Greenomics - Eike Wenzel - E-Book

Greenomics E-Book

Eike Wenzel

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Beschreibung

Aus Müslis von gestern werden hippe Lifestyle-Marktführer von morgen. Biofood und iPod, gutes Gewissen und Lebensstil-Avantgarde: LOHAS (Lifestyle of Health and Sustainability), der grüne Lebensstil, gewinnt immer mehr Einfluss. Öko sein, ist sogar sexy - George Clooney und Angelina Jolie machen´s vor und mehr als 30% der Bevölkerung in den USA und Nordeuropa zählen dazu. Die Konsumkultur der nächsten Jahre wird geprägt sein von Menschen, die mit gutem Gewissen gesund und genussvoll leben wollen - Ökologie wird zum Wachstumstreiber auf den globalen Märkten. Welche Auswirkungen hat der Trend zu Greenomics auf unsere Wirtschaft? In der Lebensmittelbranche sind Produkte, die Gesundheit, Genuss, Ökologie und Nachhaltigkeit versprechen, längst erfolgreich. Doch der grüne Trend beginnt sich auf andere Branchen auszubreiten: Kleidung, Wohnen, Hightech und Reisen werden Teil der Greenomics. Und wie verändert der LOHAS-Trend Schlüsselmärkte wie Tourismus, Handel und natürlich Gesundheit? Welche Bereiche werden davon profitieren und wo liegen die Wachstumsmärkte? Das Trendbuch gibt Antworten auf viele spannende Fragen zur grünen Wirtschaft von morgen.

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Eike Wenzel | Anja Kirig | Christian Rauch

Greenomics

Eike Wenzel | Anja Kirig | Christian Rauch

Greenomics

Wie der grüne Lifestyle Märkte und Konsumenten verändert

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:[email protected]@[email protected]

2. Auflage 2012© 2008 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbHNymphenburger Straße 86D-80636 MünchenTel.: 089 651285-0Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlaggestaltung: Jarzina Kommunikations-Design, KölnUmschlagabbildung: Corbis, DüsseldorfSatz: Jürgen Echter, Redline GmbHDruck: Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN Print 978-3-86881-468-2ISBN E-Book (PDF) 978-3-86414-123-2

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.redline-verlag.de

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Inhalt

VorwortEinleitung: Neo-Ökologie, LOHAS und die Zeitenwende einer neuen Öko-ÖkonomieWie Megatrends die Märkte von morgen prägenEine kurze Geschichte eines ökonomischen Zeitenwechsels: Wie die Greenomics Medien und Marketing erobernDie Themen des Buchs: Wie die Neo-Ökologie unsere Welt verändertGreenomics 2030: Wie die grüne Revolution Wirtschaft und Gesellschaft verändert1. Regionen und Städte: Lebensqualität und Slow CitysDie Öko-Avantgarde: Von qualmenden Schornsteinen zum Haus mit EnergieüberschussLOHAS sein heißt: Urban leben - am besten mitten im GrünenDie Stadt der Zukunft setzt auf Lebensqualität und GreenstyleDownshifting-Städte und „Slow-Citys"Grüne Strategien werden im internationalen Standortwettbewerb immer wichtiger2. Grünes Geld: Rendite mit grüner Zukunft - die Öko-Zukunft der BörseLOHAS als Pioniere des „Socially Responsible Investment" (SRI)Anlagen mit doppeltem Gewinn: Hohe Rendite plus gutes GewissenPrognose: Wie Nachhaltigkeit in Zukunft die Börse verändert3. Corporate Social Responsibility: Neue Business-Moral oder moderner Ablasshandel?Die neue Business-Moral ist mehr als nur Goodwill und PRKlimaneutralität: Mehr als moderner Ablasshandel4. Zukunft des Handels: Öko-sozialer Mehrwert und warum Shopping hilft, die Welt zu verbessernFairtrade: Konsumieren mit gutem Gewissen wird zum WachstumsmotorShopping hilft, die Welt zu verbessernFairtrade: Vom Protest-Produkt in die Küche der „Normalos"Neue Chancen in gesättigten Märkten: Der „öko-soziale Mehrwert" wird zum entscheidenden Kaufargument5. Umwelttechnologie: Chinas Wirtschaftsboom, Biopower, grünes Amerika und das Comeback Deutschlands als WeltmarktführerDie Märkte der Zukunft sind grünRenewables: Chinas Wirtschaftsboom heizt die Nachfrage anAmerika ergrünt und wird zum zweitgrößten Markt für Green-TechBio-Power vom AckerDeutschland mit deutlichem Vorsprung im grünen Business6. Automobilindustrie: Mobilität 2.0Hybridantriebe: Kerntechnologie auf den Mobilitätsmärkten des 21. JahrhundertsDer LOHAS-Trend setzt BMW, Mercedes, Porsche & Co. unter InnovationsdruckDie Zukunft der Automobilbranche: Saubere Technologien bestimmen den MarktEuropas Städte setzen auf umweltfreundliche MobilitätskonzepteDie Schlüsselmärkte der Greenomics1. Food: Die neue Welle des gesunden Genießens und der Luxus des LokalenDie Food-Branche - einer der wichtigsten Greenomics-MärkteBio ist in der Mitte der Gesellschaft angekommenIst noch Bio drin, wo Bio draufsteht?Trend zur RegionalisierungGastro-Trend: Bio-Produkte erobern auch die ProfiküchenGenuss mit gutem Gewissen und ohne VerzichtGewinnträchtiger LOHAS-Markt: Cool ConvenienceWie Londons Gastronomie aus Fast-Food-Einerlei ein neues Lifestyle-Produkt machtTrendbriefing: Was Sie beachten sollten ...2. Gesundheit und Wellness: Von der Symptommedizin zur Lifestyle-GesundheitLOHAS goutieren Health-Food mit nachhaltigem MehrwertDie Gesundheitshedonisten garantieren UmsatzDie neuen Health- and Beauty-SalonsDer Megatrend Gesundheit beeinflusst die KonsummärkteTrendbriefing: Was Sie beachten sollten …3. Sport und Freizeit: High-Tech und neue Werte revolutionieren die BrancheWandern wird Trendsport Nummer eins: Die Ausrüster rüsten aufDie eigenen vier Wände als Designaufgabe - Homing und Homestyle als FreizeitvergnügenGardening - von der grünkarierten Spießerwelt zum Lifestyle-KosmosTrendbriefing: Was zu beachten ist …4. Design: Wie Greenomics Ästhetik und Gestaltung verändertDie Innenausstattung des neogrünen LebensstilsGrünes Design als Strategie für alle BranchenDie Versöhnung des Unversöhnlichen: Die Autoindustrie denkt umInnen wie außen durch und durch grünLOHAS-Ästhetik: individuellere Produkte, Pimp my Life und SelbermachenTrendbriefing: Was Sie bedenken müssen …5. Mode: Von den Öko-Stoffwindeln zur nachhaltigen Designer-KlamotteSocial Wear: Moral wird Mode, auch bei Modediscountern und VertikalistenTop-down: Stars und Prominente ebnen den Weg der Öko-Mode auf den MassenmarktGreen Fashion in DeutschlandTrendbriefing: Was Sie beachten sollten …6. Tourismus: Genießen zwischen Klimafrust und ErlebnislustLOHAS wollen Fernreisen und eine intakte UmweltPauschalreisen für LOHASDas Reisebüro der ZukunftTrendbriefing: Was Sie wissen sollten …7. Wohnen: Ökopolis wird Realität, die architektonische Zukunft hat begonnenGreen Glamour: Paradigmenwechsel in der Bau- und WohnkulturHome is where the Art is: Öko-Häuser vom Star-ArchitektenHoming ist Konsumtrend mit BreitenwirkungTrendbriefing: Was zu beachten ist …Über die AutorenStichwortverzeichnis

Vorwort: Das grüne Zeitalter

Wer hätte das gedacht. Es ist kaum zehn, zwanzig Jahre her, als die Ökologie, das grüne Gedankengut, noch einen ganz anderen Ruf hatte. Damals gehörte das „Grünsein“ zum Repertoire einer rebellischen Jugend, die sich mit der Kritik an den Exzessen und Folgeschäden der Industriegesellschaft einen soliden und manchmal auch bequemen Ort im kritischen Abseits gesichert hatte.

Erinnern wir uns kurz: Ende der 1970er Jahre blühte die Umweltschutzbewegung in den westlichen Ländern auf, und besonders stark und radikal war sie – wie konnte es anders sein – im unruhigen Deutschland. Harte Jungs mit Lederjacken und entschlossene Mädels mit Henna-Haaren marschierten auf die Zäune der Atom-Meiler. Daraus wurde ein zumindest symbolisches Kriegsspiel, das lange Jahre die Gesellschaft spaltete. In den Großstädten entstand eine Öko-Kultur, die sich deutlich und entschlossen vom Rest der Gesellschaft abgrenzte. Man fuhr Fahrrad, lebte vom Flohmarkt und kaufte sein Essen im Öko-Laden, wo es streng nach Kräutern roch und die Möhren nicht als „bio“ zählten, waren sie nicht schmutzig und verschrumpelt. „Grün“ war Mühe und Askese, war Abkehr und Gegen-Entwurf, war ANTI-Zivilisation.

Lang ist’s her. Seitdem ist die Ökologie, das grüne Gedankengut, auf vielfältigen Wegen in die Gesellschaft eingesickert. Beide, Gesellschaft wie Gedankengut, haben sich auf diesem Wege verändert. Es sind die Mehrheiten, die heute „grün“ denken und handeln. Es ist der Konsens der Gesellschaft, der nun grün „tickt“.

Das „Grüne“ ist heute weit mehr als ein Accessoire, mit dem man die eine oder andere Konsumentscheidung trifft. Die Ökologie ist auf dem besten Wege, zur großen Leitidee unseres Jahrhunderts zu werden, zum sinnstiftenden Wertesystem, das ALLE Lebensbereiche umfasst. Grüne Themen funktionieren heute in vielen Alltagsbereichen als Orientierungsmuster. Sie strukturieren gewichtige Teile unseres Konsums, der Entwicklung der Technik, der Innovationen. Sie gestalten Alltag – in Form von Gewohnheiten wie Recycling oder zunehmend auch Verhaltensänderungen im Mobilitätsverhalten der Menschen. Sie können, wie sich am Beispiel der Automobilindustrie zeigt, ganze Branchen zum Umdenken (oder in die Krise) zwingen. Oder ganze Querschnittssektoren unserer Wirtschaft, wie etwa die Nahrungsmittelindustrie, mit massiven Trends versorgen. Längst sind die grünen Themen im Herzen der Unternehmen angekommen, wo sie teils hektische Propagandakampagnen auslösen (alle Unternehmen sind heute „nachhaltig“, oder behaupten jedenfalls, dies zu sein), teils zu echten und kompletten Strategieumstellungen führen.

Spätestens seit das Megathema „Klimakatastrophe“ das öffentliche Bewusstsein durchdringt, mischen sich auch religiöse, endzeitliche Töne in diesen Diskurs. Und damit zeigt sich, dass die „grüne Frage“ die existenziellen Dimensionen des Menschen umfasst. Schuld und Sühne, Katharsis und Untergang, Buße und Ablass – im grünen Diskurs spiegelt sich die ewige Tragödie des Menschen im Umgang mit innerer und äußerer Natur, seine Verletzlichkeit ebenso wie sein unbändiger Wille, seine Umwelt so zu formen, dass sie ihm dient.

All dies ist der Hintergrund des Buches, das Sie hier in den Händen halten. Es geht der Frage nach, wie der „Greenstyle“ in nächster Zukunft immer mehr und deutlicher unsere alltäglichen Werte- und Verhaltenssysteme formt – und eben die „Greenomics“, die Grüne Ökonomie, erzeugt. Wer versteht, wie eine ursprüngliche marginale Idee zum Leitsystem unserer Zivilisation wird, der hat auf den – selbstredend grünen – Zukunftsmärkten die besten Chancen.

Matthias Horx,Gründer des Zukunftsinstituts

Einleitung: Neo-Ökologie, LOHAS und die Zeitenwende einer neuen Öko-Ökonomie

Im Jahr 2003 haben wir vom Zukunftsinstitut einen Branchenmonitor vorgestellt, in dem wir die wichtigsten Trends in den folgenden Branchen erläutert haben: Lebensmittel, Mode, Tourismus, Medien, Banken, Homestyle, Gesundheit, Telekommunikation und Automotive. In den Branchen Food, Biofood und Gesundheit, aber auch Tourismus stießen wir auf Zahlen und Fakten, die darauf hinwiesen, dass der Biotrend in nächster Zeit noch einflussreicher werden würde. Wir berichteten auch von einem neuen Lebensstil, der sich gerade in den USA Aufmerksamkeit verschaffte, dem Lifestyle of Health and Sustainability (engl.: Nachhaltigkeit), abgekürzt LOHAS.

In den folgenden rund zwei Jahren erlebten wir zunächst, dass der Slogan „Geiz ist geil“ immer stärker die Konsummentalität der Deutschen zu prägen begann. Zuerst Aldi und später auch Lidl avancierten zu den bevorzugten Marken. Es waren die Marken des Verzichtens und der schofeligen Pfennigfuchser. „Ich bin doch nicht blöd“ wurde zum Glaubensbekenntnis einer konsummüden Gesellschaft, die allmählich den Glauben an sich selbst und die eigene Wirtschaftskraft verlor. Parallel zu diesem bizarren „RezessionsChic“ entwickelte sich jedoch seit dem Jahr 2003 ein neues Handelsformat immer dynamischer, dem die meisten Experten bis dato ein achtbares, aber unspektakuläres Nischendasein zugetraut hatten: die Bio-Supermärkte. Insbesondere Alnatura und Basic stellten Jahr für Jahr immer neue Umsatzrekorde im zweistelligen Bereich auf. Alnatura wuchs im Geschäftsjahr zwischen September 2005 und 2006 um 37 Millionen auf 182 Millionen Euro (26 Prozent) Basic konnte seine Umsätze 2006 auf insgesamt 72,6 Millionen Euro (plus 37 Prozent) steigern. Aus der Branche der Körnerfreaks und biodynamischen Missionierer wurde ein Massenmarkt.

Im Jahr 2005 lieferten wir der Messe „Biofach“ in Nürnberg einen Trendletter, in dem wir die aktuellsten Entwicklungen auf dem weltweiten Markt der Öko-Produkte aufbereiteten und auf ihre Marktchancen in Deutschland und Zentraleuropa hin abklopften. Die „Biofach“ befand sich zum damaligen Zeitpunkt bereits auf der Überholspur. Die Ausstellungsfläche hat sich seit dem Start 1999 nahezu verdreifacht, die Ausstellerzahl verdoppelt. Fast 46.000 Besucher waren es im Jahr 2007, 22 Prozent mehr als im Vorjahr. Auf der Eröffnungspressekonferenz hatte ich das Vergnügen, Wolfgang Gutberlet kennenzulernen, den Gründer des Einzelhandelsunternehmens „Tegut“

Ich stellte den kritischen Journalisten die neue Konsumgruppe der LOHAS vor. Eine eigentlich unaussprechliche Abkürzung, die – so unsere Prognose – in den nächsten Jahren für Furore sorgen sollte. LOHAS, so meine These, bringen Gesundheit und Genuss, Lebensstil und Verantwortung in Einklang, sie sind eine neue Konsumavantgarde, die auf mittlere Sicht ein Drittel der deutschen Bevölkerung ausmachen wird. Die Presse nahm diese Botschaft – wie oft, wenn es um Trends geht – mit einer Mischung aus ablehnender Vorsicht und professioneller Neugier zur Kenntnis, schließlich sind ja schon viele Trend-Säue durchs globale Dorf getrieben worden, und es werden täglich mehr. Schon während der Pressekonferenz und beim Buffet danach kam ich mit Wolfgang Gutberlet, dem Chef der Tegut-Lebensmittelkette näher ins Gespräch. Er versicherte mir: „Ich bin ein LOHAS vom Scheitel bis zur Sohle, wenn ich das in meinem Alter noch sein darf.“ Natürlich darf er, Wolfgang Gutberlet, der von der Fachpresse auch gerne als Philosoph des deutschen Handels bezeichnet wird, hatte damals schon die 70 Jahre überschritten. Aber der LOHAS-Lebensstil schert sich nicht um Altersgrenzen, es ist ein altersindifferentes Phänomen.

Während der Pressekonferenz machte Wolfgang Gutberlet seinem Ruf als Handelsphilosoph alle Ehre. Er erging sich nicht im „number crunching“, einer Übung, der man anlässlich von Pressekonferenzen ja sehr gerne nachgeht. Der Tegut-Mann sprach über Werte, die den Menschen heute wichtiger seien als Tiefstpreise und Sonderangebote. Zu einer Zahlenprognose ließ sich Gutberlet dann doch noch hinreißen. „Wie hoch wird der Marktanteil von Bio-Produkten im Lebensmitteleinzelhandel künftig sein?“ Gutberlet antwortete auf seine Weise: „10 Prozent werden es schon werden, am liebsten natürlich 100 Prozent.“ Mitleidiges Schmunzeln vonseiten der Fachpresse. Dabei war die Ansage durchaus ernst gemeint. Zur Erklärung: In den letzten zehn Jahren hat sich der Umsatz mit Bio-Lebensmitteln zwar mehr als verdreifacht, der Marktanteil der Bio-Produkte im Lebensmitteleinzelhandel liegt jedoch gerade einmal bei 3,2 Prozent. Trotzdem – und auch das war bereits in den Jahren 2004 und 2005 abzusehen – sollte sich das in den nächsten Jahren signifikant ändern.

Wie Megatrends die Märkte von morgen prägen

So schnell ändern sich tatsächlich manchmal die Zeiten, so schnell steht die Zukunft vor der Tür und klagt ihr Recht ein. Wir sind Trendforscher und beschreiben Veränderungsbewegungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Trends sind eigentlich etwas sehr Bodenständiges. Überall dort, wo in unserer Welt Widersprüche und Ungereimtheiten auftreten, wo plötzlich ein Bedarf nicht mehr gedeckt und ein Bedürfnis nicht mehr befriedigt werden kann, entstehen in der Regel neue Trends. Trends fallen also nicht vom Himmel oder wachsen auf Bäumen oder werden von Trendforschern einfach so gemacht, sie manifestieren sich dort, wo es knirscht in den Systemen. Wer sich daraufhin die Entwicklungen auf unseren Märkten und in unseren Lebenswelten genau anschaut, der erhält wichtige Erkenntnisse darüber, wie – plakativ gesagt – die Welt von morgen aussieht. Nichts anderes tun wir.

Trends haben hierzulande eine lange Geschichte der Missverständnisse und der öffentlichen Beargwöhnung hinter sich. Das liegt natürlich auch daran, dass wir mit dem Wörtchen Trend im Alltagsgebrauch so etwas wie vorübergehende Moden, flüchtige Konjunkturen, unkritische Hippness, präpotente Jugendkulturen etc. verbinden. Im Zukunftsinstitut arbeiten wir mit Megatrends. Das sind die großen und gewichtigen Wandlungsprozesse, die unsere Gesellschaft und Ökonomie innerhalb der nächsten 20 bis 30 Jahre auf allen Märkten und in allen Lebensbereichen signifikant verändern werden. Zu den Megatrends gehören Gesundheit, Mobilität, Globalisierung, der Megatrend Reife, das Empowerment der Frauen, Connectivity, die „Verdrahtung“ der Welt durch Internet und Telefonie, sowie Bildung und New Work, die neue Arbeitsgesellschaft.

Wem es gelingt, Megatrends rechtzeitig und möglichst präzise zu analysieren und zu verstehen, der hält das Ticket für die Zukunft auf den weltweiten Märkten in der Hand. Denn Trends (oder Veränderungsbewegungen) lassen sich für den geschulten Beobachter in der unübersichtlichen Gemengelage der Gegenwart ausfindig machen (sei es nur in Spurenelementen, in schwachen Signalen und verschlüsselten Andeutungen) und als frühe Boten einer wahrscheinlichen Zukunft beschreiben. Insofern sind Trends immer mit der Zukunft im Bunde. Trends sind die Leuchtspur, die von der Gegenwart der Märkte in die Business-Zukunft führt.

Als neuen Megatrend haben wir vor Kurzem Neo-Ökologie identifiziert, aufgrund des Bedeutungszuwachses der LOHAS im Konsum und natürlich vor dem Hintergrund des weltweiten Klimawandels. Die Megatrends werden in unserem Institut permanent überprüft und recherchiert und in der Trenddatenbank dokumentiert. Megatrends strukturieren und verändern Märkte (und natürlich den Konsum im Allgemeinen), auch das beobachten und dokumentieren wir über unsere Datenbank. Megatrends bereiten die Märkte von morgen vor. Wenn LOHAS die neogrünen Konsumenten der Zukunft sind und Neo-Ökologie der übergreifende Megatrend, dann beschreibt Greenomics die Auswirkungen, die LOHAS und Neo-Ökologie auf die Märkte haben. Mit unserem Buch, das den Titel Greenomics ... trägt, möchten wir Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, vor Augen führen, wie sich der Megatrend Neo-Ökologie auf unsere Märkte und Konsumgewohnheiten auswirkt und die Zukunft der Märkte bestimmen wird.

Die klassische Marktforschung kann eine Analyse, die nach vorne gerichtet ist, nicht leisten. Marktforschung ist zu gegenwartsverhaftet, um substanzielle Aussagen über Märkte von morgen zu machen. Schon lange wissen wir, dass herkömmliche Marktforschung oder das Denken in statischen Milieus ihr Haltbarkeitsdatum überschritten haben. Die LOHAS sind ein gutes Beispiel dafür, dass wirklich relevante Werteverschiebungen (die ihrerseits Konsumbedürfnisse und Märkte neu strukturieren) nicht mit Fokusgruppen zu ermitteln oder anhand nackter Umfragedaten zu beschreiben sind. Die LOHAS sind ein altersindifferentes, schichtenübergreifendes und einkommensunabhängiges Phänomen. Nur ein paar Beispiele, die zeigen, dass Altersarithmetik längst nichts mehr über Wünsche und Wirklichkeiten von Konsumenten aussagen:

Snowboarding, bis vor Kurzem Inbegriff der hippen Jugendkultur, wird immer mehr zum Altherrenvergnügen: Eine Studie aus den USA hat kürzlich herausgefunden, dass mehr als ein Drittel (35 Prozent) der aktiven Snowboarder 35 Jahre und älter sind. Das bedeutet innerhalb der letzten zehn Jahre einen Zuwachs von über 50 Prozent bei den „Older Snowboardern“. Ein weiteres Beispiel: Junge Radio-Popwellen wie SWR 3 oder HR 3 werden vom Marketing nach wie vor als Programm für Jugendliche angepriesen. Tatsächlich liegt das Durchschnittsalter der Gute-Laune-Wellen weit darüber (SWR-3-Hörer sind 42,1 Jahre, die von HR 3 gar 44,7 Jahre alt). Die Hörer sind einfach mit ihrem bevorzugten Programm älter geworden. Menschen kümmern sich immer häufiger äußerst wenig darum, ob sie gerade ins richtige Zielgruppenschema passen bei dem, was sie tun. Ein letztes Beispiel: Wer kauft die Mercedes A-Klasse? Daimler wollte mit dem praktisch-pragmatischen Fahrzeug die sogenannten jungen und lifestyleorientierten Zielgruppen ansprechen. Am Ende wurde der Wagen von den aktiven Älteren gekauft, die in erster Linie den höheren Einstieg des Wagens schätzen.1

Gerade den LOHAS liegt nichts ferner, als auf diese Art des alterssegmentierten Zielgruppenmarketings hereinzufallen. Für die LOHAS und das anbrechende Zeitalter der Greenomics müssen daher auch neue Wege der Kommunikation beschritten werden. Persuasives Marketing, das sich an die herkömmliche Marktforschung anlehnt, beinhaltet eine Hierarchie und geht von einem Informations- und Aufklärungsdefizit seitens der Konsumenten aus. Doch die LOHAS wollen sich nicht überreden lassen, sie möchten auf Augenhöhe kommunizieren. LOHAS sind auf eine substanzielle, informationsbezogene Kommunikation hin orientiert, was nicht heißen soll, dass sie sich nicht gerne faszinieren lassen, dann aber in der Regel von anderen Dingen als der klassischen Werbung. LOHAS durchschauen die Methoden des persuasiven Marketings. Dabei sind sie keineswegs Konsumverweigerer. Allerdings verlangen sie Transparenz und Klarheit in der Ansprache. Begriffe wie traditionell versus konservativ oder links versus rechts verlieren bei ihnen ihre Aussagekraft. LOHAS sind „traditionell“, insofern sie sich auf (überlieferte) Werte berufen und Werthaltigkeit einfordern. Sie sind im gleichen Zug jedoch „modern“, insofern sie technologischen Fortschritt unideologisch befürworten. Einzige Einschränkung: Dieser Fortschritt muss ökologisch und politisch korrekt sein und den Menschen dienen. Nur dann lässt sich überhaupt von Fortschritt sprechen.

Mittlerweile wird von Greenomics und den LOHAS als Business 3.0 gesprochen. In einem ebenso klugen wie euphorischen Essay hat Management-Berater Andrew Zolli in der Märzausgabe 2007 von Fast Company die Geburt des Business 3.0 aus dem Geiste der Klimaveränderung ausgerufen. „Der Markt für den nachhaltigen Konsum existiert bereits. Es sind die LOHAS, die jährlich rund 227 Milliarden Dollar für nachhaltige Produkte und Dienstleistungen ausgeben.“ Die Green Economy oder Greenomics und mit ihnen die Konsumavantgarde der LOHAS steht für eine neue Ökonomie. Greenomics hebt sich ab von den marktwirtschaftlichen Grundsätzen, denen die globale Wirtschaft seit dem Ende des 2. Weltkriegs folgte. Milton Friedman, ein Kreuzritter dieses Ansatzes der freien Marktwirtschaft, hat zu Beginn der 1970er Jahre den epochalen Ausspruch getan: „Die soziale Verantwortung der Wirtschaft ist es, ihre Profite zu vergrößern.“ Angetrieben durch die weltweite Klimadebatte, wird jetzt jedoch Greenomics zur globalen Notwendigkeit. Unternehmen werden deshalb ihren autistischen Impuls aufgeben müssen, immer nur auf das eigene Wohlergehen zu schauen. Nach der wahren Lehre des Neoliberalismus respektive des egoistischen Umsatzoptimierungskapitalismus zwingt uns der Klimawandel jetzt dazu, eine neue Synthese zwischen Ökonomie und Ökologie, zwischen unternehmerischem Profitstreben und gesellschaftlicher Verantwortung zu suchen.

Die LOHAS sind ein zentraler Faktor in dieser Ökonomie von morgen. Und diese Ökonomie wird vor allem eine grüne Ökonomie sein. Die Tabelle zeigt, wie das Natural Marketing Institute (NMI) das Marktpotenzial der Greenomics für das Jahr 2010 allein in den Vereinigten Staaten einschätzt: 424 Milliarden US-Dollar.

Abbildung 1: Marktpotenzial Greenomics

Bis ins Jahr 2015, so die Schätzung des NMI, wird sich diese Zahl noch einmal verdoppeln. Bis 2015 werden also – allein in den USA – 850 Milliarden US-Dollar erwartet. Weltweit ist davon auszugehen, dass der Greenomics-Markt bis ins Jahr 2015 mindestens 1,6 Billiarden stark sein wird.

Aber was sind eigentlich LOHAS? Wie lassen sich die Menschen, die sich hinter diesem etwas ungelenken Akronym verbergen, beschreiben, wo liegen ihre Wünsche und Bedürfnisse? Wir haben uns mit der Lebenswelt und der Soziodemografie dieser Superzielgruppe zu Beginn des Jahres in einer Studie befasst („Zielgruppe LOHAS“). Darin haben wir erläutert, dass LOHAS mehr als eine simpel zu berechnende Zielgruppe sind, LOHAS sind strategische Konsumenten und eine neue gesellschaftliche Bewegung, die auf den weltweiten Märkten für neue Realitäten sorgen wird. LOHAS sind kritische Konsumenten, die in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren dafür sorgen werden, dass unsere Ökonomie deutlich und nachhaltig ergrünt. „Greenomics“ ist das Stichwort, unter dem sich der makroökonomische Paradigmenwechsel vollzieht und unter dessen Voraussetzungen die Wertschöpfung in der Zukunft stattfindet: Die Ökonomie denkt grün, Ökonomie und Ökologie werden zu Dr. Jekyll und Mr. Hyde und prägen die Märkte von morgen. Und die Schlüsselkonsumenten auf diesen neogrünen Zukunftsmärkten werden die LOHAS sein.

LOHAS bringen Werte und Befindlichkeiten in Einklang, die bislang als widersinnig und unvereinbar galten. LOHAS streben nach einem gesunden und genussvollen Lebensstil. Gegenüber den Ökos der 1970er und 1980er Jahre ziehen sie sich nicht in Subkulturen zurück, Öko hat nichts mehr mit Verzicht und Asketismus zu tun. In den 1990er Jahren und bis zur Jahrhundertwende hat sich der grüne Lebensstil auf den Weg in die gesellschaftliche Mitte gemacht, gerade auch durch den Einfluss eines Megatrends wie Gesundheit beziehungsweise Wellness. Bis ins Jahr 2010 wird sich hier Gesundheitshedonismus auf den meisten Konsummärkten als Lebensstiloption Nummer eins durchgesetzt haben.

Während die alten Ökos ihren ökologischen Lebensstil häufig im Sinne einer ideologischen Absage an Konsumgesellschaft und Kapitalismus „stylten“, sehnen sich die LOHAS danach, Vergnügen und Verantwortung in Einklang zu bringen. LOHAS suchen die Balance zwischen Selbstsorge, expliziter Sorge um Familie, Gesellschaft und Gemeinwesen und Sorge um die Zukunft des blauen Planeten. Sie leben den Lebensstil des Sowohl-als-auch. LOHAS sind eine ideologiefreie Innovationsbewegung in den westlichen Gesellschaften (und haben ebenfalls starken Anteil in den modernen Staaten Asiens). Sie sind an gesellschaftlichen Themen hochgradig interessiert, ohne ihr Denken im alten Links-rechts-Schema einzufrieren. Ein zentrales Credo der LOHAS: Entweder-oder ist das Denkmuster des Kalten Krieges und des zu Ende gegangenen 20. Jahrhunderts. Entwicklung findet nur zwischen den Extremen statt. Insofern ist diese neue Lifestyle-Avantgarde – entgegen ihren historischen Vorgängern in den Bürgerbewegungen – optimistischer und zukunftsoffener. LOHAS sind moralische Hedonisten, vielleicht der erste Lebensstil, der mit Recht global zu nennen ist und in relativer Gleichzeitigkeit die meisten der Menschen in den modernen und demokratischen Staaten erfasst hat.

Abbildung 2: Green-Lifestyle-Avangarde

Was die LOHAS wollen und was sie ablehnen:

Qualität statt Dicount Authentizität statt Spaßgesellschaft Spiritualität statt Glauben Partizipation statt Repräsentation Ankunft statt Steigerung Werte statt Ironie

Doch LOHAS sind keine neue Zielgruppe im herkömmlichen Sinne des Wortes, kein neues hippes Milieu oder der letzte Schrei einer vorübergehenden Mode. Wer die LOHAS und den substanziellen Wertewandel, der mit ihnen verbunden ist, verstehen möchte, der muss sich klarmachen, dass hier nicht plötzlich ein neues Bevölkerungssegment aus dem Erdboden gestampft wurde, das sich nach den klassischen Grundkoordinaten der Marktforschung (Geschlecht, Schicht, Einkommen etc.) berechnen lässt. LOHAS sind eine gesellschaftliche Bewegung. Man wird ihnen nicht gerecht, wenn man sie sich als Zielgruppe hinzumodellieren versucht. Qualität (egal in welcher Branche, egal für welches Bedürfnis) ist für die LOHAS ein unveräußerlicher Grundwert. Handwerkliches, Ursprüngliches, Elementares, mit einem Wort: Authentizität ist für sie wichtiger als Ablenkung und Zerstreuung in der Spaßgesellschaft. LOHAS begreifen sich als aktive Staatsbürger, achtsame Nachbarn und aufmerksame Mitmenschen. Das ist ihr gesellschaftspolitisches Credo, Regierungspolitik nehmen sie eher belustigt als durchschaubare Medieninszenierung wahr. Wenn es geht, streben sie nach Verortung in lokalen oder regionalen Zusammenhängen. Sie wollen ankommen, sie sehnen sich nach Identität, deshalb ist ihnen die Steigerungslogik der Spaßgesellschaft („immer schneller, immer lauter, immer greller“) eher suspekt.

In den USA hat sich der Soziologe Paul Ray in unzähligen Interviews mit den LOHAS beschäftigt. Von Ray stammt auch die Einschätzung, dass ein Drittel der amerikanischen und – wie wir in Studien zu erhärten versucht haben – auch ein Drittel der Bevölkerung in Zentraleuropa dem Lebensstil der LOHAS zuneigt. In seinem Buch The Cultural Creatives: How 50 Million People Are Changing the World hat Ray den LOHAS erstmals ein Gesicht gegeben – das war im Jahr 2000. Mittelfristig, so haben wir das in unserer Studie zu den LOHAS aus dem vergangenen Jahr formuliert, werden die gesunden Hedonisten sogar rund die Hälfte der Gesamtbevölkerung in den Staaten Zentraleuropas und Nordamerikas ausmachen; der grüne Lebensstil macht sich auf den Weg in die gesellschaftliche Mitte. Aber auch in Asien hat die Green Economy mit Vehemenz Einzug gehalten. Und das liegt nicht nur daran, dass LOHAS im Chinesischen „glückliches Leben“ heißt. Die Asiaten fühlen sich von dem gesunden und nachhaltigen Lebensstil angesprochen. Erstens, weil er eine spirituelle, ja vielleicht buddhistische Haltung zur Realität anbietet, ohne auf Dogmen und Orthodoxien aufzusetzen. Zweitens sind gerade in den asiatischen Tigerstaaten die ökologischen Probleme und die Probleme der Bevölkerungsdichte derart offensichtlich und drängend geworden, dass der LOHAS-Lifestyle zum strategisch-politischen Auftrag wird, der die Zukunftssicherheit dieser Länder garantiert. Im erwachenden Tigerstaat Taiwan ist das LOHAS-Konzept bereits fester Bestandteil der Regierungspolitik (vgl. www.lohas.com).

Ray definiert den Lifestyle of Health and Sustainability wie folgt:

„LOHAS sind intensive Leser und kaufen mehr Bücher als durchschnittliche Amerikaner. Sie sehen weniger fern, weil sie die meisten TV-Sendungen nicht mögen und die Qualität der Nachrichtensendungen bedenklich finden. Werbung und Kindersendungen lehnen sie ab. Kulturell Kreative/ LOHAS setzen sich aktiver mit Kunst und Kultur auseinander als Amateure und als Profis. In dem Streben nach Authentizität lehnen sie schlechte Qualität und Wegwerfartikel ebenso ab wie den Markenwahn.“

Was die LOHAS auszeichnet:

postmateriell Selfness/Wellness spirituell moralischer Hedonismus medienkritisch kulturinteressiert infoorientiert

Hervorstechend ist die postmaterielle Orientierung der LOHAS: Werte und Verantwortung sind ihnen ebenso wichtig wie Vergnügen. Gesundheit können sie sich jedoch nicht ohne einen starken Genussaspekt vorstellen, deswegen schwören sie auf Wellness bzw. Selfness und outen sich als moralische Hedonisten. Sie streben darüber hinaus nach einer spirituellen Weltsicht, ohne sich jedoch ausdrücklich religiös zu orientieren. Sie wissen, dass es zwischen Himmel und Erde mehr gibt als materielle Bestrebungen. Gleichzeitig wollen sie nicht mehr glauben müssen. LOHAS sind medienkritisch, weil sie die simplen Weltbilder des Fernsehens und der Boulevardpresse schon lange durchschaut haben. Gleichzeitig sind sie äußerst kulturinteressiert, was sie allerdings nicht durch ein Jahresabonnement des Stadttheaters ausdrücken. Für LOHAS ist Kultur gleichbedeutend mit aktiver Auseinandersetzung mit Kunst und bewusster Teilhabe an kulturellen respektive gesellschaftlichen Prozessen – am liebsten sind sie Akteure und keine passiven Zuschauer. Und deswegen sind die LOHAS auch in hohem Maße infoorientiert, sie möchten sich ein möglichst vollständiges Bild von der Wirklichkeit machen. Deswegen sind die LOHAS – unabhängig von ihrem Alter – ausgesprochene Freunde des Internets und des Web 2.0.

Eine kurze Geschichte eines ökonomischen Zeitenwechsels: Wie die Greenomics Medien und Marketing erobern

Seit 2006 sind Greenomics, Neo-Ökologie und die LOHAS (neben dem Web 2.0) DIE buzzwords (Modewörter) in der Strategie- und Marketingwelt. 2006 begannen die großen Medien das Thema allmählich ernst zu nehmen. Das Jahr 2007 steht für den breitflächigen Durchbruch des Themas. Eine Kurzchronik der Ereignisse, ungeordnet und ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

Plötzlich warfen die Unternehmensberater und Marktforscher die Befragungsmaschinen an und setzten sich auf die Fährte der LOHAS.

Oktober 2007: In einer Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young wird der Markt der LOHAS in der Lebensmittelbranche auf 30 Prozent geschätzt. Die Mehrzahl der Deutschen bevorzugt nach eigener Aussage Bio-Produkte: Rund 75 Prozent der Befragten würden grundsätzlich lieber zur Bio-Alternative greifen – auch wenn es sich um eine andere Marke als die bisher bevorzugte handelt. 78 Prozent der Verbraucher sind der Befragung zufolge grundsätzlich bereit, für ein Bio-Produkt mehr zu bezahlen als für ein herkömmliches Konkurrenzprodukt. 38 Prozent sind sogar bereit, für ein Bio-Produkt einen Aufschlag von mehr als 10 Prozent zu zahlen.

September 2007: In der Frankfurter Brotfabrik findet die deutschlandweit erste LOHAS-Konferenz statt, veranstaltet von Christoph Harrach, der auch hinter dem Blog „KarmaKonsum“ steht. Ohne größeren Werbeaufwand kommen mehr als 100 Interessierte aus der ganzen Republik für ein paar Stunden im verregneten Frankfurt zusammen, um zukunftsweisendes Community-Building zu betreiben.

November 2007: Der Burda-Verlag launched das LOHAS-Portal ivyworld.de und versucht, die Greenomics-Märkte und -Konsumenten auf seine Seiten zu locken. Begleitend veröffentlicht der Verlag eine Marktstudie zu den LOHAS („Greenstyle-Report. Die Zielgruppe der LOHAS verstehen“). Ivyworld.de wirkt noch wie eine aus der Hüfte geschossene Reaktion auf den LOHAS-Trend. Doch die Affinität der LOHAS für Web-2.0-Angebote haben die Macher verstanden. So erklären sie das Selbstverständnis ihres Babys:

„,Green is cool!‘ findet die Redaktion und berichtet tagesaktuell, informativ, kompetent und undogmatisch über Themen wie Style, Menschen, Technik oder Design. Ein Highlight sind die täglich erscheinenden Videos. Neben dem redaktionellen Anspruch der Site spielt die Partizipation der User eine zentrale Rolle im Konzept von IVY world. User können unter ihrem eigenen Profil Artikel verfassen, besonders gute Artikel schaffen es regelmäßig auf die Startseite.“

November 2007: Unter großer Medienaufmerksamkeit geht das Internetportal utopia.de an den Start. Tatort-Kommissar Axel Milberg in einem hübschen Video und Sandra Maischberger (als prominente Ökowindeltesterin) schieben die Initiative mit an. Unternehmen wie Hess Natur und Otto sind dabei. Das Freiburger ÖkoInstitut wählt für die Utopisten regelmäßig die Top-10-Öko-Produkte aus. Der Verkehrsclub Deutschland stellt die umweltfreundlichsten Produkte vor. Ein eigener Öko-Online-Shop kommt in Kürze hinzu. LOHAS wollen keine Zuschauer der Realität sein. Dem trägt das Portal Rechnung. Es vereint eine Vielzahl von Angeboten: eine Community, in der sich kritische Konsumenten austauschen und informieren können, ein Onlinemagazin sowie einen Shoppingführer, der umweltfreundliche Produkte auswählt und zu deren Bewertung aufruft, Web 2.0 in Reinkultur. Innerhalb einer guten Woche wurden auf utopia.de über 390.000 Seiten von mehr als 38.000 Besuchern abgerufen. Und es haben sich in dem Zeitraum 3.000 Utopisten aktiv registriert.

September 2007: AC Nielsen hat die LOHAS seit Kurzem in sein Haushaltspanel aufgenommen. Der Druck seitens des Handels und der Industrie, diese „Gruppe“ in der Konsumforschung abzubilden, wurde zuletzt immer größer. Seit einigen Wochen gehören die LOHAS endgültig zur deutschen Konsumnormalität. Ein kleiner Ritterschlag, die LOHAS sind jetzt selbstverständlicher Gegenstand des alltäglichen Consumer-Trackings in Deutschland:

„AC Nielsen hat sich entschlossen, die LOHAS zeitnah im repräsentativen Nielsen Haushaltspanel zu identifizieren und mit weiteren Attributen zu spezifizieren. Alle 15.000 Haushalte wurden Ende 2007 hierzu speziell befragt. Eine konsumorientierte Beschreibung dieser Zielgruppe und ihres Einkaufsverhaltens kann somit von Industrie und Handel für State-of-the-Art-Marketingstrategien genutzt werden.“

Mit einem Mal steht Bio ganz oben auf der Agenda, Veränderungen im Bio-Business sind Gegenstand von Hauptnachrichtensendungen, Aktionärsversammlungen und Leitartikeln. Wirtschaftsmagazine wie die Wirtschaftswoche, sonst kaum im Verdacht, alternativen Energiedebatten und Nachhaltigkeitsdiskursen einen roten Teppich auszurollen, produzieren einen Greenomics-Titel nach dem anderen. Der Stern, der sich gerne als Lifestyle-Postille mit Tiefgang in Positur wirft, wich am 16. März 2007 erstmals und einmalig von seinem rot dominierten Cover ab und mutierte zum grünen Stern („So retten wir das Klima“).

Ein paar weitere Presse-Highlights, ebenfalls ungeordnet und ohne Anspruch auf Vollständigkeit. In einem Spiegel-Titel (36/2007) zur „Bio-Welle“ wich das Nachrichtenmagazin erstmalig vom bekannten, aber auch nicht mehr originellen Sarkasmus ab. Wurden die LOHAS bis dato nur in Bezug auf bizarre Öko-Strickunterhöschen zur Kenntnis genommen, ließ sich plötzlich auch für das Hamburger Magazin der Trend nicht mehr leugnen. Bereits am 26. April 2007 beschäftigte sich das Manager-Magazin mit dem LOHAS-Lifestyle. Am 9. Juni erläuterte die Financial Times Deutschland den LOHAS-Trend anlässlich einer Sonderausgabe zum Thema Corporate Social Responsibility. Im Zuge der Einführung von Biomilch bei McDonald’s berichtete das Handelsblatt am 19. August 2007 ausführlich über Greenomics und die LOHAS. Die FAZ widmete sich in der Ausgabe vom 27. August zum letzten Mal und sehr ausführlich dem LOHAS-Phänomen. In einer Schwerpunktausgabe berichtet die Wirtschaftswoche vom 19. September 2007 über die Green Economy und die „wirtschaftliche Macht des Guten“. Gegenwärtig (Stand: November 2007) rückt Öko-Mode stärker in den Mittelpunkt (Süddeutsche Zeitung, 16. Juni 2007). Und es stellen sich immer häufiger zwei Fragen: Was wird aus Bio, wenn plötzlich die Produkte ausgehen? Erleben wir bald die große Welle des Greenwashings, bleibt die Glaubwürdigkeit der Neo-Öko-Branche bald auf der Strecke?

Prominente sind eigentlich auch nichts anderes als Medien und immer ein guter Gradmesser für das Funktionieren eines Trends. Auf ihren Körpern und in ihren Outfits manifestieren sich in schöner Regelmäßigkeit Moden und Trends. Die Entschlossenheit, mit der besonders Amerikas Reiche und Schöne derzeit auf der grünen Welle surfen, spricht dafür, dass „gesund und nachhaltig“ keine vorübergehende Mode bleiben wird. Das People-Magazin Gala hat kürzlich einmal die grünen Engagements der Promis zusammengetragen: Julia Roberts, die seit dem Jahr 2000 ohnehin für ihre Liebe zu Dr. Hauschka-Produkten bekannt ist, bewegt sich demonstrativ mit müllsparenden Thermo-Tassen durch Starbucks-Cafés, bekocht ihre beiden Kinder mit Bio-Gerichten und ließ beim Umbau ihrer Villa in Malibu Sonnenkollektoren montieren. Leonardo DiCaprio hat schon 1998 eine Umweltstiftung gegründet und produziert kritische Dokumentationen (11th Hour). George Clooney hat gerade seinen alten BMW gegen ein umweltfreundlicheres Modell eingetauscht. Cameron Diaz verriet der „Elle“, dass sie Bio-Zahnpasta benutzt. Ja, selbst Paris Hilton nutzt den grünen Imagebringer und lässt sich vor Bio-Supermärkten fotografieren. Robert De Niro, Ben Affleck und Sigourney Weaver plädieren für eine erneute Kandidatur Al Gores für das Amt des amerikanischen Präsidenten. Halle Berry, Cindy Crawford und Pierce Brosnan schlossen sich Demonstrationen gegen den Bau einer Erdgasanlage vor der Küste Malibus an, da das Projekt nicht den Luftschutzkriterien entsprach. Daryl Hannah harrte gar wochenlang auf einem Walnussbaum aus, um für das Überleben eines Bauernhofs in der Nähe von Los Angeles zu demonstrieren. Für ihre Überzeugung nahm die 45-Jährige sogar eine Verhaftung in Kauf. Prominente versprühen Glamour nicht mehr über Stil und Hippness, sondern über neogrüne Überzeugungen.

Unzählige grüne E-Commerce-Portale schießen gerade in Großbritannien und den USA aus dem Boden: Buy Green, Earth Friendly Goods, Eco Choices, EcoWise, Gaiam, Green Feet, Green Home, Green Shop (UK), Green Shopper, Green Shopping (UK), Green Store, Indigenous, Natural Collection (GB), Nigel’s Eco Store (GB), Rogue Natural Living, Shop Green, The Green Office, VivaTerra. Weltmarktführer im elektronischen Handel wie Amazon und MSN haben auf ihren amerikanischen Seiten grüne Einkaufsschwerpunkte eingerichtet. Auf http://green.yahoo.com hat die Suchmaschine ein Communityportal für die grüne Welt von morgen eingerichtet.

Dass wir seit 2006 eine Hysterie um das Thema LOHAS und Greenomics erleben, hat natürlich zuallererst auch mit den Diskussionen um den Klimawandel zu tun. Tatsächlich jedoch wurden die Weichen für die grüne Wirtschaft schon früher gestellt. Die atemberaubende Erfolgsgeschichte des ostdeutschen Unternehmens Qcells beispielsweise lässt sich nicht einfach damit erklären, dass sich Medien und Politik (wieder einmal in brüderlichem Schulterschluss kurzfristig auf eine aktuelle Nachrichtenlage reagierend) zum Ende des Jahres 2006 auf die Klimadebatte einschossen. Was wäre eigentlich gewesen (die ketzerische Frage sei erlaubt), wenn der Winter nicht so mild und verregnet gewesen wäre? Qcells, Europas