Grenzen machen uns frei - Nedra Glover Tawwab - E-Book

Grenzen machen uns frei E-Book

Nedra Glover Tawwab

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Beschreibung

RAUS AUS DER ANPASSUNGSFALLE

Wie Sie für Ihre Bedürfnisse einstehen und sich dabei die Freiheit zurückerobern, ganz Sie selbst zu sein.

Andere nicht enttäuschen wollen, sich schuldig fühlen, wenn man jemandem eine Bitte ausschlägt, das Gefühl, nie Zeit für sich selbst zu haben, öfter mal alles hinschmeißen wollen, um einfach abzuhauen – wer kennt das nicht? Längst wissen wir, dass gesunde Grenzen unerlässlich sind für unsere Work-Life-Balance und um erfüllte Beziehungen zu leben. Doch wie sehen gesunde Grenzen aus? Wie können wir unsere Bedürfnisse ausdrücken und durchsetzen, ohne unsere Mitmenschen zu kränken?

Die amerikanische Autorin Nedra Glover Tawwab, anerkannte Therapeutin, gefragte Beziehungs-Expertin und derzeit eine der erfolgreichsten Instagram-Ratgeberinnen, bietet mit diesem Buch eine kompakte und zugleich kraftvolle Anleitung für mehr Selbstbehauptung. Sie zeigt uns Wege aus der Anpassungsfalle für eine souveräne Lebensgestaltung und erklärt dabei, welche Grundbedürfnisse hinter blockierenden Verhaltensmustern stecken. Ihre Techniken basieren auf den neuesten Methoden moderner Verhaltenstherapien.

Eine praktische Anleitung mit Selbsttests und Übungen für alle Lebensbereiche von Familie, Partnerschaft, Freundschaft und im Beruf – bis hin zum Umgang mit Sozialen Medien, die uns oftmals mehr im Griff haben, als uns lieb ist.

„Ein umfassender Wegweiser für das Verstehen und Aufbauen von gesunden Grenzen in zwischenmenschlichen Beziehungen.“ — PUBLISHERS WEEKLY

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NEDRA GLOVER TAWWAB

GRENZEN MACHEN UNS FREI

Ein Wegweiser sich selbst treu zu bleiben

Impressum

Nedra Glover TawwabGrenzen machen uns freiEin Wegweiser sich selbst treu zu bleiben1. deutsche Ausgabe 2021ISBN 978-3-96257-262-4© 2021, Narayana Verlag GmbH

Titel der Originalausgabe:Set Boundaries, Find Peacea guide to reclaiming yourselfCopyright © 2021, Nedra Glover Tawwab

Übersetzung aus dem Englischen: Anja SchmidtkeCoverillustartion: Shutterstock: © De Rayyy

Coversatz: Narayana Verlag

Autorenfoto: © Ariel Perry

Herausgeber:Unimedica im Narayana Verlag GmbH,Blumenplatz 2, D-79400 KandernTel.: +49 7626 974 970–0E-Mail: [email protected]

Alle Rechte vorbehalten. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlags darf kein Teil dieses Buches in irgendeiner Form – mechanisch, elektronisch, fotografisch – reproduziert, vervielfältigt, übersetzt oder gespeichert werden, mit Ausnahme kurzer Passagen für Buchbesprechungen.

Sofern eingetragene Warenzeichen, Handelsnamen und Gebrauchsnamen verwendet werden, gelten die entsprechenden Schutzbestimmungen (auch wenn diese nicht als solche gekennzeichnet sind).

Die Empfehlungen dieses Buches wurden von Autor und Verlag nach bestem Wissen erarbeitet und überprüft. Dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Weder der Autor noch der Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

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Weder der Herausgeber noch die Autorin erbringen professionelle Beratung oder Dienstleistungen für den einzelnen Leser. Die in diesem Buch enthaltenen Konzepte, Verfahren und Vorschläge sind nicht als Ersatz für eine Beratung mit Ihrem Arzt vorgesehen. Alle Fragen im Hinblick auf Ihre Gesundheit erfordern eine ärztliche Aufsicht. Weder die Autorin noch der Herausgeber haften für angeblich aus Informationen oder Vorschlägen in diesem Buch entstandene Verluste oder Schäden.

Gesunde Grenzen haben mein Leben auf unterschiedlichste Weise verändert, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte. Dieses Buch ist allen gewidmet, die durch unmissverständliche, gesunde Grenzen ebenfalls mehr Freiheit gewinnen wollen.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung

TEIL 1 - Die Bedeutung von Grenzen verstehen

Kapitel 1 - Was sind Grenzen überhaupt?

Meine Definition von „Grenzen“

Anzeichen dafür, dass Sie gesündere Grenzen brauchen

Grenzen verstehen

Grenzen zu setzen funktioniert in zwei Schritten

Häufige Reaktionen, wenn Sie Ihre Grenzen mitteilen

Bereiche, in denen wir üblicherweise Grenzen brauchen

Kapitel 2 - Der Preis dafür, keine gesunden Grenzen zu haben

Was geschehen kann, wenn wir vermeiden, Grenzen zu setzen

Psychische Gesundheit und Grenzen

Wie Beziehungen ohne Grenzen aussehen

Häufige Gefühle, wenn wir keine Grenzen setzen

Was wir tun, um Grenzsetzungen zu vermeiden

Kapitel 3 - Warum haben wir keine gesunden Grenzen?

Was hindert uns daran, uns gesund abzugrenzen?

Warum wir Abgrenzungsprobleme tolerieren

Wo wir etwas über Grenzen lernen

Kindheitsprobleme, die sich auf Grenzen auswirken wie Traumata, Missbrauch oder Vernachlässigung

Denkmuster, die uns abhalten, Grenzen zu setzen

Unangenehme Gefühle, die beim Grenzen setzen entstehen können

Kapitel 4 - Die sechs Arten von Grenzen

Körperliche Grenzen

Sexuelle Grenzen

Intellektuelle Grenzen

Emotionale Grenzen

Materielle Grenzen

Zeitliche Grenzen

Kapitel 5 - Wie Grenzverletzungen aussehen

Kleine und große Grenzverletzungen

Mikro-Aggressionen

Zu viel erzählen

Schuldgefühle erzeugen

Makro-Aggressionen

Kapitel 6 - Erkennen und kommunizieren Sie Ihre Grenzen

Vier Wege, wie man Grenzen erfolglos kommuniziert

Bestimmtheit ist der Weg

Wie Sie erfolgreich eine Grenze kommunizieren

Verschiedene Möglichkeiten, Grenzen zu kommunizieren

Schwierigen Menschen Grenzen setzen

Die Gewöhnungsphase

Grenzen mitteilen: „Ich will …“, „Ich möchte …“, „Ich erwarte …“

Lassen Sie auf Ihre Grenzen Taten folgen

Umgang mit gewohnheitsmäßigen Grenzverletzungen: Welche Kommunikationsmethode ist am besten?

Was Sie vermeiden sollten, wenn Sie Grenzen setzen

Schnelle Tipps, um mit Grenzverletzungen umzugehen

Überblick: das Wie und Was der Kommunikation

Kapitel 7 - Unscharfe Linien: Werden Sie deutlich

Unscharfe Grenzen

Wie unscharfe Grenzen aussehen

Ihre Grenze erneut aussprechen/neu formulieren

Den Umgang reduzieren

Ein Ultimatum stellen

Andere bitten, mit etwas aufzuhören

Kontakt abbrechen und Mauern errichten

Akzeptieren und loslassen

Sich von Anfang an klar ausdrücken

Stellen Sie sicher, dass Ihre Grenze gehört wurde

Wenn Grenzen aufeinanderprallen

Kapitel 8 - Traumata und Grenzen

Traumata und Grenzen

Missbrauch bei Erwachsenen

Scham- und Schuldgefühle nach traumatischen Erfahrungen

Wie Geheimnisse sich auf die Fähigkeit auswirken, Grenzen zu kommunizieren

Wie Traumaszenarien sich auf die Fähigkeit auswirken, Grenzen durchzusetzen

Wie Sie all dies aufarbeiten und andere besser verstehen können

Kapitel 9 - Was tun Sie, um Ihre Grenzen zu achten?

Die Bedeutung von sich selbst gesetzten Grenzen

Grenzen aufrechterhalten

Versprechen an sich selbst halten

Die Macht neu formulierter Grenzen

Konsequenz ist der Schlüssel

Teil 2 - So setzen Sie Grenzen richtig

Kapitel 10 - Familie

Sie werden erwachsen, wenn Sie Ihren Eltern Grenzen setzen

Grenzen rund um traditionelle Feiertage

Grenzen gegenüber Ihren Schwiegereltern

Grenzen gegenüber anderen Verwandten

Grenzen gegenüber dem sorgeberechtigten Elternteil

Grenzen gegenüber Ihren Kindern

Kindern gesunde Grenzen beibringen

Kapitel 11 - Liebesbeziehungen

Zurück zu den Grundlagen

Vereinbarungen innerhalb der Beziehung

Erwartungen äußern

Schlechte Kommunikation ist die Hauptursache für Scheidungen und Trennungen

Klarheit minimiert Missverständnisse und sich ständig wiederholender Streit

Ein Umfeld für offene Kommunikation schaffen

Schwierige Abschnitte in langfristigen Liebesbeziehungen

Der Fluch schlechter Kommunikation

Zumutbare Bedürfnisse

Kapitel 12 - Freundschaften

Setzen Sie eine Grenze oder tragen Sie die Konsequenzen

Mit Beschwerden umgehen

Gründe für Abgrenzungsprobleme in Freundschaften

Häufige Probleme mit Grenzen in Freundschaften

Sie sind kein Therapeut, sondern ein Freund

Verstrickung in die Probleme des Anderen macht Sie nicht zu einem guten Freund

Mit chronischen Grenzverletzern umgehen

Kapitel 13 - Arbeit

Grenzen setzen am Arbeitsplatz

Alltägliche Probleme mit Grenzen am Arbeitsplatz

Mit einem toxischen Arbeitsumfeld umgehen

Burn-out und seine Folgen für die Work-Life-Balance

So teilen Sie Ihrem Chef Ihre Grenzen mit

Einladungen und Kontakte außerhalb des Arbeitsplatzes ablehnen

Überwinden Sie das Gefühl, perfekt sein zu müssen

Kapitel 14 - Soziale Medien und Technik

Mit der Informationsflut im digitalen Zeitalter umgehen

Häufige Probleme mit Grenzen bei technischen Geräten

Grenzen, über die Sie nachdenken sollten

Erwachsene, die ihre Geräte nicht weglegen können

Gerätenutzung durch Kinder

Angst, etwas zu verpassen

Untreue durch unangemessene Online-Interaktionen

Strategien gegen digitale Überflutung

Kapitel 15 - Und was jetzt?

Quiz zur Selbsteinschätzung

Häufig gestellte Fragen

Danksagung

Weiterführende Literatur

Quellenangaben

Über die Autorin

Lobende Worte für Grenzen machen uns frei

Stichwortverzeichnis

Vorwort

Mein Leben war anstrengend und chaotisch, bevor ich gesunde Grenzen hatte. Auch ich hatte mit Co-Abhängigkeit, einem unruhigen Privat- und Berufsleben und unzufriedenstellenden Beziehungen zu kämpfen. Doch seit ich Erwartungen an mich und andere stelle, führe ich ein ausgeglichenes Leben. Ein Leben mit gesunden Beziehungen zu gestalten ist ein fortlaufender Prozess, der aber mit etwas Geduld und Übung immer leichter wird.

Sobald ich das Abstecken meiner Grenzen vernachlässige, tauchen die alten Probleme wieder auf. Deshalb habe ich gesunde Grenzen zum Bestandteil meiner Lebenspraxis gemacht. Ich praktiziere konsequent Durchsetzungsfähigkeit und Selbstdisziplin, um das Leben zu führen, das ich mir wünsche. Früher trug ich immer eine Menge Groll mit mir herum und hoffte, dass andere meine Laune und Wünsche erraten würden. Mit der Zeit lernte ich, dass andere meine Bedürfnisse nicht erraten. Sie lebten ihr Leben, während ich still vor mich hin litt.

Was mir früher nur schwer über die Lippen kam, wie zum Beispiel: „Ich kann dir leider nicht beim Umzug helfen“, äußere ich jetzt mit mehr Bestimmtheit. Ich hatte Angst, wollte niemanden verärgern und wusste nicht, wie ich meine Bedürfnisse ausdrücken sollte. Ich fürchtete, dass es mich Beziehungen kosten würde, für mich selbst einzustehen. Dabei kostete es mich selbst auf persönlicher Ebene tatsächlich viel mehr.

Als ich mich zuerst über das Thema Grenzen informierte, war ich mir unsicher, wie sich dieses Konzept auf mein Leben anwenden ließ. „Grenzen“ sind ja durchaus ein ziemlich weit gefasster und mitunter einschüchternder Begriff. Dieses Buch befasst sich mit den vielen Aspekten gesunder Grenzen und zeigt auf, wie wir auch die Grenzen anderer respektieren können. Ich habe Jahre gebraucht, um mich nicht mehr ganz so schuldig zu fühlen, andere in ihre Schranken zu weisen, weil ich nicht wusste, dass Schuldgefühle normal sind, wenn man etwas tut, das man selbst für unverhältnismäßig oder gar verletzend hält. Dieses Buch zeigt Ihnen, wie Sie mit diesem Unbehagen (Schuldgefühl) umgehen können, das Sie daran hindert, das Leben zu führen, das Sie wollen. Ich hoffe, dass es Ihnen die Zuversicht und den Mut schenkt, gesunde Grenzen in Ihrem Leben zu setzen.

Einleitung

Grenzen machen uns frei.

Ich bin seit 14 Jahren Therapeutin. Meine Patienten kommen nicht zu mir in die Therapie, weil sie wissen, dass sie Probleme mit Grenzen haben. Wenn sie bei mir durch die Tür kommen, verstecken sich ihre Probleme mit Grenzen hinter mangelnder Selbstfürsorge, Konflikten mit anderen Menschen, Schwierigkeiten mit der Zeitplanung oder Sorgen darüber, wie die sozialen Medien sich auf ihr Gefühlsleben auswirken.

Nachdem sie mit ihren Schilderungen über inneren Groll, Unzufriedenheit, Überforderung und Co-Abhängigkeit fertig sind, sage ich behutsam zu ihnen: „Sie haben ein Problem mit Grenzen.“ Und dann beginnen wir, daran zu arbeiten, Grenzverletzungen aufzudecken, zu lernen, Grenzen zu kommunizieren, und mit den Konsequenzen umzugehen, nachdem wir Grenzen gesetzt haben. Ja, es gibt Konsequenzen, wenn Sie mit dem Unbehagen und den Schuldgefühlen umgehen müssen, die aufkommen, wenn Sie für sich selbst eintreten.

Instagram ist für mich zu einem Raum geworden, in dem ich viel darüber poste, was ich als Folge von Problemen mit Grenzen betrachte. Mein Instagram-Post „Signs That You Need Boundaries“ („Anzeichen dafür, dass Sie Grenzen brauchen“) ist viral gegangen.

Anzeichen dafür, dass Sie Grenzen brauchen:

• Sie fühlen sich überfordert.

• Sie hegen Groll gegen Menschen, weil sie Sie um Hilfe bitten.

• Sie vermeiden Telefongespräche und Umgang mit Menschen, die Sie um etwas bitten könnten.

• Sie machen Bemerkungen darüber, dass Sie anderen helfen und nichts dafür zurückbekommen.

• Sie fühlen sich ausgebrannt.

• Sie träumen häufig davon, alles hinzuschmeißen und einfach zu verschwinden.

• Sie haben keine Zeit für sich selbst.

Die überwältigenden Reaktionen, die ich auf diese Online-Posts erhalte, zeigen mir, wie sehr die Leute das Bedürfnis nach Grenzen nachvollziehen können. Meine Direkt-Nachrichten quellen über mit Kommentaren wie „Problem mit Grenzen, Hilfe!“ Einmal wöchentlich biete ich bei Instagram eine Fragestunde an, und bei 85 Prozent der Fragen geht es um Grenzen.

Ich erhalte Fragen wie:

„Meine Freunde betrinken sich jede Woche, und ich fühle mich unwohl, wenn ich Zeit mit ihnen verbringe. Was kann ich tun?“

„Ich kann es einfach nicht lassen, Ja zu meinem Bruder zu sagen, der mich ständig bittet, ihm Geld zu leihen.“

„Meine Eltern möchten, dass ich über die Feiertage nach Hause komme. Ich möchte aber stattdessen zur Familie meines Freundes. Wie kann ich ihnen das mitteilen?“

Sämtliche Fragen zu beantworten, die ich auf Instagram erhalte, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Woche für Woche erreichen mich immer mehr Fragen zu Kommunikationsproblemen in Beziehungen. Es hat sich ein wahrer Abgrund an Problemen mit Grenzen aufgetan! Ich wusste, dass der einzige Weg, mehr Menschen bei der Lösung dieser Probleme zu helfen, darin bestand, meine erlernten Strategien in einem Buch zusammenzutragen. Diese Strategien stammen nicht nur aus meiner Arbeit mit Online-Nutzern und Klienten – ich hatte fast mein ganzes Leben lang selbst Probleme mit Grenzen. Ich arbeite auch heute noch täglich daran und weiß daher genau, wie überaus wichtig es ist, gesunde Grenzen zu setzen.

Fast jeden Tag starte ich eine Umfrage in meinen Instagram-Storys. Umfragen sind eine spielerische Methode, um von meiner Community zu lernen. Mitunter bin ich von den Ergebnissen schockiert. So habe ich zum Beispiel einmal gefragt: „Sind Ihre Erwartungen an Ihren Vater anders als die Erwartungen, die Sie an Ihre Mutter stellen?“ Über 60 Prozent der Menschen antworteten mit Nein. Ich war schockiert, weil Mütter (ich bin auch eine) oft sagen, dass die Erwartungen an sie höher sind. Auf Instagram fand man aber offenbar, dass beide Elternteile gleich gewichtet sind. Hier und da im Buch verteilt werden Sie Instagram-Umfragen mit den Ergebnissen finden.

Wie die meisten Menschen habe ich festgestellt, dass es in familiären Beziehungen am herausforderndsten ist, Grenzen zu setzen. Familiensysteme haben unausgesprochene Spielregeln. Schuldgefühle tauchen am schnellsten auf, wenn man der eigenen Familie Grenzen setzt.

Letztes Jahr erhielt ich eine Nachricht von einer Verwandten, die mich bat, ihr dabei zu helfen, jemanden zu kurieren. Ich wusste, dass ich mich weiterentwickelt hatte, als ich ihr zurückschrieb: „Das ist nicht meine Aufgabe. Und es ist auch nicht deine Aufgabe.“ Nach jahrelangen Versuchen, ein und dieselbe Person zu retten, höre ich damit auf. Es ist nicht meine Aufgabe, Menschen zu retten. Es ist nicht meine Aufgabe, Menschen zu kurieren. Ich kann Menschen helfen, aber ich kann sie nicht kurieren. In diesem Moment war ich stolz auf meine Grenzen und darauf, wie weit ich schon darin gekommen war, sie zu achten. Mit der Zeit habe ich gelernt: „Wenn dir etwas nicht gefällt, tu etwas dagegen.“ Ich war immer davon ausgegangen, dass ich Dinge akzeptieren und Menschen helfen musste, auch wenn mir das schadete. Ich wollte andere nicht enttäuschen. Und das spiegelt den Hauptgrund dafür wider, dass Menschen sich scheuen, Grenzen zu setzen: Es ist die Angst davor, dass jemand böse auf sie wird.

Angst gründetnicht auf Fakten.

Angst gründet nicht auf Fakten. Angst basiert auf negativen Gedanken und den Geschichten in unserem Kopf. Im Laufe der Jahre habe ich gelernt: Wenn Menschen meine Hilfe brauchen, müssen sie ihr Problem anerkennen und um Unterstützung bitten. Und ich muss imstande und bereit sein, ihnen zu helfen. Ich habe Jahre gebraucht, um zu erkennen, dass ich Menschen nicht helfe, indem ich sie „kuriere“. Ich stand ihnen so nur dabei im Weg, an sich selbst zu arbeiten.

Beim Lesen dieses Buches werden Sie mehr über meine Erfolge und Misserfolge beim Setzen von Grenzen erfahren.

Grenzen zu setzen ist nicht einfach, vor allem nicht gegenüber den Menschen, die wir lieben. Das Risiko, jemanden gegen uns aufzubringen, kann uns wesentlich schlimmer vorkommen, als ein unangenehmes Gespräch zu führen. Wie viele Beziehungen hätte ich retten können, wenn ich nur etwas gesagt hätte! Manchmal war es eine große Sache: „Ich werde keine Zeit mit dir verbringen, wenn du trinkst.“

Und manchmal eine Kleinigkeit: „Bitte zieh deine Schuhe aus, wenn du mein Haus betrittst.“ Aber sie alle waren wichtig.

Andere Menschen wissen nicht, was Sie wollen. Es ist Ihre Aufgabe, das klarzustellen.

Klarheit rettetBeziehungen.

Klarheit rettet Beziehungen.

Dieses Buch gibt Ihnen eine klare Formel an die Hand, um herauszufinden, wann Sie Probleme damit haben, Grenzen zu setzen, wie sie das Bedürfnis nach einer Grenze kommunizieren und darauf Taten folgen lassen. Dieser Prozess ist nicht immer schön. Zu kommunizieren, was Sie möchten und brauchen, ist zuerst einmal schwer. Und was danach kommt, kann ausgesprochen ungemütlich werden. Aber je mehr Sie es tun, desto einfacher wird es – besonders, wenn Sie den inneren Frieden erleben, der sich dann einstellt.

Gründe, warum andere Ihre Grenzen nicht respektieren:

• Sie nehmen sich selbst nicht ernst.

• Sie ziehen andere nicht zur Rechenschaft.

• Sie entschuldigen sich dafür, Grenzen zu setzen.

• Sie lassen anderen zu viel Spielraum.

• Sie sagen nichts Konkretes.

• Sie haben Ihre Grenzen nicht in Worten geäußert (sie existieren nur in Ihrem Kopf).

• Sie gehen davon aus, dass es ausreicht, ein einziges Mal Ihre Grenzen zu verstehen zu geben.

• Sie gehen davon aus, dass die anderen anhand Ihrer Reaktion bei einer Grenzverletzung selbst sehen, was Sie brauchen und möchten.

Seit 14 Jahren fühle ich mich geehrt, Menschen dabei zu helfen, ihre Beziehungen zu verstehen und den Mut zu finden, gesunde Beziehungen aufzubauen. Auf diesen Seiten werden Sie Geschichten lesen, die Ihnen helfen werden nachzuvollziehen, wie es im Leben zu Problemen mit Grenzen kommen kann. Es handelt sich um fiktionalisierte Versionen meiner Erfahrungen mit Klienten. Um ihre Anonymität zu wahren, wurden alle Namen, Sachverhalte und Details geändert. Ich hoffe, dass Sie sich in diesen Geschichten anderer wiederfinden und lernen, wie Sie Ihre Beziehungen verändern können.

Manchmal wissen wir, dass wir Grenzen setzen müssen, sind aber ratlos, wie oder wo wir anfangen sollen. Dieses Buch ist ein Leitfaden über den Nutzen von Grenzen. Es zeigt die positiven Folgen von Grenzsetzung auf, zeugt aber auch von der harten Arbeit, die es bedeuten kann, wenn Sie für Ihre Werte eintreten, und Erwartungen an Beziehungen stellen. Da wir oft nicht genau wissen, wie wir unsere Bedürfnisse ausdrücken sollen, finden Sie in diesem Buch auch entsprechende Formulierungsvorschläge. Verwenden Sie diese gerne oder überlegen Sie sich auch eigene Formulierungen. Jedes Kapitel enthält Reflexionsfragen oder Übungen, mit denen Sie das Material weiter vertiefen können.

TEIL 1

Die Bedeutung von Grenzen verstehen

KAPITEL 1

Was sind Grenzen überhaupt?

Grenzen sind das Tor zu gesunden Beziehungen.

„Ich fühle mich völlig überfordert“, sagte Kim und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Zwei Wochen nach der Rückkehr aus ihren Flitterwochen hatte sie angefangen, zu mir zu kommen. Frisch verheiratet und im Beruf eine Überfliegerin, war Kim stolz darauf, in allem, was sie tat, die Beste zu sein. Aber ihr ständiges Bemühen, alles erledigt zu bekommen, überschattete inzwischen alles. Sie war ausgelaugt, und ihr graute davor, morgens aufzustehen. Sie war nicht nur entschlossen, für sich selbst die Beste zu sein, sondern sie trat auch anderen gegenüber immer als „die Beste“ auf: beste Freundin, beste Tochter, beste Schwester, beste Kollegin. Jetzt wollte sie die beste Ehefrau sein. Und eines Tages dann die beste Mutter. Die Beste zu sein, bedeutet für Kim, immer Ja zu sagen. Nein zu sagen war verletzend. Nein zu sagen war egoistisch. Sie kam in der Hoffnung zu mir, herauszufinden, wie sie noch mehr erledigen konnte, ohne sich so erschöpft zu fühlen.

Auf meinem Sofa ging Kim die Liste durch mit allen Aktivitäten, bei denen sie für die kommende Woche ihre Hilfe zugesagt hatte. Sie bestand darauf, dass ihre Freundin beim Umzug ihre Hilfe brauchte. Ihr Kollege würde sein Projekt nicht ohne ihre Unterstützung hinbekommen. Kim wollte unbedingt Lösungen. Sie versuchte, mehr Zeit zu gewinnen, um alles zu erledigen, wozu sie sich verpflichtet hatte. Als sie herunterrasselte, was sie alles vorhatte, bat ich sie innezuhalten. Behutsam wies ich sie darauf hin, dass es unmöglich war, mehr Zeit zu generieren. Zuerst blickte sie mich leicht verdattert an. „Keine Sorge“, sagte ich. „Ich kann Ihnen helfen, stattdessen Ihre Belastung zu reduzieren.“ Nach ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen, war dieser Weg ihr wohl bis jetzt noch nie in den Sinn gekommen. Mich überraschte das nicht. Ich begegne zahlreichen Menschen (besonders Frauen), die so viel geben, dass sie sich am Ende nur noch erschöpft und sogar deprimiert fühlen. Wir haben eine regelrechte Burn-out-Kultur in unserer Gesellschaft erschaffen.

Für den Anfang ermunterte ich Kim, eine Liste zu schreiben mit allem, was sie diese Woche am Arbeitsplatz und zu Hause erledigen musste. Sie hatte ihre Woche (selbstverständlich) schon komplett durchgeplant. Nun entwarf sie einen Zeitplan, um die einzelnen Aufgaben zu erledigen. Schnell bemerkte sie, dass einfach nicht genug Zeit da war, um alles zu tun, was sie geplant hatte.

Ich fragte sie: „Was müssen Sie wirklich tun, und was können Sie delegieren? Glauben Sie, Ihre Freundin könnte auch jemand anderen finden, der ihr beim Umzug hilft?“ Sie dachte nach und sagte Ja, bestand aber darauf, dass sie helfen wollte. In diesem Moment konnte ich sehen, dass Kim ein Problem damit hatte, Grenzen dafür festzulegen, wie viel und wie oft sie anderen zu helfen bereit war, und dass dies noch zu ihren Sorgen beitrug. Sie meinte es ja nur gut, oder etwa nicht? Sie wollte allen doch nur helfen! Aber das Niveau ihrer Hilfsbereitschaft war unmöglich zu halten. Es war dringend notwendig, dass sie weniger tat. Als ich von Delegieren sprach, wies Kim diese Idee sofort von sich. Sie kannte nur einen Weg, anderen zu helfen, und der bestand darin, stets Ja zu sagen und alles selbst zu erledigen.

Kims Weigerung, Nein zu sagen, hatte sie in meine Praxis geführt und war die Wurzel ihrer Sorgen, ihres Stresses und ihrer lähmenden Ängste. Studien zufolge nehmen Ängste immer mehr zu. Komplizierte Beziehungen gehören zu den Hauptursachen dafür, und Ängste und Depressionen sind die häufigsten Gründe, warum Menschen eine Therapie in Anspruch nehmen. So wie Kim suchen Menschen Therapeuten auf, wenn ihre Ängste beginnen sich auf ihren Alltag auszuwirken.

Gemeinsam analysierten Kim und ich ihr starkes Bedürfnis, immer für alle da zu sein. Ich half ihr zu verstehen, dass Nein zu sagen ihr genau die fehlende Zeit verschaffen würde, die sie sich wünschte. Nein zu sagen würde ihr die Freiheit geben, sich in ihrer Rolle als Ehefrau einzuleben. Nein zu sagen würde ihre Sorgen verringern, so dass sie morgens aufstehen und ihren Tag beginnen konnte, ohne sich sofort überfordert zu fühlen.

Meine Definition von „Grenzen“

Grenzen sind Erwartungen und Bedürfnisse, die Ihnen helfen, sich sicher und wohl in Beziehungen zu fühlen. Erwartungen in und an Beziehungen helfen Ihnen, geistig und emotional gesund zu bleiben. Und auch zu wissen, wann Sie ja oder nein sagen sollten, trägt wesentlich zu Ihrem Wohlbefinden im Umgang mit anderen bei.

Anzeichen dafür, dass Sie gesündere Grenzen brauchen

Kims Handlungsfähigkeit wurde dadurch beeinträchtigt, dass sie permanent Gedanken und Pläne wälzte, sich Sorgen machte, ob sie genug Zeit hatte, und sich davor scheute, mit irgendetwas anzufangen. Kurz gesagt: sie war gestresst.

Psychische Gesundheitsprobleme wie zum Beispiel Ängste können durch unsere neurologische Reaktion auf Stress ausgelöst werden. Wenn wir gestresst sind, fällt es unserem Gehirn schwer abzuschalten. Unser Schlaf wird beeinträchtigt. Angstgefühle setzen ein. Als Therapeutin beobachte ich, dass mangelhafte Selbstfürsorge, Überforderung, Groll, Vermeidungsverhalten und andere psychische Gesundheitsprobleme häufig die Manifestationen von fehlender Grenzsetzung sind.

Vernachlässigte Selbstfürsorge

Wir alle haben schon einmal die Ansage im Flugzeug gehört: „Setzen Sie zuerst Ihre eigene Sauerstoffmaske auf, bevor Sie anderen helfen.“ Ganz einfach, oder? Nein. Vernachlässigte Selbstfürsorge ist das Erste, was passiert, wenn wir uns von dem Wunsch vereinnahmen lassen, anderen zu helfen.

Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie viele Menschen in meine Praxis kommen und klagen: „Ich habe überhaupt keine Zeit für mich selbst.“ Nach einer schnellen Auswertung stellt sich heraus, dass diese Menschen sich keinerlei Zeit für sich selbst nehmen. Oft scheinen sie tatsächlich vergessen zu haben, wie man sich überhaupt um sich selbst kümmert. Sie schaffen es nicht, sich Zeit freizuschaufeln, um etwas Gesundes zu essen, oder fünf Minuten zum Meditieren zu finden, sondern verbringen jede Woche mehrere Stunden mit ehrenamtlicher Arbeit in der Schule ihrer Kinder. Ein solches Ungleichgewicht ist ein direktes Anzeichen für Probleme mit Grenzsetzung.

Selbstfürsorge ist mehr, als mal einen Wellness-Tag einzulegen, und sie ist nicht egoistisch. Nein zu sagen, ist ein Akt der Selbstfürsorge. Auf Ihre Bedürfnisse zu achten, ist Selbstfürsorge.

Die Basis der Selbstfürsorgesind Grenzen.

Und wie beim Beispiel mit der Sauerstoffmaske werden Sie mehr Energie für andere haben, wenn Sie zuerst für sich selbst sorgen. Genau genommen sind Grenzen die Basis der Selbstfürsorge – denn Grenzen zu setzen bedeutet, nein zu etwas zu sagen, um ein Ja zum eigenen seelischen, körperlichen und geistigen Wohlbefinden mitzuteilen.

Überforderung

Kim kam zur Therapie, weil sie sich chronisch überfordert fühlte. Das ist eine der häufigsten Erscheinungsformen von Problemen mit Grenzsetzung. Überforderte Menschen haben nicht genug Zeit, all ihre Aufgaben zu erledigen. Sie ertrinken förmlich in Stress beim Gedanken daran, noch mehr in einen bereits vollgepackten Terminkalender zu quetschen. Diese Geschäftigkeit ist in unserer Gesellschaft weit verbreitet. Jeder strebt danach, immer mehr zu tun. Der Faktor Zeit wird dabei vernachlässigt. Aber der Preis dafür ist unser Wohlbefinden. Mit Grenzen vertraut zu sein ist ein proaktiver Weg, um zu ermessen, was wirklich zu schaffen ist und sich zu 100 Prozent der anstehenden Aufgabe widmen, ohne dabei das nagende Gefühl ständiger Überforderung zu haben.

Groll

Wenn wir uns übervorteilt, frustriert, gereizt, verärgert und bitter fühlen, ist das die Folge des Grolls, den wir empfinden, wenn wir keine Grenzen setzen. Groll beeinflusst, wie wir mit anderen umgehen. Er hindert uns daran, uns in Beziehungen von unserer besten Seite zu zeigen. Er führt zu Konflikten. Er macht uns paranoid. Er errichtet Mauern. Langfristiger Groll beeinflusst, wie wir die Absichten anderer wahrnehmen. Wenn wir Groll hegen, tun wir Dinge für andere aus Pflichtgefühl statt aus Freude am Helfen. Der entstehende Groll kann wachsen und uns stark einnehmen.

Wenn ein Klient zu mir kommt und sagt: „Ich muss meine Mutter pflegen und bin wütend deswegen“, spüre ich sofort Gereiztheit und Groll. Indem ich sondiere, warum der Klient sich wegen dieser Aufgabe unter Druck gesetzt und verpflichtet fühlt, kann ich seine Überzeugungen hinterfragen. Natürlich möchte er, dass seine Mutter versorgt wird, aber er muss ja nicht der Einzige sein, der diese Aufgabe übernimmt. Grenzen zu ziehen, indem man andere Familienmitglieder um Unterstützung bittet und Aufgaben delegiert, kann helfen, Stress zu vermindern.

Erinnern Sie sich an die Anzeichen dafür, dass Sie Grenzen brauchen:

• Sie fühlen sich überfordert.

• Sie hegen Groll gegen Menschen, weil sie Sie um Hilfe bitten.

• Sie vermeiden Telefongespräche und Umgang mit Menschen, die Sie um etwas bitten könnten.

• Sie machen Bemerkungen darüber, anderen oft zu helfen und nichts dafür zurückzubekommen.

• Sie fühlen sich ausgebrannt.

• Sie träumen häufig davon, alles hinzuschmeißen und einfach zu verschwinden.

• Sie haben keine Zeit für sich selbst.

Vermeidungsverhalten

Zu verschwinden, andere zu ignorieren oder andere auszuschließen, ist Vermeidungsverhalten. Nicht auf eine Frage zu antworten, eine Richtigstellung zu verzögern oder sich nicht blicken zu lassen, sind Wege, um Situationen zu vermeiden, statt proaktiv damit umzugehen. Aber wenn wir Probleme durch Vermeidung in die Länge ziehen, treten dieselben Probleme immer wieder auf und verfolgen uns von einer Beziehung zur nächsten.

Vermeidungsverhalten ist ein passiv-aggressiver Weg, um zum Ausdruck zu bringen, dass Sie es leid sind, sich irgendwo einzubringen. Zu hoffen, dass das Problem von allein weggehen wird, scheint die sicherste Option zu sein, aber Vermeidungsverhalten ist eine Reaktion, die auf Angst beruht. Wenn wir es vermeiden, über unsere Erwartungen zu sprechen, verhindert das keine Konflikte. Es verlängert nur die unvermeidliche Aufgabe, Grenzen zu setzen.

Fluchtgedanken wie: „Ich wünschte, ich könnte alles hinschmeißen und weglaufen“ sind ein Anzeichen für extremes Vermeidungsverhalten. Wenn Sie sich ausmalen, ihre Tage allein zu verbringen, Anrufe zu ignorieren oder sich zu verstecken, bedeutet das, dass Sie Vermeidungsverhalten für die ultimative Antwort halten. Aber Grenzen zu setzen ist die einzige realitätsnahe Lösung.

Wenn Sie lernen, anderen mit Bestimmtheit Grenzen aufzuzeigen, wird Ihnen das helfen, solche Symptome zu beseitigen und mit Stimmungstiefs oder Angstanfällen umzugehen. Fehlendes Wissen über Grenzen führt zu ungesunden Gewohnheiten. Sehen wir uns das Ganze also einmal genauer an.

Grenzen verstehen

Wenn Sie gesunde Grenzen setzen, fühlen Sie sich sicher, geliebt, gelassen und respektiert. Gesunde Grenzen zeigen auf, welches Verhalten Sie von anderen zulassen und wie Sie sich anderen gegenüber verhalten. Aber es ist nicht nur das.

Was Grenzen bedeuten:

• Sie schützen Sie davor, sich nicht zu verbiegen.

• Sie sind gelebte Selbstfürsorge.

• Sie legen Rollen in Beziehungen fest.

• Sie kommunizieren akzeptables und inakzeptables Verhalten in Beziehungen.

• Sie sind Parameter dafür, was in Beziehungen zu erwarten ist.

• Sie sind ein Weg, um andere um ein bestimmtes Verhalten zu bitten und so für Ihre Bedürfnisse einzustehen.

• Sie sind ein Weg, um anderen Ihre Bedürfnisse mitzuteilen.

• Sie sind ein Weg, um gesunde Beziehungen zu schaffen.

• Sie sind ein Weg, um Klarheit zu schaffen.

• Sie sind ein Weg, um sich sicher zu fühlen.

Eine Grenze ist ein Signal für andere, wie sie Sie behandeln sollen. Die Grenze kann explizit sein, zum Beispiel, wenn Sie sagen: „Ich werde dir jetzt etwas sagen, wovon ich möchte, dass du es für dich behältst.“ Oder implizit, etwa, indem Sie für Gäste direkt neben dem Hauseingang einen Korb für Schuhe und Socken platzieren. Aber wenn Sie Ihre Grenzen setzen, ist es auch wichtig, sich der Grenzen anderer Menschen bewusst zu sein, die diese zu kommunizieren versuchen.

Unsere Familiengeschichten und Persönlichkeiten bestimmen darüber, wie wir Grenzen setzen und akzeptieren. Wenn Ihre Familie mit unausgesprochenen Grenzen arbeitet oder Grenzen regelmäßig ignoriert, werden Sie wahrscheinlich ohne die notwendigen Kommunikationsfähigkeiten aufwachsen, für Ihre Bedürfnisse einzutreten. So können erwachsene Kinder von Alkoholikern Schwierigkeiten damit haben, Grenzen zu setzen. Eltern mit Suchtproblemen senden oft die Botschaft, dass die Grenzen eines Kindes nicht wichtiger sind als die Sucht des Elternteils. Diese Kinder haben daher schon beim Aufwachsen Probleme damit, Grenzen zu verstehen und zu definieren. Wenn Ihre Herkunftsfamilie gesunde Grenzen kommuniziert und respektiert, fühlen Sie sich wahrscheinlich wohler damit, Grenzen in irgendeiner Situation festzulegen.

Unsere Persönlichkeit bestimmt, wie wohl wir uns damit fühlen, Grenzen zu respektieren und abzulehnen. Tendenziell ängstliche Menschen neigen eher zu Überreaktionen, wenn sie infrage gestellt werden. Emotionale Selbstregulation ist ein häufig auftretendes Problem, da solche Menschen oft nicht imstande sind, der Situation angemessen zu handeln. Menschen, die sehr unsympathisch auftreten, zum Beispiel immer recht haben müssen, über Kleinigkeiten streiten oder Probleme damit haben, Unterschiede bei anderen zu akzeptieren, werden sich Grenzen eher widersetzen. Offenheit (Aufgeschlossenheit für Veränderungen) und Bewusstsein (Bereitschaft zu lernen und sich weiterzuentwickeln) sind Persönlichkeitsmerkmale von Menschen, die eher Grenzen respektieren.

Grenzen sind in jedem Alter unerlässlich. Sie verändern sich in Beziehungen genauso, wie die Menschen in den Beziehungen sich verändern. Lebensveränderungen wie Heiraten, Studieren oder Familiengründung machen oft neue Grenzen notwendig.

ES GIBT drei verschiedene Abstufungen von Grenzen. Schauen Sie einmal, ob Ihnen irgendwelche davon bekannt vorkommen:

Durchlässige Grenzen

Durchlässige Grenzen sind schwach oder schlecht kommuniziert und richten unbeabsichtigt Schaden an. Sie führen dazu, dass Sie sich ausgelaugt fühlen, sich verbiegen, deprimiert und ängstlich werden und in ungesunde Beziehungsdynamiken geraten. Kim aus der Geschichte zu Beginn ist ein Beispiel dafür, wie sich durchlässige Grenzen offenbaren können und unser Wohlbefinden beeinträchtigen.

Wie durchlässige Grenzen aussehen:

• Zu viele Details aus dem Privatleben erzählen

• Co-Abhängigkeit

• Verstrickung (mangelnde emotionale Trennung zwischen Ihnen und jemand anderem)

• Unfähigkeit, Nein zu sagen

• Allen alles recht machen wollen, Harmoniesucht

• Abhängigkeit vom Feedback und der Meinung anderer

• Lähmende Angst vor Zurückweisung

• Akzeptanz von schlechter Behandlung

Beispiele, wie durchlässige Grenzen gesetzt werden:

• Sie sagen Ja zu Dingen, die Sie gar nicht tun möchten.

• Sie leihen anderen Geld, weil Sie sich dazu verpflichtet fühlen oder obwohl Sie gar nicht genug Geld dafür haben.

Starre Grenzen

Am anderen Ende der Skala liegen starre Grenzen. Sie bestehen darin, dass Sie Mauern errichten, um andere emotional von sich fern zu halten, um sich so sicher zu fühlen. Doch es ist ungesund, sich durch Verbarrikadieren zu schützen, und es führt zu einer Vielzahl weiterer Probleme. Während durchlässige Grenzen zu ungesunder Nähe (Verstrickung) führen, sind starre Grenzen ein Selbstschutzmechanismus, der Abstand erzeugen soll. Das liegt meist an einer Angst vor Verletzlichkeit oder daran, dass man immer wieder ausgenutzt worden ist. Menschen mit starren Grenzen lassen keine Ausnahmen bei ihren strengen Regeln zu, selbst wenn das für sie selbst gesund wäre. Wenn jemand mit starren Grenzen sagt: „Ich verleihe niemals Geld“, dann weicht er nie davon ab, sogar wenn ein zuverlässiger Freund in Not geraten ist, der eigentlich nicht der Typ Mensch ist, sich ohne triftigen Grund Geld zu leihen.

Wie starre Grenzen aussehen:

• Anderen nie von sich persönlich erzählen

• Errichten von Mauern

• Vermeiden von Verletzlichkeit

• Ausschließen anderer Menschen

• Hohe Erwartungen an andere

• Beharren auf strikten Regeln

Beispiele, wie starre Grenzen gesetzt werden:

• Sie sagen schroff nein, damit niemand Sie in Zukunft noch einmal zu fragen wagt.

• Sie haben die Regel, niemals auf die Kinder Ihrer Schwester aufzupassen.

Gesunde Grenzen

Gesunde Grenzen sind möglich, wenn Ihre Vergangenheit sich nicht auf ihren heutigen Umgang mit anderen auswirkt. Sie erfordern ein Bewusstsein für Ihre emotionalen, geistigen und körperlichen Fähigkeiten kombiniert mit klarer Kommunikation.

Wie gesunde Grenzen aussehen:

• Sie sind sich über Ihre Werte im Klaren.

• Sie hören auf Ihre eigene Meinung.

• Sie erzählen so viel, wie es angemessen ist.

• Sie haben eine gesunde Verletzlichkeit gegenüber Menschen, die sich Ihr Vertrauen verdient haben.

• Sie haben kein Problem damit, nein zu sagen.

• Sie haben kein Problem damit, ein Nein zu hören, und nehmen es nicht persönlich.

Beispiele, wie gesunde Grenzen gesetzt werden:

• Sie sagen Nein, ohne sich zu entschuldigen, weil das für Sie in diesem Moment die gesündeste Option ist.

• Sie unterstützen andere finanziell, wenn das angemessen ist und es Ihnen selbst nicht finanziell schadet.

Grenzen zu setzen funktioniert in zwei Schritten

Es stimmt, dass es nicht einfach ist, Grenzen zu setzen. Die Angst davor wie jemand darauf reagieren könnte, hält uns davon ab. Möglicherweise spielen sich schwierige Szenen in Ihrem Kopf ab, und Sie bereiten sich auf das Allerschlimmste vor. Doch glauben Sie mir: ein kurzfristiges Unbehagen und dafür im Gegenzug eine langfristig gesunde Beziehung lohnt sich immer!

Wenn Sie eine Grenze setzen möchten, denken Sie immer daran, zwei Schritte anzuwenden: Kommunikation und Aktion.

Kommunikation

Ihre Bedürfnisse verbal zu kommunizieren, ist der erste Schritt. Allein aufgrund Ihrer Körpersprache oder unausgesprochener Erwartungen können andere Ihre Grenzen nicht wirklich erkennen. Wenn Sie hingegen ausdrücklich sagen, was Sie erwarten, können andere kaum noch missverstehen, was für Sie funktioniert. Selbstbewusste Ansagen sind dabei am wirkungsvollsten.

Grenzen verbal zu kommunizieren, hört sich so an:

• „Bei einer Auseinandersetzung möchte ich gerne, dass du leiser sprichst und eine Pause machst, wenn du das Gefühl hast, dich zu sehr aufzuregen. Ich sage dir auch Bescheid, wenn dein Tonfall unangenehm für mich wird.“

• „Es ist mir wichtig, dass du unsere Verabredung einhältst. Falls du zeitlich umdisponieren musst, schreib mir bitte ein paar Stunden vorher eine Nachricht.“

Aktion

Aber Kommunikation ist nicht alles. Was Sie kommuniziert haben, müssen Sie durch Ihr Verhalten dann auch bestätigen. Darauf zu wetten, dass der andere Ihre Gedanken lesen kann, ist ein Rezept für eine ungesunde Beziehung. Sie müssen Taten folgen lassen. Nehmen wir zum Beispiel an, dass Sie Ihrem Freund gesagt haben: „Es ist mir wichtig, dass du unsere Verabredung einhältst. Falls du zeitlich umdisponieren musst, schreib mir bitte ein paar Stunden vorher eine Nachricht.“ Da Sie Ihre Grenze verbal kommuniziert haben, müssen Sie sie, wenn dagegen verstoßen wird, durch Taten bekräftigen. In diesem Fall würden Sie Ihrem säumigen Freund mitteilen, dass der geänderte Termin für Sie nicht klappt, weil er Ihnen nicht rechtzeitig vorher Bescheid gegeben hat. Sie könnten dann zum Beispiel freundlich sagen: „Ich möchte mich gerne mit dir treffen, aber an dem anderen Termin kann ich leider nicht. Lass uns doch einfach eine neue Zeit für nächste Woche verabreden.“ Das ist schwer, ich weiß. Aber Ihre Grenzen durch Taten zu bekräftigen, ist der einzige Weg, wie die meisten Menschen begreifen, dass Sie es ernst meinen, und Ihre Grenzen dann auch ernst nehmen.

Grenzen dienen sowohl Ihnen als auch den anderen

In meinen Workshops erzählen Teilnehmer oft, dass sie es nicht geschafft haben, eine Grenze zu kommunizieren. Viele Menschen glauben, dass, sobald sie eine Grenze mitgeteilt haben, sich die anderen dann auch daran halten werden. Nachdem sie also eine Grenze gesetzt und kommuniziert haben, tun sie nichts weiter. Aber dieses Nichthandeln lädt zu ständigen Grenzverletzungen in der Beziehung ein. Sie werden sich die Arbeit machen müssen sicherzustellen, dass Ihre Grenzen respektiert werden. Es liegt in Ihrer Verantwortung, dem nachzugehen.

Die größte Angst diesbezüglich ist, wie andere darauf reagieren könnten. Bereiten wir uns also darauf vor, wie so etwas aussehen kann.

Häufige Reaktionen, wenn Sie Ihre Grenzen mitteilen

Es ist zwar wichtig, sich zu überlegen, wie andere reagieren könnten, aber fixieren Sie sich nicht zu sehr auf mögliche Reaktionen.

Typische Reaktionen auf Grenzen:

1. Widerstand

2. Austesten

3. Ignorieren

4. Rationalisieren und Infragestellen

5. Abwehrhaltung

6. Ghosting

7. Anschweigen

8. Akzeptanz

Widerstand

Es ist ganz normal, dass Menschen sich gegen Veränderungen in einer Beziehung sperren. Denn zuerst kann das für Verwirrung sorgen. Aber wenn jemand Sie respektiert, wird er auch diese Veränderungen respektieren. Wir alle wachsen und entwickeln uns weiter, und bei unseren Beziehungen ist das nicht anders. Zu Widerstand kann es jederzeit kommen: direkt nachdem Sie eine Grenze gesetzt haben oder etwas später, wenn der andere beschließt, sie nicht mehr zu achten.

Widerstand ist Ausdruck der Angst davor, dass etwas anders wird und man aus der eigenen Komfortzone gedrängt wird. Obwohl „anders“ nicht gleich „schlecht“ bedeutet, wird es einigen Menschen schwerfallen, mit den neuen Regeln in der Beziehung zurechtzukommen.

Nachdem Kim ihrer Freundin gesagt hat, dass sie ihr nicht beim Umzug helfen kann, antwortet diese vielleicht mit „Okay“, so als würde sie es verstehen. Aber am nächsten Tag sagt Kims Freundin dann: „Bist du sicher, dass du mir nicht beim Umzug helfen kannst? Du hilfst mir doch sonst immer.“

Widerstand kann sich so anhören:

• „Hm, ich weiß nicht, ob ich das machen kann.“

• „Das ist nicht fair.“

• „Ich habe genauso Bedürfnisse, aber ich will dich ja auch nicht verändern.“

So gehen Sie mit Widerstand um

Bestätigen Sie, dass Sie die Bedenken des anderen gehört haben. Nennen Sie noch einmal die Grenze, die Sie ursprünglich gesetzt haben.

Beispiele:

„Danke, dass du mir das sagst. Meine Bitte gilt aber weiterhin.“

„Ich verstehe, dass meine Grenze dir nicht gefällt, aber ich muss mich in meiner Beziehung sicher fühlen. Und Grenzen helfen mir, mich sicher zu fühlen.“

Austesten

Das tun Kinder oft (es ist Teil ihrer Entwicklung zur Eigenständigkeit), Erwachsene aber auch. Sie haben Sie sehr wohl gehört, wollen aber herausfinden, wie weit Sie nachgeben. Angenommen, Kim sagt zu ihrer Freundin: „Ich kann dir nicht beim Umzug helfen.“ Kims Freundin fragt daraufhin: „Okay, wie sieht es mit nächster Woche aus?“ Die Freundin versucht damit herauszufinden, ob Kim flexibel ist. Falls Kim nun sagt: „Okay, nächste Woche“, sendet sie ihrer Freundin die klare Botschaft, dass ihre Grenze flexibel ist.

Das Austesten von Grenzen kann sich so anhören:

• „Da brauche ich ja nichts drauf zu geben.“

• „Ich werde dich einfach später noch mal fragen, ob du helfen kannst.“

So gehen Sie mit dem Austesten von Grenzen um

Beziehen Sie sich klar auf das Verhalten, das Sie sehen. Benennen Sie es: „Du testest gerade meine Grenzen aus.“ Äußern Sie, wie es sich für Sie anfühlt, wenn man Ihre Grenzen austestet. „Wenn du meine Grenzen nicht respektierst, fühle ich mich _____.“ Nennen Sie Ihre Grenze erneut. Wenn Sie Ihre Grenze erklären, geben Sie dem anderen Raum, Einwände gegen Ihre Bedürfnisse zu erheben. Da wir ja möchten, dass der andere sich wohlfühlt, besteht die Gefahr, dass wir uns unsere Grenze ausreden lassen. Tun Sie Ihr Bestes, um Ihre Grenze klar und deutlich mitzuteilen, ohne sie zu erklären, damit sie Ihnen nicht ausgeredet wird.

Ignorieren

Menschen ignorieren Grenzen auf passiv-aggressive Weise, um so zu tun, als hätten sie sie nicht gehört. Aber Grenzen sollten respektiert werden. Wenn Menschen unsere Bitten ignorieren, staut sich Groll an. Mit der Zeit untergräbt das den Respekt in der Beziehung.

Kim sagt: „Ich kann dir nicht beim Umzug helfen.“ Zwei Tage später fragt Kims Freundin: „Wann kannst du mir dieses Wochenende beim Umzug helfen kommen?“ Kim hat nun mehrere Optionen: Sie kann ihre Grenze noch einmal nennen, sie kann einwilligen und ihrer Freundin helfen oder sie kann nicht zum Umzug kommen. Kim könnte mit Bestimmtheit sagen: „Ich hatte dir vor zwei Tagen gesagt, dass ich dir nicht beim Umzug helfen kann.“ Wenn sie sich nicht traut, ihre Grenze noch einmal zu nennen, wird sie ihrer Freundin wahrscheinlich am Ende doch beim Umzug helfen, und ihre Freundin wird wahrscheinlich die nächste Grenze ignorieren, die Kim zu setzen versucht.

Das Ignorieren von Grenzen kann so aussehen:

• Der andere tut trotz Ihrer Grenze, was er will.

• Der andere handelt so, als hätte er Ihre Grenze falsch verstanden.

So gehen Sie mit Ignorieren um

Nennen Sie Ihre Grenze erneut. Bitten Sie den anderen zu wiederholen, was Sie gesagt haben. Betonen Sie, wie wichtig es ist, dass die Veränderung dauerhaft ist. „Ich brauche das auch in künftigen Situationen.“ Reagieren Sie auf Ignorieren sofort, wenn Sie dieses Problem bemerken. Falls nicht, wird die Grenze sich in Luft auflösen.

Rationalisieren und Infragestellen

Da Sie in der Vergangenheit immer Verhaltensweisen akzeptiert haben, die Sie jetzt unangemessen finden, werden andere Rückfragen stellen, um ihr eigenes Verhalten als unproblematisch darzustellen.

In diesem Szenario reagiert Kims Freundin mit bohrenden Fragen: „Warum kannst du mir denn nicht beim Umzug helfen? Ich würde dir genauso helfen.“ Fragen wie diese sind schwierig zu beantworten. Es ist verlockend, um Entschuldigung oder Verzeihung zu bitten. Aber es ist nicht hilfreich zu sagen, dass es Ihnen leid tut, eine Grenze zu setzen. Denken Sie daran, dass Menschen davon profitieren, dass Sie keine Grenzen haben. Sie müssen auf sich selbst achtgeben – Entschuldigungen braucht es dafür keine. Natürlich können andere Ihren Sinneswandel infrage stellen, wenn Sie bisher immer etwas getan haben, das Sie jetzt nicht mehr tun möchten. Es ist völlig in Ordnung, ihnen mitzuteilen, dass Sie Ihre Meinung geändert haben oder das Arrangement jetzt nicht mehr für Sie funktioniert.

Rationalisieren und Infragestellen kann sich so anhören:

• „Warum verlangst du von mir, mich zu ändern?“

• „Welchen Sinn hat es, das jetzt anders zu machen?“

So gehen Sie mit Rationalisieren oder Infragestellen um

Achten Sie darauf, sich nicht zu erklären. Fassen Sie sich bei Ihrer Antwort kurz und sagen Sie so etwas wie: „Das ist so gesünder für mich.“ Wenn Sie zu viel sagen, geraten Sie in ein Tauziehen, bei dem es hin und her geht.

Abwehrhaltung

Dazu kommt es, wenn Menschen sich angegriffen fühlen. Eine klare Wortwahl hilft, Abwehrreaktionen zu minimieren. Manche Menschen reagieren allerdings immer abwehrend, egal, wie Sie Ihre Erwartungen und Wünsche formulieren. Sie lenken das Thema defensiv wieder auf Sie zurück, weil sie nicht im Unrecht sein wollen.

In dieser Situation sagt Kims Freundin: „Es ist ja nicht so, als würde ich jeden Tag umziehen, aber wenn du mir nicht helfen willst, bitte, dann halt nicht.“ Defensive Menschen hören nicht zu, während Sie sprechen; sie personalisieren, was Sie sagen, und feilen an einer Antwort. Ihre Antwort hat wesentlich mehr mit ihnen selbst zu tun als mit Ihnen. Es geht diesen Menschen nur darum, ihre Bedürfnisse erfüllt zu sehen und sich gegen eine veränderte Dynamik zu sperren. Aber gesunde Beziehungen sind nicht einseitig. Die Bedürfnisse beider Individuen sind gleich wichtig.

Eine Abwehrhaltung kann so aussehen:

• Der andere dreht Ihre Bitte um und richtet eine Bitte an Sie.

• Der andere erklärt, warum er etwas getan hat.

• Der andere beschuldigt Sie, ihn anzugreifen.

• Der andere nennt etwas, das Sie in der Vergangenheit getan haben, als Richtwert für Ihre Bitte.

So sprechen Sie mit Menschen, die sich abwehrend verhalten:

• Sprechen Sie nur von sich, nicht von ihrem Gegenüber. Verwenden Sie Ich-Botschaften.

• Sprechen Sie immer nur über ein Thema gleichzeitig.

• Sprechen Sie, wenn Sie Ihre Grenze mitteilen, nicht über alte Probleme, die Sie mit dem anderen hatten.

• Verwenden Sie Gefühlsbezeichnungen, zum Beispiel: „Wenn du ____,____fühle ich mich ________.“