispiel eine mongolische Keule, richtig einzusetzen. Seine ungewöhnlichen Abenteuer erlebt er zwischen 1926 und 1933. Er ist Detektiv bei der Polizei einer amerikanischen Metropole, allerdings geht Howard nicht darauf ein, welche. Oft ermittelt er im Orientalviertel in der River Street.

Nur vier von Howards Steve Harrison Abenteuern wurden zu seinen Lebzeiten veröffentlicht. Fünf weitere Geschichten, ein unvollendetes Fragment und ein Entwurf wurden den Lesern erst viel später präsentiert, in Taschenbüchern und Amateurpublikationen der 1970er und 80er Jahre, als der Autor in den USA boomte. Hier sind die Geschichten in der chronologischen Reihenfolge aufgelistet, entnommen dem Artikel The Life and Times of Steve Harrison von Rick Lai, nachzulesen im Internet. Die erste und die zwei letzten Geschichten auf der Liste erscheinen hier in diesem Buch.

1926 Graveyard Rats (Grabratten)

1927 The House of Suspicion

1928 Entwurf

1930 The Silver Heel

1930 The Black Moon

1931 Teeth of Doom

1931 The Voice of Death

1932 Lord of the Dead

1932 The Mystery of Tannernoe Lodge (­Fragment)

1933 People of the Serpent (Schlangenvolk)

1933 Names in the Black Book (Namen im Schwarzen Buch)

Tauchen Sie jetzt ein mit mir in die seltsame Welt des eigenbrötlerischen Detektivs Steve Harrison. Drehen wir das Rad der Zeit um etwa 90 Jahre zurück und erleben wir mit, wie er sonderbare Kriminalfälle löst, wo es um geköpfte Leichen, menschenfressende Ratten, Voodoo Rituale und geheimnisvolle asiatische Verbrecherorganisationen geht. Viel gruseliges Vergnügen!

Thomas Kovacs, Zürich

Die Welten des Robert Ervin Howard

Die zu Ende gehenden 20er und die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts waren geprägt durch die weltweite Wirtschaftskrise, in den USA auch Great ­Depression genannt, die weite Teile der Weltbevölkerung, vor allem in den Industrienationen, verarmen ließ. Ein guter Nährboden nicht nur für Populisten, die Bevölkerungen ihrer Länder für ihre Ideen zu gewinnen und in der Folge die größte Katastrophe dieser Epoche zu entfachen, sondern auch für Verlage, die die Menschen mit ihren Produkten von ihrer tristen Lage ablenkten und ihnen einige Stunden spannende Unterhaltung boten. Besonderer Beliebtheit erfreuten sich in den USA die so genannten Pulps, die ihren Namen dem holzhaltigen Papier verdankten, billig aufgemachte großformatige Magazine, die mit ihren grellbunten Titelbildern dem Leser Abenteuer jenseits des Alltags versprachen. Die darin behandelten Thematiken hatten eine enorme Spannweite und reichten von Sport- und Liebesgeschichten über Detektiverzählungen, Krimis, Western und Abenteuern bis hin zu Horror, Fantasy und Science Fiction. Zahlreiche Autoren prägten dabei die Szene, wie beispielsweise Edmond Hamilton, Howard Philips Lovecraft, Clark ­Ashton Smith, Catherine Lucille Moore, G. Wayman Jones oder Kenneth Robeson, die beiden letzteren Verlagspseudonyme, unter dem einige Autoren ihre Romane publi­zierten. Keiner von ihnen war aber so vielseitig wie der Texaner Robert Ervin Howard.

Howard wurde in erster Linie nahezu weltweit bekannt durch die Figur des cimmerischen Barbaren Conan, der schwertschwingend durch die Länder des vorzeitlichen hyborischen Zeitalters streift, immer auf der Suche nach Reichtümern. Daneben hat Howard, der damit das Fantasy-­Subgenre Sword & Sorcery begründete, aber auch noch zahlreiche weitere, fast übermenschliche Heldenfiguren erschaffen. Im Fantasy-Bereich waren das in erster Linie Kull von Atlantis, dem es gelingt, sich die Krone des mächtigen Königreichs Valusien auf sein Haupt zu setzen, der Puritaner Solomon Kane, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Böse in all seinen Erscheinungsformen zu bekämpfen, oder der Pikte Bran Mak Morn, der sein Volk noch auf dem Zenith seiner Zivilisation erlebt.

Aber auch für andere Genres ersann Howard Hauptakteure, die für die Leser als Leitfiguren dienten, wie den Kriminalisten Steve Harrison, der mit drei seiner Fälle jetzt erstmals der deutschen Leserschaft vorgestellt wurde. Daneben ersann Howard unter anderem auch den Seefahrer und Boxchampion Steve Costigan, der, begleitet von seiner Bulldogge Mike, in den Häfen der Welt, die das Schiff, auf dem er arbeitete, ansteuerte, immer wieder für Turbulenzen und Boxkämpfe sorgte, oder den ähnlich konzipierten Boxer Kid Allison.

Besonders beliebt waren auch die Geschichten, in denen Howard seine Protagonisten in geschichtlichen Epochen oder exotischen Ländern ansiedelte und die in erster Linie für das Pulp-­Magazin Oriental Stories geschrieben wurden. Zu den besten in diesem Bereich hier erschienenen Geschichten gehören The Lion oft Tiberias, Hawks of Outremer, The Sword Woman und The Shadow of the Vulture, in der er die Figur der Red Sonya of Rogatino einführte, die als Vorbild für die im Conan-Comic-­Universum angesiedelte Red Sonja diente.

Gegen Ende seiner leider viel zu kurzen literarischen Karriere – Howard verübte 1936 im Alter von nur 30 Jahren Selbstmord – wandte er sich verstärkt dem Western zu. Neben zahlreichen brillanten Erzählungen, wie sie in Die Geier von Wahpeton und Abrechnung in Los ­Diablos bereits zu lesen waren, war es vor allem die Figur des ­Breckinridge Elkins, eines starken, aber nicht gerade klugen Cowboys, über den er zahlreiche sehr humorige Geschichten verfasste, die lange nach seinem Ableben in drei Bänden eine Neuauflage erlebten.

Howards Protagonisten ist im Prinzip eines gemeinsam: Sie sind nahezu übermenschlich stark und ziehen es vor, Konflikte mit ihren Fäusten oder Waffengewalt durchzusetzen. Sie sind Dickschädel und gehen stur ihre Probleme direkt an. Und sie sind Einzelgänger, die sich nur dann anderen anschließen – oder diesen gestatten, sich ihnen anzuschließen –, wenn es zum Erreichen des gemeinsamen Ziels wirklich erforderlich ist. Ansonsten ziehen sie es vor, alleine ihren Weg zu gehen.

Vor allem die erste Hälfte des 20. Jahrhundert war eine Zeit der Kriege und in deren Gefolge von Genoziden und Massenvertreibungen, enormen gesellschaftspolitischen Veränderungen und des technologischen ­Fortschritts. Deshalb erscheint auch vieles, was Howard in seinen zeitgenössischen Geschichten erzählt, dem heutigen Leser fremd. Das betrifft sowohl Volksgruppen, die in den Wirren des vorigen Jahrhunderts aufgehört haben, als eigenständige Staaten oder Bevölkerungen zu existieren, oder auch Sitten und Bräuche, die inzwischen von der Geschichte überholt wurden. Als Beispiel möge der Zopf des Chinesen Woon Shang in der Story Schlangenvolk, die im vorliegenden Band enthalten ist, dienen. Wer von den Lesern heutzutage weiß noch, dass ein Zopf bis zum Ende der Kaiserzeit in China die typische Haarpracht war?

So gesehen ermöglichen alle Geschichten Howards Einblicke in Welten, die es gegeben oder auch nie gegeben hat, bunt schillernde Welten voller Abenteuer und Wunder, von mächtigen Helden, finsteren Schurken und schönen Frauen, die auch dem Leser von heute interessante Einblicke bieten und es verstehen, ihn zu faszinieren und weitere Veröffentlichungen dieses Ausnahmeautors mit Vorfreude und Spannung zu erwarten.

Hermann Urbanek, Österreich

Grabratten

Kapitel 1 - Der Kopf aus dem Grab

Saul Wilkinson erwachte abrupt und blieb im Dunkeln liegen. Auf seinem Gesicht und den Handflächen perlte kalter Schweiß. Er erschauerte beim Gedanken an den Traum, aus dem er gerade hochgeschreckt war.

Schlechte Träume waren für ihn nicht ungewöhnlich. Grausige Alpträume hatten seinen Schlaf seit frühester Kindheit heimgesucht. Es war allerdings eine andere Art von Angst, die gerade mit eisigen Fingern nach seinem Herzen griff. Angst vor dem Geräusch, das ihn geweckt hatte. Es waren verstohlene Schritte und herumtastende Hände im Dunkeln. Und jetzt war leises Trippeln im Zimmer zu vernehmen. Eine Ratte huschte auf dem Boden hin und her.

Er fummelte mit zitternden Fingern unter dem Kissen herum. Im Haus war es still, aber seine Vorstellungskraft bevölkerte die Finsternis mit allerlei Schreckensgestalten. Aber nicht alles war Einbildung. Ein leiser Luftzug war Beweis dafür, dass die Tür zum geräumigen Flur offen stand. Er wusste, dass er die Tür geschlossen hatte, bevor er zu Bett ging. Und er wusste auch, dass keiner seiner Brüder einfach so in sein Zimmer schleichen würde.

In diesem Haus, voller Angst und von Hass erfüllt, begab sich niemand ins Zimmer seines Bruders, ohne sich vorher bemerkbar zu machen. Erst recht nicht, seit vor vier Tagen eine alte Fehde das Leben des Ältesten gekostet hatte. John Wilkinson war auf offener Straße in der kleinen Stadt des Hügellandes von Joel Middleton niedergeschossen worden. Der flüchtete danach in die von Zwergeichen überwucherten Hügel, wobei er fluchend noch viel schlimmere Rache gegen die Wilkinsons schwor.

All das ging Saul durch den Kopf, während er den Revolver unter dem Kissen hervorzog. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, als er aus dem Bett stieg, während die Metallfedern laut knarrten. Er verharrte einen Augenblick, hielt den Atem an und starrte angestrengt in die Schwärze.

Richard schlief oben. Ebenso Harrison, der Detektiv aus der Stadt, den Peter angeheuert hatte, um Joel ­Middleton zur Strecke zu bringen. Peters Zimmer lag im Erdgeschoss, aber in einem anderen Flügel. Ein Hilferuf würde zwar alle drei wecken, aber auch einen Kugel­hagel aus Blei bedeuten, sollte Joel Middleton da drüben in der Dunkelheit lauern.

Saul wusste, das war sein Kampf, den er allein in der schon immer gefürchteten und verhassten Dunkelheit ausfechten musste. Und zu allem Überfluss war da auch noch dieses verstohlene Herumhuschen, das Getrippel kleinster Pfoten, die hin und her rannten, immer hin und her.

Er presste sich eng an die Wand und verwünschte das rasende Pochen seines Herzens, während er sich zu beruhigen versuchte. Er stand mit dem Rücken zur Wand, die sein Zimmer vom Flur trennte. Die Fenster wirkten wie mattgraue Rechtecke in der Finsternis, nur vage konnte er Umrisse von Möbeln ausmachen, außer auf einer Seite des Raumes. Joel Middleton musste da drüben sein. Er musste beim alten Kamin lauern, von der Dunkelheit geschützt.

Worauf wartete der Mörder noch? Und wieso rannte diese verfluchte Ratte vor dem Kamin hin und her? Panisch vor Gier? Saul hatte schon Ratten gesehen, die im Schlachthof wie verrückt am Boden herumgerannt waren, weil sie nach einem Stück Fleisch lechzten, das außer Reichweite hing.

Geräuschlos schlich er an der Wand entlang zur Tür. Wenn jemand im Raum war, würde er sich früher oder später zwischen ihm und einem der Fenster abzeichnen. Aber während er so dahinschlich wie ein Geist im Nachthemd, schälte sich nichts und niemand aus der Dunkelheit. Er erreichte die Tür und schloss sie leise, zuckte aber doch wegen der unmittelbaren Nähe der absoluten Finsternis draußen im Flur zusammen.

Nichts geschah. Das einzige Geräusch waren das wilde Pochen seines Herzens, das laute Ticken der alten Uhr auf dem Kaminsims und das unerträgliche Getrippel der unsichtbaren Ratte. Saul biss die Zähne zusammen. Seine gequälten Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt. Sein Grauen wurde grösser. Und immer wieder diese Ratte, die vor dem Kamin hin und her rannte.

Die Spannung wurde unerträglich. Die geöffnete Tür war der Beweis, dass Middleton oder jemand – oder etwas! – ins Zimmer gekommen war. Aber würde ­Middleton kommen, wenn er keine Mordabsichten hegte? Also, warum in Gottes Namen hatte er noch nicht zugeschlagen? Worauf wartete er noch? Dann verlor Saul die Nerven. Die Dunkelheit erdrückte ihn, und die trippelnden Rattenpfoten hämmerten rotglühend in seinen Verstand. Er brauchte Licht, auch wenn er dann vom Blei zerfetzt wurde.

Hastig stolperte er zum Kaminsims und tastete nach der Lampe. Dann schrie er unterdrückt auf, ein unmenschliches Krächzen, das außerhalb seines Zimmers nicht gehört werden konnte. Seine Hand hatte in der Dunkelheit Haare auf einem menschlichen Haupt ertastet – auf dem Kaminsims!

Ein wütendes Quieken ertönte aus dem Dunkeln zu seinen Füssen, und ein stechender Schmerz durchfuhr seine Ferse. Die Ratte hatte ihn angegriffen, als wäre er ein Eindringling, der ihr die ersehnte Beute streitig machen wollte. Saul wich zurück und trat den Nager beiseite. Seine Gedanken drehten sich im Kreis. Streichhölzer und Kerzen mussten auf dem Tisch liegen, er taumelte darauf zu. Seine Hände tasteten umher, bis er endlich fand, was er suchte.

Er zündete eine Kerze an und drehte sich um, die Waffe in der zitternden Hand im Anschlag. Außer ihm war niemand im Zimmer. Mit aufgerissenen Augen fixierte er den Kaminsims, und den Gegenstand darauf. Er stand wie erstarrt da, sein Verstand weigerte sich zunächst zu begreifen, was er sah. Er stöhnte. Die Waffe entglitt ihm und fiel krachend vor dem Kamin auf den Boden.

John Wilkinson, sein Bruder, war tot, mit einer Kugel im Herzen. Vor drei Tagen war seine Leiche in einem grob gezimmerten Sarg auf dem alten Familienfriedhof der Wilkinsons beigesetzt worden. Saul hatte es selbst gesehen. Drei Tage lang hatte die sengende Sonne den harten Lehmboden über der eingesargten Leiche von John ­Wilkinson ausgetrocknet. Und nun stierte vom Kaminsims John Wilkinsons Gesicht – bleich, kalt und tot. Es war kein Albtraum, keine verrückte Phantasie­vorstellung, es war real. Dort auf dem Kaminsims lag John Wilkinsons abgetrennter Kopf!

---ENDE DER LESEPROBE---