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Die Jahre 2009 und 2010 markieren den Beginn eines Wandels: Eine postfossile Autowelt erscheint plötzlich möglich. Die krisengebeutelten Printerzeuger könnten über iTunes und iPad eine neue Perspektive bekommen. Das neue Konsumverhalten macht es immer schwieriger, Kaufimpulse über Kommunikation zu steuern. Doch wie werden sich Lebensstile, Konsum und Märkte in den nächsten Jahren tatsächlich verändern? Diese Frage beantwortet Dr. Eike Wenzel in dieser Studie: Sinnmärkte: Die Menschen kaufen zukünftig nicht Waren, die nur noch einen simplen Gebrauchswert haben, sondern die, die einen individuellen und erweiternden Wert besitzen. Vertrautheitsmärkte: Die gefühlte fehlende Ortsbindung in der globalen Welt führt dazu, dass die Herkunft von Produkten Lebensqualität vermittelt und Identitätskonsum auslöst. Die Nachfrage nach regionalen Produkten wird innerhalb weniger Jahre zweistellig wachsen. Kiezmärkte: Das (Konsum-)Leben findet immer mehr im Mikrokosmos statt, der den Raum für unsere alltäglichen Mühen und Freuden umgrenzt. Daran hat auch das Internet nichts geändert, es hat dieses Leben auf dem Kiez nur um die Dimension einer virtuellen Welt ergänzt. Unterwegsmärkte: In der mobilen Zukunft wird der Konsum verstärkt unterwegs stattfinden. Momentan findet sogar ein regelrechter "Kampf um die Märkte der Straße" statt: In anderen Ländern konkurrieren Lebensmitteleinzelhändler bereits mit den großen Tankstellenmarken um die Märkte der mobilen Gesellschaft.
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Seitenzahl: 121
Veröffentlichungsjahr: 2010
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1. Auflage 2011
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Herausgeber: Dr. Eike Wenzel, Heidelberg Redaktion: Daniela Sturm Umschlaggestaltung: Sina Trinkwalder Satz: Jürgen Echter, HJR, Landsberg am Lech
ISBN Print 978-3-86881-283-1 ISBN E-Book (PDF) 978-3-86414-177-5
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»Poor quality is remembered long after low prices are forgotten.«(Schild an einer Autowerkstatt in Idaho, USA)
Abbildung 1: The Great Shift
Krisen schüren nicht nur Ängste, sie sind auch Katalysatoren von Veränderungen, die lange schon in den Systemen von Wirtschaft und Gesellschaft gären. Das hat sich in Westeuropa und den USA im Anschluss an die Große Depression der Jahre 1929/1930 gezeigt, als auf den Zusammenbruch der Märkte eine Phase der beschleunigten Innovation und des Forschungsbooms einsetzte. In den USA vervierfachte sich zwischen 1929 und 1940 die Zahl der Menschen, die in Forschung und Entwicklung angestellt waren, von 7.000 auf 28.000. Während der Großen Depression wuchs die Produktivität in den USA dreimal stärker als in den hedonistischen 1990er Jahren. In den nächsten Jahren könnte ein solcher Quantensprung wieder stattfinden.
Und: Was die Menschen, die eine solche Krisensituation verarbeiten, immer zu tun pflegen – sie stellen ihren Lebensstil und ihre Konsumgewohnheiten auf den Prüfstand. Fundamentalkrisen sind deshalb immer auch Brüche, die zu einer kollektiven Neuorientierung auf den Konsummärkten führen. Wir haben uns rund ein Jahr mit den Ursachen, Begleiterscheinungen und Konsequenzen der Weltwirtschaftskrise beschäftigt und haben eine zentrale Beobachtung gemacht:
Das alte Wohlstandsmodell, das unsere Gesellschaften im 20. Jahrhundert prägte, hat für eine Vielzahl der Menschen keinen Attraktionswert mehr. Wir sind im 21. Jahrhundert angekommen und möchten von Massenwohlstand und Massenmarketing nichts mehr wissen. Eine Ära ist zu Ende, die des industriellen Zeitalters, in der Wohlstand für alle das leitende Prinzip war.
Die Finanzkrise hat zwischen Herbst 2008 und Frühjahr 2010 einen Veränderungsprozess auf den Märkten, in der Gesellschaft und vor allem in den Köpfen der Menschen angestoßen, der jetzt nicht mehr aufzuhalten ist. Obwohl bei vielen Deutschen die Krise bislang kaum oder nur indirekt spürbar wurde, äußern viele den Wunsch, dass sich jetzt etwas ändern müsse. Tatsächlich hat die Fundamentalkrise dazu beigetragen, dass viele Menschen in den westeuropäischen Ländern (aber weitaus grundsätzlicher noch in den USA) plötzlich neue Bedürfnisse definieren. Jetzt, so liest sich der Veränderungswunsch der Menschen in vielen Umfragen, ist der Zeitpunkt für eine Erneuerung gekommen, jetzt muss ein großer Reset gemacht werden.
Wir beginnen, uns aus der Konsumwelt des 20. Jahrhunderts zu lösen. Die Veränderungen, die dabei entstehen, kommen für den Handel und für unser Alltagsleben durchaus denen von Kontinentalverschiebungen gleich. Was den Konsum angeht, fängt für uns erst jetzt das 21. Jahrhundert richtig an. Wir müssen uns von alten Gewohnheiten verabschieden und hoffen alle auf einen schleichenden, quasi homöopathischen Übergang. Aber das wird mit großer Sicherheit nicht der Fall sein.
Wir möchten Ihnen in dieser Studie zeigen, wie diese Erneuerung der ausgelaugten Konsummärkte aussehen wird, welche neuen Trends und Bedürfnisse ins Spiel kommen, wie Industrie, Handel und Einzelhandel darauf reagieren können.
Eines lässt sich gleich am Anfang feststellen: Die vier Konsumszenarien, die wir hier identifiziert haben, dienen NICHT dazu, den Handel mit ein paar netten Marketing- und Vertriebstrends zu versorgen, die ganz flott nach »Change« klingen, aber am alten System nichts ändern. Ganz im Gegenteil. Unsere vier Konsumszenarien für das Jahr 2030 werden einer Vielzahl von Händlern, Produktentwicklern und Marketingspezialisten das Gefühl geben, dass künftig kein Stein mehr auf dem anderen liegen bleiben wird, so grundsätzlich kündigt sich die Mentalitätsverschiebung bei den Konsumenten an.
Abbildung 2: Die neue Handelsrealität
Was ist den Menschen in Zukunft wirklich wichtig, wenn sie einkaufen? Und wie können Händler und Industrien darauf reagieren? Was die Strukturprobleme der vergangenen Jahre als Dauerthema begleitet hat, das war nicht nur der Discount- und Internet-Boom, nicht nur die Absatzkrise und Kaufzurückhaltung und nicht nur das Sterben der Konsummitte, gipfelnd im langen qualvollen Tod der Karstadts, Herties, Woolworths, SinnLeffers, Wehmeyers und so weiter. Das Dauerthema, das von den Konsumexperten innerhalb und außerhalb der Unternehmen nur nicht richtig erkannt wurde, waren die dramatischen Veränderungen der Bedürfnisse der Menschen. In den vergangenen 20 Jahren haben wir nicht nur den Siegeszug der Discounter erlebt, wir haben auch miterlebt (aber kaum bewusst zur Kenntnis genommen), dass der Konsument, dass wir den Rezepten und Verlockungen des Handels nicht mehr folgen wollten. Und warum wollen wir das nicht mehr? Unser Leben hat sich schlicht und einfach an grundsätzlichen Punkten verändert:
Der Massenkonsum gehört in das industrielle Zeitalter und ist definitiv tot. Wir befinden uns an einer Weggabelung. Jetzt werden die Weichen für die nächsten 20 bis 30 Jahre gestellt. Wer jetzt immer noch an seinen alten Erlösmodellen festhält, wird diesen Zeitraum ganz sicher nicht überleben.
Wir haben uns zunächst natürlich an der »Kanallogik« des Handels orientiert: Welche Formate (stationär, Versand, E-Commerce und so weiter) erzielen welche Umsätze? Damit lassen sich jedoch keine glaubwürdigen Aussagen über die Zukunft von Handel, Einzelhandel und Konsum machen. Man muss den sich verändernden Bedürfniskonstellationen der Menschen nachspüren: Was treibt sie an, wenn sie ein Kaufhaus betreten, was wird sich in ihrem Leben bis in das Jahr 2030 hinein verändern? Um auf diese Analyseebene zu kommen, schauen wir auf Trends. Trends sind für uns keine modischen Neuheiten, keine vorübergehenden Produktnovitäten und auch keine flüchtigen Zeitgeisterscheinungen. Trends sind Veränderungsprozesse, die sich – wenn man genau hinschaut – in unserer Realität beobachten lassen. Trends beschreiben also immer zuerst einmal gesellschaftliche Veränderungen, die im Hier und Jetzt in Andeutungen wahrnehmbar sind und in der Zukunft (sprich in den nächsten 10 bis 30 Jahren) auf ausnahmslos allen Ebenen von Wirtschaft und Gesellschaft für Neuorientierung, Irritation und Innovation sorgen werden.
Wir möchten hier nicht Karstadt 2.0 vorstellen. Wir möchten keine kurzschlüssigen Antworten auf die Frage geben, wie wir die Unsicherheit der Verbraucher angesichts einer wankenden Weltwirtschaft beherrschbar machen können. Unzählige Studien von Marktforschungsunternehmen, Unternehmensberatungen und Handelsorganisationen haben wir ausgewertet, die mögliche Sofortmaßnahmen an dem schon seit längerer Zeit kränkelnden Patienten Handel vorschlagen. Wir haben diese Erkenntnisse mit unseren Recherchen auf den Konsummärkten, mit Experteninterviews und einer Menge wissenschaftlicher Hintergrundinformationen (Betriebswirtschaft, Sozialwissenschaft, Psychologie) ergänzt. Trendforschung bedeutet für uns: Nicht an der Oberfläche kratzen oder in Zahlen einen schlechten (oder weniger schlechten) Istzustand festschreiben. Trend- und Zukunftsforschung bedeutet für uns: Türen aufstoßen, eine Vielheit von Perspektiven und Denkansätzen zur Geltung bringen, nicht mutwillig Komplexität beschneiden, sondern neue Denkräume für Sie, liebe Leserinnen und Leser, öffnen.
Was wir Ihnen hier anbieten, ist ein Blick in die Zukunft der Wünsche von Menschen, die gerade einen dramatischen Umbauprozess durchlaufen. Wir haben gut ein Jahr lang alle relevanten Konsummärkte beobachtet und auf benachbarte Branchen geschaut, die – wie der Megamarkt Gesundheit, aber auch die Creative Industries – immer mehr Budget von den klassischen Konsummärkten abziehen. Für mich und mein Team ist es die erste Forschungsstudie, die in intensiver Verknüpfung mit Socialmedia-Tools (insbesondere Twitter) entstanden ist. Im Zuge der Recherchen, das ist mein persönlicher Eindruck, ist die Realzeit-Recherche und -Debatte über das Mikroblog zum wichtigsten Werkzeug der Analyse geworden.
Grundsätzlich gehen wir von dem folgenden Ansatz aus: Um in einer enorm beschleunigten und interdependenten Ökonomie zielführende Aussagen über die nächsten zehn Jahre machen zu können, reicht es nicht mehr aus, das klassische Instrumentarium der Marktforschung in Anschlag zu bringen. Wir haben erstmals für die vorliegende Studie, neben Zahlenstudium und Markt- und Branchenanalysen, neue Wege beschritten: Vier zusätzliche Analyseinstrumente haben sich dabei als besonders effektiv erwiesen:
−1. Meta-Studien: Wir haben uns für alle Schlüsselmärkte (Westeuropa, Nordamerika, Asien, BRIC) die wichtigsten Konsum-Studien, Marktforschungen und TrendScannings angesehen. Wichtig ist für uns dabei, in verschiedene Forschungsansätze hineinschauen zu können, unterschiedliche Regionalmärkte kennenzulernen und nach den Grundmustern zu suchen, die die Trends in den nächsten zehn bis 20 Jahren prägen werden. −2. Meta-Blogging und Realzeit-Research: Wir haben uns mehr als 1.000 Blogs und Mikroblogs (Twitter) zum Thema Konsum, Genießen und Lebensstile angeschaut. In der Medienrealität des 21. Jahrhunderts ist es so, dass man jedoch die Entwicklung von Trends nicht mehr wie ein Fliegenbeinzähler aus einer pseudo-neutralen Position beobachtet. Wir sind selbst mit unseren Blogs und Debattenbeiträgen schnell zum Teil dieser Infowolke geworden, aus der wir wiederum unsere eigenen Schlüsse gezogen haben. Unsere Forschungsroutinen, das kann man nicht deutlich genug sagen, haben sich dabei gegenüber den Routinen vor drei oder vier Jahren substanziell verändert. War es bislang so, dass wir Recherchen via Internet und via globales Netzwerk angestellt haben, können wir diesen Scanning-Prozess jetzt zentral und in Realzeit über Portale wie Twitter, Facebook et cetera steuern. −3. Kontext-Analyse: Marktforschung ist in der Regel zu gegenwartsverhaftet, als dass sie Veränderungen von der Wurzel her erklären könnte. Zukunftsweisende Veränderungen finden jedoch immer in sozioökonomischen und soziokulturellen Prozessen statt. Deswegen lassen sich Zukunftstrends auch aus (gegenwartsbezogenen) Daten nicht mechanisch herauslesen, sie müssen im Kontext von gesellschaftlichen Veränderungen betrachtet, analysiert und verstanden werden. Daten (gerade die Daten der Marktforscher) sind auch hier eine wichtige Basis, aber sie sind noch kein Werkzeug, mit dem Veränderungsprozesse analysiert werden können. −4. Megatrend-Analyse: Ausgangspunkt jeder Trendanalyse sind jedoch nach wie vor die Megatrends. In ihnen kristallisieren sich die wichtigsten Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft der nächsten 30 bis 50 Jahre. Sie sind immer wieder der Ausgangspunkt für unsere Trendanalysen, eine Grundmatrix, nach der sich unser Leben, unser Lebensstil, unser Wohlstand und unser Reichtum in den nächsten Jahren organisiert.Auf die folgenden elf Veränderungstrends müssen wir uns in den nächsten Jahren einstellen, wenn wir unseren Blick genauer auf die Themen Konsum, Lebensstile und Genießen richten. Allein diese Trends und Thesen zeigen, dass wir es bis 2030 mit einer durchschlagenden Veränderung zu tun haben, auf die wir alle schnellstmöglich reagieren müssen. Die Trends und Thesen bündeln unsere Rechercheergebnisse und bereiten die vier Szenarien vor.
These 1: Wir haben den Hedonismus und den Massenwohlstandskonsum der 1980er Jahre endgültig hinter uns gelassen.
Wenn Sie glauben, dass wir Ihnen damit einen alten Hut als neue These verkaufen, dann schauen Sie sich einmal in den deutschen Fußgängerzonen um: Hier lebt der Versuch, den mittleren Standard zum Millionengeschäft zu machen, ungebrochen weiter. Die Konsummärkte der Zukunft sind hyperindividuell und sozial zugleich, sie müssen die idiosynkratischen Bedürfnisse des Konsumentenkönigs des 21. Jahrhunderts bedienen, der sich jedoch auch gerne wie ein vorzeitlicher Höhlenbewohner in (digitalen) Horden und archaischer Kultgemeinschaft verhält.
These 2: Wir werden in den nächsten Jahren einen weiteren Individualisierungsschub im Konsum erleben – Konsum wird aber als Social Pleasure wiederentdeckt.
Märkte werden noch kleinteiliger und nischiger. Trotzdem steht eine andere Sehnsucht im Vordergrund: die Reintegration des Konsums in die eigene Lebenswelt. Aus Massenkonsum wird ein Community-Erlebnis, individuell, speziell und für »friends and family«. Dieser Schub basiert zuerst auf simplen Fakten: Bis 2030 wird die Zahl der Haushalte in Deutschland steigen, während die Bevölkerungszahl deutlich zurückgehen wird: Die Zahl der Ledigen betrug im Jahr 2000 noch 17,7 Millionen, im Jahr 2008 waren es schon 20,1 Millionen und im Jahr 2030 werden es 28,1 Millionen sein, bei einem zu erwartenden Rückgang der bundesrepublikanischen Bevölkerung von 82,2 Millionen (2000) auf 66,1 Millionen im Jahr 2030.
Abbildung 3: Individualisierung, Nähe, Authentizität
These 3: Die Finanzkrise hat, was unsere Konsumbedürfnisse angeht, zu einer Spreizung der Schlüsselmärkte in Zentral- und Mitteleuropa sowie Nordamerika geführt.
Auf diesen Märkten hat sich spätestens seit den 1980er Jahren Einkaufen als Erlebnismarkt etabliert. Mit der Finanzkrise, die zunächst eine amerikanische Immobilienkrise war, sich dann zu einer globalen Bankenkrise mendelte, zu einer Fundamentalkrise der Finanzmärkte und schließlich das gesamte kapitalistische Finanzsystem infrage stellte, läuten wir eine neue Ära des Konsums ein. Das hat nicht ausschließlich mit dem Kollaps unserer Kredit- und Wohlstandssysteme zu tun, viele strukturelle Veränderungen haben sich weit früher angekündigt. Aber jetzt ist der geeignete Zeitpunkt, unsere Konsumwelten neu zu ordnen und einen anderen Blick auf Trends, Strukturen und Bedürfnisse zu werfen.
These 4: Wir stehen vor einer historischen Neubewertung dessen, was wir unter Marken und Branding verstehen.
Die Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) sprechen eine deutliche Sprache. Das Nürnberger Marktforschungsunternehmen ist in der Studie Building Best Brands zu folgendem Ergebnis gekommen: Durchschnittlich haben Marken in den vergangenen drei Jahren 43 Prozent ihrer First Choice Buyer verloren. Diese stehen für 60 bis 80 Prozent des Umsatzes. Die meisten haben zu Beginn der 00er Jahre noch verständnisvoll gegrinst und gleichzeitig abgewinkt, als plötzlich das Thema Corporate Social Responsibility (CSR) die Agenda eroberte. Jetzt wissen wir, dass wir, um in den nächsten Jahren wahrgenommen zu werden, ein komplett neues Marken-Setup brauchen: Die Konsumenten fordern nicht mehr Markenglamour und -altäre, die wir anbeten. Marken mit Zukunft müssen eine Vision unter unserer Beobachtung entwickeln. Sie müssen sich nicht nur durch CSR-Policy auszeichnen, sie müssen sich durch visionäres Handeln in der Gesellschaft auszeichnen.
Verantwortung und die Vision einer verantwortungsbewussten Zukunftsplanung müssen Teil der künftigen Markenpersönlichkeit werden (und nicht nur Teil der PR-Strategie sein). Übrigens gilt diese Anforderung ab sofort nicht nur auf den ehemaligen Kernmärkten Nordamerika und Westeuropa. Ein Emerging Market wie Brasilien beispielsweise hat Konsumenten, die ähnlich streng wie deutsche oder amerikanische Kunden auf diese neuen Markenpersönlichkeiten achten: 83 Prozent der Brasilianer würden ihre vertrauten Marken wechseln, wenn sich ein alternativer Brand mit gleicher Leistung zusätzlich noch für gute Zwecke engagierte.
These 5: Soziodemografisches Zielgruppendenken ist am Ende, in Zukunft geht es um Lebensphasen-Marketing.
Mehr denn je müssen wir unserer spezifischen Lebenssituation Rechnung tragen. Und das hat häufig überhaupt nichts mit unseren sekundären, soziodemografischen Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Einkommen, Bildung und so weiter zu tun. Deshalb lassen sich mit klassischer Marktforschung und den Sinus-Milieus die vier Zukunftsszenarien des Konsums nicht mehr begreifen und in unternehmerisches Handeln umsetzen (vgl. hierzu auch Eike Wenzel, Oliver Dziemba: Marketing 2020