Grundlagen Kreatives Schreiben - Pia Helfferich - E-Book

Grundlagen Kreatives Schreiben E-Book

Pia Helfferich

4,3

Beschreibung

Um gut zu schreiben – also so, dass der Text den Erwartungen seines Autors entspricht und das Schreiben flüssig verläuft – braucht man Fähigkeiten auf zwei Gebieten: Man muss sich erstens mit den Elementen des Schreibhandwerks auskennen, wissen, wie man Figuren lebendig darstellt, welche Auswirkungen die Wahl der Perspektive auf den Text hat, wie man Konflikte einsetzt usw., und zweitens muss man wissen, wie der Schreibprozess verläuft, um ihn gut organisieren und Schreibprobleme beheben zu können. Der erste Abschnitt dieses Buches beschäftigt sich daher mit grundlegenden Themen des literarischen Schreibens. Es geht unter anderem um die Figurenentwicklung, die Wahl der Erzählperspektive, Dialoge, Beschreibungen, den Handlungs- und Spannungsaufbau und die Überarbeitung. Anschließend vermittelt das Buch wie man mit den Herausforderungen, die der Schreibprozess mit sich bringt, umgehen kann. Anfangen, durchhalten, Text beenden – es klingt so einfach und kann doch zu einer schwierigen Hürde werden, wenn Schreibblockaden, Perfektionismus und Selbstzweifel den Autor in ihren Würgegriff nehmen. Doch hier finden Sie Methoden, um Idee zu generieren und zu vertiefen, sowie Techniken, die dabei helfen, weiter und weiter zu schreiben, trotz Deadline, trotz fehlender Deadline, trotz bester Selbstdemontagetechniken, für die Autoren so viel Talent mitbringen. Abschließend werden noch einige spezielle Textgattungen vorgestellt. Sie erfahren, worauf es beim Schreiben von Märchen, Fabeln, Kürzestgeschichten und Kurzgeschichten ankommt und erhalten eine Reihe von Schreibanregungen und Schreibspielen.

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Grundlagen Kreatives Schreiben

von Pia Helfferich

Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Figuren entwerfen
Ziel und Antrieb der Figuren
Der Antagonist – Den Gegenspieler des Helden erfinden
Der Antagonist: die guten Seiten des bösen Gegenspielers
Handlungsaufbau: Die acht Elemente einer Geschichte
Filmtrailer als Übung für die Handlungsstruktur von Geschichten nutzen
Der Anfang der Geschichte: Den ersten Satz und Absatz schreiben
Das Ende der Geschichte: Den Schluss schreiben
Konflikte
Spannend schreiben: Wie man in einer Geschichte Spannung aufbaut
Infodumping vs. sinnvolle Beschreibungen
Sinneswahrnehmungen: Wie man Geruch und Geschmack in Texte einfließen lässt
Ein Milieu darstellen
Texte mit Sogwirkung schreiben – Wie man Leser in eine Geschichte hineinzieht
Die passende Erzählperspektive auswählen
Die auktoriale oder personale Erzählperspektive
Der Ich-Erzähler: Die Erzählperspektive aus der ersten Person Singular
Die personale Erzählperspektive
Dialoge schreiben: Wie man Figuren reden lässt
Einen Text überarbeiten – Von der Rohfassung bis zum Feinschliff
Kürzen, streichen, weglassen: Texte straffer und dichter machen
Das Adjektiv: Freund oder Feind?
Klischees vermeiden: Abgedroschene Denk- und Redeweisen überwinden
Kitsch beim Schreiben vermeiden
Über den Umgang mit Kritik: Faire Textdiskussionen in Schreibgruppen
Wie ein Arbeitsjournal das Schreiben unterstützt
Clustern zur Ideenfindung
8 Methoden, um Ideen zu entwickeln
Ideen weiterentwickeln und vertiefen
Der Schreibfluss hat Vorfahrt
Freewriting: Wie es geht, was es bringt und warum es funktioniert
Die eigene Schreibstimme nutzen
Langwierige Schreibprojekte durchhalten
Einen Text zu Ende schreiben – Zeitmanagement für Autoren
Der fiese Einsendeschluss: Wie man mit einer Deadline umgehen kann
Wie geht es weiter? Wie Beschreibungen helfen können, wenn man im Text stecken bleibt
Stimmen im Kopf – Wie Autoren sich selbst im Weg stehen
Den Perfektionismus überwinden
5 Wege in die Schreibblockade
18 Mittel gegen Schreibblockaden
Per Belohnung dem Aufschieben entkommen
Wie kann man sich besser konzentrieren?
Märchen schreiben leicht gemacht
Fabeln schreiben
Kürzestgeschichten schreiben
Eine klassische Kurzgeschichte schreiben
Ein Reisetagebuch führen
Liebesgedichte schreiben
Fingerübungen
Maßgeschneiderte Aufwärmübungen vor dem Schreiben
Schreibanregungen für 7 mal 7 Minuten
Texte in einer Anthologie veröffentlichen
Die Autorin
Impressum

Einleitung

Das Schreiben einer Erzählung kann man mit einer Reise verglichen. Die Parallelen liegen auf der Hand, denn auch das Schreiben ist immer lohnend und nicht selten mühsam, gewährt faszinierende Einblicke und Ausblicke und egal wie weit man damit kommt, am meisten erfährt man dabei über sich selbst. Wenn also das Schreiben eine Reise ist, dann soll dieses E-Book der Rucksack mit den notwendigsten Dingen sein, die man braucht, um an das Ziel zu gelangen und die Reise gut zu überstehen. Zu einer vernünftigen Ausrüstung gehört Wissen über das Schreibhandwerk, nicht um stupide Regeln zu folgen, sondern um die Strippen wahrzunehmen, an denen man ziehen kann, um die Geschichte wie gewünscht in Bewegung zu setzen. Themen wie Figurenentwicklung, Dialoge, Konflikte, Handlungs- und Spannungsaufbau sind daher im ersten Teil des E-Books zu finden. Sie erfahren, wie der Antagonist beschaffen sein sollte, wie man Kitsch und Klischees vermeidet und was man bei der Analyse von Filmtrailern für den Plot lernen kann.Zur Ausrüstung gehört aber auch ein sorgfältig zusammengestelltes Erste-Hilfe-Paket, das in Notfällen wie bei Schreibblockaden, lähmendem Perfektionismus oder dem Würgegriff der Selbstzweifel verwendet werden kann. Hier erfahren Autoren unter anderem, wie das Führen eines Schreibjournals ihre Arbeit unterstützt, wie man die eigene Schreibstimme nutzt und wie ein Zeitmanagement für Autoren aussehen kann.Der Proviant besteht schließlich aus Wissenswertem über die Textgattungen Märchen, Fabeln, Kürzest- und Kurzgeschichten. Schreibanregungen und -spiele runden diesen Bereich ab.Dieses E-Book geht zurück auf Artikel, die im Laufe der letzten Jahre online und offline erschienen sind.

Figuren entwerfen

Die Figuren sind das A und O einer Geschichte. Sind sie langweilig, trivial, unglaubwürdig, kann nichts den Leser noch halten. Positiv formuliert: Nichts ist spannender, als eine komplexe Figur kennenzulernen, einem Charakter nahe zu kommen, ihn zu verstehen, womöglich jemanden, dem man im richtigen Leben so nie nahegekommen wäre (man würde es eventuell auch nicht wollen). Wie bastelt man Figuren, die Leser berühren können?

Erst die Figur, dann die Handlung

Wichtig ist zunächst, dass die Figur der Ausgangspunkt der Geschichte sein sollte und nicht die Handlung. Das wird klar, wenn man sich Folgendes verdeutlicht: Die Figur hat einen speziellen Charakter, eine eigene Art die Welt zu sehen und zu handeln. Auf eben dieser eigenen Weise wird sie auf die Konflikte reagieren, denen sie in der Geschichte begegnet und genau das treibt die Handlung voran und formt sie.

Material sammeln

Die beiden Möglichkeiten, an Figurenmaterial heranzukommen, sind Phantasie und Realität und für sich allein ist keine dieser beiden Möglichkeiten gut. Beschränkt man sich nur auf das Ausdenken, läuft man Gefahr Klischees zu reproduzieren. Bildet man reale Menschen ab, kann man nicht nur verklagt werden, sondern man verschenkt auch Spielraum. Weder kann man einen Menschen so gut kennen wie eine Figur, noch sind Menschen so zielgerichtet, motiviert, dynamisch wie eine gute Figur. Jedenfalls in der Regel. Ideal ist deswegen eine Mischform. Man denkt sich Figuren aus und verlässt sich nicht komplett auf die Phantasie, sondern setzt sie aus Bestandteilen zusammen, die man an verschiedenen Menschen wahrgenommen hat.Auch wenn man „nur" eine Kurzgeschichte schreibt und gar nicht den Raum hat, einen Charakter in seinem ganzen Spektrum darzustellen, sollte man die Figuren doch so genau wie nur irgend möglich kennen. Gelegenheit für ein Hemingway-Zitat:„Wenn ein Prosaschriftsteller genug über das weiß, worüber er schreibt, kann er Dinge auslassen, die er weiß, und der Leser wird, wenn der Schriftsteller aufrichtig genug schreibt, ein so starkes Gefühl dieser Dinge haben, als ob der Schriftsteller sie erwähnt hätte."Zu den Dingen, die man über eine Figur wissen sollte, gehört ganz offensichtlich: Name, Aussehen, Beruf, Alter, Bildung, charakterliche Eigenschaften, Vorlieben, Abneigungen, Herkunft, Hobbys ...Weniger offensichtlich, dennoch wichtig und interessant: die Art zu sprechen, Handschrift, politische Ansichten, Narben, Wohnort und Wohnungseinrichtung, Gesten, Macken, Träume und Albträume, Beziehungen, Spitznamen, Besitz, Lieblingsgegenstand, religiöse Überzeugung, Modegeschmack, ...Diese Aufzählung ist nicht als abgeschlossen anzusehen.

Grauabstufungen

Wichtig ist es, Schwarz-Weiß-Malerei zu vermeiden. Eine Figur, die durch und durch gut ist, ist auch durch und durch langweilig. Kleine Fehler und Unzulänglichkeiten sind interessant, menschlich und bringen die Figur dem Leser näher. Genauso ist es mit den Bösewichten.Auch zu ihnen muss der Leser eine Beziehung aufbauen. Klar, er soll den eiskalten Serienmörder verabscheuen, er sollte aber gezeigt bekommen, dass dieser Serienmörder sich auch nach dem siebzehnten Mord liebevoll um sein kleines Kind kümmert. Ambivalenz ist das Geschäft der Literatur, Schwarz-Weiß-Malerei kann man an jedem Stammtisch bekommen.

Organisch gewachsen

Eine Liste für die Figurenentwicklung soll nicht bedeuten, dass man eine Figur am Reißbrett entwirft, sich hinsetzt und nacheinander einfach festlegt, wie sie sein soll. Genau wie ein Mensch besitzt jede Figur eine Persönlichkeit, die auf einer inneren Logik beruht und organisch gewachsen ist. Das heißt allerdings nicht, dass es wahnsinnig kompliziert ist, Figuren zu entwerfen und man erstmal ein Grundstudium in Psychologie absolvieren sollte.Am besten schaut man der Figur einfach zu wie in einem Film. Bevor man überhaupt an die Geschichte und ihre Handlung denkt, beobachtet man die Figur, als ob es ihr Leben bereits gäbe, und zwingt sie nicht zu einer bestimmten Form oder Entwicklung. Das mag jetzt enttäuschend esoterisch klingen, funktioniert jedoch tadellos.

Sprechendes Detail

Bleibt die Frage, wie man die Figur dem Leser präsentiert. Viele Texte, gerade aus dem Bereich der Unterhaltungsliteratur, fangen damit an, dass dem Leser komplett mitgeteilt wird, wie der Protagonist aussieht. Eventuell kommt er oder sie dafür extra an einem Spiegel vorbei, damit auch jeder die stahlblauen Augen und den verwegenen Dreitagebart mitbekommt. Das ist nicht gerade subtil und ist das überhaupt wichtig? Statt einer Darstellung, die für eine steckbriefliche Suche ausreichen könnte, ist es geschickter sich zu fragen, was an dieser Figur charakteristisch ist und dieses Detail sollte dann an exponierter Stelle dem Leser präsentiert werden. Was ist typisch für den Protagonisten? Was zeichnet ihn aus? In Katherine Mansfields Kurzgeschichte „Glück" (oder in einer neueren Übersetzung „Seligkeit") ist das überschwängliche Glücksgefühl bezeichnend für die Protagonistin Bertha.Also wird dieses Gefühl, „dieser kleine Funkenregen, der durch den Körper jagt, bis in jeden Finger und Zeh", als Erstes dargestellt. Die Farbe ihrer Augen bleibt durchgehend unwichtig.

Ziel und Antrieb der Figuren

Wo auch immer man etwas über das Entwerfen von Figuren hört oder liest, wird ganz bestimmt erwähnt, dass man sehr, sehr viel über jede Figur wissen muss, und das ist ja auch ganz richtig. Was sie mag, wo sie herkommt, wie sie spricht, wen sie nicht leiden kann, wovon sie träumt, wovor sie sich fürchtet, woran sie glaubt, wie viel sie erträgt … Man kann eine lange Liste der Punkte erstellen, die man über eine Figur wissen kannDann sieht man sie genau vor sich, würde sie am Gang in der Fußgängerzone erkennen, aber eine Geschichte hat man trotzdem noch nicht. Was fehlt sind zwei Dinge, nämlich etwas, das die Figur anzieht und etwas, das sie treibt.

Das Ziel der Figur

Angezogen wird die Figur von einem Ziel, das sie verfolgt. Dieses Ziel setzt sie in Bewegung und so entsteht eine Geschichte. Es kann ein Wunsch sein, den sich die Figur erfüllen will, es kann aber auch sein, dass sie von äußeren Einflüssen bedrängt und gezwungen wird, sich Richtung Ziel zu bewegen. Möglicherweise handelt es sich um etwas so geringes wie eine Tasse Kaffee oder es spielt sich in der Dimension „Rette die Erde …“ ab, das ist einerlei.

Der Antrieb hinter der Handlung

Was nun noch fehlt, ist der Motor, der die Figur nach vorn treibt. Nur in den seltensten Fällen handeln Menschen und somit auch Figuren vollkommen grundlos. In der Regel wird jede Tat von einer bestimmten Motivation angetrieben, mag sie noch so sinnvoll sein oder für andere abwegig erscheinen. Diese Motivation kann sich aus ganz unterschiedlichen Quellen speisen, sie geht aus der Persönlichkeit der Figur hervor.

Menschliche Antriebe

Ganz verschiedene Faktoren beeinflussen im realen Leben unsere Handlungen. Dinge, von denen wir uns leiten lassen, sind unter anderem:

• unsere Beziehungen: Wen wir lieben oder hassen, von wem wir geliebt werden, wollen, wen wir beschützen wollen, an wem wir uns rächen wollen …

• Bedürfnisse und Wünsche: Grundbedürfnisse, Lebensträume, Geld

• Verpflichtungen

• Erfahrungen und Erziehung

• kulturelle Einflüsse

• (religiöser) Glaube

• Ängste

Wenn man sich darüber im Klaren ist, warum jemand handelt, wie er es tut, kann die Figur mehr Tiefe erhalten und es wird für den Autor klarer, welchen Weg sie nehmen wird.Um den Blick für solche Antriebe zu schärfen, ist es hilfreich, Bücher zur Hand zu nehmen, die man schätzt, und einmal zu überprüfen, welche Motivation hinter den Handlungen der Figuren steht. Auch ein Blick auf die lieben Mitmenschen ist erhellend, wenn man sie denn gut genug kennt, um ihren Antrieb nachvollziehen zu können.

Der Antagonist – Den Gegenspieler des Helden erfinden

Der Protagonist, die zentrale Figur einer Geschichte, sprich „der Held“ braucht einen Gegenspieler, mit dem er um das Erreichen des wie auch immer gearteten Ziels kämpfen kann. Ohne Widerpart keine Spannung. In einer absolut klassischen Konstellation ist der Polizist oder Detektiv der Protagonist, der den Verbrecher, den Antagonisten jagt. Der eine will genau das, was der andere mit allen Mitteln verhindern möchte. Eine andere Möglichkeit wäre, dass zwei Figuren um das gleiche Ziel kämpfen, das nur einer erreichen kann, beispielsweise als Erster eine Station am Südpol erreichen oder die Beförderung bekommen.Eine Auseinandersetzung zwischen Protagonist und Antagonist muss nicht notwendigerweise ein verbissener Kampf zwischen erklärten Gegnern sein. In einer humorvollen Geschichte, in der eine Kinderärztin ein so gut wie gar nicht krankes Kind behandelt, während die besorgte Mutter alles besser weiß, wäre die Mutter der Antagonist.Ebenso ist es möglich, dass der Antagonist keine individuelle Figur ist, sondern die Gesellschaft, die Familie, eine Behörde, vielleicht sogar eine dem Protagonisten innewohnende Charakterschwäche.

Ausgeglichenes Kräfteverhältnis

Um das Duell der beiden Figuren (wovon wir der Einfachheit halber ausgehen wollen) so interessant und spannend wie möglich zu gestalten, sollten beide etwa gleich stark sein. Sie müssen nicht die gleichen Stärken besitzen, sondern können dem anderen auf verschiedenen Gebieten überlegen sein, aber in der Endsumme sollten sie ebenbürtige Gegner sein. Auf diese Weise kann der Ausgang lange offen bleiben, Teilsiege können errungen und Rückschläge müssen verkraftet werden.Die interessantesten Möglichkeiten stecken wahrscheinlich in der Auseinandersetzung zweier Parteien, bei denen beide „das Gute" verkörpern, beide einen moralisch unbedenklichen Antrieb und das Recht auf ihrer Seite haben.Entwirft man jedoch als Antagonist einen echten „Bösewicht", sollte man dafür Sorge tragen, dass er nicht durch und durch böse und somit völlig eindimensional ist, das wäre trivial und langweilig.

Die Faszination des Bösen

Nicht das abgrundtief Böse ruft Schaudern hervor, sondern eher das Böse im menschlichen Antlitz oder die Tatsache, wie nah gut und böse beieinander liegen. Gute Gründe, um den Charakter des Antagonisten und seine Biographie sorgfältig zu gestalten. Dabei sind einige Punkte zu beachten.Der Leser, und erst recht der Autor, sollten wissen, warum der Antagonist so geworden ist.Was hat ihn geprägt? Was ist sein Antrieb?Man kann noch so unmoralisch und verwerflich handeln, selber hat man eine einleuchtende Erklärung für diese Taten und sieht sich in einem guten Licht. Auch der Antagonist braucht eine stabile Selbstrechtfertigung - und sei sie noch so abwegig.Nicht zuletzt hat auch der Bösewicht sympathische Seiten. Wer von einem Serienmörder erzählt, könnte ihn mit einem trockenen Humor ausrüsten und ihn zeigen, wie er seinen Kindern Biomüsli zum Frühstück serviert und darauf besteht, dass sie nicht ohne Schal das Haus verlassen.

Teuflisches Vorbild

Der großartigste Antagonist der deutschsprachigen Literatur ist Mephisto in Goethes Faust.Eher Verführer denn Vernichter geht von ihm eine Faszinaton aus, der sich weder der Protagonist, also Faust, noch die Leser entziehen können.

Der Antagonist: die guten Seiten des bösen Gegenspielers

Während die Hauptfigur einer Geschichte auch unter dem Namen „Protagonist“ bekannt ist, firmiert ihr Gegenspieler, die Person, die ihr im Weg steht und zu verhindern versucht, dass die Hauptfigur ihre Ziele erreicht, unter dem Begriff „Antagonist“. Über diesen Gegenspieler, den „Bösen“ zu reden, ist nicht ganz einfach, ziehen doch schnell Reminiszenzen auf an Sporengeklingel, tief ins Gesicht gezogene Cowboyhüte und Duelle zur Mittagsstunde. Kurz: Zunächst klingt das Konzept von der Hauptfigur und ihrem Gegenspieler etwas flach, tatsächlich steht aber jedem Protagonisten irgendjemand oder irgendwas im Wege, sonst gäbe es keine Konflikte und nichts zu erzählen.

Wie sollte der Antagonist beschaffen sein?

Zunächst ist es verführerisch, den Bösen auch so richtig böse darzustellen – empfehlenswert ist das jedoch nicht, würde es die Figur doch flach werden lassen, und wer interessiert sich schon für eine eindimensionale Figur? Die besten Antagonisten, die Leser interessieren und faszinieren, verfügen über eine komplexe Persönlichkeit, die genauso sorgfältig ausgearbeitet wurde wie der Charakter des Protagonisten, man denke nur an Mephisto oder Hannibal Lecter.Das Wichtigste bei der Entwicklung des Gegenspielers ist, dass er auch über positive Seiten verfügt. Nehmen wir einmal an, Anton und Bertram haben sich beide in Charlotte verliebt.Anton ist die Hauptfigur in der Geschichte, wenn Bertram nun ein durch und durch fieser Typ wäre, aber sagen wir mal stinkreich, dann würde das der Geschichte ihren Reiz nehmen.Erstens wären die Rollen zu eindeutig verteilt, es gäbe nichts zu entdecken, zweitens müsste man sich fragen, ob Charlotte so begehrenswert sein kann, wenn sie auf diesen Typen reinfällt. Wenn aber Bertram ein netter Kerl wäre und obendrein seit vielen Jahren Antons bester Freund, dann würde die Geschichte an Fahrt gewinnen. Bertram wäre noch immer der böse Gegenspieler, sein Sieg bei Charlotte müsste Anton um so wahrscheinlicher vorkommen, weil er weiß, wie nett Bertram ist und Anton wäre in einen zusätzlichen Konflikt gestürzt, weil er seinen besten Freund verliert.Natürlich soll das nicht heißen, dass alle Protagonisten und Antagonisten am besten befreundet sein sollten. Anderes Szenario: Der Protagonist verabscheut seinen Chef, und das mit guten Gründen, denn dieser gibt ihm mehr Arbeit, als er schaffen kann, gibt die Leistungen des Protagonisten als seine eigenen aus, übergeht ihn bei jeder Beförderung und zufällig weiß der Protagonist auch noch, dass der Chef seine Frau betrügt. Ein ziemlich mieser Typ dieser Chef, aber keine sonderlich interessante Figur. Die Konstellation wird komplexer, wenn sämtliche anderen Mitarbeiter von diesem Chef begeistert sind und er ständig in den Zeitungen für sein soziales Engagement gelobt wird.

Wie entdeckt man die guten Seiten des Bösen?

Früher konnte ich mir nie vorstellen, dass meine Mathelehrer Freunde haben und Menschen, von denen sie geliebt werden. Fakt ist aber, dass so ziemlich jeder „seine Leute“ hat, die ihn mögen. Auch der schreckliche Nachbar aus Ihrer Geschichte. Der Massenmörder. Die hysterische Chefin. Überlegen Sie sich, wer die Lieben Ihres Antagonisten sind und warum sie ihn mögen, und Ihre Figur, und mit ihr die ganze Geschichte wird deutlich an Tiefe gewinnen. Diese Freunde müssen nicht unbedingt selbst im Text auftreten, sie dienen zunächst einmal nur dazu, Ihnen die Stärken der Figur zu offenbaren, und diese Stärken sollten in der Geschichte sichtbar werden.

Übung für mehrdimensionale Gegenspieler

Lassen Sie einen der Freunde des Gegenspielers einen Text über ihn schreiben. Das kann beispielsweise ein Brief an den Antagonisten sein, indem er gemeinsame Erlebnisse anspricht, oder dieser Freund schreibt an irgendwen (im Zweifel an Sie) einen Brief, in dem er den Freund verteidigt und ihn so darstellt, wie er ihn sieht.

Handlungsaufbau: Die acht Elemente einer Geschichte

Jede Geschichte, die erzählt wird, setzt sich aus acht Elementen zusammen, die ihrerseits den Spannungsbogen der Geschichte bilden, das ist zumindest die These von Nigel Watts, die er in seinem Buch „Writing a novel and getting published“ vorstellt. Zunächst klingt das nach einem etwas zu simplen Aufbauschema, einer Art „Malen nach Zahlen“, doch wenn man sich die Mühe macht, einige Geschichte dahingehend zu analysieren, fällt auf, dass Watts richtig liegt. In der ein oder anderen Form verstecken sich die folgenden Elemente in jeder Geschichte, sei sie nun von Shakespeare, Dan Brown oder Juli Zeh erzählt worden.

Basis

Das erste Element ist die Basis oder der Alltag, der besteht, bevor die zu erzählende Geschichte einsetzt. Dieser Abschnitt mag in der Geschichte wenig Raum einnehmen, da längere Schilderungen langweilig wären, er ist aber eine entscheidende Voraussetzung für die spätere Geschichte, die immer mitschwingt.

Auslöser

Möglichst früh setzt das auslösende Ereignis ein, das sie Handlung in Gang bringt. Mr. Darcy beleidigt Elizabeth Bennet, eine außerirdische Lebensform kracht durch die Garagendecke, Gatsby bittet seinen Nachbarn, ein Treffen mit Daisy zu arrangieren. Der Auslöser verändert die bestehenden Verhältnisse, den Alltag der Figuren, er ist nicht einfach rückgängig zu machen, sondern löst eine Reihe von Konflikten aus.

(Lösungs-)Suche

Die Suche nach einer geeigneten Lösung dieser Konflikte, begleitet von zahlreichen Fehlschlägen, bildet den Hauptteil der Handlung. Der Begriff „Suche“ mag zunächst flach klingen und an eindimensionale Geschichten erinnern, doch egal welchen Roman der Weltliteratur man in die Hand nimmt, um die Theorie von Watts zu überprüfen, man kann die verschiedenen Handlungsstränge auf eine simple Suche nach der Lösung des Konflikts herunterbrechen. Gatsby sucht nach Möglichkeiten seine Jugendliebe Daisy wieder an sich zu binden. Die Bennet-Schwestern suchen nach einem Mann zum Heiraten, den sie wirklich lieben.

Überraschung

Etwa in der Mitte der Geschichte treten Überraschungen auf den Plan, neue Enthüllungen, frische Hindernisse für die Figuren. Nicht vorhersehbar, jedoch plausibel sollten sie sein.

Kritische Wahl

Schließlich läuft die Geschichte auf einen ganz entscheidenden Punkt zu: Die Figur muss eine Entscheidung treffen, von der alles abhängt. Macht sie hier einen Fehler wird das Ende nicht happy sein. Diese Wahl ist auch eine Art Charakterprobe für die Figur, ihr Kern wird einer Prüfung unterzogen.

Höhepunkt

Der Spannungshöhepunkt der Geschichte geht aus der gerade getroffenen Wahl der Figur hervor. Sie hat sich für oder gegen etwas entschieden und nun zeigt sich, welche Auswirkungen diese Entscheidung für sie und die Geschichte hat.

Umkehr

Die Konsequenzen aus der kritischen Wahl und dem Durchleben des Spannungshöhepunktes werden nun gezogen. Ein eifersüchtiger Ehemann erschießt Gatsby, Elizabeth Bennet hat mehr Glück und erhält als Belohnung für die Überwindung ihrer Vorurteile Mr. Darcy. Für die Figuren muss sich nun zum zweiten Mal, nach dem auslösenden Ereignis, etwas gravierend ändern. Sie selbst haben sich verändert und nun gilt das auch für ihre Lebensumstände.

Auflösung

Letzteres, die Änderung der Lebensumstände, wird oft noch im Ausklang der Geschichte dargestellt. So wie zu Beginn der Alltag oder die Ausgangslage präsentiert wurde, zeigt der Autor nun noch kurz die veränderte Lage, den neuen Alltag.

Je komplexer eine Geschichte ist, desto weniger offensichtlich und eindeutig sind die Handlungselemente in ihr auszumachen, trotzdem sind sie enthalten. Um den Aufbau von Geschichten zu erlernen, ist es sehr effektiv, Lieblingsromane zu analysieren, um herauszufinden, in welcher Form die Handlungselemente bei ihnen verwendet wurden.Ebenfalls nützlich ist es, den Aufbau eigener Geschichten mit ihrer Unterstützung abzuklopfen, um Schwachstellen zu entdecken.

Filmtrailer als Übung für die Handlungsstruktur von Geschichten nutzen

Man kann es drehen, wie man will: Egal ob Chick-Lit oder hochkomplexe Weltliteratur, alle Geschichten basieren tief in ihrem Inneren auf derselben Handlungsstruktur. Sie ist eine Art erzählerische DNA, die wir alle teilen. In kürzester Form kann man sagen, eine Geschichte besteht aus der Basis (dem bis dahin gültigen Alltag), einem auslösenden Ereignis, der Lösungssuche, Überraschungen bzw.Hindernissen, der kritischen Wahl, die getroffen werden muss, einem Spannungshöhepunkt, der Umkehr und Auflösung. Einzelheiten dazu bietet der Abschnitt Handlungsaufbau: Die acht Elemente einer Geschichte.

Trailer als Skelett der Geschichte

Für Autoren ist es also mehr als nützlich, mit der Geschichten zugrundeliegenden Struktur vertraut zu sein. Daher ist die Methode interessant, die der amerikanische Autor Larry Brooks ersonnen hat, um das Gespür für die Struktur zu schulen. Er stellt sie auf seinem Blog in dem Beitrag How to Learn Story Structure in Two Minutes or Less vor. Seine Theorie ist, dass Filmtrailer, die nicht mehr als zwei Minuten Zeit haben, um die Geschichte dem Publikum schmackhaft zu machen, das Drehbuch auf sein Skelett reduzieren, nämlich genau auf die Elemente der Handlungsstruktur. Brooks verwendet dabei das Vokabular des klassischen Drei-Akt-Modells, mit Plot Points und Setup, doch das sind nur andere Begriffe für die immergleichen Storyelemente.

Übung fürs Kino

Wenn Sie also das nächste Mal im Kino sitzen und auf den Hauptfilm warten, überprüfen sie einmal, was Ihnen in einem Trailer präsentiert wird. Das kann dabei helfen, das Gefühl für die Handlungsstruktur zu schulen, sodass sie irgendwann in Fleisch und Blut übergegangen ist und Geschichten von vornherein sicherer geplottet werden.

Beispiel „Der ganz große Traum“

Der Trailer zum Film „Der ganz große Traum“ gibt uns als Erstes darüber Auskunft, wo der Film verortet ist, nämlich in einer Schule während des deutschen Kaiserreichs. Wir erfahren etwas über die Zucht und Strenge, die dort herrscht. Das ist die Basis.