Grundeinkommen statt Urheberrecht? - Ilja Braun - E-Book

Grundeinkommen statt Urheberrecht? E-Book

Ilja Braun

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Beschreibung

Das Urheberrecht ist im Digitalzeitalter in eine fundamentale Krise geraten. Dabei ist Kreativität in der immateriellen Ökonomie der wesentliche Wertschöpfungsfaktor geworden. Doch wer ist heute kreativ, und wer eignet sich die Gewinne an? Kann das bedingungslose Grundeinkommen eine Antwort auf diese Krise geben? Ilja Brauns Essay ordnet die unübersichtliche Debatte über das Urheberrecht und weist Wege aus der Prekarisierung von Kreativarbeit.

Geistiges Eigentum und freies Wissen – zwischen diesen beiden Polen hat sich die Debatte um das Urheberrecht im Digitalzeitalter eingependelt. Dabei geht es längst um viel mehr: Kreativität ist der wesentliche Produktivfaktor in einer zunehmend auf immaterielle Wertschöpfung ausgerichteten Ökonomie. Unternehmen erwirtschaften ihre Gewinne mit »Innovationen« und »Ideen«. Doch was geben sie dafür an die Kreativschaffenden zurück?

Ilja Brauns Essay ordnet die unübersichtliche Debatte über das Urheberrecht. Dabei nimmt er von der Kulturflatrate bis zur Idee einer öffentlich-rechtlichen Produktionsfinanzierung die wichtigsten Lösungsansätze kritisch in den Blick, um schließlich den Bogen zur Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen zu schlagen. Kann es eine Antwort auf die digitale Krise des Urheberrechts und die Demokratisierung der Kreativität sein?

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Seitenzahl: 267

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Geistiges Eigentum und freies Wissen – zwischen diesen beiden Polen hat sich die Debatte um das Urheberrecht im Digitalzeitalter eingependelt. Dabei geht es längst um viel mehr: Kreativität ist der wesentliche Produktivfaktor in einer zunehmend auf immaterielle Wertschöpfung ausgerichteten Ökonomie. Unternehmen erwirtschaften ihre Gewinne mit »Innovationen« und »Ideen«. Doch was geben sie dafür an die Kreativschaffenden zurück?

Ilja Brauns Essay ordnet die unübersichtliche Debatte über das Urheberrecht. Dabei nimmt er von der Kulturflatrate bis zur Idee einer öffentlich-rechtlichen Produktionsfinanzierung die wichtigsten Lösungsansätze kritisch in den Blick, um schließlich den Bogen zur Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen zu schlagen. Kann es eine Antwort auf die digitale Krise des Urheberrechts und die Demokratisierung der Kreativität sein?

Ilja Braun, freier Autor und Journalist, hat als Lektor und Literaturübersetzer für Buchverlage gearbeitet, für das Urheberrechtsportal iRights.info geschrieben und am Deutschen Bundestag die Arbeit der Enquete-Kommission »Internet und digitale Gesellschaft« begleitet. Er gehört der Redaktion des Medienmagazins CARTA an und pendelt zwischen Köln und Berlin.

WWW: www.iljabraun.de

Ilja Braun

Grundeinkommen statt Urheberrecht?

Zum kreativen Schaffen in der digitalen Welt

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

eBook transcript Verlag, Bielefeld 2014

© transcript Verlag, Bielefeld 2014

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen.

Covergestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld

Korrektorat: Tabea Koepp, Bielefeld

Konvertierung: Michael Rauscher, Bielefeld

ePUB-ISBN: 978-3-7328-2680-3

http://www.transcript-verlag.de

Inhalt

Dank

Einleitung

1. Cardillacs Erben

Kreative Krämerseelen

Aus dem Geiste der Romantik

Urheberrecht und Copyright

Champagner aus Gehirnschalen

Angemessene Vergütung und Vertragsfreiheit

2. Der Wert der Kreativität

That unprosperous race of men called men of letters

Aneignung durch Leistung

Respekt vor der Leistung

Respekt vor der Eigentumsordnung

Kunst und Markt

3. Neue Geschäftsmodelle statt veralteten Urheberrechts?

Mehr Markterfolg für alle

Selbstvermarktung

Neue Geschäftsmodelle

Der Unterschied zwischen Künstlern und Unternehmern

4. Von Qualitätsklassen, Mehrwertdiensten und Premium-Content

Die Flatrate-Falle

Das Ende der Netzneutralität

Zweiseitige Märkte

Cui bono?

5. Urheberrecht und Datenschutz

Öffentlichkeit und Privatsphäre

Haste was, dann biste was: bürgerliches Privateigentum

Urheberrecht und Datenschutz

Daten als Treibstoff der Netzökonomie

Zwischen Traum und Tat

6. Kampfbegriff geistiges Eigentum

Knapp vorbei?

Ostrom reloaded

Enclosure of the commons

Das Ende des Eigentums?

Verwertung

Das neue DRM

Weg von der Distributionsebene

7. Kulturflatrate: Bezahlsystem, Vergütungsmodell oder Gesellschaftsvertrag?

Die Kulturflatrate

Berechnungsmodelle

Entkriminalisierung und Kompensation

Marktversagen

Vergüten statt verfolgen

Die CCC-Kulturwertmark

Abkehr von der Nutzung als Grundlage der Vergütung

Umverteilung

Flattr reloaded?

Sharing – Kultur jenseits des Marktes

Verteilungsfragen

8. Ein öffentlich-rechtliches Internet

Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunkfonds

Fondsmodell für Netzinhalte

Das AG-DOK-Modell

Mehr Geld fürs Netz

Öffentlich-rechtlich neu denken

Noch eine Zwangsgebühr?

Chance für Kreative

Geräteabgaben

Gedankenspiele

9. Wie weit reicht das Urheberrecht?

Verrechtlichung

Die Grenzen des Vertragsrechts

10. Bedingungsloses Grundeinkommen

Wer, wie, was, warum?

Incentives

Nonmarket peer-production

Wikinomics

Mehr Reichtum, weniger Arbeit

Kreative Arbeit und Grundeinkommen

Ausblick

Literatur (Auswahl)

Dank

Für Anmerkungen zum Manuskript danke ich Constanze Brockmann, Leonhard Dobusch, Claudia Jünke, Jan Valk und Michael Volkmer.

Berlin, im Dezember 2013

Einleitung

»[…] ist Armut an sich noch keineswegs rebellisch. […] so gehört jedenfalls ein ziemlich geheimnisvoller Antrieb dazu, revolutionär zu sein. Er stammt nie aus der Armut allein, die ihn oft verdeckt, sondern aus einem Gefühl unbesessenen ›Besitzes‹, der einem zukommt […]«

Ernst Bloch, Spuren[1]

Wenn das Urheberrecht sich im Internet nicht mehr durchsetzen lässt, wovon sollen Kreativschaffende dann in Zukunft leben?

Das ist natürlich eine rhetorische Frage. Sie wird in der Regel von Leuten gestellt, die durchaus nicht bereit sind, sich mit der eigenen Diagnose abzufinden. Sondern im Gegenteil erreichen wollen, dass das Urheberrecht im Internet besser durchgesetzt wird. Von Leuten also, die keine Antwort suchen, sondern die Frage loswerden wollen.

In den letzten zwei Jahren hat in Deutschland eine große Urheberrechtsdebatte stattgefunden. Ihren Höhepunkt erreichte sie im Mai 2012 mit einem in der ZEIT veröffentlichten Aufruf von mehr als 100 Autoren. Unter dem trotzigen Titel »Wir sind die Urheber« protestierten diese gegen die vermeintlichen »öffentlichen Angriffe gegen das Urheberrecht«.[2] Sie hatten dabei vermutlich vor allem die Forderungen der Piratenpartei im Sinn, die gerade ein vorübergehendes Stimmungshoch erreicht hatte.

Wie fast jede mediale Debatte ist auch diese gänzlich folgenlos geblieben. Die von manchen erhoffte und von vielen gefürchtete radikale Reform des Urheberrechts ist ausgeblieben. Und die patzige Frage, wovon denn Kreative bitteschön leben sollen, wenn nicht von ihrem Urheberrecht, ist unbeantwortet geblieben. Zu Recht, meinen jene, die sich mit ihr konfrontiert sahen. Schließlich habe niemand je die Abschaffung des Urheberrechts gefordert. Und warum soll man sich mit einer Frage beschäftigen, die man hingeworfen bekommt wie einen Fehdehandschuh?

Zugegeben, ideologische Grabenkämpfe führen zu nichts. Aber an sich hat die Frage durchaus eine Antwort verdient. Denn tatsächlich können die meisten Kreativen von ihrem Urheberrecht heutzutage nicht leben.

Konnten sie es je? Wenn man sich die Zahlen zum Einkommen von Kreativschaffenden anschaut, die Jahr für Jahr von der Künstlersozialkasse veröffentlicht werden, muss man daran zweifeln. Das Durchschnittseinkommen der Künstler liegt diesen Zahlen zufolge seit Jahren bei rund 1.200 Euro im Monat. Hinzu kommt, dass dieses Einkommen sehr ungleich verteilt ist: Einer kleinen Gruppe von Spitzenverdienern steht eine große Schar von Habenichtsen gegenüber. Kulturelle Märkte sind Winner-takes-all-Märkte. Das liegt zwar nicht am Urheberrecht; das Urheberrecht ändert aber auch nichts daran.

In der medialen Debatte über das Urheberrecht war davon jedoch kaum die Rede. Vielmehr blieb diese fast ausschließlich auf eine Piraterie-Diskussion beschränkt, auf die Auseinandersetzung um illegale Tauschbörsen und eine vermeintliche »Gratismentalität« der Netzrezipienten. Obwohl kaum jemand, der sich mit dem Urheberrecht halbwegs auskennt, ernsthaft behaupten wird, Internetpiraterie sei die Wurzel der meist prekären Einkommensverhältnisse von Kreativschaffenden.

Es ist an der Zeit, über diese fruchtlose Diskussion hinausdenken. Die Vergütung Kreativschaffender wird mittlerweile von allen Seiten als unbefriedigend empfunden, von Verwertern ebenso wie von Urhebern und mittlerweile auch von Nutzern. Es stellt sich daher die Frage, ob es für dieses Problem nicht eine andere Lösung geben sollte als das Urheberrecht. Können Künstler in der digitalen Welt ihr Glück als Selbstvermarkter finden? Helfen vielleicht neue Vergütungsmodelle wie die Kulturflatrate? Oder brauchen wir ein öffentlich-rechtliches Internet?

Und was ist überhaupt eine »angemessene Vergütung« für Kreativschaffende? Geht es dabei um den bloßen Tauschwert? Um eine soziale Absicherung? Oder um einen »Wert der Kreativität«, der in irgendeiner Weise jenseits von marktwirtschaftlichen Erwägungen bestimmt werden müsste?

Das Urheberrecht war zweifellos eine emanzipatorische Errungenschaft. Es war dazu gedacht, die Unabhängigkeit und Freiheit des einzelnen Kreativen abzusichern. Diesen radikalen Anspruch hat es jedoch nie ganz einlösen können. Heute verstärkt es oftmals gerade die Abhängigkeit der Kreativen von tradierten Verwertungsstrukturen, statt ihre Autonomie zu sichern.

Die zeitgemäße Antwort auf dieses Versagen des Urheberrechts ist die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen. Dabei geht es nicht um eine Sozialabspeisung prekärer Existenzen, die mit dem Kopf in den Wolken leben. Und erst recht nicht darum, Angehörigen des ohnehin schon stark subventionierten Kulturbetriebs weitere Privilegien zu sichern. Sondern um die Anerkennung der Kreativität als herausragenden Produktivfaktor in unserer Gesellschaft. Um general intellect. Und deshalb letztlich auch um Umverteilung.

Anmerkungen

1 | Ernst Bloch: Spuren. FfM.: Suhrkamp 1985, S. 29.

2 | www.zeit.de/2012/20/Aufruf-Urheberrecht

1. Cardillacs Erben

Abstract

Sichert das Urheberrecht den Kreativen eine angemessene Vergütung? Stellt es eine Garantie dafür dar, dass sie von ihrer Arbeit ihren Lebensunterhalt bestreiten können? Nur weil der Urheber an den Produkten seiner Arbeit ein »geistiges Eigentum« besitzt, kann er diese verkaufen. Nur weil er gefragt werden muss, bevor seine Arbeit verwertet werden darf, kann er für seine Leistung eine angemessene Gegenleistung verlangen.

Entstanden ist das Urheberrecht aus dem Geist der Romantik. Der Schöpfer soll eine weitreichende Verfügungsgewalt über sein Werk haben. Warum können die meisten Urheber dann von ihrer Arbeit trotzdem nicht leben?

Weil das Einkommen, das Urheber erzielen können, davon abhängt, wie viel die Rechte an ihren Werken auf dem Markt wert sind. Das Urheberrecht selbst ist zwar unübertragbar, die Verwertungsrechte jedoch werden gehandelt wie andere Waren auch. Wie gut oder schlecht Urheber von ihrer Arbeit leben können, hängt also nicht vom Urheberrecht ab, sondern davon, wie gut oder schlecht die jeweiligen Verträge sind, die sie unterzeichnen.

Wovon bezahlen Künstler ihre Miete? Wie bestreiten Kreativschaffende ihren Lebensunterhalt? »Armut ist ein großer Glanz aus Innen«, heißt es bei Rilke, und das Spitzwegsche Bild vom »Armen Poeten«, der in seinem unbeheizten Dachkämmerchen friert, hat sich tief ins kulturelle Bewusstsein eingebrannt. Einer verbreiteten Auffassung zufolge müssen Künstler sogar arm sein, denn wer satt und zufrieden ist, wird eher faul und träge. Not macht hingegen erfinderisch. Also ist ein leerer Magen gut für die Kreativität.

Es gibt aber auch die gegenteilige Auffassung, die moderner daherkommt, aber kaum weniger romantisch ist. Ihr zufolge sichert das Urheberrecht den Künstlern ihr Einkommen. Es sorgt dafür, dass sie nicht vom Wohlwollen irgendwelcher Mäzene abhängig sind, sondern für ihre Arbeit Geld verlangen, die Produkte ihrer Arbeit verkaufen können. Also stellt das Urheberrecht die Lebensgrundlage der Künstler dar.

Auch diese Auffassung verdankt sich indes nicht einer Analyse der tatsächlichen Lebensbedingungen von Kreativschaffenden. Denn formal gesehen, sind sie alle vom Urheberrecht geschützt. Tatsächlich sichert es den allermeisten von ihnen jedoch keineswegs das Überleben. Im Gegenteil, die meisten Künstler bleiben Hungerleider, die sich mehr schlecht als recht durchschlagen. Die jährlich veröffentlichten Zahlen der Künstlersozialkasse, also der staatlichen Kranken- und Rentenversicherung für Kreative, sprechen da eine deutliche Sprache. Sie veranschlagen das Durchschnittseinkommen aus künstlerischer oder publizistischer Tätigkeit mit schöner Regelmäßigkeit bei etwa 1.200 Euro im Monat, schon seit Jahren. Irgendetwas scheint da mit dem Urheberrecht nicht zu stimmen.

Kreative Krämerseelen

Die Geschichte von der Geburt des Urheberrechts aus dem Geiste der Emanzipation ist bis heute seine wesentliche Legitimationserzählung. Und sie hat historisch durchaus ihre Richtigkeit. Kunst und Kultur haben im Barock noch eine Art Aufhübschungsfunktion, sollen den fürstlichen Ruhm mehren oder die Herrschenden amüsieren. Maler malen repräsentative Portraits der Herrschenden, Musiker komponieren die Musik für höfische Feste. Die Vorstellung einer Kunst, die keine dienende Funktion hätte, gibt es noch nicht.

Das ändert sich mit dem Entstehen der bürgerlichen Gesellschaft. Die Bürger bauen sich als Kaufleute und Handeltreibende eine eigene Existenz auf, befreien sich von der Bevormundung durch den Adel. Eine wesentliche Rolle spielt dabei das bürgerliche Privateigentum. Während der Bauer, der auf dem Acker seines Lehnsherrn arbeitet, unfrei ist, weil er über die Mittel zur Erwirtschaftung seiner Existenzgrundlagen nicht selbst verfügt, wird der Bürger zum freien Mann, weil er eigenen Besitz hat, mit dem er handeln kann. Die Zugehörigkeit zur bürgerlichen Klasse ist ohne privates Eigentum nicht denkbar.

Im selben Maße, wie die junge, aufstrebende Klasse an Selbstbewusstsein gewinnt, befreit sich auch die Kunst von den Fesseln der Hofkultur. Während also die Bürger sich eine Sphäre der Freiheit und Unabhängigkeit von der Herrschaft der Fürsten erkämpfen, erringen die Kreativen eine Freiheit von der Unterwerfung ihres Schaffens unter die Zwecke der Repräsentation. Wie die Unabhängigkeit des Bürgertums darauf beruht, dass die Sphäre des Wirtschaftens und Handelns dem Zugriff der Machthaber entzogen bleibt, so basiert die neu gewonnene Unabhängigkeit der Künstler auf deren Autonomie, die ihnen der Markt garantiert. Mit der Entstehung eines bürgerlichen Lesepublikums entsteht auch die Grundlage für ein »freies«, unabhängiges Schriftstellertum.

Wie sein großer Bruder, der Kaufmann, so hat auch der kleine Künstler sein Eigentum, eben sein geistiges Eigentum. Es gehört von Natur aus ihm, da er es aufgrund seiner eigenen Leistung geschaffen, es sich erarbeitet hat. Und wie bei seinem Sacheigentum, so hat er auch beim geistigen Eigentum das Recht, Dritte von dessen Nutzung auszuschließen – oder eben Geld dafür zu verlangen.

Über den Begriff des geistigen Eigentums wird im Zusammenhang mit dem Urheberrecht derzeit viel gezankt. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass geistiges Eigentum nicht dasselbe sei wie Sacheigentum. Auch sei der Begriff eine sehr junge Erfindung. Das ist beides richtig, schließlich ist das Konzept des bürgerlichen Privateigentums ohnehin noch sehr jung. Und doch ist es dieser moderne Eigentumsbegriff, den wir in aller Regel als den unseren verstehen.

Eigentumsrechte sind das A und O einer Marktwirtschaft. Aber wenn Eigentum auf einem Markt gehandelt wird, also ständig den Besitzer wechselt, woher weiß man dann eigentlich, was gerade wem gehört? Bei materiellen Gegenständen scheint das ganz einfach: Man nimmt an, dass sie Eigentum desjenigen sind, in dessen Besitz sie sich befinden. Doch selbst dieser Anschein kann trügerisch sein. Zum Beispiel gehören viele Häuser nicht denen, die drin wohnen. Deshalb gibt es zum Beispiel für Häuser Grundbucheinträge, die als juristischer Beweis für das Eigentum gelten.

Bei unkörperlichen Dingen wie etwa den Produkten geistiger Leistungen ist es noch schwieriger. Wem gehört zum Beispiel die Melodie eines Liedes? Oder der Text, der in einem Buch abgedruckt ist? Die Gedanken sind bekanntlich frei, und der Besitz des Buchs zeigt gerade nicht das geistige Eigentum an dem darin gedruckten Text an. Man weiß ja beim Hören oder Lesen nicht, wer das Werk komponiert oder geschrieben hat. Um zu entscheiden, wem das Werk gehört, braucht man eine juristische Konstruktion wie das Urheberrecht. Das Urheberrecht ist also in seinem Kern dazu da, Eigentumsrechte zuzuweisen. Es ist ein Zuordnungsprinzip.

Wie das Eigentum an Sachen, so musste allerdings auch das Eigentum an immateriellen Gütern erst hergeleitet und begründet werden. Und zwar durchaus nicht, wie häufig behauptet wird, wegen der Unterschiede zum Sacheigentum, sondern gerade wegen der Gemeinsamkeiten. Es scheint uns heute so selbstverständlich, dass wir oft nicht mehr darüber nachdenken, aber natürlich ist es keineswegs gottgegeben, dass das, was sich jemand ausdenkt, ihm auch als sein Eigentum gehört.

Dahinter steht eine aufklärerische Haltung. Schöpfertum war bis zur Aufklärung etwas Religiöses. Gott hatte die Welt geschaffen, und Inspiration war dort, wo sie eine Rolle spielte, etwa bei Mönchen, eine göttliche Gabe, keine eigene Leistung. Kunst definierte sich durch die möglichst vollkommene Erfüllung vorgegebener Regeln. So sind auch die normativen Vorschriften aus der Poetik des Aristoteles zu verstehen. Dieser hatte die Bedeutung der imitatio betont: Dramatiker sollten echte Menschen so nachbilden, dass die Handlung möglichst wahrscheinlich wirkte. Darunter wurde zwar kein realistisches Abbild der Wirklichkeit verstanden, aber eben doch ein Abbild, keine eigene Neuschöpfung. Und natürlich hatten die Griechen keinerlei Begriff von einem Eigentum des Dichters an seinen Epen oder Dramen. Diese waren Kult oder Geschichtsschreibung, sie standen im Dienst der Gemeinschaft.

Auch zu Zeiten, als die Kunst noch im Dienst der Fürstenhöfe stand, gab es eine solche Vorstellung nicht. Hofdichter wurden bezahlt, aber nicht dafür, dass sie mit den Fürsten Lizenzverträge abgeschlossen hätten. Übrigens auch nicht für ihre Arbeitszeit. Künstler waren Dienende, und die Kunst war auch eine dienende. Sie erfüllte klar definierte Funktionen und hatte keine individuelle Komponente. Sie musste sich an Regeln halten, die genauso starr waren wie die fürstliche Etikette selbst. Dies wirkt noch in die Kunsttheorie der Aufklärung hinein. Nachahmung der Wirklichkeit und die Beherrschung des eigenen Handwerks nach allen sprichwörtlichen »Regeln der Kunst« stehen hier am Anfang der Poetik.

Aus dem Geiste der Romantik

Im 18. Jahrhundert findet dann eine architektonische Verschiebung statt, die Jochen Schmidt in seiner »Geschichte des Geniegedankens« ausführlich beschrieben hat (Schmidt 1985). Die Wahrscheinlichkeitsregel, die bei Aristoteles den Maßstab für die Qualität der Nachahmung darstellt, wird immer mehr gegen den Strich gelesen, um immer größere Freiräume herauszuschinden. Wenn etwas nur »wahrscheinlich« zu sein braucht, braucht es ja gerade keine Abbildung zu sein, keine bloße Kopie. Die Vorgabe der Nachahmung wird immer mehr in Richtung schöpferischer Freiheit ausgedehnt.

»Hier sitz ich, forme Menschen nach meinem Bilde«, lässt Goethe seinen Prometheus sprechen. Der Mensch nimmt für sich in Anspruch, was bis dato Gott vorbehalten war: Schöpfer zu sein. Bei Goethe ist dies noch aufklärerisch gedacht, doch wenig später wird das autonome Ich zum romantischen Genie. Das Schöpfertum wird zwanghaft und nähert sich dem Wahnsinn an, der in der Romantik selbst literaturfähig, ja zum bevorzugten literarischen Sujet wird.

1810 tritt in Baden das erste deutsche Urheberrechtsgesetz in Kraft, ausgestaltet nach französischem Vorbild. Der Schutz der Werke ist beschränkt auf die Lebenszeit des Autors, also nur etwa halb so lang wie heute in Europa. 1820 veröffentlicht E.T.A. Hoffmann seine Novelle »Das Fräulein von Scuderi«.

Sie spielt am Hof von König Ludwig XIV. Eine Serie rätselhafter Morde erschüttert die Stadt. »Die Ermordeten, wie sie beinahe jeden Morgen auf der Straße oder in den Häusern lagen, hatten alle dieselbe tödliche Wunde. Einen Dolchstich ins Herz, nach dem Urteil der Ärzte so schnell und sicher tötend, daß der Verwundete, keines Lautes mächtig, zu Boden sinken mußte.« Und immer handelt es sich um junge Adlige, die auf dem Weg zu ihrer Geliebten sind, mit wertvollem Schmuck in der Tasche, auf den der Mörder es offenbar abgesehen hat. Die jungen Adligen wenden sich an den König, der für eine Verstärkung der Polizei sorgen soll. Doch dessen Hofdichterin, das Fräulein von Scuderi, rät ihm ab. »Un amant qui craint les voleurs, n’est point digne d’amour«, meint sie. Ein Liebhaber, der die Diebe fürchtet, ist der Liebe unwürdig.

Kurze Zeit später wird der Scuderi zu ihrer Überraschung ein Kästchen überbracht, das ein kunstvolles Geschmeide enthält – und eine Dankesbotschaft des Mörders. Ein makaberer Scherz? Die Scuderi trägt das Schmuckkästchen zur Marquise, welche erkennt, dass es sich um eine Arbeit des berühmten Goldschmieds René Cardillac handeln muss. Um zu erfahren, wessen Eigentum das geraubte Schmuckstück sei, wird dieser an den Hof zitiert. Er gibt an, das Schmuckstück, das aus seiner Werkstatt entwendet worden sei, nur für sich selbst geschaffen zu haben. Doch bittet er die Scuderi, sie möge es behalten, da er bei der Arbeit stets nur an sie gedacht habe. Obwohl ihr die Sache unheimlich ist, nimmt sie das Geschenk an.

Wenig später erfährt sie vom Tod des Goldschmieds, der angeblich von seinem Gesellen Olivier ermordet wurde. Dieser bittet jedoch um eine Audienz bei der Scuderi und enthüllt ihr, wie es sich wirklich zugetragen hat. Cardillac selbst war der Mörder, und sein Motiv bestand darin, die edlen Schmuckstücke, die er angefertigt hatte, wieder in seinen Besitz zu bringen. Er konnte es nicht ertragen, dass Fremde, die ihren wahren Wert nicht erkennen, sich zu gesellschaftlichen Anlässen mit ihnen schmückten. Der letzte Mord Cardillacs sei aber misslungen, da das Opfer, ein junger Offizier, sich zur Wehr gesetzt und schließlich Cardillac selbst getötet habe. Er, Olivier, habe lediglich die Leiche bergen wollen und werde nun verdächtigt.

Da diese Version schließlich von dem jungen Offizier selbst bestätigt wird, kann das Fräulein von Scuderi den König von der Unschuld Oliviers überzeugen, der so vor der Hinrichtung bewahrt wird und mit seiner jungen Geliebten nach Genf ziehen kann.

Der Goldschmied Cardillac ist von E.T.A. Hoffmann eindeutig als Künstlerfigur angelegt, wie die Beschreibung seiner Tätigkeit zeigt: »[O]ft, war die Arbeit beinahe vollendet, mißfiel ihm plötzlich die Form, er zweifelte an der Zierlichkeit irgendeiner Fassung der Juwelen, irgendeines kleinen Häkchens – Anlaß genug, die ganze Arbeit wieder in den Schmelztiegel zu werfen und von neuem anzufangen. So wurde jede Arbeit ein reines, unübertreffliches Meisterwerk, das den Besteller in Erstaunen setzte. Aber nun war es kaum möglich, die fertige Arbeit von ihm zu erhalten. Unter tausend Vorwänden hielt er den Besteller hin von Woche zu Woche, von Monat zu Monat. […] Mußte er dann endlich dem Andringen des Bestellers weichen und den Schmuck herausgeben, so konnte er sich aller Zeichen des tiefsten Verdrusses, ja einer innern Wut, die in ihm kochte, nicht erwehren.«

Cardillac kann es nicht ertragen, dass seine Schmuckstücke zur Ware werden, dass er sich von ihnen trennen und sie veräußern muss. Der Künstler, der sein Innerstes in sein Werk hineingelegt hat, kann sich nicht mehr davon lösen, auch wenn die Arbeit längst bezahlt ist, das Werk das Atelier längst verlassen hat. Trotz des Verkaufs gehört es in einem inneren Sinne noch immer ihm. »Da geschah es, daß Cardillac plötzlich alle Munterkeit verlor. Er schlich trübe umher, starrte vor sich hin, murmelte unverständliche Worte, focht mit den Händen, Feindliches von sich abwehrend, sein Geist schien gequält von bösen Gedanken. So hatte er es einen ganzen Morgen getrieben.« Erst mit dem Raubmord, durch den er den kunstvollen Schmuck wieder in seinen Besitz bringt, lässt diese innere Unruhe nach.

Dass die kunstvollen Geschmeide Teil des gesellschaftlichen Lebens werden, degradiert zur bloßen Zierde am Hals der Damen, die die höfischen Feste besuchen, ist ihrem Schöpfer ein Stachel im Fleisch. Die Genialität des künstlerischen Strebens erweist sich als unvereinbar mit der sozialen Funktion, die der Schmuck in der weltlichen Sphäre hat. »Das genial-autonome Schaffen ist weltlos und so darf und kann die Welt keinen Anteil daran haben«, schreibt Jochen Schmidt (Schmidt 1985: Bd. 2, 37). Der Antagonismus von Kunst und sozialer Wirklichkeit ist auf die Spitze getrieben. Die Freiheit des Künstlers in seinem Schaffen schlägt um in Schicksal, in einen Zwang, der ein Wiederholungszwang im ganz wörtlichen Sinne ist. Der Künstler will allein über sein Werk bestimmen.

Die Vorstellung genialen schöpferischen Schaffens aus dem Innersten der eigenen Persönlichkeit heraus ist hier vom Eigentum des Künstlers an seinem Werk nicht zu trennen. Im Gegenteil, der Geniegedanke rechtfertigt ein solches Eigentum überhaupt erst. Zugleich artikuliert die Novelle die typische Paradoxie der bürgerlichen Künstlerexistenz: dass die Freiheit des Geistes mit dem Zwang zusammenfällt, sich der Erzeugnisse zu entäußern, die dieser hervorbringt, sie als Waren auf einem Markt feilzubieten, um sich auf diese Weise den Lebensunterhalt zu sichern.

Mit seinem Leiden an dieser Paradoxie ist Cardillac der Prototyp des Urhebers. Nur aus der Geschichte des Genie-Gedankens heraus, der in dieser literarischen Figur seinen deutlichsten Vertreter findet, wird das kontinental-europäische Urheberrecht überhaupt verständlich. Und es ist erstaunlich, wie wirkmächtig dieses Denken bis heute ist. Der Kulturkampf um das Urheberrecht, auf der einen Seite von Verteidigern des geistigen Eigentums, auf der anderen Seite von Reformen und Netzaktivisten geführt, ist nicht zuletzt auch ein Kampf um den romantischen Geist des Urheberrechts.

Niedergeschlagen hat sich dieser Geist auch im Gesetzestext: »Das Urheberrecht schützt den Urheber in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk und in der Nutzung des Werkes«, heißt es in § 11. Aus diesem Leitbild werden unmittelbar die sogenannten Urheberpersönlichkeitsrechte hergeleitet, die konkretisieren, wie weit der Schutz reicht. So kann der Urheber sich etwa gegen Entstellungen seines Werks zur Wehr setzen oder dagegen, dass sein Name nicht genannt wird. Er kann unerwünschte Bearbeitungen verbieten, und vor allem kann er einzig und allein darüber bestimmen, in welcher Weise das Werk verwendet werden darf.

Die Urheberpersönlichkeitsrechte begründen auch, warum das Urheberrecht in Deutschland grundsätzlich nicht übertragbar ist. Es wird davon ausgegangen, dass die Verbindung des Künstlers zu seinem Werk so eng ist, dass ihm nicht zugemutet werden kann, sich vollständig davon zu trennen. Er kann einem anderen lediglich Nutzungsrechte an seinem Werk einräumen. Grundsätzlich gehört es aber immer ihm, bleibt sein unveräußerliches Eigentum.

Urheberrecht und Copyright

Im kontinental-europäischen Urheberrecht steht der Urheber stets im Mittelpunkt. Er darf entscheiden, zu welchen Bedingungen sein Werk von wem genutzt werden darf. Die Nutzer haben keine originären Rechte, sondern kommen nur dort zum Zuge, wo das Recht des Urhebers ausnahmsweise ein bisschen eingeschränkt ist. Man spricht hier von sogenannten »Schrankenregelungen«, mit denen beispielsweise Nutzungen im Bereich von Wissenschaft und Forschung privilegiert werden.

Durch seine Ausrichtung auf die Persönlichkeit des Urhebers unterscheidet das Urheberrecht kontinentaleuropäischer Prägung sich grundsätzlich vom anglo-amerikanischen Copyright. Wie der Name schon sagt, ist das Copyright weniger ein Recht des Urhebers als des Nutzers. Es geht nicht vom Akt der Schöpfung aus, sondern von der Handlung des Kopierens. Ihm geht es eher darum, welche Funktion das Recht in der Gesellschaft hat. Dies wird deutlich in einer Rede, die Thomas Babington Macaulay, der spätere Lord Macauly, am 5. Februar 1841 vor dem englischen Parlament gehalten hat:

»The advantages arising from a system of copyright are obvious. It is desirable that we should have a supply of good books; we cannot have such a supply unless men of letters are liberally remunerated; and the least objectionable way of remunerating them is by means of copyright. You cannot depend for literary instruction and amusement on the leisure of men occupied in the pursuits of active life. Such men may occasionally produce compositions of great merit. But you must not look to such men for works which require deep meditation and long research. Works of that kind you can expect only from persons who make literature the business of their lives. Of these persons few will be found among the rich and the noble. The rich and the noble are not impelled to intellectual exertion by necessity. […] It is then on men whose profession is literature, and whose private means are not ample, that you must rely for a supply of valuable books. Such men must be remunerated for their literary labour. And there are only two ways in which they can be remunerated. One of those ways is patronage; the other is copyright.«[1]

Das Copyright ist nicht naturrechtlich begründet, sondern pragmatisch, funktional. Es soll dafür sorgen, dass der Gesellschaft auch weiterhin genügend Werke zur Verfügung stehen. Dies setzt voraus, so Macaulay, dass die Autoren mit ihrer Arbeit Geld verdienen können – zumindest, wenn es keine Mäzene gibt, die sie aushalten. Der Urheber bekommt deshalb ein zeitlich begrenztes Monopol auf die wirtschaftliche Verwertung seines geistigen Eigentums.

Das ist eine aus europäischer Sicht erstaunlich pragmatische Haltung. Es wird geradezu egoistisch aus Sicht der Gemeinschaft argumentiert. Im Mittelpunkt steht die Frage, welchen Nutzen die Gesellschaft aus dem künstlerischen Schaffen zieht. Es geht in erster Linie um den Zugang der Nutzer zu den Werken. Dieser Ansatz wird als utilitaristisch bezeichnet. Hingegen ist der europäische Begründungsansatz eher ein naturrechtlicher. Die Rechte des Urhebers an seinem Werk wachsen ihm aufgrund seiner persönlich-geistigen Beziehung zu diesem Werk zu. Das Publikum hat nicht viel mitzureden.

Verhandelt wird im Rahmen dieser unterschiedlichen Ansätze letztlich, was der Künstler der Gesellschaft schuldet und umgekehrt. Hat der Künstler ein naturgegebenes Recht an seinem Werk, weil er es aus sich selbst heraus geschaffen hat? Oder hat umgekehrt die Gesellschaft ein Recht, jedes künstlerische Werk so zu nutzen, wie es ihr sinnvoll erscheint, den eigenen Bedürfnissen entsprechend, unabhängig von den Intentionen und dem Willen des Künstlers? Es geht also um die Frage nach der Sozialpflichtigkeit von Kunst und Kultur. Oder allgemeiner ausgedrückt: um das Verhältnis des Einzelnen zur Gesellschaft. Was darf die Gesellschaft vom Einzelnen erwarten und umgekehrt? Wie viel Freiheit hat der Einzelne, und wo fängt die Freiheit der anderen an?

Sich ein Urheberrecht vorzustellen, das die größtmögliche Freiheit der Kreativen mit der größtmöglichen Freiheit der Gesellschaft im Umgang mit deren Werken verbinden würde, ist alles andere als leicht. Man könnte nun meinen, dass das kontinental-europäische Urheberrecht tendenziell urheberfreundlicher sei als das anglo-amerikanische Copyright. Denn das Copyright ist komplett übertragbar: Der Urheber kann alle Rechte an seinem Werk aus der Hand geben. Hingegen ist das Urheberrecht unveräußerlich. Bedeutet dies nicht, dass das Urheberrecht ein stärkerer Schutz ist?

Champagner aus Gehirnschalen

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns genauer ansehen, wie der Verkauf von geistigen Werken in der Praxis funktioniert. Normalerweise verkauft ein Autor nicht sein Manuskript an einen Leser, sondern er wendet sich an einen Verlag, dem er das Recht einräumt, dieses Manuskript als Buch zu drucken und zu verkaufen. Damit kommt eine dritte Instanz ins Spiel, der sogenannte Verwerter des Werks, der als Mittler zwischen dem Autor und dem Leser steht.

Verkauft der Autor also doch sein Urheberrecht an den Verlag? Nein, sondern er räumt diesem ein sogenanntes Nutzungsrecht ein, in diesem Fall also das Recht, das Werk zu drucken und im Buchhandel zu vertreiben. Das Urheberrecht ist nicht übertragbar, die daraus abgeleiteten Nutzungsrechte aber durchaus. Sie sind es, die verkauft werden wie andere Waren auch. Wenn wir also im Bezug auf das Urheberrecht von einem Markt sprechen, sprechen wir von einem Markt, auf dem Rechte gehandelt werden, nicht Bücher, Filme oder Musik-CDs. Wir sprechen auch nicht von einem Arbeitsmarkt, auf dem ein Künstler Geld für abgeleistete Arbeitsstunden bekommt. Ein Urheber erhält immer nur Geld dafür, dass er Nutzungsrechte an seinem Werk verkauft.

Obwohl also das Urheberrecht formal unübertragbar ist, gehören diese Rechte fortan nicht mehr ihm. Das ist nun einmal der Sinn von Warenhandel: Es geht dabei immer um eine Übertragung von Eigentum. Das Urheberpersönlichkeitsrecht verbleibt zwar beim Autor, aber er kann sich im wahrsten Sinne des Wortes nichts davon kaufen, es ist nur eine leere Hülle. Wirtschaftlich relevant sind allein die Verwertungsrechte, die nun dem Verlag gehören. Inwiefern der Verlag ihn an etwaigen Gewinnen beteiligt, die er mit dem Werk erzielt, hängt nicht vom Urheberrecht ab, sondern davon, wie stark die Verhandlungsposition des Autors bei der Vertragsunterzeichnung gewesen ist. Durch die Rechteübertragung ist der Verlag in die Position des Autors eingerückt. Das Urheberrecht schützt nun nicht mehr den Autor, sondern den Verwerter. Verlage, Labels, Contentportale, all diese sogenannten »Werkmittler« kommen nun also in den Genuss der Monopolrechte, die das Urheberrecht den Urhebern zugedacht hat.

In der öffentlichen Diskussion um das Urheberrecht wird oft davon ausgegangen, dass Werkmittler und Urheber dieselben Interessen hätten. Tatsächlich ist das nur begrenzt der Fall. Der Künstler, also der Autor, Komponist oder sonstige Kreativschaffende, hat natürlich ein Interesse daran, dass seine Arbeit wahrgenommen, also rezipiert wird. Er möchte, dass sein Werk sich möglichst weit verbreitet. Zugleich hat er ein Interesse, für seine Arbeit bezahlt zu werden. Der Verwerter hat hingegen das Interesse eines jeden Wirtschaftsunternehmens: Er möchte möglichst viel Gewinn machen. Das bedeutet, dass er möglichst hohe Einnahmen erzielen und zugleich seine Produktionskosten möglichst gering halten muss. Er hat also keinen Anlass, den Komponisten und Musikern, Programmierern und Autoren mehr zu bezahlen, als unbedingt nötig ist.

Verleger schlürfen aus den Hirnschalen ihrer Autoren Champagner, meinte einmal der Publizist Erich Kuby. (Das Zitat wird allerdings fälschlich oft Tucholsky zugeschrieben.) Das sehen Verleger naturgemäß anders, aber nicht nur sie. Auch die Autoren selbst betonen oft, wie vertrauensvoll sie mit ihren Verlagen zusammenarbeiten. Und es ist kein Zufall, sondern ein Ausdruck von Geschäftssinn, dass die meisten Autoren ihre Bücher nicht im Selbstverlag herausbringen, obwohl das mittlerweile leicht möglich ist, sondern sich für die Zusammenarbeit mit einem Verlag entschieden. Ähnlich im Musikbereich: Zwar kann jeder Künstler heute seine Musik leicht selbst veröffentlichen, aber, so geben Vertreter großer wie kleiner Musikunternehmen zu bedenken, wenn man wirklich Erfolg haben wolle, brauche man Profis für die Vermarktung. Selbst neue Finanzierungs- und Vermarktungsformen wie etwa Crowdfunding funktionieren letztlich besser, wenn man sich als Künstler von Profis helfen und beraten lässt – schon allein, um sich Arbeit zu sparen.

Viele Urheber kommen also mit ihren Vertragspartnern gut aus. Es kommt aber in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob das persönliche Verhältnis des Schriftstellers a zum Verlag b oder des Musikers x zum Label y gut oder schlecht ist. Und es geht auch nicht darum, ob es sich für den Einzelnen wirtschaftlich lohnt, mit einem Verwerter zusammenzuarbeiten, oder eher nicht. Sondern hier geht es um die Funktion von Verwertern und darum, welche Interessen sie haben. Dieselben wie die Urheber? Oder andere?

Unbestreitbar ist: Verwerter wollen Geld verdienen. Obwohl sie also gegenüber den Nutzern in diesem Punkt dasselbe Anliegen haben wie die Urheber, vertreten sie doch nicht deren Interessen, sondern ihre eigenen. Sie sind keine Treuhänder der Urheber, sondern deren Vertragspartner. Das ist ein Unterschied. Treuhänder verwalten fremdes Eigentum im besten Interesse derer, die es ihnen anvertraut haben. Sie handeln ohne eigene Gewinnerzielungsabsicht. Auch im Kulturbereich gibt es solche Treuhänder, beispielsweise die staatlich kontrollierten Verwertungsgesellschaften wie die VG WORT oder die GEMA. Diese bereichern sich nicht an den Einnahmen, die sie erzielen, sondern verwalten diese lediglich für die Urheberinnen und Urheber.[2] Sie handeln also nicht im eigenen wirtschaftlichen Interesse. Anders Plattenfirmen oder Verlage: Diese kaufen den Urhebern Nutzungsrechte ab, um sie möglichst profitabel zu verwerten, also Bücher zu drucken, CDs zu pressen oder Downloads an Endkunden zu verkaufen, und dabei möglichst viel Gewinn zu machen.

Das ist nicht an sich verwerflich. Und völlig legitim ist es auch, dass Verwerter einen Teil des Gewinns, den sie mit den Werken der Urheber erzielen, für sich behalten. Im Idealfall profitiert schließlich auch der Urheber von der Leistung des Verwerters. Das heißt aber nicht, dass beide dieselben Interessen hätten. Denn offenkundig konkurrieren sie letzten Endes um das Geld, das von den Rezipienten der Werke bezahlt wird. Je mehr davon beim Verwerter hängen bleibt, desto weniger kommt beim Urheber an.

Angemessene Vergütung und Vertragsfreiheit