Grundlagen des Internationalen Steuerrechts - Sebastian Korts - E-Book

Grundlagen des Internationalen Steuerrechts E-Book

Sebastian Korts

0,0
48,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Der Stellenwert des internationalen Steuerrechts nimmt in der Beratungspraxis vehement zu. Mandanten gänzlich ohne internationale Beziehungen sind in der Vermögensverwaltung oder im Konzernbereich so gut wie ausgeschlossen. Das Werk bietet einen zielgerichteten Einstieg in das komplexe Thema. So werden alle wichtigen Aspekte des internationalen Steuerrechts angesprochen, unter anderem: - Nationales Außensteuerrecht - Doppelbesteuerungsabkommen - Einfluss des Europarechts - Missbrauchsdiskussion ("BEPS") - Mitarbeiterentsendung - Internationales Erbschaftsteuerrecht - Internationales Steuerstrafrecht Mit der Einbeziehung des Themas "Internationales Erbschaftsteuerrecht" geht das Werk weit über den üblichen Rahmen hinaus. Durch die Ausführungen zum "Internationalen Steuerstrafrecht" wird die praktischen Bedeutung dieses Werkes unterstrichen. Die Inhalte des Buches werden bei der Ausbildung der "Fachanwälte für Internationales Wirtschaftsrecht" eingesetzt.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 443

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Grundlagen des Internationalen Steuerrechts

von

Dr. Sebastian Korts, MBA, M.I.Tax, Köln Petra Korts, MBA, M.I.Tax, Köln Bastienne Korts, B.Sc., M.Sc., MiM, Köln

 

 

 

Fachmedien Recht und Wirtschaft | dfv Mediengruppe | Frankfurt am Main

 

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN: 978-3-8005-1821-0

© 2022 Deutscher Fachverlag GmbH, Fachmedien Recht und Wirtschaft, Frankfurt am Main www.ruw.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Druck: Druckerei Hachenburg – PMS GmbH, 57627 Hachenburg

Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel Einführung

§ 1 Grundlagen des Internationalen Steuerrechts

2. Kapitel Nationales Außensteuerrecht

§ 2 Grundlagen der Ertragsteuern

I. Anknüpfungspunkte für die Steuerpflicht

1. Umfang der Steuerpflicht natürlicher Personen

2. Wohnsitz/gewöhnlicher Aufenthalt

3. Umfang der Steuerpflicht einer Körperschaft

4. Sitz/Geschäftsleitung

II. Unterschiede bei unbeschränkter und beschränkter Einkommensteuerpflicht

§ 3 Der beschränkt Steuerpflichtige

I. Die beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte

II. Die Bedeutung der Betriebsstätte

§ 4 Das Außensteuergesetz – AStG

I. Berichtigung von Einkünften gemäß § 1 AStG

1. Regelungsinhalt des § 1 AStG

2. Beschränkung des Anwendungsbereiches des § 1 AStG

3. Einkunftsabgrenzung

a) Einleitung

b) Einkünftekorrektur nach § 1 AStG

c) Methoden zur Verrechnungspreisbestimmung

4. Funktionsverlagerung

a) Einleitung

b) Veräußerung vs. Nutzungsüberlassung

c) Konsequenzen für Funktionsverlagerungen

d) Regelung des Betriebsstättenerlasses zur Gewinnrealisierung

e) Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG

f) Zwischengeschaltete Gesellschaften

5. Dokumentationspflichten und Sanktionen

a) Dokumentationspflichten nach § 90 Abs. 3 AO

b) Konsequenzen von Verrechnungspreisberichtigungen

c) Inhalt der Dokumentationspflicht von Preisen

d) Einsatz von Verrechnungspreisrichtlinien

e) OECD-Masterfile-Konzept: Vorgaben und Ziele

f) Unverwertbarkeit der Dokumentation

g) Sanktionen bei nicht- oder unzureichender Befolgung

h) Anwendung der Regelungen zum sog. Verzögerungsgeld

II. Erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht

1. Gesetzliche Grundlage: § 2 AStG

2. Tatbestandsvoraussetzungen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht

3. Rechtsfolgen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht

III. Behandlung ausländischer Zwischengesellschaften (§§ 7ff. AStG)

1. Einleitung und Überblick

2. Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung

a) Steuerpflicht inländischer Gesellschafter/Beteiligung an ausländischer Zwischengesellschaft

b) Einkünfte von Zwischengesellschaften

c) Gegenbeweis gemäß § 8 Abs. 2 AStG a.F./§ 8 Abs. 2 bis 4 AStG n.F.

d) Niedrige Besteuerung

3. Wirkungen der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 9ff. AStG)

a) Freigrenze bei gemischten Einkünften

b) Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags

c) Zeitpunkt der Anrechnung der abzugsfähigen Steuern

4. Anwendbarkeit des DBA auf den Hinzurechnungsbetrag

3. Kapitel Einfluss des Europarechts

§ 5 Grundlagen des Europarechts

I. Rechtsgrundlagen

II. Ausgewählte Organe der EU

III. Anwendung europäischen Rechts

§ 6 EU-Richtlinien im Internationalen Steuerrecht

I. Direkte Steuern

1. Mutter-Tochter-Richtlinie 90/435/EWG

2. Fusionsrichtlinie 2009/133/EG (ersetzte die alte Fusionsrichtlinie

3. Zins- und Lizenzrichtlinie 2003/49/EG

4. Zinsrichtlinie 2003/48/EG (außer Kraft)

II. Indirekte Steuern

1. Mehrwertsteuersystemrichtlinie

2. Rechnungs-Richtlinie

3. Verbrauchsteuerrichtlinie

4. Kapitel Die Rolle der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) im internationalen Steuerrecht

Standards zum internationalen Informationsaustausch in Steuersachen

Richtlinien für Verrechnungspreise/OECD Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations 2017

BEPS

5. Kapitel Doppelbesteuerungsabkommen

§ 7 Grundsätzliche Einordnung eines DBA

I. Einleitung

II. Rechtsnatur von DBA

III. Auslegung von DBA

IV. Besondere Klauseln

1. Switch-over-Klauseln

2. Rückfallklauseln

3. Quellenklauseln

§ 8 Das OECD-Musterabkommen

I. Geltungsbereich und Anwendbarkeit

II. Begriffsdefinitionen des OECD-MA

III. Die Einkunftsarten des OECD-MA 2008

1. Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen

2. Unternehmensgewinne

a) Art. 7 OECD-MA 2008

b) Art. 7 OECD-MA 2010

c) Rechtsprechung zur Betriebsstättengewinnabgrenzung

d) Verwaltungsgrundsätze zur Betriebsstättengewinnaufteilung

3. Dividendeneinkünfte

4. Zinseinkünfte

5. Lizenzeinkünfte

6. Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen

7. Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit

8. Einkünfte aus selbstständiger Arbeit

9. Weitere Einkunftsarten des OECD-MA 2008

10. Verhältnis der Einkunftsarten zueinander („Betriebsstättenvorbehalt“)

IV. Methoden zur Vermeidung oder Milderung der Doppelbesteuerung

1. Freistellungsmethode

2. Anrechnungsmethode

3. Vorbehalt bei der Pflicht zur Vermeidung von Doppelbesteuerung durch das OECD-MA-Update 2017

4. Treaty Shopping/Directive Shopping

6. Kapitel Mitarbeiterentsendung

§ 9 Arbeitsrechtliche Grundlagen der Mitarbeiterentsendung

§ 10 Lohnsteuer/Einkommensteuer

I. Steuerpflicht des entsandten Arbeitnehmers in Deutschland?

II. Ändert sich das Besteuerungsrecht aufgrund der Entsendung ins Ausland?

1. DBA-Sachverhalte

a) Art. 15 Abs. 1 OECD-MA

b) Ausnahme-Regelung des Art. 15 Abs. 2 OECD-MA

c) Vermeidung der Doppelbesteuerung

d) Abkommensrechtliche Rückfallklausel

e) Nationale Rückfallklauseln

2. Nicht-DBA-Sachverhalte

a) Anrechnung nach dem EStG

b) Freistellung nach dem Auslandstätigkeitserlass

III. Typische steuerliche Risiken der Mitarbeiterentsendung

§ 11 Sozialversicherungsrecht

§ 12 EU-Entsenderichtlinie

7. Kapitel Missbrauchsdiskussion

§ 13 Einleitung und Überblick

§ 14 Missbrauchsverhinderung

I. § 50d Abs. 3 EStG

II. § 20 AStG

III. § 50j EStG

§ 15 Verhinderung der Keinmalbesteuerung

I. § 50d Abs. 9 EStG

II. § 50d Abs. 8 EStG

III. § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG und § 26 Abs. 1 KStG

IV. § 50d Abs. 14 EStG

§ 16 Sicherstellung von Besteuerungssubstrat

I. § 15 Abs. 1a, § 17 Abs. 5 EStG

II. § 13 Abs. 2, § 21 Abs. 2 UmwStG

III. § 48d EStG

IV. § 50d Abs. 10 EStG

V. § 50d Abs. 11 EStG

VI. § 50i EStG

1. Sachlicher Anwendungsbereich

2. Zeitlicher Anwendungsbereich

3. Missbrauchsvermeidung

VII. § 50d Abs. 12 EStG

8. Kapitel Internationaler Informationsaustausch in Steuersachen

§ 17 Allgemeine Grundlagen des Internationalen Informationsaustausches

I. Grundprobleme des internationalen Auskunftsverkehrs

II. Beschränkungen des Informationsaustausches

III. Formen des Informationsaustausches

1. Ersuchensauskünfte

2. Spontanauskünfte

3. Automatische Auskünfte

4. Besonderheit: Koordinierte Außenprüfungen

IV. Entwicklung des Internationalen Informationsaustausches

V. Ausgewählte Rechtsgrundlagen des Internationalen Informationsaustausches

1. EU-Amtshilferichtlinie und EU-Amtshilfegesetz

2. Die EG-Zusammenarbeits-VO auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer

3. Doppelbesteuerungsabkommen (OECD-Musterabkommen)

a) Informationsaustausch in Steuersachen gem. Art. 26 OECD-MA

b) Internationale Vollstreckungshilfe (Art. 27 OECD-MA)

4. Informationsaustausch nach dem TIEA-M

5. Musterabkommen nach FATCA und § 117c AO

6. Common Reporting Standard (CRS) und Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz (FKAuStG)

9. Kapitel Internationales Steuerstrafrecht

§ 18 Problemstellung

§ 19 Verbot der Doppelbestrafung „Ne bis in idem“

I. Rechtliche Grundlagen

II. Die Voraussetzungen des Doppelbestrafungsverbotes

1. „Rechtskräftig verurteilt“

2. „Dieselbe Tat“

3. „Vollstreckung“

§ 20 Reichweite des deutschen Strafrechts im Steuerstrafrecht

I. Sachlicher Umfang des deutschen Steuerstrafrechts

1. Grundsatz

2. Erweiterung durch § 370 Abs. 6 AO

II. Zeitlicher Anwendungsbereich des deutschen

1. Grundsatz

2. Abweichung

III. Räumlicher Umfang des deutschen Steuerstrafrechts

1. Grundsatz

2. Erweiterung durch § 370 Abs. 7 AO

IV. Bedenken gegen die Erweiterung durch § 370 Abs. 6

§ 21 Strafbarkeit wegen Umsatzsteuer-Hinterziehung

I. Darstellung des Grundproblems

II. Spezielle Probleme bei der Steuerhinterziehung in Bezug auf die Umsatzsteuer

1. Grundkonstellation

2. Folgen

3. Reverse Charge § 13b UStG

4. Rechtsprechung zu internationalen Umsatzsteuerhinterziehung

5. Kritik

III. Zusammenfassung

10. Kapitel Internationales Erbschaftsteuerrecht

§ 22 Die EU-Erbrechtsverordnung

I. Einleitung

II. Ermittlung des Erbstatuts

III. Regelungen für bestimmte Verfügungen von Todes wegen

1. Erbverträge

2. Gemeinschaftliche Testamente

3. Unentgeltliche Zuwendungen, hier Schenkungen auf den Todesfall

4. Unentgeltliche Zuwendungen, hier Verträge zugunsten Dritter auf den Todesfall

IV. Formstatut

V. Vorfragen und Abgrenzungsfragen

1. Familienrechtliche Vorfragen

2. Behandlung „hinkender“ Rechtsverhältnisse

3. Abgrenzung zum Internationalen Güterrechtsstatut

4. Abgrenzung zum Internationalen Gesellschaftsstatut

5. Abgrenzung zum Internationalen Sachenrechtsstatut

6. Vorbehalt für gesetzliche Nachlassverwalter

7. Deutscher Pflichtteil – ordre public?

VI. Europäisches Nachlasszeugnis

§ 23 Begriffliche Grundlagen des internationalen Erbschaftsteuerrechts

§ 24 Anknüpfungspunkte für die Steuerpflicht und Umfang der Besteuerung

I. Beschränkte Erbschaftsteuerpflicht

II. Erweitert unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht

III. Erweitert beschränkte Erbschaftsteuerpflicht

§ 25 Bewertung

§ 26 Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

I. Anrechnung nach § 21 ErbStG

1. Einleitung

2. Tatbestandsvoraussetzungen

a) Unbeschränkte Steuerpflicht

b) Kein DBA mit Freistellungsmethode

c) Vergleichbarkeit der ausländischen Erbschaftsteuer („Entsprechensklausel“)

d) Vermögensgleichheit

e) „auf den Erwerber entfallende (...) ausländische Steuer“

3. Auslandsvermögen

4. Anrechnung

5. Anrechnungshöchstbetrag und „per-country-limitation“

II. Deutsche DBA im Bereich der Erbschaftsteuer

Literaturverzeichnis

1. Kapitel Einführung

§ 1 Grundlagen des Internationalen Steuerrechts

Der Begriff des „Internationalen Steuerrechts“ bezeichnet in diesem Buch das deutsche innerstaatliche Steuerrecht für grenzüberschreitende Sachverhalte. Jeder Staat hat sein eigenes Internationales Steuerrecht.

Die Rechtsquellen des deutschen Internationalen Steuerrechts speisen sich zum einen aus dem rein innerstaatlichen Recht (z.B. § 34c EStG, § 20 KStG, AStG), zum anderen aus völkerrechtlichen Verträgen wie den Doppelbesteuerungsabkommen und zum Dritten aus multinationalen Normquellen wie zum Beispiel dem Europarecht.

Ein völkerrechtlicher Vertrag ist eine Bindung zwischen Völkerrechtssubjekten. Es kann sich dabei um einen bilateralen Vertrag oder um einen multilateralen Vertrag handeln. Als Beispiele für bilaterale Verträge mit steuerrechtlichen Inhalten können angeführt werden:

– Doppelbesteuerungsabkommen,

– NATO-Truppenstatut vom 19.06.1951,

– das Zusatzabkommen hierzu vom 03.08.1959.

Weitere Beispiele für multilaterale Abkommen mit steuerrechtlichem Inhalt sind:

– Wiener Übereinkommen vom 18.04.1961 über die diplomatischen Beziehungen (WÜD),

– Wiener Übereinkommen vom 24.04.1963 über konsularische Beziehungen (WÜK),

– die auf der Grundlage des Art. 220 EG-Vertrag ergangene sogenannte Schiedsverfahrenskonvention.

Völkerrechtliche Verträge müssen für ihre Anwendbarkeit in nationales Recht transformiert werden. Diese Verträge haben dann in Deutschland den Rang von Bundesgesetzen. Die Frage, ob ein Staat sich – gegenüber dem Bürger – an von ihm geschlossene völkerrechtliche Verträge halten muss, wird bisher mit „Nein“ beantwortet. Verstößt ein Staat gegen solche völkerrechtlichen Verträge, indem er nationale Gesetze macht, die einen anderen Inhalt haben als die völkerrechtlichen Verträge, spricht man vom sogenannten Treaty-overriding.

Daneben gibt es supranationale Normen des Europarechts. Hierbei handelt es sich um Rechtsetzungsakte zwischenstaatlicher Organisationen. Diese bedürfen keiner Transformation in nationales Recht. Es wird dabei unterschieden zwischen Verordnungen und Richtlinien. Verordnungen sind unmittelbar geltendes Recht (Art. 288 Abs. 2 AEUV), sie bedürfen keiner Umsetzung. Richtlinien sind gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich und von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen.

2. Kapitel Nationales Außensteuerrecht

§ 2 Grundlagen der Ertragsteuern

I.Anknüpfungspunkte für die Steuerpflicht

1.Umfang der Steuerpflicht natürlicher Personen

Für die Frage der Steuerpflicht ist zu unterscheiden, ob eine natürliche Person ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland1 oder nicht im Inland hat. Liegt der Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt einer natürlichen Person im Inland, so ist diese unbeschränkt steuerpflichtig, § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG. Sie unterliegt der inländischen Besteuerung mit sämtlichen inländischen und ausländischen Einkünften (Welteinkommensprinzip). Als Besonderheit ist zu vermerken, dass Deutsche mit Arbeitslohn aus inländischen öffentlichen Kassen und gegebenenfalls deren Angehörige, auch wenn sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland haben, unbeschränkt steuerpflichtig sind, d.h. sie unterliegen mit sämtlichen in- und ausländischen Einkünften der deutschen Besteuerung, § 1 Abs. 2 EStG (erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht für deutsche Auslandsbeamte).

Hat die natürliche Person weder ihren Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so ist bei der Frage der Steuerpflicht dieser Person nach der Art ihrer Einkünfte zu unterscheiden: Hat die Person inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG, so ist sie beschränkt steuerpflichtig. Dies bedeutet, dass sie mit ihren inländischen Einkünften in Deutschland steuerpflichtig ist. Sie ist beschränkt steuerpflichtig, § 1 Abs. 4 EStG.

Diese Person kann gemäß § 1 Abs. 3 EStG einen Antrag auf Behandlung als unbeschränkt steuerpflichtig stellen. Dies gilt nur, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nach § 32 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG nicht übersteigen. Dabei ist die Höhe der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nachzuweisen.

Sonderregelungen enthält § 1a EStG für Personen mit EU-Staatsangehörigkeit,2 die unbeschränkt steuerpflichtig sind oder gemäß § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden.

Hat eine natürliche Person keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und keine inländischen Einkünfte im Sinne des § 49 EStG, so ist sie in Deutschland nicht steuerpflichtig.

2.Wohnsitz/gewöhnlicher Aufenthalt

§ 8 AO definiert den Wohnsitz. Die bloße Absicht, einen Wohnsitz zu begründen oder aufzugeben bzw. die melderechtliche An- und Abmeldung entfalten allein keine steuerliche Wirkung. Wohnungen sind objektiv zum Wohnen geeignete Wohnräume. Eine bescheidene Bleibe genügt, so z.B. Baracken, Wochenendhäuser, Jagdhäuser, Gartenhäuser in einer Laubenkolonie, dauerhaft gemieteter Wohnwagen auf einem Campingplatz.

Nicht erforderlich ist eine abgeschlossene Wohnung mit Küche und separater Waschgelegenheit. Beispielsweise reicht das – gegebenenfalls halbe – Zimmer in einem Alten- oder Pflegeheim. Innehaben ist das Recht, tatsächlich über die Bleibe zu verfügen und sie nicht nur vorübergehend nutzen zu können. Dies wäre zum Beispiel bei einem lediglich kurzfristigen Besuch in einem Hotel nicht der Fall. Ausreichend für die Begründung eines Wohnsitzes ist es, wenn man über Jahre hinweg regelmäßig zu bestimmten Zeiten eine Wohnung über einige Wochen benutzt. Gelegentliches Übernachten auf einem inländischen Betriebsgelände, z.B. im Büro o.Ä. („Schlafstelle“), führen nicht zu einem Wohnsitz. Ein Ehegatte/Lebenspartner, der nicht getrennt lebt, hat seinen Wohnsitz grundsätzlich dort, wo seine Familie lebt. Diese Vermutung gilt unabhängig davon, welche räumliche Entfernung zwischen den Ehepartnern/Lebenspartnern besteht.3 Durch Heirat erwirbt der Mann nicht zugleich Wohnung und Wohnsitz der Ehefrau, solange beide nicht zusammenziehen.4 Es müssen äußerlich erkennbare Beziehungen des Mannes zur Wohnung der Ehefrau bestehen, zum Beispiel wenn die Ehefrau bei der Wahl der Wohnung die Bedürfnisse des Ehemannes in dessen Einvernehmen berücksichtigt; gemeinsame Vorstellungen über die Einrichtung genügen jedoch nicht. Wer einen Wohnsitz im Ausland begründet, hat auch einen Wohnsitz im Inland, sofern er seine inländische Wohnung weiterhin unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, sie beibehalten und nutzen zu wollen.5 Zur Begründung eines steuerlichen Wohnsitzes im Inland nach § 8 AO ist nicht Voraussetzung, dass sich dort auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet,6 oder dass der Steuerpflichtige von dort aus seiner täglichen Arbeit nachgeht.7 Ein Wohnsitz i.S. des § 8 AO setzt auch nicht voraus, dass der Steuerpflichtige sich während einer Mindestzahl von Tagen oder Wochen im Jahr tatsächlich in der Wohnung aufhält; auch unregelmäßige Aufenthalte in einer Wohnung können zur Aufrechterhaltung eines dortigen Wohnsitzes führen.8

An- und Abmeldung kann ein Indikator für einen Wohnsitz sein,9 ist allein jedoch nicht ausreichend. Ein Steuerpflichtiger kann mehrere Wohnsitze haben, diese können im Inland und/oder Ausland gelegen sein.10 Die Tatsache, dass ein Steuerpflichtiger neben einem inländischen Wohnsitz auch einen solchen im Ausland hat, schließt die unbeschränkte Steuerpflicht auch dann nicht aus, wenn der ausländische Wohnsitz den Lebensmittelpunkt des Steuerpflichtigen begründet.11

Der Anwendungserlass zur Abgabenordnung12 enthält u.a. umfangreiche Ausführungen zu den Aspekten Familienwohnsitz (Ziffer 5.) und zum Wohnsitz bei Aufenthalt in einem anderen Staat, insbesondere ins Ausland versetzte Arbeitnehmer sowie sich im Ausland aufhaltende Kinder betreffend (Ziffer 6.).

Der gewöhnliche Aufenthalt ist in § 9 AO definiert. Eine Person hält sich an einem Ort gewöhnlich auf, wenn die Umstände erkennen lassen, dass sie an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.

Ein Aufenthalt von weniger als sechs Monaten kann einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 9 AO begründen, wenn ein längerer Aufenthalt beabsichtigt war („leere Flasche voll“). Dies kann große praktische Probleme verursachen, denn die äußeren Umstände müssen erkennen lassen, dass die betreffende Person sich nicht nur vorübergehend im Inland aufhält. Sogenannte Grenzpendler haben keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Bei zeitlich zusammenhängendem Aufenthalt von mehr als 6 Monaten wird der gewöhnliche Aufenthalt unwiderleglich vermutet, sofern nicht Satz 3 greift. Die 6-Monats-Frist braucht nicht in einem Kalenderjahr erfüllt zu werden. Es muss sich um einen zeitlich zusammenhängenden Aufenthalt handeln, mehrere kurzfristige Aufenthalte dürfen bei der Berechnung der Frist nicht zusammengerechnet werden. Der tatsächliche Aufenthalt hat wegen seiner einfachen Nachweisbarkeit große praktische Bedeutung. Auf den Wunsch oder den Willen kommt es nicht an. So führt z.B. ein Aufenthalt von mehr als 6 Monaten in einem Krankenhaus (beachte jedoch § 9 Satz 3 AO) oder Gefängnis zu einem gewöhnlichen Aufenthalt.

Findet ein Aufenthalt vom mehr als 6 Monaten im Inland, jedoch an ständig unterschiedlichen Orten statt (z.B. infolge einer Rundreise zu verschiedenen potenziellen Kunden in Deutschland), so kann die unbeschränkte Steuerpflicht lediglich infolge der 6-Monats-Frist begründet werden.

Ein Aufenthalt, der nicht länger als ein Jahr dauert und ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken genommen wird, begründet i.d.R. keinen gewöhnlichen Aufenthalt, § 9 Satz 3 AO. Die Ausdehnung der 6-Monats-Frist in § 9 Satz 3 AO schließt nicht aus, dass zugleich ein gewöhnlicher Aufenthalt nach § 9 Satz 1 AO begründet wird. Infolge der 6-Monats-Frist ist nur ein gewöhnlicher Aufenthalt möglich.

Ein vergleichbares Begriffspaar zu „Wohnsitz – gewöhnlicher Aufenthalt“ für natürliche Personen besteht für Körperschaftsteuersubjekte mit dem Begriffspaar „Geschäftsleitung – Sitz“.

Bei der unbeschränkten Steuerpflicht gilt das Welteinkommensprinzip. Gemäß § 1 Abs. 1 EStG sind steuerpflichtig natürliche Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Gemäß § 1 KStG sind steuerpflichtig Körperschaften mit Geschäftsleitung oder Sitz im Inland. Von der beschränkten Steuerpflicht sind nur inländische Katalogeinkünfte des § 49 EStG betroffen. Gemäß §§ 1 Abs. 4, 49ff. EStG sind beschränkt steuerpflichtig natürliche Personen, die weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Gemäß § 2 KStG in Verbindung mit § 49 EStG sind beschränkt steuerpflichtig Körperschaften, die weder Geschäftsleitung noch Sitz im Inland haben.

3.Umfang der Steuerpflicht einer Körperschaft

Erzielt eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, die weder Sitz noch Geschäftsleitung im Inland hat, inländische Einkünfte im Sinne von § 2 Nr. 1 KStG, so unterliegt diese der beschränkten Steuerpflicht mit den inländischen Einkünften im Sinne des § 49 EStG (in Verbindung mit § 8 Abs. 1 und 2 Nr. 1 KStG). Hat eine solche Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse ohne Sitz oder Geschäftsleitung im Inland keine inländischen Einkünfte im Sinne von § 2 Nr. 1 KStG, so ist sie in Deutschland nicht steuerpflichtig.

4.Sitz/Geschäftsleitung

Der Sitz ist gesetzlich definiert in § 11 AO. Es ist der Ort, der durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag, Satzung, Stiftungsgeschäft oder dergleichen bestimmt ist.

Der Sitz kann also durch Rechtsgeschäfte bestimmt werden.

Deutsche Gesellschaften haben ihren Satzungssitz im Gesellschaftsvertrag stehen. In anderen Ländern ist ein derartiger Satzungssitz nicht vorhanden. Oftmals wird auf den Registersitz verwiesen. Es handelt sich um den Ort in dem Land, in dem die Gesellschaft registriert ist.

„Geschäftsleitung ist der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung.“, so § 10 AO. Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung ist dort, wo der für die laufende Geschäftsführung maßgebliche Wille gebildet wird.13 Irrelevant ist, wo der tatsächliche Geschäftsverkehr stattfindet.

Dazu zählen die tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Handlungen des gewöhnlichen Betriebes des Handelsgeschäfts sowie die zur gewöhnlichen Verwaltung gehörenden organisatorischen Maßnahmen, die für Rechnung der Person getroffen werden, deren Ort der Geschäftsleitung zu bestimmen ist. I.d.R. sind dies die Büroräume des Unternehmers oder Geschäftsführers. Entscheidend ist letztlich das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, wobei es darauf ankommen soll, wo nach den tatsächlichen Verhältnissen die für die Geschäftsführung notwendigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden. Bei einer Aufteilung zwischen technischer und wirtschaftlicher Leitung ist letztlich die wirtschaftliche entscheidend.

Die Geschäftsleitung befindet sich grundsätzlich dort, wo ihre gesetzlichen Vertreter tätig werden.14 Ist die Organgesellschaft wirtschaftlich lediglich eine Betriebsabteilung des Organträgers, der geschäftsleitend selbst in die Tagespolitik des Organs eingreift, befindet sich die Geschäftsleitung am Ort der Geschäftsleitung des Organträgers.15

Gewerbesteuerpflicht besteht nur für inländische Gewerbebetriebe, § 2 Abs. 1 Satz 1 a.E. GewStG. Dabei ist der Gewerbeertrag wie folgt zu kürzen:

– um den Teil, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt, § 9 Nr. 3 GewStG,16

– um Gewinne aus ausländischen Kapitalgesellschaften (Dividenden), unter den in § 9 Nr. 7 GewStG genannten Voraussetzungen,17

– um Gewinne aus Anteilen an einer ausländischen Gesellschaft (Personengesellschaften) im Sinne des § 9 Nr. 2 GewStG.

II. Unterschiede bei unbeschränkter und beschränkter Einkommensteuerpflicht

Die unbeschränkte und die beschränkte Steuerpflicht unterscheiden sich in ihrem Grundprinzip: Während die unbeschränkte Steuerpflicht nach dem Welteinkommensprinzip sämtliche Einkünfte einer natürlichen Person umfasst und die Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip vornimmt, richtet sich die beschränkte Steuerpflicht nach dem Territorialprinzip und hat einen objektsteuerartigen Charakter. Vom Umfang her bezieht sich die unbeschränkte Steuerpflicht auf das Welteinkommen bzw. Weltvermögen einer Person. Die beschränkte Steuerpflicht hingegen bezieht sich auf die inländischen Einkünfte bzw. das inländische Vermögen einer Person. Die Steuererhebung erfolgt bei unbeschränkter Steuerpflicht grundsätzlich im Wege der Veranlagung, bei beschränkter Steuerpflicht werden die Steuern im Wege von Abgeltungs- bzw. Abzugssteuern erhoben (mit Ausnahmen).

Bei unbeschränkter Steuerpflicht ist der Betriebsausgaben-/Werbungskostenabzug18 grundsätzlich vollständig möglich, ggf. gelten Pauschalbeträge. Bei beschränkter Steuerpflicht ist dies nur insoweit möglich, als dass die Betriebsausgaben/Werbungskosten mit inländischen Einkünften im Zusammenhang stehen. Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen sind bei unbeschränkter Steuerpflicht zu berücksichtigen, bei beschränkter Steuerpflicht hingegen in der Regel nicht. Ein Verlustausgleich ist bei beschränkter Steuerpflicht grundsätzlich zu bejahen, der Verlustabzug im Rahmen des § 10d EStG möglich.

Hinsichtlich des Steuertarifes gilt bei der unbeschränkten Steuerpflicht der Grund- bzw. Splitting-Tarif. Bei der beschränkten Steuerpflicht besteht der Grundtarif ohne Grundfreibetrag.

Die Vermeidung der Doppelbesteuerung erfolgt bei unbeschränkter Steuerpflicht durch Anrechnung oder Freistellung, bei der beschränkten Steuerpflicht kommt eine Freistellung nur in Ausnahmefällen in Betracht. Für unbeschränkt Steuerpflichtige mit ausländischen Einkünften definiert und erläutert § 34d EStG für die Anrechnung der ausländischen Steuern,19 was unter „ausländischen Einkünften“ in diesem Sinne zu verstehen ist. Das Anrechnungsverfahren richtet sich nach § 34c Abs. 1 EStG, wenn mit dem betreffenden ausländischen Staat kein Ertragsteuer-DBA besteht, § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG. Die Anrechnung nach § 34c Abs. 1 EStG erfolgt von Amts wegen. Sondervorschriften zur Anrechnung bestehen für beschränkt steuerpflichtige natürliche Personen mit § 50d Abs. 3 EStG und für ausländische Einkünfte aus Kapitalvermögen in § 32d Abs. 5 EStG. Keine Anrechnung ist vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen des § 2 AStG vorliegen, also erweitert unbeschränkte Einkommensteuerpflicht besteht.

Sind die Voraussetzungen der Anrechnung nach § 34c Abs. 1 EStG nicht erfüllt, ist zu prüfen, ob ein Abzug der ausländischen Steuern nach § 34c Abs. 2 (Abzug auf Antrag) und Abs. 3 (Abzug von Amts wegen) EStG vorzunehmen ist.

Für beschränkt Steuerpflichtige mit inländischen Einkünften definiert und erläutert § 49 EStG, was unter „inländischen Einkünften“ in diesem Sinne zu verstehen ist.20

Dabei sind die jeweiligen in- und ausländischen Einkünftekataloge der §§ 34d und 49 EStG durchaus nicht spiegelbildlich.

1

„Inland“ ist definiert in § 1 Abs. 1 Satz 2 EStG.

2

Gleichgestellt sind Staatsangehörige der EWR-Staaten (Island, Liechtenstein und Norwegen) aufgrund des EWR-Vertrages vom 02.05.1992, ABl 1994, L 1/3.

3

Vgl. Ziff. 5.2 AEAO idF vom 07.08.2017, BStBl I 2017, S. 1257.

4

FG Hamburg, EFG 1994, 730.

5

BFH vom 23.10.2018, I R 74/16, ECLI:DE:BFH:2018:U.231018.IR74.16.0; BFH vom 24.07.2018, I R 58/16, ECLI:DE:BFH:2018:U.240718.IR58.16.0.

6

BFH vom 24.07.2018, I R 58/16, a.a.O.

7

Vgl. Ziff. 1.3 AEAO idF vom 07.08.2017, BStBl I 2017, S. 1257.

8

BFH vom 24.07.2018, I R 58/16, a.a.O.

9

RStBl 1933, S. 1075; RStBl 1938, S. 1122; BStBl II 1970, S. 153.

10

BFH vom 24.07.2018, I R 58/16, a.a.O.

11

BFH vom 23.10.2018, I R 74/16, ECLI:DE:BFH:2018:U.231018.IR74.16.0.

12

IdF vom 07.08.2017, BStBl I 2017, S. 1257.

13

St. Rspr.

14

BFH vom 07.12.1994, BStBl 1995 II, S. 175.

15

BFH vom 26.05.1970, BStBl II, S. 759.

16

Der in § 9 Nr. 3 GewStG verwendete Begriff der Betriebsstätte bestimmt sich nicht nach der Definition des jeweils einschlägigen DBA, sondern nach innerstaatlichem Recht (...), Ls. BFH vom 20.07.2016, I R 50/15, ECLI:DE:BFH:2016:U.200716.IR50.15.0.

17

I.d.F. des Artikel 8 des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019, BGBl. I, S. 2451. Die vorhergehende Fassung von § 9 Nr. 7 GewStG wurde vom EuGH für unionsrechtswidrig erklärt, EuGH vom 20.09.2018, C-685/16, BStBl II 2019, 111.

18

Beachte die Einschränkung des Betriebsausgaben-/Werbungskostenabzugs nach § 8 StAbwG bei Geschäftsbeziehungen oder Beteiligungsverhältnisse in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Steuergebiet gemäß der schwarzen Liste der EU (mit Wirkung ab dem 01.01.2022, § 13 Abs. 1 StAbwG).

19

Einzelheiten der Anrechnung nach dem EStG und nach dem Auslandstätigkeitserlass bei im Ausland tätigen deutschen Arbeitnehmern sind in § 10 „Lohnsteuer/Einkommensteuer“, II. „Ändert sich das Besteuerungsrecht aufgrund der Entsendung ins Ausland?“ Unterpunkt 2. „Nicht-DBA-Sachverhalte“ dargestellt.

20

Näheres dazu in dem nachfolgenden Abschnitt § 3 „Der beschränkt Steuerpflichtige“, Unterpunkt I. „Die beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte“.

§ 3 Der beschränkt Steuerpflichtige

Sogenannte Inbound-Aktivitäten liegen vor, wenn ein im Ausland ansässiger Steuerpflichtiger Geschäftsaktivitäten im Inland vornimmt. Die Begründung einer beschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 4 EStG bzw. § 2 Nr. 1 KStG i.V.m. § 49 EStG ist Voraussetzung.

§ 1a EStG regelt Besonderheiten für Angehörige von EU-Mitgliedstaaten (Grenzpendler), z.B. die Anwendung des Splittingtarifs. § 1 Abs. 3 EStG offeriert die Wahlmöglichkeit zur unbeschränkten Steuerpflicht.

§ 49 EStG nimmt Bezug auf die sieben Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG. Damit bleibt der Umfang der Steuerpflicht innerhalb der §§ 13 bis 23 EStG. § 49 EStG stellt daher höchstens zusätzliche Anforderungen an die Einkünfte, die den Inlandsbezug erweitern. Zu prüfen sind daher jeweils die Voraussetzungen der konkreten Einkunftsart in Verbindung mit den ergänzenden Vorschriften des § 49 EStG.

§ 10 StAbwG21erweitert den Katalog des § 49 EStG um Einkünfte aus Finanzierungsbeziehungen, Versicherungs- oder Rückversicherungsleistungen, der Erbringung von Dienstleistungen oder dem Handel mit Waren oder Dienstleistungen, wenn es sich um Einkünfte natürlicher Personen, Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen handelt, die in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet22 ansässig sind, soweit die diesen Einkünften entsprechenden Betriebsausgaben/Werbungskosten bei einem unbeschränkt Steuerpflichtigen ungeachtet des § 8 Satz 1 StAbwG bei einer inländischen Veranlagung zu berücksichtigen wären.23 Die Vorschriften zum Steuerabzugsverfahren nach § 30a EStG gelten für diese Einkünfte entsprechend, d.h. die Steuer für die diesen Einkünften entsprechenden Vergütungen sind durch Steuerabzug einzubehalten und an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) abzuführen.

I.Die beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte

Die beschränkte Steuerpflicht gilt gem. § 1 Abs. 4 EStG für inländische Einkünfte ausländischer Steuerpflichtiger. Welches inländische Einkünfte im Sinne dieser Norm sind, ist in § 49 EStG legaldefiniert,24 für Körperschaften verweisen §§ 2, 8 Abs. 1 KStG auf den Katalog des § 49 EStG (beachte die Katalogerweiterung durch § 10 StAbwG25). Die Zuordnung von Einkünften zu einer Einkunftsart des § 49 EStG richtet sich nach inländischem Recht. Zudem ist ein Inlandsbezug erforderlich (§ 49 Abs. 1 EStG beginnt mit den Worten: „Inländische Einkünfte ...“), um den Besteuerungszugriff des deutschen Fiskus zu rechtfertigen.

Zur Abgrenzung: die Besteuerung ausländischer Einkünfte von inländischen Steuerpflichtigen richtet sich nach §§ 34c, 34d EStG.

Liegen Einkünfte nach § 49 EStG vor, die damit der beschränkten Steuerpflicht im Inland unterliegen, können Doppelbesteuerungsabkommen im konkreten Fall vorsehen, dass die inländische Besteuerung beschränkt oder ausgeschlossen ist (durch Anrechnung oder Freistellung). Diese DBA-Regelungen gehen i.d.R. § 49 EStG vor.

II.Die Bedeutung der Betriebsstätte

Der Betriebsstätte kommt erhebliche Bedeutung zu, denn diese ist Anknüpfungspunkt für die beschränkte Steuerpflicht. Die Betriebsstätte ist weiterhin ein Aufteilungskriterium hinsichtlich der zuzuweisenden Einkünfte und der Zerlegung bei der Gewerbesteuer. Die Betriebsstätte hat für die Einbehaltung von Lohnsteuer Sorge zu tragen sowie die Buchführungspflichten zu erfüllen. Zudem ist die Betriebsstätte umsatzsteuerlicher Anknüpfungspunkt. Die Betriebsstätte hat auch die Dokumentationspflichten des § 90 Abs. 3 AO zu erfüllen.

Betriebsstätte ist nach der Definition des § 12 AO jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Als Betriebsstätten sind insbesondere anzusehen:

1. die Stätte der Geschäftsleitung,

2. Zweigniederlassungen,

3. Geschäftsstellen,

4. Fabrikations- oder Werkstätten,

5. Warenlager,

6. Ein- oder Verkaufsstellen,

7. Bergwerke, Steinbrüche oder andere stehende, örtlich fortschreitende oder schwimmende Stätten der Gewinnung von Bodenschätzen,

8. Bauausführungen oder Montagen, auch örtlich fortschreitende oder schwimmende, wenn

a) die einzelne Bauausführung oder Montage oder

b) eine von mehreren zeitlich nebeneinander bestehenden Bauausführungen oder Montagen oder

c) mehrere ohne Unterbrechung aufeinander folgende Bauausführungen oder Montagen

länger als sechs Monate dauern.

§ 13 AO definiert den ständigen Vertreter, dies ist eine Person, die nachhaltig die Geschäfte eines Unternehmens besorgt und dabei dessen Sachweisungen unterliegt. Ständiger Vertreter ist insbesondere eine Person, die für ein Unternehmen nachhaltig

1. Verträge abschließt, vermittelt oder Aufträge einholt oder

2. einen Bestand von Gütern oder Waren unterhält und davon Auslieferungen vornimmt.

Auch der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft kann deren ständiger Vertreter im Sinne von § 13 AO sein. Nach Ansicht des BFH26 können im Steuerrecht grundsätzlich auch solche Personen ständige Vertreter sein, die im Zivilrecht als Organe der Kapitalgesellschaft anzusehen seien. Für die ausländische Kapitalgesellschaft, die weder Sitz noch Geschäftsleitung in Deutschland habe, könne hieraus die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht gemäß § 2 Nr. 1 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG folgen, ohne dass es noch auf das Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte ankäme.

Im Rahmen von § 49 EStG wird stets auf die Betriebsstätte nach § 12 AO und nicht auf die nach § 5 OECD-MA verwiesen.

Die laufende Besteuerung inländischer Betriebsstätten ausländischer Investoren richtet sich nach nationalem Recht. Es liegt beschränkte Steuerpflicht bei der Einkommensteuer bzw. der Körperschaftsteuer des Investors bezüglich der der inländischen Betriebsstätte zuzuordnenden Einkünfte vor. Hinsichtlich der Buchführungspflichten gilt das zuvor Gesagte. Es ist nur der Abzug von solchen Betriebsausgaben zulässig,27 die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit inländischen Einkünften stehen (§ 50 Abs. 1 EStG), unabhängig davon, wo sie angefallen sind und wer sie getragen hat. Die Besteuerung wird im Rahmen des Veranlagungsverfahrens durchgeführt.

Die Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer gemäß § 35 EStG erfolgt nach den allgemeinen Grundsätzen. Liegt eine Betriebsstätte vor, besteht Gewerbesteuerpflicht. Handelt es sich um einen ständigen Vertreter, so besteht keine Gewerbesteuerpflicht des Investors. Natürliche Personen und Personengesellschaften als Investoren können den Freibetrag nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG und den Staffeltarif (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 GewStG) in Anspruch nehmen.

Nach der isolierenden Betrachtungsweise28 des § 49 Abs. 2 EStG bleiben im Ausland gegebene Besteuerungsmerkmale außer Betracht, soweit bei ihrer Berücksichtigung inländische Einkünfte im Sinne des Absatzes 1 nicht angenommen werden könnten. Als Beispiel soll folgender Fall genannt werden: Einkünfte einer ausländischen Kapitalgesellschaft aus der Überlassung von Rechten in Form von Lizenzgebühren sind im Veranlagungszeitraum 1995–1997 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG; der Umstand, dass es sich bei dem Gläubiger der Lizenzgebühren um eine gewerblich tätige Kapitalgesellschaft handelt, bleibt als im Ausland verwirklichtes Besteuerungsmerkmal gemäß § 49 Abs. 2 EStG außer Betracht.

Betrachtet man die Überschriften innerhalb des Einkommensteuergesetzes, so ist leicht zu erkennen, dass § 50 EStG und § 50a EStG Sondervorschriften für beschränkt Steuerpflichtige und den Steuerabzug regeln.

21

Gesetz zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb (Steueroasen-Abwehrgesetz – StAbwG) vom 25.06.2021, BGBl. I, S. 2056 (mit Wirkung ab dem 01.01.2022, § 13 Abs. 1 StAbwG).

22

Diese Liste der EU wird in zweimal jährlich aktualisiert und umfasst derzeit 9 Staaten (Stand 05.10.2021).

23

Vgl. die Gesetzesbegründung BT-Drs. 19/28901 vom 22.04.2021, S. 27.

24

Vertiefend zur beschränkten Steuerpflicht: Lüdicke, Probleme der Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger im Inland, DStR 2008, Beihefter zu Heft 17, 25.

25

Gesetz zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb (Steueroasen-Abwehrgesetz – StAbwG) vom 25.06.2021, BGBl. I, S. 2056 (mit Wirkung ab dem 01.01.2022, § 13 Abs. 1 StAbwG).

26

BFH vom 23.10.2018, I R 54/16, NJW 2019, 1398.

27

Beachte die Einschränkung des Betriebsausgaben-/Werbungskostenabzugs nach § 8 StAbwG bei Geschäftsbeziehungen oder Beteiligungsverhältnisse in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Steuergebiet gemäß der schwarzen Liste der EU (mit Wirkung ab dem 01.01.2022, § 13 Abs. 1 StAbwG).

28

BFH vom 04.03.1970, I R 149/66, BStBl II 1970, S. 428; vgl. R 49.3 EStR 2012, siehe aber BMF vom 25.11.2010, IV C 3 – S 2303/09/10002, betreffend den Steuerabzug gemäß § 50a EStG bei Einkünften beschränkt Steuerpflichtiger aus künstlerischen, sportlichen, artistischen, unterhaltenden oder ähnlichen Darbietungen, BStBl I 2010, S. 1350; sowie BFH vom 07.11.2001, I R 14/01, zur „Liebhaberei“ bei beschränkter Steuerpflicht und der Nachweispflicht der Gewinnerzielungsabsicht, BStBl II 2002, S. 861.

§ 4 Das Außensteuergesetz – AStG

Das Außensteuergesetz selbst ist ein nationales Gesetz, welches Besonderheiten im Verhältnis zum Ausland regelt. Die Verwaltungsmeinung findet sich in dem AStG-Anwendungserlass29 mit den jeweiligen Aktualisierungen.

I.Berichtigung von Einkünften gemäß § 1 AStG

§ 1 AStG ist eine Einkommenskorrekturvorschrift, er schreibt Gewinnberichtigung aus Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen international verbundenen Unternehmen vor, wenn diese ihre geschäftlichen Transaktionen nicht nach Maßgabe des Fremdvergleichsgrundsatzes ausgerichtet haben. § 1 AStG gilt sowohl im DBA- als auch im Nicht-DBA-Fall, sowohl im EU- als auch im Nicht-EU-Fall. Im Schreiben vom 14.07.202130 hat das BMF seine Grundsätze für die Korrektur von Einkünften gemäß § 1 AStG niedergelegt.

1.Regelungsinhalt des § 1 AStG

§ 1 AStG wurde in den letzten Jahren mehrfach umgeändert bzw. neu gefasst.31 Die wesentlichen Bestimmungen des § 1 AStG können wie folgt kurz zusammengefasst werden:

Absatz 1 enthält die Tatbestände, in denen eine Hinzurechnung von Einkünften stattfindet, wenn Einkünfte, die ein inländischer Steuerpflichtiger aus einer Geschäftsbeziehung zum Ausland mit einer ihm nahestehenden Person erzielt, dadurch gemindert werden, dass dieser Geschäftsbeziehung andere als zwischen fremden Dritten übliche Bedingungen zu Grunde liegen (Fremdvergleichsgrundsatz). Absatz 2 definiert die dem Steuerpflichtigen nahestehenden Personen. Absätze 3 und 3a–c regeln Einzelheiten der Ermittlung von Verrechnungspreisen. Absatz 4 definiert den Begriff der „Geschäftsbeziehungen“ im Sinne der Norm. Absatz 5 regelt in Übereinstimmung mit dem Authorised OECD Approach32 die Grundsätze, nach denen der international anerkannte Fremdvergleichsgrundsatz sowohl auf die Aufteilung der Gewinne zwischen einem inländischen Unternehmen und seiner ausländischen Betriebsstätte als auch auf die Ermittlung der Einkünfte einer inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens anzuwenden ist.33 Eine rechtlich unselbstständige Betriebsstätte (§ 12 AO) wird fiktiv als eigenständiges und unabhängiges Unternehmen behandelt, es sei denn, die Zugehörigkeit der Betriebsstätte zum Unternehmen erfordert eine andere Behandlung.

Die Einkünfteberichtigungsnormen der Absätze 1, 3 bis 4 sind anzuwenden, wenn für eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung (Abs. 4 Satz 1 Nr. 2) die Bedingungen, insbesondere die Verrechnungspreise, nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen und dadurch die inländischen Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen gemindert oder die ausländischen Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen erhöht werden (Satz 1). Dies gilt auch für ständige Vertreter (Satz 5).

In einem ersten Schritt sind der Betriebsstätte zuzuordnen:

1. die Funktionen des Unternehmens, die durch ihr Personal ausgeübt werden (Personalfunktionen),

2. die Vermögenswerte des Unternehmens, die sie zur Ausübung der ihr zugeordneten Funktionen benötigt,

3. die Chancen und Risiken des Unternehmens, die sie aufgrund der ausgeübten Funktionen und zugeordneten Vermögenswerte übernimmt, sowie

4. ein angemessenes Eigenkapital (Dotationskapital).

In einem zweiten Schritt sind auf der Grundlage dieser Zuordnung die Art der Geschäftsbeziehungen zwischen dem Unternehmen und der Betriebsstätte sowie die Verrechnungspreise für diese Geschäftsbeziehungen zu bestimmen.

Bei ausländischen Betriebsstätten ist danach zu differenzieren, welche Regelung im betreffenden Doppelbesteuerungsabkommen vorgesehen ist. Wird dem bisherigen Verständnis der eingeschränkten Selbstständigkeit der Betriebsstätte gefolgt, gelten die bisherigen Grundsätze weiter. Ohne Regelung oder bei Abkommensformulierung entsprechend Art. 7 OECD-MA 201034 gilt der AOA-Ansatz. In der Praxis wird eine Verkomplizierung der Betriebsstättenbesteuerung erwartet, weil demnach unterschiedliche Regelungen zur Einkunftsabgrenzung anzuwenden sind.

2.Beschränkung des Anwendungsbereiches des § 1 AStG

Nach seinem Urteil vom 31. Mai 2018 in der Rechtssache „Hornbach“35 hat der EuGH festgestellt, dass Verrechnungspreiskorrekturvorschriften wie § 1 AStG36 nur dann europarechtlichen Maßstäben entsprechen, wenn dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt wird, wirtschaftliche Gründe für fremdunübliche Gestaltungen nachzuweisen. Die steuerliche Berichtigung muss sich zudem ggfls. auf den Teil beschränken, der über das hinausgeht, was die betreffenden Gesellschaften unter Marktbedingungen vereinbart hätten. Es sei Sache des nationalen Gerichts, zu überprüfen, ob dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt wurde, Beweise für die wirtschaftlichen Gründe des in Frage stehenden Geschäfts beizubringen.37

Der BFH hat sich der Hornbach-Rechtsprechung des EuGH angeschlossen und geurteilt, dass dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt werden muss, den Nachweis für etwaige wirtschaftliche Gründe für den Abschluss des (nicht fremdüblichen) Geschäfts zu erbringen.38

3.Einkunftsabgrenzung

a)Einleitung

Ziel der gesamten Verrechnungspreisdiskussion ist es, dem Fremdvergleichsgrundsatz zu genügen, also den Preis und die Bedingungen zu vereinbaren, die fremde Dritte (also nicht konzernverbundene Unternehmen) miteinander vereinbart hätten.

Rechtsgrundlagen im nationalen Recht sind § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, § 1 AStG; Rechtsgrundlage des internationalen Rechts ist Art. 9 OECD-MA, der eine Korrektur des zugewiesenen Besteuerungsrechts vornimmt, soweit innerhalb von verbundenen Unternehmen vom Fremdvergleichsgrundsatz abgewichen wird.

Die steuerliche Funktion von Verrechnungspreisen liegt zum einen in der Vermögensabgrenzung, insbesondere auch zwischen Stammhaus und Betriebsstätte.39 Zum anderen liegt die steuerliche Funktion von Verrechnungspreisen in der Einkunftsabgrenzung durch Zuweisung der laufenden Aufwendungen, Veräußerungsgewinne und Allokation von Verlusten.

Verrechnungspreise haben unterschiedliche Ziele in unterschiedlichen Bereichen. Im Gesellschaftsrecht besteht das Ziel in dem Schutz des Vermögens der Gesellschaft vor gesellschaftsfremden Einflüssen, soweit nicht andere Schutzinstrumente mit dem gleichen Ziel greifen. Betriebswirtschaftlich geht es um die Ermittlung des betrieblichen Erfolges einer Wirtschaftseinheit unter verschiedenen Gesichtspunkten.40 Im Steuerrecht ist Ziel der Verrechnungspreise die Abgrenzung des steuerlichen Einkommens einer juristischen Person bzw. Personengesellschaft als selbstständigem Rechtsträger von nahestehenden Personen.

Die deutsche Finanzverwaltung hat zu der Frage der Einkünftekorrektur eine Reihe nationaler Verwaltungsgrundsätze erlassen,41 die in der Praxis eine bedeutende Rolle spielen.

§ 1 Abs. 1 S. 1 AStG formuliert „unbeschadet anderer Vorschriften“, gemeint sind damit insbesondere folgende Normen: § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2 KStG (Verdeckte Gewinnausschüttung), § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 6 Satz 2 EStG (Verdeckte Einlage), § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG (Entnahme), Art. 9 OECD-MA und entsprechende Regelungen, § 7 AStG, § 42 AO (EuGH vom 13.03.2007, IStR 2007, 249, Tz. 80), § 41 Abs. 2 AO.

Als wichtige internationale Regelung sind die OECD-Verrechnungspreisleitlinien für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen42[„Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations 2010“ – Gl.2010]43 zu nennen. Es handelt sich dabei um eine international anerkannte Grundlage für die Bewertung grenzüberschreitender Transaktionen innerhalb von Unternehmen, die von der OECD erarbeitet und in den darauffolgenden Jahren immer wieder überarbeitet und ergänzt wurde, wobei die Entwicklung nicht abgeschlossen sein dürfte.

Im Oktober 2015 wurde Kapitel V der OECD-Richtlinien zur Dokumentation von Verrechnungspreisen (Guidance on Transfer Pricing Documentation and Country-by Country Reporting (CbCR)) aktualisiert.44 Das Country-by-country-Reporting (Rechnungslegung nach Ländern) soll den Finanzverwaltungen einen besseren Überblick über die Strukturen von internationalen Großkonzernen ermöglichen. Es enthält die Vorgaben für die Dokumentation (Masterfile, Localfile, CbC-Reporting Template [Countryby-Country-Formular]).

Im Jahre 2017 wurden die Guidelines erneut überarbeitet und an die BEPS-Maßnahmen angepasst, am 10.07.2017 wurden die OECD Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterpises and Tax Administrations 2017 verabschiedet.45 Diese Fassung 2017 enthält u.a. Änderungen bei Verrechnungspreisen im Zusammenhang mit Wertschöpfungsbeiträgen und bei der Dokumentation betreffend das Country-by-Country Reporting; er enthält weiterhin Anpassungen im Bereich der Unternehmensstrukturierungen sowie eine Überarbeitung der „safe habours“-Regelungen in Kapitel IV. Weiterer Bestandteil ist eine überarbeitete Empfehlung des OECD-Rates zur Ermittlung von Verrechnungspreisen zwischen verbundenen Unternehmen, die auf die Bekämpfung von Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung von multinationalen Unternehmen abzielt.

Im Juni 2018 wurden mit den „Überarbeiteten Leitlinien zur Anwendung der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode“ die bisherigen Ausführungen von Kapitel II, Teil III, Abschnitt C der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien ersetzt.46

b)Einkünftekorrektur nach § 1 AStG

Eine entsprechende Anwendung der Verrechnungspreisgrundsätze zwischen Betriebsstätte und Unternehmen aufgrund anzunehmender schuldrechtlicher Beziehungen (dealings) kann zur Folge haben, dass eine Betriebsstätte Gewinne erzielt, obwohl das Unternehmen insgesamt Verluste hinnehmen muss (sogar dann, wenn das Unternehmen insgesamt nie einen Gewinn erzielt), dass eine Betriebsstätte Verluste hinnehmen muss, auch wenn das Unternehmen insgesamt Gewinne erzielt und/oder dass es zu Abweichungen der Summe der Einzelergebnisse verschiedener Betriebsstätten vom Gesamtergebnis des Unternehmens kommt (z.B. dadurch, dass steuerlich aufgrund der angesetzten Preise stille Reserven aufgedeckt werden, die das Unternehmen insgesamt bilanziell noch nicht realisiert hat).47

Die Vorgehensweise bei der Einkunftsabgrenzung nach § 1 AStG ähnelt der Vorgehensweise nach dem AOA (Authorised OECD Approach) des Art. 7 OECD-MA 2010:

In einem ersten Schritt werden im Rahmen einer Funktionsanalyse auf Basis der Selbstständigkeitsfiktion der Betriebsstätte Personalfunktionen, Vermögenswerte, Chancen und Risiken sowie ein angemessenes Dotationskapital der Betriebsstätte zugeordnet. Diese Vorgehensweise soll es ermöglichen, für die Betriebsstätte eine steuerliche Nebenrechnung zu erstellen, die für die Gewinnaufteilung bzw. Gewinnermittlung in Betriebsstätten-Fällen inhaltlich der Bilanz eines eigenständigen Unternehmens entspricht. In einem zweiten Schritt werden auf der Grundlage dieser Zuordnung die Art der Geschäftsbeziehungen zwischen dem Unternehmen und der Betriebsstätte sowie die Verrechnungspreise für diese Geschäftsbeziehungen unter Beachtung der OECD-Verrechnungspreislinien bestimmt. Dies gilt auch im Verhältnis zwischen Stammhaus und ständigem Vertreter.

Ziel dieser Funktionsanalyse ist es, die von unabhängigen und verbundenen Unternehmen ausgeübten oder auszuübenden wirtschaftlich erheblichen Tätigkeiten und Verantwortungen, verwendeten Vermögenswerte und übernommenen Risiken festzustellen und zu vergleichen. Dargestellt wird auch die wirtschaftliche Bedeutung der Funktionen, d.h. die Häufigkeit und die Art der gegebenenfalls eingesetzten oder einzusetzenden Wirtschaftsgüter sind zu berücksichtigen. Die Übernahme eines höheren Risikos führt unter fremden Dritten regelmäßig zu einem höheren erwarteten Ertrag. Folglich muss auch bei konzerninternen Geschäften eine positive Korrelation zwischen Risiko und Ertrag bestehen.48

c)Methoden zur Verrechnungspreisbestimmung

Bei den Methoden zur Bestimmung von Verrechnungspreisen wird unterschieden zwischen den Standardmethoden und den gewinnorientierten Methoden.

Zu den Standardmethoden gehören:49

– Preisvergleichsmethode (Comparable uncontrolled price method),

– Wiederverkaufspreismethode (Resale price method),

– Kostenaufschlagsmethode (Cost plus method).

Zu den gewinnorientierten Methoden gehören

– Gewinnaufteilungsmethode (Profit split method),

– Transaktionsbezogene Netto-Margen-Methode (Transactional net margin method).

Das Verhältnis der Methoden zueinander regelt § 1 Abs. 3 Sätze 1 bis 4 AStG; ab dem Veranlagungszeitraum 2022 geregelt in § 1 Abs. 3 bis 3c AStG.50

Gemäß § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG soll die nationale Besteuerung grenzüberschreitender Betriebsstätten-Fälle nach einer einheitlichen Regelung erfolgen. Es handelt sich bei dieser Vorschrift um einen sog. Reverse Treaty override, also eine Umkehrung der Hinwegsetzung über Völkerrecht durch nationale Regelung. Nach dieser Neuregelung hat ein geltendes DBA (nur) dann Vorrang vor den Regelungen des § 1 Abs. 5 Sätze 1 bis 7 AStG, soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass der andere DBA-Staat sein Besteuerungsrecht dem DBA entsprechend ausübt und deshalb die Anwendung der Sätze 1 bis 7 zu einer Doppelbesteuerung führen würde. Dadurch soll eine Doppelbesteuerung durch die Anwendung eines DBA vermieden werden. Es soll gleichzeitig keine Ausweitung der deutschen innerstaatlichen Besteuerungsrechte einseitig zulasten des anderen Vertragsstaats entstehen.

Die Bestimmung der Höhe von Lizenzgebühren wird nach der Preisvergleichsmethode durch die Lizenzkartei des Bundeszentralamtes für Steuern oder andere veröffentlichte Lizenzgebührensammlungen vorgenommen. Im Rahmen einer gewinnorientierten Methode wird die sogenannte Knoppe-Formel diskutiert.51 Dabei erhält der Lizenzgeber einen Anteil von 25 % bis 33 1/3 % des kalkulierten Gewinns des Lizenznehmers aus der Lizenzkalkulation ohne Berücksichtigung der Lizenzvergütung. Hinzuweisen ist auf die Überlegung, dass Schadensersatzansprüche bei Verletzungen von Lizenzvereinbarungen eine Kalkulationsgrundlage sein können.52

Für die Ermittlung fremdüblicher Darlehenszinssätze bei Gesellschafterdarlehen ist als vorrangige Verrechnungspreismethode die Preisvergleichsmethode anzuwenden und zu prüfen, ob so die Vergleichswerte ermittelt werden können. Das gilt auch für unbesichert gewährte Konzerndarlehen und unabhängig davon, ob die Darlehen von der Muttergesellschaft oder von einer als Finanzierungsgesellschaft fungierenden anderen Konzerngesellschaft gewährt worden sind.53

4.Funktionsverlagerung

a)Einleitung

Die gesetzliche Regelung zur Funktionsverlagerung findet sich in § 1 Abs. 3 Satz 9 bis 12 AStG a.F; ab Veranlagungszeitraum 2022 in § 1 Abs. 3b, c AStG n.F.54

Zur alten Fassung: Hierbei handelt es sich um die Voraussetzungen und Rechtsfolgen hinsichtlich des zu versteuernden Wertes einer Funktionsverlagerung. Besteuert wird die betriebliche Funktion, die in das Ausland verlagert wird. Während Satz 9 den Grundsatz bildet, wonach eine zusammengefasste Bewertung der übertragenen Funktion als Ganzes („Transferpaket“) zu erfolgen hat, stellt Satz 10 die Ausnahme dar und beschreibt, unter welchen Voraussetzungen die Ermittlung aufgrund der sich für die einzelnen übergehenden Wirtschaftsgüter ergebenden Verrechnungspreise („Escape-Klausel“) erfolgen kann. Die Sätze 11 und 12 bilden weitere Regelungen für den Übergang von wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgütern.

Zur neuen Fassung: Durch Gesetzesänderung55 sind mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2022 u.a. die Ausnahmetatbestände der Escape-Klausel zu großen Teilen entfallen. Nach der neuen Gesetzeslage ist grundsätzlich die Transferpaketbetrachtung anzustellen, ausgenommen sind lediglich sogenannte Outsourcingfälle wie z.B. die Verlagerung auf einen Auftragsfertiger, § 3 Abs. 3b, c AStG n.F.

Weitere Konkretisierung erfährt die Funktionsverlagerung durch die Funktionsverlagerungsverordnung.56 Der Begriff der „Funktionsverlagerung“ ist dort definiert. § 1 FVerlV enthält in den ersten drei Absätzen Positivabgrenzungen der Funktionsverlagerung, während die Abs. 6 und 7 Negativabgrenzungen enthalten. Eine Funktion wird beschrieben als eine Geschäftstätigkeit, die aus einer Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben besteht. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG (ab dem Veranlagungszeitraum 2022: § 1 Abs. 3b Satz 1 AStG57) setzt voraus, dass die Funktion einschließlich der Chancen und Risiken übertragen wird. Diskutiert wird über den Umfang des Begriffs der Geschäftstätigkeit. Die Finanzverwaltung legt diesen Begriff weit aus und ergreift damit insbesondere auch konzerninterne Tätigkeiten.58 Unklar ist weiterhin die Auslegung des Merkmals der Gleichartigkeit. Der Steuerpflichtige wird bestrebt sein, einer sogenannten Atomisierung der Funktionen nicht nachzukommen, damit die Dokumentationspflichten ihn nicht erdrücken.

Soweit Chancen und Risiken im Wesentlichen beim übertragenden Unternehmen verbleiben, liegt eine Funktionsabspaltung vor. Hier greifen die Regelungen zur Funktionsverlagerung nicht ein.

Auch mitübertragene oder überlassene Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile werden von § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG (ab dem Veranlagungszeitraum 2022: § 1 Abs. 3b Satz 1 AStG59) erfasst. Soweit fremde Dritte hierfür keine gesonderte Vergütung zahlen würden, können diese nicht gemeint sein.

Die Verlagerung der Funktionen liegt nach § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV vor, wenn das verlagernde Unternehmen einem anderen, nahestehenden Unternehmen die zuvor beschriebene Funktion überträgt oder zur Nutzung überlässt, damit das übernehmende Unternehmen die Funktion ausübt und dadurch die Ausübung der Funktion durch das verlagernde Unternehmen eingeschränkt ist. Verlagerndes Unternehmen ist der Steuerpflichtige gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG. Das nahestehende ausländische Unternehmen wird über § 1 Abs. 2 AStG definiert; die Verlagerung einer Funktion vom inländischen Stammhaus in die ausländische Betriebsstätte soll nach Meinung der Finanzverwaltung davon gedeckt sein.

Übertragungsgegenstand ist ein Wirtschaftsgut nebst seinen Chancen, Risiken und Vorteilen, nicht jedoch lediglich die Übertragung von Chancen und Risiken; dies scheitert am Wortlaut des § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG (ab dem Veranlagungszeitraum 2022: § 1 Abs. 3b Satz 1 AStG60).

Soweit eine Betriebsaufgabe im Inland erfolgt und eine Betriebsneugründung im Ausland vorgenommen wird, liegt kein Fall einer schuldrechtlichen Geschäftsbeziehung vor; es könnte jedoch ein Fall des § 6 Abs. 1 AStG sein. Abzulehnen ist die Anwendung der Regelungen der Funktionsverlagerung bei einer Sitzverlegung vom Inland in das Ausland; auch grenzüberschreitende Umwandlungen dürften den Fall nicht treffen.

Bei einer Funktionsverdoppelung (ähnlich Funktionsneugründung) liegen die Rechtsfolgen der Funktionsverlagerung nur dann vor, wenn es innerhalb von fünf Jahren nach Aufnahme der Funktionen zu einer Einschränkung beim verlagernden Unternehmen kommt, § 1 Abs. 6 Satz 1 FVerlV.

Bei einer Funktionsausgliederung kommen die Rechtsfolgen der Besteuerung zum Tragen; bei einer Funktionsverschmelzung ist dagegen Raum für Argumentation gegen eine Steuer.

Das BMF hat ein umfangreiches Schreiben zu den Grundsätzen für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung zwischen nahestehenden Personen in Fällen von grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen herausgegeben, die sog. Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung.61

b)Veräußerung vs. Nutzungsüberlassung

Bei Funktionsverlagerungen innerhalb eines Konzerns über die Grenze kommt es zur Aufdeckung und Versteuerung stiller Reserven. Ausnahmsweise kommt es nicht dazu, wenn eine Nutzungsüberlassung zu fremdüblichen Bedingungen vereinbart wurde. Für die Frage, wann eine Nutzungsüberlassung und wann eine Veräußerung vorliegt, kommt es entscheidend darauf an, ob das wirtschaftliche Eigentum an dem Wirtschaftsgut übergeht. Bei immateriellen Wirtschaftsgütern wie Know-how ist die Bestimmung und Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums regelmäßig schwierig (anders bei Patenten).

c)Konsequenzen für Funktionsverlagerungen

Sofern im Rahmen der Funktionsverlagerung der inländischen Gesellschaft ein Vorteil entzogen wird, der ihr zugeordnet war, muss hierfür eine Entschädigung bezahlt werden unter der Voraussetzung, dass auch unter fremden Dritten keine unentgeltliche Übertragung erfolgen würde.

d) Regelung des Betriebsstättenerlasses zur Gewinnrealisierung62

Nach dem Betriebsstättenerlass des BMF gilt der Grundsatz der Sofortbesteuerung von stillen Reserven im Rahmen der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte unter Anwendung des Fremdvergleichspreises.

e)Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG

Die in § 6 AStG63 geregelte Wegzugbesteuerung beinhaltet eine Besteuerung fiktiver Veräußerungen von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften nach § 17 EStG, wenn der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegt, also seine unbeschränkte Steuerpflicht aufgibt.

Durch das ATAD-Umsetzungsgesetz64 wurde eine neue Ausgestaltung der Wegzugsbesteuerung in § 6 AStG vorgenommen. Die Neuregelung gilt für die Einkommen-, Körperschaft und Gewerbesteuer und ist erstmals für den Veranlagungs-/Erhebungszeitraum 2022 anzuwenden;65 für davor verwirklichte Wegzugsfälle soll das alte Recht Anwendung finden. Daher wird zunächst die vor der Gesetzesänderung geltende Rechtslage skizziert, um nachfolgend die wesentlichen Änderungen der neuen Gesetzeslage darzulegen.

Die Regelungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG a.F. führen zur Besteuerung eines fiktiven Veräußerungsgewinns beim Gesellschafter zum Zeitpunkt des Wohnsitzwechsels, wenn:

– es sich um eine natürliche Person handelt, die insgesamt mindestens 10 Jahre nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war, Staatsangehörigkeit unerheblich,

– diese Steuerpflicht durch die Aufgabe des inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes endet,

– erfasst sind Vermögenszuwächse, die Anteile an inländischen und ausländischen Kapitalgesellschaften i.S.v. § 17 EStG betreffen (also mindestens 1 % mittelbare oder unmittelbare Beteiligung in den letzten 5 Jahren) und im Privatvermögen gehalten werden.

§ 6 Abs. 1 Satz 2 AStG a.F. enthält Tatbestände, die der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht gleichgestellt sind, Absatz 2 regelt die Fälle der unentgeltlichen Übertragung von Anteilen und führt damit zur Einbeziehung der Dauer der unbeschränkten Steuerpflicht des Rechtsvorgängers. In Absatz 3 findet sich eine Sonderregelung bei „vorübergehender Abwesenheit“66 (5 bis maximal 10 Jahre).

Rechtsfolge des § 6 AStG a.F. ist die Besteuerung der stillen Reserven an der wesentlichen Beteiligung unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens, §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG. Besteuert wird die Differenz zwischen gemeinem Wert und Anschaffungskosten, wobei nach der Rechtsprechung des BFH nur Fälle erfasst sind, in denen der gemeine Wert die Anschaffungskosten übersteigt (Besteuerung nur des Vermögenszuwachses); für eventuelle fiktive Wertminderungen besteht dagegen keine spiegelbildliche Regelung.67 Die Besteuerung realisierter Veräußerungsgewinne durch beschränkt Steuerpflichtige bleibt von der Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG a.F. unberührt, allerdings wird dabei der Veräußerungsgewinn um den nach § 6 AStG a.F. besteuerten Vermögenszuwachs gekürzt.

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die allgemeine Stundungsmöglichkeit gemäß § 6 Abs. 4 AStG a.F.: die Wegzugsteuer kann auf Antrag und gegen Sicherheitsleistung für maximal 5 Jahre gestundet werden, die Stundung kann widerrufen werden, wenn die Anteile veräußert oder verdeckt in eine andere Kapitalgesellschaft eingelegt werden, die Kapitalgesellschaft aufgelöst wird oder eine Kapitalherabsetzung erfolgt, § 6 Abs. 4 Sätze 1 und 2 AStG a.F. Zinslose Stundung wird von Amts wegen gewährt in EU-/EWR-Fällen gemäß § 6 Abs. 5 AStG a.F., wenn der Steuerpflichtige im Zuzugsstaat einer der unbeschränkten deutschen Einkommensteuerpflicht entsprechenden Steuerpflicht unterliegt und die Amtshilfe sowie die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung der geschuldeten Steuer zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Zuzugsstaat gewährleistet sind. Bei tatsächlicher Realisierung eines Veräußerungsgewinnes kann die Stundung widerrufen werden, vgl. § 6 Abs. 5 Sätze 4 bis 7 AStG a.F.

§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 AstG a.F. dehnt die zinslose Stundungsregelung auf die Fälle des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AstG a.F. aus, wenn der Steuerpflichtige Anteile an einer in einem EU/EWR-Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft hält. Hintergrund dieser Regelung ist, dass der Auffangtatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AstG a.F. (u.a.) die Fälle erfasse, in denen Deutschland nach einem DBA den Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils im Sinne des § 17 EStG freistellen oder die ausländische Steuer anrechnen muss (z.B. wenn das DBA dem ausländischen Staat der Ansässigkeit der Kapitalgesellschaft ein Besteuerungsrecht zuweist). In diesen Fällen sei nach der Rechtsprechung des EuGH68 eine sofortige Einziehung der geschuldeten Steuer nicht mit den europäischen Grundfreiheiten zu vereinbaren.69

Nach Ansicht des EuGH70 steht das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU71 der Erhebung der Steuer für latente bzw. fiktive Veräußerungsgewinne entgegen, soweit diese bei Wegzug sofort erhoben wird. Damit darf auch in Wegzugsfällen in die Schweiz die Wegzugssteuer erst bei tatsächlicher Veräußerung erhoben werden, die Steuer auf den Veräußerungsgewinn gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG ist wie bei einem Wegzug in einen Mitgliedsstaat der EU bzw. des EWR nach § 6 Abs. 5 AStG a.F. zinslos und ohne Sicherheitsleistung bis zur tatsächlichen Veräußerung zu stunden. Das BMF hat darauf mit Schreiben zu den „Folgen des EuGH-Urteils vom 26. Februar 2019, Wächtler, C-581/17“ vom 13.11.2019 reagiert.72

§ 6 Abs. 8 AStG a.F. enthält Sonderreglungen für Brexit-Fälle.

Aufgrund der am 01.07.2021 in Kraft getretenen Neufassung des § 6 AStG73 wird nicht mehr zwischen EU-/EWR-Staatsangehörigen und Drittstaatsangehörigen differenziert, § 6 AStG n.F. gilt somit einheitlich für alle Steuerpflichtigen.

Die Besteuerung nach § 6 Abs. 1 AStG n.F. wird ausgelöst (sachlicher Anwendungsbereich) durch die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht infolge der Aufgabe des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts (Nr. 1), durch die unentgeltliche Übertragung auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person (Nr. 2) sowie durch den Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile (Nr. 3). Als Rechtsfolge werden die Anteile zum gemeinen Wert bewertet und die Differenz zwischen Anschaffungskosten und gemeinem Wert besteuert. Soweit die durch den Wegzug entstandene Steuer entrichtet wurde, gelten die Anteile als zum gemeinen Wert erworben, andernfalls gelten diese weiterhin als zu den ursprünglichen Anschaffungskosten erworben, § 6 Abs. 1 Satz 3 AStG n.F.

Nach dem neu gefassten Absatz 2 tritt die persönliche Steuerpflicht ein, wenn eine natürliche Person innerhalb der letzten 12 Jahre vor dem Wegzug mindestens sieben Jahre unbeschränkt steuerpflichtig war. Bei unentgeltlichem Erwerb ist bei der Berechnung der maßgebenden Dauer der unbeschränkten Steuerpflicht auch die des Rechtsvorgängers einzubeziehen. So werden bei einer späteren steuerpflichtigen Veräußerung die stillen Reserven besteuert.

Gemäß § 6 Abs. 3 AStG n.F. (Rückkehrregelung) entfällt der Steueranspruch nach Absatz 1, wenn die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht auf einer nur vorübergehenden Abwesenheit des Steuerpflichtigen beruht, soweit die Anteile in der Zwischenzeit weder veräußert, übertragen, noch in ein Betriebsvermögen eingelegt wurden, keine Gewinnausschüttungen oder keine Einlagenrückgewähr erfolgt sind, deren gemeiner Wert insgesamt mehr als ein Viertel des ursprünglichen gemeinen Werts beträgt, und das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile mindestens in dem Umfang wieder begründet wird, wie es im Zeitpunkt der Beendigung der Steuerpflicht bestand.

Die frühere zinslose, unbefristete Stundungsmöglichkeit ohne Sicherheitsleistung bei Wegzug in EU-/EWR-Staaten wurde gestrichen. Die Steuer kann nunmehr gemäß § 6 Abs. 4 Sätze 1 bis 4 AStG n.F. (lediglich) auf Antrag des Steuerpflichtigen in sieben gleichen Jahresraten entrichtet werden, in der Regel nur gegen Sicherheitsleistung, die Jahresraten sind nicht zu verzinsen, ohne dass hier zwischen EU-/EWR-Staaten und Drittstaaten unterschieden wird. § 6 Abs. 4 Satz 4 AStG n.F. enthält des Weiteren Tatbestände, bei denen die zu entrichtenden Raten sofort fällig werden, so u.a. wenn eine Jahresrate nicht fristgemäß entrichtet wird, der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach Absatz 5 nicht erfüllt oder Insolvenz anmeldet.

§ 6 Abs. 5 AStG n.F. normiert umfangreiche Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen.

f)Zwischengeschaltete Gesellschaften

§ 5 AStG