Grundwissen Internetrecht - Volker M. Haug - E-Book

Grundwissen Internetrecht E-Book

Volker M. Haug

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Beschreibung

Das Internet ist ein wichtiger Bestandteil unseres Alltags. Entsprechend bedeutsam sind die damit verbundenen Rechtsfragen. Provider, Anschlussinhaberhaftung, Datenschutz, Urheberrecht, Social Media, Links, Domains, Internet-Auktionen und viele weitere Internet-Themen werden in diesem Buch rechtlich erläutert. Durch einen klaren Aufbau, über 50 Übersichten und Schaubilder, prägnante Zusammenfassungen am Ende aller Teilkapitel sowie 20 instruktive Beispielsfälle gelingt dem Autor eine besonders anschauliche und verständliche Darstellung. Hinzu kommt eine Online-Verknüpfung des Buches mit zentralen Auszügen aus vielen relevanten Gerichtsentscheidungen. Das Buch richtet sich an alle, die sich über das Internetrecht einen Überblick verschaffen wollen. Dazu gehören Juristen in Ausbildung und in der Praxis ebenso wie Studierende und Berufstätige anderer Fachrichtungen mit Internetbezügen (z. B. Informatiker, Softwaretechniker, PR-Manager).

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Für Gaby, Nina, Niko und Nadine

Grundwissen Internetrecht

mit Schaubildern und Fallbeispielen

Prof. Dr. Volker M. HaugMinisterialrat im HochschuldienstLeiter der Abteilung für Rechtswissenschaftim Institut für Volkswirtschaftslehre und Rechtder Universität Stuttgart

3., überarbeitete Auflage

Verlag W. Kohlhammer

3. Auflage 2016

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-029053-2

E-Book-Formate:

pdf: ISBN 978-3-17-029054-9

epub: ISBN 978-3-17-029055-6

mobi: ISBN 978-3-17-029056-3

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

Das Internet ist ein wichtiger Bestandteil unseres Alltags. Entsprechend bedeutsam sind die damit verbundenen Rechtsfragen. Provider, Anschlussinhaberhaftung, Datenschutz, Urheberrecht, Social Media, Links, Domains, Internet-Auktionen und viele weitere Internet-Themen werden in diesem Buch rechtlich erläutert. Durch einen klaren Aufbau, über 50 Übersichten und Schaubilder, prägnante Zusammenfassungen am Ende aller Teilkapitel sowie 20 instruktive Beispielsfälle gelingt dem Autor eine besonders anschauliche und verständliche Darstellung. Hinzu kommt eine Online-Verknüpfung des Buches mit zentralen Auszügen aus vielen relevanten Gerichtsentscheidungen.

Das Buch richtet sich an alle, die sich über das Internetrecht einen Überblick verschaffen wollen. Dazu gehören Juristen in Ausbildung und in der Praxis ebenso wie Studierende und Berufstätige anderer Fachrichtungen mit Internetbezügen (z. B. Informatiker, Softwaretechniker, PR-Manager).

Prof. Dr. Volker M. Haug leitet die Abteilung für Rechtswissenschaft im Institut für Volkswirtschaftslehre und Recht der Universität Stuttgart und lehrt dort seit vielen Jahren u.a. Internetrecht.

Vorwort

Das Internet ist nicht einfach ein Medium wie die Tageszeitung oder das Fernsehen, sondern es begleitet unseren Alltag auf Handys, Tablets, PCs und erfasst nahezu alle Lebensbereiche. Egal, ob man im sozialen Netzwerk mit Freunden kommuniziert, auf einer Vermarktungsplattform Einkäufe tätigt, bei einem Wiki-Auftritt Informationen recherchiert, mit Routenplanern oder Bahn-Apps Reisen vorbereitet, in der Cloud Daten verarbeitet oder speichert, Filme und Musiktitel streamt oder gar herunterlädt, Online-Spielangebote nutzt oder einfach ziellos umher surft – so gut wie alles, was man im Netz tut, hat rechtliche Auswirkungen oder stellt einen rechtlich relevanten Vorgang dar.

Dieses Buch wendet sich an alle, die darüber etwas wissen möchten. Dabei setzt es weder irgendwelche Rechtskenntnisse voraus, noch wendet es sich nur an „IT-Freaks“. In einer möglichst unjuristischen und verständlichen Sprache erklärt es rechtliche Hintergründe und Zusammenhänge von internetbezogenen Themen wie Provider, Contents, Domains, eCommerce oder eGovernment. Damit eignet es sich zum einen als Studienbuch für Studierende aller Fachrichtungen, die sich mit dem Internet beschäftigen. Dazu zählen nicht nur beispielsweise Informatik- oder Softwaretechnik-Studierende, sondern auch Studierende der Rechtswissenschaft mit entsprechenden Interessen oder Studienschwerpunkten. Zum anderen eignet es sich aber auch als Nachschlage- oder Informationsbuch für Internetpraktiker wie Blogger, Webmaster oder Forenbetreiber.

Die dritte Auflage entwickelt die bewährte Konzeption des Buches mit drei wesentlichen Innovationen weiter:

•  Neu sind nun 20 praxisbezogene Beispielfälle mit Lösungen, die Studierenden als Übung für Klausuraufgaben und anderen als Veranschaulichungsbeispiele dienen sollen.

•  Außerdem ist mir aus meiner mittlerweile über 20jährigen Lehrpraxis an der Universität Stuttgart gut bekannt, dass eine Grafik oft mehr leisten kann, als ein langer Text. Deshalb ist als zweite Weiterentwicklung die erhebliche Ausweitung der Grafiken, Tabellen und Schaubilder zu nennen, mit denen die mitunter komplexen Themen und Zusammenhänge besser verdeutlicht werden.

•  Schließlich wird das Buch für diejenigen, die den O-Ton der Gerichte nachlesen möchten, durch den Internetauftritt „www.grundwissen-internetrecht.de“ ergänzt. Dort finden Sie zahlreiche Urteilsauszüge, die nach der Gliederung des Buches geordnet sind.

Andere bewährte konzeptionelle Elemente wurden beibehalten:

•  Die prägnanten Zusammenfassungen am Ende eines jeweiligen thematischen Abschnitts („Summary“), um die zentralen Aussagen auf den Punkt zu bringen,

•  die Zusammenstellung von Legaldefinitionen (also gesetzlicher Originalbeschreibungen) von zahlreichen internetspezifischen Fachbegriffen im Anhang,

•  zahlreiche weiterführende Literaturhinweise in den Fußnoten zu Fachaufsätzen, wenn man ein bestimmtes Rechtsproblem vertiefend nachlesen möchte, und

•  ein ausführliches Stichwortverzeichnis, das das schnelle Auffinden konkreter Fundstellen im Buch zu bestimmten Problemen ermöglicht.

Aber natürlich bringt die dritte Auflage auch eine ganze Reihe inhaltlicher Aktualisierungen. Hierzu zählen die gewaltige Entwicklung sozialer Netzwerke, staatliche Überwachungsmaßnahmen vielfältiger Netzaktivitäten nicht zuletzt durch Nachrichtendienste, Fragen der Anschlussinhaberhaftung, neue Straftatbestände, Probleme beim Streaming, die Forderung nach einem „digitalen Radiergummi“, Klagen wegen der „auto-complete-Funktion“ bei Suchmaschinen, die neue Verbraucherrechterichtlinie der EU oder das E-Government-Gesetz des Bundes.

Bei den Arbeiten an der neuen Auflage habe ich viel Unterstützung bekommen. Mein besonderer Dank gilt Frau Rechtsreferendarin Julia Qualmann und den Herren Rechtsreferendaren Sven Krause und Christian Wilhelm für vielfältige Hinweise, Anmerkungen und Diskussionen. Mit praktischen Tipps haben mir auch die IT-Hilfskräfte meiner Abteilung, Per Guth und Tobias Hirning, geholfen. Außerdem danke ich meinem Sohn stud. iur. Niko Haug für seine kritische Beratung bei den Beispielfällen. Weiteren Dank statte ich meinem akademischen Mentor, Professor Dr. Siegfried F. Franke, Universität Stuttgart, ab, der mich vor vielen Jahren zur ersten Auflage inspiriert hat. Last but not least schließlich schulde ich dem Verlag W. Kohlhammer Dank für die freundliche Betreuung und die zügige Drucklegung.

Allen Leserinnen und Lesern wünsche ich einen größtmöglichen Verständniserfolg mit vielen „Aha-Erlebnissen“. Aber natürlich ist nichts so gut, dass es nicht noch besser werden könnte. Daher freue ich mich auf kritische oder lobende Anmerkungen, Rückmeldungen und Ratschläge per eMail an „[email protected]“.

Stuttgart, im November 2015Volker M. Haug

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Summary-Verzeichnis

Verzeichnis der Schaubilder und Übersichten

Verzeichnis der Beispielfälle

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Kapitel 1:Einführung

1.1Das Internet als alltagsprägendes Massenmedium

1.2Das Internetrecht

1.2.1Keine rechtliche „Vogelfreiheit“ im Internet

1.2.2Struktur des Internetrechts

1.2.3Rechtsquellen des Internetrechts

1.2.4Perspektiven

1.2.5Summary „Internetrecht“

Kapitel 2:Grundlagen

2.1Recht der Informations- und Kommunikationsdienste (IuK)

2.1.1Unterscheidung von Telekommunikation, Telemedien und Rundfunk

2.1.2Recht der Telekommunikation

2.1.3Summary „Telekommunikationsrecht“

2.1.4Recht der Telemedien

2.1.5Summary „Telemedienrecht“

2.2Grundrechte

2.2.1Vorbemerkung zur Wirkung von Grundrechten

2.2.2Allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG)

2.2.3Kommunikationsgrundrechte (Art. 5 Abs. 1, 2 GG)

2.2.4Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG)

2.2.5Berufs- und Eigentumsfreiheit (Art. 12, 14 GG)

2.2.6Internationale Perspektive

2.2.7Summary „Grundrechte“

Kapitel 3:Provider

3.1Providerdienstleistungen und ihre rechtliche Einordnung

3.1.1Provider-Arten

3.1.2Provider-Verträge

3.1.3Summary „Provider-Arten und -Verträge“

3.2Provider-Haftung

3.2.1Haftungsprivileg für Telemedien

3.2.2Haftung des Internetanschlussinhabers

3.2.3Internetsperren durch Zugangserschwerung

3.2.4Summary „Provider-Haftung“

3.3Datenschutzrecht für Provider

3.3.1Allgemeines Datenschutzrecht

3.3.2Besonderes Datenschutzrecht für Provider

3.3.3Einzelne Problemkreise

3.3.4Internationale Perspektive

3.3.5Reformbedarf und Perspektiven

3.3.6Summary „Datenschutzrecht“

Kapitel 4:Contents (Internetinhalte)

4.1Impressumspflicht

4.1.1Vorgaben der §§ 5 TMG, 55 RStV

4.1.2Anforderungen an die leichte Erkennbarkeit und unmittelbare Erreichbarkeit

4.1.3Wettbewerbsrechtliche Relevanz der Impressumspflicht

4.1.4Summary „Impressumspflicht“

4.2Urheberrecht

4.2.1Funktion und Anwendungsbereich des Urheberrechts

4.2.2Urheberrechte und -ansprüche

4.2.3Schranken der Urheberrechte

4.2.4Einzelne Problemkreise

4.2.5Internationale Perspektive

4.2.6Summary „Urheberrecht“

4.3Strafrecht

4.3.1Kommunikationsdelikte

4.3.2Schutz der Intim- und Privatsphäre

4.3.3IT-spezifische Straftatbestände

4.3.4Sonstige Straftatbestände, v. a. in einzelnen Fachgesetzen

4.3.5Ausgewählte Besonderheiten des Strafprozessrechts

4.3.6Internationale Perspektive

4.3.7Summary „Strafrecht“

4.4Jugendschutzrecht

4.4.1Jugendmedienschutz-Staatsvertrag

4.4.2Besondere Problemkreise

4.4.3Summary „Jugendschutzrecht“

4.5Social Media

4.5.1Begriff und Bedeutung

4.5.2Vertragliches Nutzungsverhältnis

4.5.3Haftung für usergenerated Content

4.5.4Virtuelles Hausrecht des Anbieters

4.5.5Bewertungsportale

4.5.6Summary „Social Media“

4.6Links

4.6.1Die rechtlichen Probleme verschiedener Linkformen

4.6.2Haftung für verlinkte Inhalte

4.6.3Pflichten von Suchmaschinen

4.6.4Summary „Links“

Kapitel 5:Domains

5.1Domains als Internet-Adressen

5.1.1Technische und rechtliche Einordnung

5.1.2Domain Name System

5.1.3Summary „Domains als Internetadressen“

5.2Domainvergabe

5.2.1ICANN als Hüterin des Domain Name Systems

5.2.2DENIC als Registrierungsstelle für „.de“-SLDs

5.2.3Perspektiven durch ENUM

5.2.4Vergabeverfahren bei DENIC

5.2.5Summary „Domainvergabe“

5.3Domainstreitigkeiten

5.3.1Namens- und Firmenrecht

5.3.2Kennzeichenrecht

5.3.3Anwendung des Namens- und Kennzeichenrechts auf Domainstreitigkeiten

5.3.4Sonstige Problemkreise zu Domainstreitigkeiten

5.3.5Mitstörerhaftung von DENIC

5.3.6Internationale Perspektive

5.3.7Summary „Domainstreitigkeiten“

Kapitel 6:eCommerce

6.1Vertragsschluss im Internet

6.1.1Elektronischer Vertragsschluss

6.1.2Internet-Auktionen

6.1.3Elektronische Signaturverfahren

6.1.4Internationale Perspektive

6.1.5Summary „Vertragsschluss im Internet“

6.2Verbraucherschutzrecht

6.2.1Grundsätze des Verbraucherschutzrechts

6.2.2Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen

6.2.3Fernabsatzrecht, §§ 312c ff. BGB

6.2.4Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr, §§ 312i, 312j BGB

6.2.5Preisangabenrecht

6.2.6Summary „Verbraucherschutzrecht“

6.3Wettbewerbsrecht

6.3.1Stellung, Bedeutung und Anwendbarkeit des UWG

6.3.2Verbot unzulässiger geschäftlicher Handlungen

6.3.3Rechtsfolgen

6.3.4Internationale Perspektive

6.3.5Summary „Wettbewerbsrecht“

Kapitel 7:eGovernment

7.1eDemocracy

7.1.1Wahlen im Internet

7.1.2Politische Willensbildung

7.1.3Online-Petitionen

7.1.4Parteien im virtuellen Raum

7.1.5Summary „eDemocracy“

7.2eAdministration

7.2.1Grundfragen

7.2.2Elektronische Kommunikation im Verwaltungsverfahren

7.2.3Summary „eAdministration“

Anhang:Legaldefinitionen

Stichwortverzeichnis

Summary-Verzeichnis

Jeder Abschnitt wird mit einem zusammenfassenden Summary beendet, in dem die wesentlichen Kernaussagen wiederholt werden. Diese Summaries sind auch als erste Nachschlagestelle zu bestimmten Themen geeignet.

Internetrecht

Telekommunikationsrecht

Telemedienrecht

Grundrechte

Provider-Arten und -Verträge

Provider-Haftung

Datenschutzrecht

Impressumspflicht

Urheberrecht

Strafrecht

Jugendschutzrecht

Social Media

Links

Domains als Internetadressen

Domainvergabe

Domainstreitigkeiten

Vertragsschluss im Internet

Verbraucherschutzrecht

Wettbewerbsrecht

eDemocracy

eAdministration

Verzeichnis der Schaubilder und Übersichten

 1Medienbegriffe

 2Akzeptanzproblem rechtlicher Bindungen

 3Struktur des Internetrechts

 4Unionsrechtliche Vorgaben (Richtlinien)

 5Deutsche Rechtsquellen

 6Abgrenzung Telekommunikation/Telemedien/Rundfunk

 7Telemedienbegriffe

 8Allgemeines Persönlichkeitsrecht

 9Kommunikationsrichtungen

10Online-Archive

11Medienfreiheiten

12Grundrechtsschutz von eMails und Surfen

13Kommunikationsstufen

14Provider-Arten

15Provider-Verträge

16Haftungsfilter für Provider

17Haftungsprivilegien der Provider-Arten

18Anwendbarkeitsvoraussetzungen des BDSG

19Bestands-, Verkehrs- und Nutzungs-/Abrechnungsdaten

20Datenschutzrechtliche Spannungen im Netz

21Impressumspflicht

22Typische Urheberrechtskonstellation

23Urheberrechte

24File-Sharing

25Kommunikationsdelikte

26Spezifische IT-Straftaten

27Stufen der Angebote nach JMStV

28Provider-Typologie bei Foren/Netzwerken

29Störerhaftung bei usergenerated Content

30Bewertungsportale

31Rechtsprobleme verschiedener Linkformen

32(Klassische) Generische Top Level Domains

33Top Ten der Top Level Domains

34Aufbau einer Web-Adresse (URL)

35Legitimationsstränge im Domain Name System

36Interne Struktur von ICANN

37Interne Struktur von DENIC

38Akteure im Domainvertrag

39Domainvertrag und -inhaberschaft

40Grundsätze des Namens- und Kennzeichenrechts

41Fallgruppen der namens- und kennzeichenrechtlichen Domainstreitigkeiten

42Namens- und kennzeichenrechtliche Domain-Entscheidungen

43Domain-Entscheidungen in Gleichnamigkeitsfällen

44Kategorien des eCommerce

45Verantwortungsbereiche beim Zugang von eMails

46Anfechtung von Willenserklärungen

47Rangordnung der Formarten für Vertragsschlüsse

48Zertifizierung qualifizierter elektronischer Signaturen

49Mehrstufigkeit elektronischer Signaturen

50Zertifizierungshaftung

51Unternehmer-Verbraucher-Verhältnis

52Wirksamkeitshürden für AGBs

53Fernabsatzvertrag und Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr

54Schutzrichtungen des Lauterkeitsrechts

55Zulässigkeit von Telefon-, Fax- und eMail-Werbung

56Unterscheidungen beim eGovernment

57Verfahren bei ePetitionsformen

58Rangordnung der Formarten für elektronische Verwaltungsakte

Verzeichnis der Beispielfälle

 1Indiskretionen im Internet (Persönlichkeitsrecht)

 2Internetauftritte mit Folgen (Provider-Haftung)

 3Gefällt mir gar nicht (Datenschutz)

 4Tausch mit Trouble (Urheberrecht)

 5Abgelenkte Abiturienten (Strafrecht)

 6Rigoroses Regiment (Virtuelles Hausrecht)

 7Bundesliga-Bashing (Bewertungsportale)

 8Legale Links? (Link-Haftung)

 9Empfindliche Ehegattin (Suchmaschinenhaftung)

10Gutes Geschäftsmodell? (Gattungsdomains)

11David und Goliath (Gleichnamigkeit im Domainrecht)

12Branchenübergreifender Domaindisput (Domainstreit)

13Schlaues Schnäppchen (Elektronischer Vertragsschluss)

14Smartphone im See (Identitätsdiebstahl)

15Star schlägt Server (Vertragsschluss bei Online-Auktionen)

16Schwieriger Schreibtisch (Gewährleistung)

17Nachlässigkeit beim Namen (Wirksamkeit von AGBs)

18Kaputter Kreisel (Widerruf beim Fernabsatzvertrag)

19Zoff um Zubehör (Wettbewerbsrecht)

20Digitale Demo (Online-Demo)

Literaturverzeichnis

Dreier, Thomas/Schulze, Gernot, Urheberrechtsgesetz, 4. Aufl. 2013.

Engels, Rainer, Patent-, Marken- und Urheberrecht, 9. Aufl. 2015 (zit. PMU-Recht).

Fechner, Frank, Medienrecht, 16. Aufl. 2015.

Fischer, Thomas, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen, 59. Aufl. 2012.

Gercke, Marco/Brunst, Philip W., Praxishandbuch Internetstrafrecht, 2009.

Gersdorf, Hubertus/Paal, Boris P. (Hrsg.), Informations- und Medienrecht, 2014.

Haug, Volker M., Öffentliches Recht für den Bachelor, 2014.

Heckmann, Dirk, Internetrecht – juris PraxisKommentar, 4. Aufl. 2014.

Heintschel-Heinegg, Bernd von (Hrsg.), BeckOK StGB, 26. Ed. Feb. 2015.

Hoeren, Thomas, Internet- und Kommunikationsrecht – Praxislehrbuch, 2. Aufl. 2012.

Jänich, Volker Michael/Eichelberger, Jan, Urheber- und Designrecht, 2012.

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Köhler, Markus/Arndt, Hans-Wolfgang/Fetzer, Thomas, Recht des Internet, 7. Aufl. 2011.

Köhler, Helmut/Bornkamm, Joachim, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 33. Aufl. 2015.

Krimphove, Dieter, Werberecht, 2011.

Leupold, Andreas u. a. (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch IT-Recht, 2. Aufl. 2011.

Maunz, Theodor/Dürig, Günter (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 72. Ergänzungslieferung, Stand: Juli 2014.

v. Münch, Ingo/Kunig, Philip (Hrsg.), Grundgesetzkommentar, Band 2 (Art. 70–146 GG), 6. Aufl. 2012.

Ohly, Ansgar, Urheberrecht in der digitalen Welt – Brauchen wir neue Regelungen zum Urheberrecht und dessen Durchsetzung?, 2014.

Palandt, Otto (Begr.), Bürgerliches Gesetzbuch, 73. Aufl. 2014.

Peters, Butz, Öffentlich-rechtliche Online-Angebote, 2010.

Pieroth, Bodo/Schlink, Bernhard/Kingreen, Thorsten/Poscher, Ralf, Grundrechte – Staatsrecht II, 30. Aufl. 2014.

Reitze, Helmut, Wer wird Kanzler in de.land? – Wie das Internet die Politik verändert, in: Siedschlag, Alexander/Bilgeri, Alexander/Lamatsch, Dorothea, Kursbuch Internet und Politik, Band 1/2001, Elektronische Demokratie und virtuelles Regieren, 2001, S. 21.

Rittner, Fritz/Dreher, Meinrad/Kulka, Michael, Wettbewerbs- und Kartellrecht, 8. Aufl. 2014.

Schwartmann, Rolf (Hrsg.), Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht, 3. Aufl. 2014.

Sievers, Malte, Der Schutz der Kommunikation im Internet durch Art. 10 des Grundgesetzes, 2003.

Strömer, Tobias H., Online-Recht, 4. Aufl. 2006.

Steckler, Brunhilde, Grundzüge des IT-Rechts, 3. Aufl. 2011.

Abkürzungsverzeichnis

a2aadministration to administrationa2badministration to businessa2cadministration to consumera. A.anderer AnsichtAEUVVertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Uniona. F.alte FassungAGAmtsgerichtAGBsAllgemeine GeschäftsbedingungenALACAt Large Advisory Committee (ICANN)APNICAsia Pacific Network Information CentreAPRAllgemeines PersönlichkeitsrechtARINAmerican Registry for Internet NumbersASCIIAmerican Standard Code for Information Interchangeb2bbusiness to businessb2cbusiness to consumerBayPAGBayrisches PolizeiaufgabengesetzBDSGBundesdatenschutzgesetzBekl.Beklagte(r)BetrVGBetriebsverfassungsgesetzBGBBürgerliches GesetzbuchBGB-InfoVVerordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem RechtBGGBehindertengleichstellungsgesetzBGHBundesgerichtshofBITVBarrierefreie Informationstechnik-VerordnungBKABundeskriminalamtBKAGGesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen AngelegenheitenBMJBundesministerium der JustizBMWiBundesministerium für Wirtschaft und TechnologieBNetzABundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und EisenbahnenBR-Drs.BundesratsdrucksacheBSIBundesamt für Sicherheit in der InformationstechnikBT-Drs.BundestagsdrucksacheBWahlGBundeswahlgesetzCCCChaos Computer ClubccTLDcountry code Top Level DomainCRComputer und RechtDDBDENIC-DomainbedingungenDDRLDENIC-DomainrichtlinienDENICDeutsches Network Information Center eGDFGDeutsche ForschungsgemeinschaftDJTDeutscher Juristentag e. V.DNSDomain Name SystemDoSDenial-of-ServiceEGBGBEinführungsgesetz zum Bürgerlichen GesetzbuchEGMREuropäischer Gerichtshof für MenschenrechteEGovGE-Government-GesetzEMRKKonvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ENUMElectronic Numbering/Telephone Number URI MappingEUVVertrag über die Europäische UnionFISAForeign Intelligence Surveillance Act 1978 (Amendments Act 2008)GACGovernmental Advisory Committee (ICANN)GewOGewerbeordnungGGGrundgesetzGlüStVStaatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag)GRChCharta der Grundrechte der Europäischen UnionGRURGewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Fachzeitschrift)gTLDgeneric Top Level DomainHGBHandelsgesetzbuchh. M.herrschende MeinungHrsg.Herausgeberhtmlhypertext markup language httphypertext transfer protocolhttpshypertext transfer protocol secureIANAInternet Assigned Numbers AuthorityICANNInternet-Corporation for Assigned Names and NumbersIDNInternationalized Domain Namei. d. R.in der Regeli. Erg.im ErgebnisIETFInternet Engineering Task ForceIGFInternet Governance Forum (ICANN)InfoSocRLRichtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der InformationsgesellschaftINTAInternational Trademark OrganizationInterNICInternational Network Information CenterIPInternet ProtocolISOCInternet Societyi. S. v.im Sinne vonITUInternational Telecommunication UnionIuKInformations- und KommunikationsdiensteJMStVJugendmedienschutz-StaatsvertragJuSchGJugendschutzgesetzJZJuristenzeitungKGKammergericht (das nur in Berlin existiert und dort die Funktion des OLG wahrnimmt)KJMKommission für Jugendmedienschutz (§ 14 JMStV)Kl.Kläger(in)LANLocal Area NetworksLGLandgerichtLPrG BWLandespressegesetz Baden-WürttembergLT-Drs.LandtagsdrucksacheLTOLegal Tribune OnlineMarkenGMarkengesetzMDStVMediendienste-StaatsvertragMMRMultiMedia und Rechtm. w. N.mit weiteren Nachweisenn. F.neue FassungngTLDnew generic Top Level DomainNJOZNeue Juristische Online-ZeitschriftNJWNeue Juristische WochenschriftNSINetwork Solutions Inc.OLGOberlandesgerichtp2ppeer-to-peerPAngVPreisangabenverordnungPartGParteiengesetzRBÜRevidierte Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und KunstRegTPRegulierungsbehörde für Telekommunikation und PostRFCRequest for CommentsRIPE NCCRéseaux IP Européen Network Coordination CentreRLRichtlinie (als Rechtsakt der Europäischen Union)RLöPRichtlinie für die Behandlung von öffentlichen PetitionenRn.RandnummerRStVRundfunkstaatsvertragRUDRPRules for Uniform Domain Name Dispute Resolution PolicyRVGRechtsanwaltsvergütungsgesetzSigGSignaturgesetzSigVSignaturverordnungSLDSecond Level Domains. o.siehe obenStGBStrafgesetzbuchstr.streitigStrÄndGStrafrechtsänderungsgesetzs. u.siehe untenTDGTeledienstegesetzTKGTelekommunikationsgesetzTLDTop Level DomainTMGTelemediengesetzTRIPSÜbereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen EigentumsUDRPUniform Domain-Name Dispute-Resolution PolicyUKlaGGesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen VerstößenUrhGUrheberrechtsgesetzURLUniform Ressource Locator (Internetadresse)UWGGesetz gegen den unlauteren Wettbewerbv. a.vor allemVoIPVoice over Internet Protocol (Sprachtelefonie via Internet)VwVfGVerwaltungsverfahrensgesetzWCTWIPO-UrheberrechtsvertragWIPOWorld Intellectual Property OrganizationWiStGWirtschaftsstrafgesetz 1954WLANWireless Local Area Network (drahtlose lokale Netzwerke)WUAWelturheberrechtsabkommenZGZeitschrift für GesetzgebungZKDSGZugangskontrolldiensteschutzgesetzZPOZivilprozessordnungZRPZeitschrift für RechtspolitikZSKGGesetz über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes (Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz)ZugErschwGGesetz zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornografischen Inhalten in Kommunikationsnetzen (Zugangserschwerungsgesetz)ZUMZeitschrift für Urheber- und Medienrecht

Kapitel 1:Einführung

1.1Das Internet als alltagsprägendes Massenmedium

1Im Zentrum des allgemeinen Medienbegriffs steht die Vermittlerfunktion: Medien zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie zwischen Menschen Informationen, Nachrichten und Meinungen vermitteln. Die Einteilung der verschiedenen Formen von Medien bewegt sich zwischen den Polen klassische/digitale Medien und Massen-/Individualmedien. Unter den Klassischen Medien werden die schon seit langem vorhandenen Vermittlungsformen verstanden, während mit den Digitalen Medien die vielfältigen Erscheinungsformen des Internets bezeichnet werden. Massenmedien wiederum zeichnen sich dadurch aus, dass sich eine Person oder Personengruppe an eine nicht mehr überschau- oder begrenzbare Personenmasse wendet, während über Individualmedien einzelne Personen oder bestimmbare Personengruppen miteinander kommunizieren:1

Übersicht 1: Medienbegriffe

2Die digitalen Medien durchbrechen in zwei zentralen Punkten die bei klassischen Medien geltenden Grenzen:

•  Interaktivität: Bei den digitalen Medien verlieren sich die Grenzen zwischen Massen- und Individualmedien. So ist beispielsweise ein Forum oder ein Portal, das weltweit von jedem User eingesehen werden kann, ein Massenmedium, das in dem Moment zum Individualmedium wird, in dem der User mitpostet. Im interaktiven „Mitmach-Web“ wird die „klassische mediale Einbahnstraße“ von Sendern zu Empfängern überwunden,2 weshalb die User auch als „Prosumer“ – also Produzent und Konsument in einer Person – bezeichnet werden.

•  Internationalität: Gleichzeitig zeichnen sich die digitalen Medien durch eine absolute und grenzenlose Internationalität aus, womit auch Probleme der erschwerten Kontrolle und Rechtsverfolgung verbunden sind.

3Das Internet ist jedoch noch mehr als „nur“ ein Massen- oder Individualmedium zu Kommunikationszwecken. Es prägt den Alltag und das Leben der Menschen in vielfacher Hinsicht. Dadurch verfügt es über eine enorme ökonomische, gesellschaftliche, politische und schließlich auch rechtliche Bedeutung. Deshalb hat inzwischen der Bundesgerichtshof die besondere Querschnittsbedeutung des Internets anerkannt, indem er den Ausfall des Internetzugangs als ersatzfähigen Vermögensschaden eingestuft hat.3 In der Begründung dazu heißt es wörtlich:

„Die Nutzbarkeit des Internets ist ein Wirtschaftsgut, dessen ständige Verfügbarkeit […] auch im privaten Bereich für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung ist und bei dem sich eine Funktionsstörung als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt. […] Damit hat sich das Internet zu einem die Lebensgestaltung eines Großteils der Bevölkerung entscheidend mitprägenden Medium entwickelt, dessen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar macht. Die Unterbrechung des Internetzugangs hat typischerweise Auswirkungen, die in ihrer Intensität mit dem Fortfall der Möglichkeit, ein Kraftfahrzeug zu nutzen, ohne Weiteres vergleichbar sind.“4

4Es ist daher nur konsequent, das Internet auch als „kritische Infrastruktur“ anzusehen. Darunter versteht man „Organisationen und Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen […], bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung erhebliche Versorgungsengpässe bis hin zu Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten können“.5 Da wesentliche Bereiche sowohl des privaten als auch des öffentlichen Lebens ohne Internet nicht mehr (hinreichend) funktionsfähig sind – wie z. B. die Energieversorgung, der Verkehrs- und der Finanzsektor sowie die Arbeit von Medien, Bildungseinrichtungen und Forschungsinstitutionen –, trifft diese Definition auch auf das Internet zu.6 Dem trägt angesichts der Bedrohung durch „Cyber-Attacken“ auf öffentliche und private Institutionen auch der Gesetzgeber Rechnung. So liegen sowohl ein Vorschlag für eine EU-Richtlinie zur Netz- und Informationssicherheit als auch ein jüngst in Kraft getretenes IT-Sicherheitsgesetz des Bundes vor, die ebenfalls mit dem Begriff der kritischen Infrastruktur arbeiten.7

1.2Das Internetrecht

1.2.1Keine rechtliche „Vogelfreiheit“ im Internet

5Das Internet stellt die Rechtsordnung(en) vor besondere Herausforderungen. Dies gilt in erster Linie für seine Internationalität, die bei den nationalen Einzel-Rechtsordnungen zu einem hohen Defizit der Rechtsdurchsetzung führt. So sind beispielsweise die deutschen Behörden weitgehend machtlos, wenn auf einem amerikanischen Server Nazi-Verherrlichungen angeboten werden.8 Hinzu kommt die rasante technische Entwicklung der elektronischen Kommunikationsformen (wer kannte vor einigen Jahren „WhatsApp“?). Viele Erscheinungsformen sind derart neuartig, dass sie mit dem vorhandenen rechtlichen Instrumentarium allenfalls unzureichend erfasst werden können. Deshalb sind Gesetzgeber und Rechtsprechung häufig erst als Reaktion hierauf tätig geworden, was meist mit erheblichen zeitlichen Verzögerungen verbunden ist. 9

6Diese faktischen Durch- und Umsetzungsprobleme haben schon bei manchen Angehörigen der Internetgemeinde den (irrigen!) Eindruck verursacht, das Internet genieße eine gewisse rechtliche „Vogelfreiheit“. Auch ist die Akzeptanz rechtlicher Regeln im Internet unterentwickelt, weil sich das freiheitliche Lebensgefühl vieler User mit rechtlichen Bindungen nicht verträgt und technisch vieles möglich ist, was rechtlich unzulässig ist – nach dem Grundsatz: „Technik vor Recht“.10 Aber diese rechtlichen Bindungen sind ja kein Selbstzweck, sondern dienen – wie das gesamte Recht – zentralen Schutzbedürfnissen in der Gesellschaft: dem Persönlichkeitsschutz, dem Jugendschutz, dem Datenschutz, dem Verbraucherschutz etc.

7

Übersicht 2: Akzeptanzproblem rechtlicher Bindungen

8Denn gerade im Internet stellen sich viele rechtliche Probleme – um nur ein paar Probleme beispielhaft zu nennen:11

•  Die nahezu spurenlose Veränderbarkeit von Inhalten steht in einem Konflikt zur Verlässlichkeit von Dokumenten und zur Beweissicherung.

•  Die Unterschiedslosigkeit von Original und Kopie führt zu urheberrechtlichen Problemen.

•  Die (relativ hohe) Anonymität im Netz erschwert eine zuverlässige Identifizierung etwa von Vertragspartnern.

•  Die Schnelligkeit der interaktiven Kommunikation kürzt natürliche Bedenkzeiten beispielsweise beim Abschluss von Verträgen erheblich ab, was eine besondere Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers zur Folge hat.

9Der im Internet weit verbreitete und populäre Ansatz der Selbstregulierung kann diese Problemstellungen nicht umfassend lösen (vgl. z. B. die Netiquette gem. RFC 1855). Sowohl die Legitimität als auch die Allgemeinverbindlichkeit sind bei demokratisch gesetztem Recht wesentlich höher. Den im Konfliktfall erforderlichen Kontroll- und Zwangsmechanismen kommen dann – wegen der Unterstützung durch das öffentliche Gewaltmonopol – eine entsprechend höhere Wirksamkeit zu. Auch Individual- und Minderheitenrechte sind dann besser geschützt; gerade im Internet darf es kein „Recht des Stärkeren“ geben.12 Deshalb kann es in einer geordneten Zivilisationskultur keine „weißen Flecken“ auf der rechtlichen Landkarte geben. Der Geltungsanspruch des Rechts erfasst auch das Internet, was mit der wachsenden Ausformung der Rechtsgrundlagen und der sich verdichtenden Rechtsprechung zunehmend deutlicher geworden ist.

10Inzwischen kann das Internetrecht als einigermaßen ausgeformt gelten. Die wichtigen Rechtsgrundlagen sind geschaffen, und die Novellierungsdichte hat in den letzten Jahren abgenommen. Soweit der Gesetzgeber noch Veränderungen vornimmt, betreffen diese – meist in verschärfender Weise – Einzelfragen (wie etwa die Button-Lösung beim elektronischen Vertragsschluss – s. u., Rn. 667). Zugleich sind inzwischen viele grundsätzliche Streitfragen zu allen Bereichen des Internetrechts durch Entscheidungen des Bundesgerichtshofs – teilweise sogar des Bundesverfassungsgerichts oder des EuGH – höchstrichterlich geklärt. Auch wenn wegen der unverändert hohen Innovationskraft der Informations- und Kommunikationstechnik ständig neue Fragen auftreten, hat das Internetrecht schon seit einigen Jahren nicht mehr den fragmentarisch-tastenden Charakter wie zur Jahrtausendwende.

1.2.2Struktur des Internetrechts

11Das Internetrecht ist kein eigenes, in sich abgeschlossenes Rechtsgebiet. Nicht zuletzt aus diesem Grund hat sich auch (noch) keine allgemein anerkannte Strukturierung des Internetrechts durchgesetzt. Ich unterscheide hier zwischen Querschnittsthemen und den einzelnen internetspezifischen Fachthemen. Während zu den Querschnittsthemen die online-spezifischen Regelungen für Telekommunikation und Telemedien sowie die Grundrechte zählen, umfassen die Fachthemen das Providing, die Internet-Inhalte (Contents) einschließlich Social Media und Links, Domains, eCommerce und eGovernment. Bei diesen Fachthemen kommen die verschiedenen „tradierten“ (also unabhängig vom Internet entstanden) Rechtsgebiete in unterschiedlicher Form zum Tragen, so etwa das Vertrags- und Haftungsrecht bei Providern oder das Namens- und Markenrecht bei Domains. Die nachfolgende Übersicht verdeutlicht diese Struktur:

12

Übersicht 3: Struktur des Internetrechts

13Somit kann eine systematische Darstellung des Internetrechts entweder anhand der einzelnen Rechtsgebiete oder aber anhand der Internetthemen aufgebaut werden. Ich habe mich für Letzteres entschieden, weil sich das Buch nicht an juristische Profis (die in der Struktur von Rechtsgebieten denken) wendet, sondern an Studierende und Praktiker verschiedenster fachlicher Hintergründe, die das Interesse am Internet eint. Deshalb ist dieses Buch eng an den Internet­themen orientiert (Kap. 3–7). In einem vorangestellten Grundlagenkapitel (Kap. 2) werden die Querschnittsthemen (also die onlinespezifischen Regelungen für Telekommunikation und Telemedien sowie die einschlägigen Grundrechte) behandelt.

1.2.3Rechtsquellen des Internetrechts

14Das Internetrecht ist sowohl in seinen Querschnittsthemen als auch bei seinen Fachthemen weitgehend durch europäische Vorgaben geprägt. Gerade für ein so grenzüberschreitendes Phänomen wie das Internet ist diese relativ starke europäische Rechtsharmonisierung äußerst sinnvoll. Dies erfolgt in aller Regel dadurch, dass der EU-Gesetzgeber Richtlinien erlässt, die sich nicht unmittelbar an den einzelnen Bürger, sondern an die einzelnen Mitgliedstaaten der EU richten; diesen obliegt dann die Umsetzung der Richtlinien in nationales Recht, wobei die Richtlinien häufig nur Mindeststandards vorsehen, über die die nationalen Gesetzgeber hinausgehen dürfen.13

15Die nachfolgende Zusammenstellung macht dies für die einzelnen Rechtsgebiete deutlich, indem jeweils dazu die bestimmenden EU-Richtlinien genannt werden. Hinzu kommt außerdem die Europäische Grundrechte-Charta, die stets bei der Umsetzung europäischen Unionsrechts (auch durch die Nationalstaaten) zu beachten ist (Art. 51 Abs. 1 GRCh).14

Übersicht 4: Unionsrechtliche Vorgaben (Richtlinien)

Telekommunikationsrecht

Telekommunikations-Richtlinienpaket15

– Rahmen-RL (RL 2002/21/EG)

– Genehmigungs-RL (RL 2002/20/EG)– Zugangs-RL (RL 2002/19/EG)– Universaldienst-RL (RL 2002/22/EG)– EK-Datenschutz-RL (RL 2002/58/EG)

Recht des elektronischen Geschäftsverkehrs

eCommerce-RL (RL 2000/31/EG)

Verbraucherrechte-RL (RL 2011/83/EU)

eGeld-RL (RL 2009/110/EG)

Recht der elektronischen Signatur

Signatur-RL (RL 1999/93/EG)

Fernabsatzrecht

Fernabsatz-RL (RL 1997/7/EG)

Datenschutzrecht16

Datenschutz-RL (RL 1995/46/EG)

Telekommunikations-Datenschutz-RL (RL 1997/66/EG)

EK-Datenschutz-RL (RL 2002/58/EG)

Urheberrecht

Urheberrechts-RL (RL 2001/29/EG)

Enforcement-RL zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigen­tums (RL 2004/48/EG)

Verwaltungsrecht

Dienstleistungs-RL (RL 2006/123/EG)

16Auf nationaler Ebene sind – teilweise in Umsetzung der genannten EU-Richtlinien – folgende Normen für das Internet besonders relevant:

Übersicht 5: Deutsche Rechtsquellen

Telekommunikationsrecht

Telekommunikationsgesetz (TKG)

Telemedienrecht

Telemediengesetz (TMG)

Rundfunkstaatsvertrag (RStV)

Zugangskontrolldiensteschutzgesetz (ZKDSG)

Grundrechte

Grundgesetz (GG, dort v. a. Art. 1–19)

Zivilrecht

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht (BGB-InfoV)

Signaturgesetz (SigG)

Signaturverordnung (SigV)

Wettbewerbsrecht

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)

Urheberrecht

Urheberrechtsgesetz (UrhG)

Marken- und Kennzeichenrecht

Markengesetz (MarkenG)

Verbraucherschutzrecht

TKG, §§ 43a ff. und §§ 66 ff.

Preisangabenverordnung (PAngV)

BGB, v. a. §§ 305 ff. (AGB-Recht) und §§ 312 ff. (Fernabsatz/elektronischer Geschäftsverkehr)

Datenschutzrecht

Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)

TKG, §§ 91 ff.

Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV)

TMG, §§ 11 ff.

Jugendschutzrecht

Jugendschutzgesetz (JuSchG)

Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV)

Strafrecht

Strafgesetzbuch (StGB) und Strafbestimmungen im UWG, UrhG, MarkenG, JuSchG, JMStV

17Darüber hinaus sei auf folgende Rechtsquellen des internationalen Rechts, die alle das Urheberrecht betreffen, hingewiesen:

•  (Revidierte) Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (RBÜ)

•  Welturheberrechtsabkommen (WUA)

•  Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS)

•  WIPO-Urheberrechtsvertrag (WCT)

1.2.4Perspektiven

18Eine wesentliche Zukunftsperspektive betrifft (zunächst) das nationale Recht. So hat sich der Deutsche Juristentag e. V. (DJT) bei seiner Tagung 2002 mit der Frage beschäftigt, ob angesichts des Zusammenwachsens von klassischen und neuen Medien ein gemeinsamer rechtlicher Rahmen angestrebt werden soll. Dafür sprechen zunehmende Zwischen-Erscheinungsformen wie z. B. das TV-Shopping, das Telefonieren über Internet (Voice over IP, z. B. Skype)17 oder das Live-Streaming von Fernsehsendungen über das Internet, die zu wachsenden Abgrenzungsproblemen in der bisherigen Medienordnung führen.18 Auch das Domain Name System (DNS) und das Rufnummernsystem sind konvergenzfähig und wachsen im ENUM-System zusammen (s. u., Rn. 473 ff.).

19Noch allerdings sind die einzelnen Medienfelder teilweise erheblich unterschiedlich reguliert. Dies fängt bei den Rechtsgrundlagen an und hört bei der ausdifferenzierten Rechtsprechung noch nicht auf.19 Bislang ist die Zeit für eine Zusammenführung der verschiedenen Medien in einen gemeinsamen Rechtsrahmen noch nicht reif, was nicht zuletzt auch daran liegt, dass die faktische (technische) Konvergenz der Medien in der Breite noch nicht weit fortgeschritten ist. Doch wird sich die Rechtsordnung – schon zur Wahrung ihrer für die Rechtsdurchsetzung nötigen breiten Akzeptanz – von dieser tatsächlichen Entwicklung nicht abkoppeln können. Umso stärker die Zwischen- und Mischformen werden, desto stärker wird der Druck zur rechtlichen Zusammenführung. Das Ziel ist also richtig, auch wenn der Weg noch weit ist.

20Wegen der internationalen Dimension des Internets und den damit verbundenen rechtlichen Durchsetzungsproblemen (s. o., Rn. 5) wird neben der Konvergenzfrage über die Perspektiven und die Notwendigkeit eines möglichst globalen – also weltweit einheitlichen – Internetrechts diskutiert.20 In der Tat legen die individuellen Schutzbedürfnisse (Sicherheit, Jugendschutz, Datenschutz, Verbraucherschutz, Urheberschutz) und die hohe gesellschaftspolitische Bedeutung von Informationszugang eine Notwendigkeit zu allgemein verbindlichen und grenzüberschreitenden Regelungen nahe. Für ein globales Internet-Recht spricht auch der Umstand, dass die User nicht über hundert einzelne und häufig divergierende Nationalrechtsordnungen im Blick haben können. Doch würde dies einen internationalen Konsens sowohl über die Notwendigkeit zur Schaffung einer globalen Internet-Rechtsordnung wie über deren Inhalte voraussetzen. Die erheblichen kulturellen und politischen Gesellschaftsunterschiede, die nicht deckungsgleichen Einstellungen zu freiem Informationszugang und damit zum Medium Internet in den einzelnen Staatsordnungen und schließlich die tradierten Unterschiede der nationalen Rechtsordnungen lassen die Erreichbarkeit dieses doppelten Konsenses noch sehr fernliegend erscheinen. Der Weg dorthin kann allenfalls schrittweise über Verständigungen auf einheitliche Mindest­standards in einzelnen Bereichen führen.21 Beispielhaft wäre hier die Cybercrime-Konvention (s. u., Rn. 308 ff.) zu nennen. Auch im Telekommunikationsrecht ist eine zunehmende Entwicklung zu Konvergenz und Mindestharmonisierung festzustellen; so wäre etwa die Ausweitung des Mandats der International Telecommunication Union (ITU) – eine UN-Sonderorganisation zur Setzung internationaler Telekommunikationsstandards – denkbar.22

1.2.5Summary „Internetrecht“

211.  Das Internet ist ein Massen- und Individualmedium. Die Grenzen zwischen Anbietern und Nutzern („Prosumer“) verlieren ebenso an Bedeutung wie die Unterscheidung zu den Klassischen Medien.

2.  Das Internet unterliegt – wie alle gesellschaftlichen Erscheinungsformen und Phänomene – der Rechtsordnung. Allerdings erschweren die Internationalität und das hohe Tempo der technischen Entwicklung die Rechtsdurchsetzung im Internet.

3.  Das Internetrecht ist kein eigenständiges Rechtsgebiet. Es gibt zwar einige „online-spezifische“ Regelungen (v. a. TKG, TMG), aber die meisten der im Internet auftretenden Rechtsfragen gehören zu den klassischen Rechtsgebieten, die dann unter dem besonderen „Internet-Blickwinkel“ betrachtet werden.

4.  Das Internetrecht ist ganz erheblich europarechtlich determiniert. Dies garantiert zumindest EU-weit ein gewisses Maß an rechtlicher Übereinstimmung. Ein globales Internetrecht jedoch ist wegen erheblicher Rechts- und Kulturunterschiede allenfalls ferne Zukunftsmusik.

Kapitel 2:Grundlagen

2.1Recht der Informations- und Kommunikationsdienste (IuK)

2.1.1Unterscheidung von Telekommunikation, Telemedien und Rundfunk

22Mit dem Begriff der Telekommunikation wird die technische Seite des Internets geregelt. Er ist in § 3 Nr. 22 TKG legaldefiniert als

„der technische Vorgang des Aussendens, Übermittelns und Empfangens von Signalen mittels Telekommunikationsanlagen“.

Unter Telekommunikationsanlagen versteht der Gesetzgeber in § 3 Nr. 23 TKG

„technische Einrichtungen oder Systeme, die als Nachrichten identifizierbare elektromagnetische oder optische Signale senden, übertragen, vermitteln, empfangen, steuern oder kontrollieren können“.

Diese Begriffsbestimmungen machen zugleich deutlich, dass der technische Telekommunikationsbegriff nicht nur auf das Internet beschränkt ist, sondern wesentlich weiter reicht und auch die Bereiche Sprachtelefonie und Mobil- sowie Satelliten-Funk umfasst.

23Die Telemedien betreffen dagegen die inhaltlichen Aspekte des Internets und sind in § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG umschrieben als

„alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste …, telekommunikationsgestützte Dienste oder Rundfunk sind“.

Aufgrund dieser gesetzgeberischen Konstruktion des Telemedienbegriffes als Auffangbegriff ist insoweit der Rundfunkbegriff von Bedeutung. Rundfunk bedeutet gemäß § 2 Abs. 1 RStV

„ein linearer Informations- und Kommunikationsdienst; er ist die für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Angeboten in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen“.

Darunter werden nicht nur die klassischen Formen von Radio und Fernsehen, sondern auch Internetangebote wie Live-Streaming (d. h. die zusätzliche und zeitgleiche Übertragung herkömmlicher TV- und Radioprogramme über das Internet) und Webcasting (d. h. die ausschließliche Übertragung herkömmlicher TV- und Radioprogramme über das Internet) verstanden.1 Die „Schnittmenge“ zwischen Rundfunk und Telemedien bilden die

„Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, in denen insbesondere vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergegeben werden“ (§ 54 Abs. 2 RStV).

24Für diese „besonderen“ Telemedien gelten ergänzende Bestimmungen in den §§ 54 ff. RStV (s. u., Rn. 42 f.). Der „einfache“ Telemedienbegriff umfasst die große Masse aller „normalen“ (d. h. vom Rundfunkbegriff nicht erfassten) Internetangebote. Das fängt bei Internetpräsentationen von Firmen und Privatpersonen an, geht mit Auktionsplattformen weiter und ist mit interaktiven Angeboten zur Bestellung von Waren, Dienstleistungen und Informationen oder auch mit Suchmaschinen noch lange nicht am Ende.

25Diese begriffliche Struktur lässt sich wie folgt grafisch darstellen:

Übersicht 6: Abgrenzung Telekommunikation/Telemedien/Rundfunk

2.1.2Recht der Telekommunikation

26Das TKG war (als Nachfolgeregelung zum Fernmeldeanlagengesetz) nötig geworden, als die heutige Telekom AG privatisiert wurde und der bis dahin hoheitlich monopolisierte Telekommunikationsmarkt liberalisiert wurde. Nun gibt das TKG (zusammen mit den hierzu erlassenen Verordnungen) der privatisierten Telekommunikation (vgl. Art. 87 f GG) einen öffentlich-rechtlichen Rahmen vor, der im Wesentlichen die technologische Handhabung, die wirtschaftliche Verwertung und die Begrenzung technologiebedingter Gefährdungssituationen der Telekommunikation betrifft. Zentrale Themenfelder des Gesetzes sind daher z. B. die Zugangsregulierung (§§ 16 ff.), die Entgeltregulierung (§§ 27 ff.), die Vergabe von Frequenzen, Nummern und Wegerechten (§§ 52 ff.) sowie die Sicherstellung des Fernmeldegeheimnisses und des Datenschutzes (§§ 88 ff.). Zugleich regelt es den Schutz der Telekommunikationskunden (§§ 43a ff., 66 ff.). Hauptinstrument zur Durchsetzung dieser Vorgaben ist die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (BNetzA), die als Bundesoberbehörde dem Bundeswirtschaftsministerium unterstellt ist (§§ 116 ff.).2

27Die zentralen Funktionen des TKG ergeben sich aus den §§ 1 und 2: Hierzu gehört zunächst die Sicherstellung und Förderung chancengleicher wettbewerblicher Bedingungen auf dem Telekommunikationsmarkt (§ 2 Abs. 2 Nr. 2), was aufgrund der historisch bedingten Dominanz des „rosa Riesen“3 (Telekom AG) erhebliche Schwierigkeiten macht. Das „allgemeine“ Wettbewerbsrecht, das von eher gleichwertigen Marktteilnehmern ausgeht, begünstigt tendenziell die Telekom; deshalb spricht sich diese regelmäßig für möglichst wenig wettbewerbsschützende Sondernormen im TKG aus, während ihre Wettbewerber genau hieran sehr interessiert sind. Dieses grundlegende Spannungsverhältnis müssen das TKG und die zu seiner Umsetzung berufene BNetzA austarieren.4 Es sieht daher die Festlegung „sachlich und räumlich relevanter Telekommunikationsmärkte“ vor (§ 10 Abs. 1 TKG), bei denen eine Marktanalyse gem. § 11 TKG durchgeführt wird. Wird dabei für einen solchen Markt festgestellt, dass „beträchtliche und anhaltende strukturell oder rechtlich bedingte Marktzutrittsschranken“ (§ 10 Abs. 2 TKG) bestehen und wegen der marktbeherrschenden Stellung eines oder mehrerer Unternehmen auch längerfristig kein wirksamer Wettbewerb zu erwarten ist, gelten die wettbewerblichen Sonderbestimmungen der Marktregulierung gem. §§ 9 ff. TKG. Dies hat insbesondere zur Folge, dass wettbewerbsrelevante Vorleistungen wie Zusammenschaltungen oder Zugang zu Teilnehmeranschlussleitungen von dem oder den marktbeherrschenden Unternehmen den anderen Unternehmen diskriminierungsfrei – d. h. „zu den gleichen Bedingungen und mit der gleichen Qualität … wie für seine eigenen Produkte“ (§ 19 Abs. 2 TKG) – zur Verfügung gestellt werden müssen.5 Auch über die Preisschraube können Konkurrenten nicht klein gehalten werden: Die Tarife, die marktbeherrschende Unternehmen für ihre Zugangsleistungen i. S. v. § 21 TKG von ihren Konkurrenten verlangen (§ 30 TKG), bedürfen der Genehmigung seitens der BNetzA. Die Preise, die von Endkunden zu bezahlen sind, unterliegen dagegen nur noch einer Missbrauchsaufsicht (§ 28 TKG).6

28Im Zusammenhang damit steht die Gewährleistung flächendeckend angemessener und ausreichender Dienstleistungen – insbesondere die Sicherstellung einer effizienten und störungsfreien Nutzung von Frequenzen und die Sicherstellung einer „flächendeckenden gleichartigen Grundversorgung […] mit Telekommunikationsdiensten“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 TKG). Diese früher von der Deutschen Bundespost hoheitlich erfüllte Grundversorgung hat in einer Kommunikations- und Mediengesellschaft eine vergleichbar hohe Bedeutung wie die Grundversorgung der Mobilitätsgesellschaft mit Straßen und schienengebundenem Personenverkehr oder auch mit Strom und fließendem Wasser. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Kommunikations-Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 GG muss der hoheitliche Staat auch nach der Privatisierung der Telekommunikation für eine solche Informationsinfrastruktur bürgen und dafür – durch die BNetzA und letztlich in Person des Bundeswirtschaftsministers – gegenüber den Bürgern und Steuerzahlern die Verantwortung übernehmen. Hinzu kommt die Wahrung der Nutzerinteressen und der Interessen der öffentlichen Sicherheit (§ 2 Abs. 2 Nr. 1, 9).

29Besondere Bedeutung kommt im TKG dem Verbraucherschutz zu, dem es in den §§ 43a ff. eine ganze Reihe von Vorschriften widmet.7 Angefangen bei Anforderungen an Verträge (§ 43a), Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen (§ 44), geht es über Haftungsregelungen (§ 44a), die Berücksichtigung der Interessen behinderter Menschen (§ 45) bis hin zu technischen Fragen (Entstörungsdienst, § 45b; normgerechte technische Dienstleistung, § 45c; Netzzugang, § 45d). Die meisten Vorschriften haben nicht nur, aber vor allem für die Telefonie große praktische Relevanz. So hat zum Beispiel der Kunde einen Anspruch auf einen Einzelverbindungsnachweis, der so detailliert sein muss, dass die Rechnung überprüft werden kann (§ 45e TKG). Konsequenterweise räumt das TKG ein Beanstandungsrecht ein (§ 45i) und auferlegt dem Diensteanbieter die Beweislast für die technische Fehlerfreiheit des Telekommunikationsnetzes bis zum Übergabepunkt, an dem dem Kunden der Netzzugang bereitgestellt wird (§ 45i Abs. 3). Außerdem hat der Kunde ein Nutzungsrecht an der ihm zugeteilten Telefonnummer, die er beim Wechsel des Anbieters auch mitnehmen können muss (Rufnummernportabilität, § 46 TKG).8

30In diesen Zusammenhang gehört auch die sog. „Netzneutralität“. Darunter wird nach dem „Best-Effort-Prinzip“ die diskriminierungsfreie Gleichbehandlung aller Datenpakete – unabhängig von ihrer Größe, ihrem Inhalt, ihrem Absender und Empfänger – verstanden.9 Dahinter stehen letztlich auch Kapazitätsengpässe der Netze, die zu Überlastungen und damit einer Verlängerung der Transportzeiten von eMails oder bei Seitenaufrufen führen. Damit erhöht sich der Druck, ob bestimmte Mails oder Internetbesuche durch schnellere Abwicklung bevorzugt werden dürfen oder sollen. Denkbar wäre eine Anknüpfung an den Inhalt (was wegen Art. 10 GG ein rechtlich kaum zulässiges Auslesen der Inhalte bedingen würde) oder an den Absender bzw. Surfer, wenn dieser beispielsweise einen Premium-Tarif bezahlen würde. Nach wohl h. M. wären solche Differenzierungen trotz Netzneutralität dann denkbar, wenn eine hinreichende kommunikative Grundversorgung sichergestellt ist.10 Daher gehen sowohl § 41a TKG als auch Art. 22 Abs. 3 der Universaldienste-RL davon aus, dass die Regulierungsbehörde (in Deutschland also die BNetzA) jedenfalls Mindestanforderungen an die Dienstequalität im Sinne eines (zumin­dest relativen) Best-Effort-Prinzips festlegen können soll, während darüber hinaus Spielräume für markt-, d. h. preisorientierte Differenzierungen nicht ausgeschlossen sind.11 Große Aufregung gab es, als die Telekom im Frühjahr 2013 ankündigte, ab dem Jahr 2016 die Bandbreite ihrer Kunden ab Überschreitung eines gewissen Monatsvolums an Daten (75 GB) zu drosseln, was zu einer massiven Verlangsamung beim Aufrufen von Internetseiten geführt hätte. Für große Inhalteanbieter sollte die Möglichkeit bestehen, sich „freizukaufen“, wodurch die Drosselung deren Inhalte nicht betroffen hätte. Gleiches war für Angebote der Telekom und ihrer Tochterunternehmen vorgesehen. Nach einem Proteststurm der Empörung bis in den politischen Raum hinein („Drosselkom“) legte die Telekom diese Pläne ad acta.12

2.1.3Summary „Telekommunikationsrecht“

311.  Unter Telekommunikation ist die technische Seite des Internets und anderer Kommunikationsmedien wie Telefonie und Mobil- sowie Satellitenfunk zu verstehen.

2.  Das Telekommunikationsgesetz (TKG) ist als Folge der Privatisierung des Telekommunikationsmarktes entstanden.

a)  Auf seiner Grundlage soll die BNetzA einen funktionierenden Wettbewerb auf diesem durch die marktbeherrschende Stellung der Telekom geprägten Markt sicherstellen.

b)  Außerdem bietet das TKG die Rechtsgrundlage dafür, die früher vom Staatsmonopolisten garantierte Kommunikationsgrundversorgung durchzusetzen und zu erhalten.

c)  Schließlich liegt eine wesentliche Aufgabe des TKG in der Gewährleistung eines wirksamen Verbraucher- und Kundenschutzes.

d)  In diesem Kontext wird auch die sog. Netzneutralität diskutiert, worunter eine diskriminierungsfreie Gleichbehandlung aller Datenpakete – seien es eMails, seien es Seitenaufrufe im Netz – verstanden wird.

2.1.4Recht der Telemedien

2.1.4.1Anwendbarkeit von TMG und RStV

32Die inhaltlichen Internetangebote werden rechtlich als Telemedien bezeichnet. Soweit es dabei um Informationen oder Mitteilungen z. B. gewerblicher Art an Verbraucher oder andere Marktteilnehmer handelt („einfacher“ Telemedienbegriff), gibt für diese Telemedien das Telemediengesetz (TMG) den rechtlichen Rahmen vor.13 Handelt es sich bei den Internetangeboten dagegen um politisch oder anderweitig meinungsbildende Angebote, die sich an die Allgemeinheit als Ganzes richten, spricht man von Telemedien „mit journalistisch-redaktionellem Angebot“ („besonderer“ Telemedienbegriff). Hierfür gelten nicht nur die Bestimmungen des TMG, sondern außerdem die §§ 54 ff. des Rundfunkstaatsvertrags (RStV). Durch seine Anknüpfung an den Begriff der Telemedien stellt sich der RStV auf den Boden des TMG und entwickelt davon ausgehend besondere medienrechtliche Vorgaben (wie sie teilweise auch in den Pressegesetzen der Länder enthalten sind, z. B. das Recht auf Gegendarstellung gem. § 56 RStV).

33

Übersicht 7: Telemedienbegriffe

34Der Schlüsselbegriff des „journalistisch-redaktionell gestalteten Angebots“ wird entgegen der sonst im Internetrecht weit verbreiteten Legaldefinitionen weder vom TMG noch vom RStV näher präzisiert. In Anknüpfung an die frühere Abgrenzung der Mediendienste von den Telediensten wird für die Anwendbarkeit des RStV ein kommentierend-wertender, im weitesten Sinne meinungsbildender Charakter eines Internetangebots erforderlich sein.14 Zur besseren Erfassung lassen sich dafür folgende Merkmale identifizieren:15

•  Selektivität und Strukturierung,

•  Auswahl nach gesellschaftlicher Relevanz,

•  Eigenständigkeit der Auswahl und inhaltliche Bearbeitung,

•  Ziel, zur öffentlichen Kommunikation beizutragen,

•  Ausrichtung an Tatsachen,

•  Hohes Maß an Aktualität,

•  Gewisses Maß an Professionalität (v. a. bei der Beachtung journalistischer Sorgfaltspflichten),

•  Gewisser Grad an organisierter Verfestigung, der ein Mindestmaß an Kontinuität sicherstellt.

Vor diesem Hintergrund können Blogs, die sich mit Gegenwartsfragen beschäftigen, ebenso als journalistisch-redaktionelle Angebote angesehen werden, wie Internetseiten von Parteien mit regelmäßigen Neuigkeiten oder aktuelle eMail-Newsletter. Foren hingegen dürften in der Regel nicht darunter fallen, weil es für gewöhnlich an der redaktionellen Auswahl und Bearbeitung fehlt. Dasselbe gilt für reine Informationsangebote wie Wettervorhersagen, Straßenverbindungsauskünfte oder Suchmaschinen.

35Von erheblicher Bedeutung ist daneben die Abgrenzung journalistisch-redaktionell gestalteter Telemedien gegenüber Rundfunkangeboten. Denn der Rundfunk (also Hörfunk und Fernsehen) ist – vor allem wegen seiner extrem hohen meinungsbildenden Wirkung – zulassungspflichtig (§ 20 Abs. 1 RStV). Der Rundfunkbegriff basiert auf einem „linearen Informations- und Kommunikationsdienst“; Linearität liegt dann vor, wenn der Zeitpunkt der Übertragung vom Anbieter festgelegt wird und nicht – wie etwa bei Video-on-Demand – der Disposition des Abrufenden unterliegt.16 So fallen beispielsweise Angebote in der Mediathek des Internetauftritts eines Fernsehsenders („Sendung verpasst?“) wegen fehlender Linearität nicht mehr unter den Rundfunk-, sondern unter den Telemedienbegriff. Neben den nicht-linearen Angeboten fallen auch solche aus dem Rundfunkbegriff heraus, die ausschließlich persönlichen oder familiären Zwecken dienen oder nicht journalistisch-redaktionell gestaltet sind (§ 2 Abs. 3 Nr. 3, 4 RStV).

2.1.4.2Wesentliche Regelungsinhalte des TMG

36Der Anbieterbegriff des TMG umfasst jeden, der eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält (also Content- und Presence-Provider)17 oder den Zugang zur Nutzung vermittelt (also Access-Provider), § 2 Nr. 1 TMG. Dieser sehr weiteAnbieterbegriff erfasst sowohl den Betreiber von Internetauftritten, als auch den Betreiber von Internetservern wie auch den Telekommunikationsdienstleister, der die technische Verbindung herstellt. In § 1 Abs. 1 Satz 2 TMG wird außerdem klargestellt, dass auch öffentliche Stellen den Anbieterbegriff erfüllen können. Der ebenso weite Nutzerbegriff erfasst jede „natürliche oder juristische Person, die Telemedien nutzt, insbesondere um Informationen zu erlangen oder zugänglich zu machen“, also schlichtweg jeden User (§ 2 Nr. 3 TMG).

37Anders als Telekommunikationsdienstleistungen, die zumindest noch meldepflichtig sind (§ 6 TKG), sind Telemedien zulassungs- und anmeldefrei (§ 4 TMG). Folglich ist jede Form von Providing, soweit sie nicht zugleich dem TKG unterfällt (Access-Provider)18 ohne behördliches Zutun möglich. Besondere Regeln gelten der Verantwortlichkeit für Telemedien. Die §§ 7–10 TMG sehen bestimmte onlinespezifische Haftungserleichterungen vor. Danach ist nur die Haftung für fremde Inhalte – also zugunsten der Betreiber von Internetservern und der Zugangsvermittler – unter bestimmten Voraussetzungen eingeschränkt. Außerdem wird ausdrücklich geregelt, dass bezüglich fremder Inhalte keine Überwachungspflicht im Sinne einer präventiven Kontrollobliegenheit besteht (Näheres zu den Haftungsregeln s. u., Rn. 109 ff.).

38In § 3 TMG findet sich das Herkunftslandprinzip. Dieses durch Art. 3 der eCommerce-Richtlinie vorgegebene Prinzip bedeutet, dass alle Telemedien – innerhalb der EU – nach „ihrem“ Heimatrecht behandelt werden, egal wo sie ihre Geschäfte ausüben bzw. ihre Rechtswirkungen entfalten. Das hat zur Folge, dass das deutsche Recht für Telemedien, die ihren Sitz in einem anderen EU-Staat haben, nicht gilt. Umgekehrt können sich deutsche Telemedienanbieter, die auf ausländischen Märkten in der EU agieren, auf das Herkunftslandprinzip berufen. Allerdings wird das Herkunftslandprinzip „nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird“. Da die rechtlichen Vorgaben und Bindungen in anderen EU-Staaten oft deutlich unter dem deutschen Level liegen, würde eine konsequente Anwendung des Herkunftslandprinzips bedeuten, dass ausländische EU-Anbieter auf dem deutschen Markt teilweise leichtes Spiel hätten. Um solche Marktverzerrungen zu verhindern, ist das Herkunftslandprinzip mit zahlreichen Ausnahmen in fast allen internetrelevanten Rechtsgebieten aufgeweicht worden. So gilt unabhängig von dem Sitzland eines Diensteanbieters bei in Deutschland rechtlich relevanten Vorgängen das deutsche Recht, insbesondere bei Verbraucherverträgen, bei Grundstücksverträgen, für unverlangte Werbung, für das Datenschutzrecht sowie für das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (vgl. die zahlreichen Bereichsausnahmen in § 3 Abs. 3–5 TMG).

39Der hohen kommerziellen Bedeutung des Internets tragen die Vorgaben für „kommerzielle Kommunikation“ (= Werbung) in § 6 TMG Rechnung. Danach müssen Diensteanbieter, die in Telemedien oder auch per eMail Werbung machen, eine Reihe von Transparenzgeboten beachten; diese betreffen insbesondere die Erkennbarkeit des Werbecharakters und der dahinter stehenden (natürlichen oder juristischen) Person.

40Die §§ 11–15 TMG enthalten eine Reihe von Sonderbestimmungen zum Datenschutzrecht für Telemedien. Diese enthalten Regelungen unter anderem für

•  das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten (§ 12 Abs. 1, 2 TMG),

•  die Pflicht zur Information der Betroffenen über die Nutzung ihrer Daten (§ 13 Abs. 1 TMG),

•  das Widerrufsrecht des Betroffenen und die Hinweispflicht des Anbieters hierauf (§ 13 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 TMG),

•  den Umgang mit Bestands- sowie Nutzungsdaten (§§ 14, 15 TMG; Näheres hierzu s. u., Rn. 159 ff.).

41Die den Jugendschutz betreffenden Vorschriften sind nicht im TMG, sondern im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) geregelt (näher hierzu s. u., Rn. 314 ff.). Dies gilt etwa für die Unzulässigkeit bestimmter Angebote wie z. B. Pornografie oder Kriegsverherrlichung (§ 4 JMStV), für Jugendschutzbelange in der Werbung (§ 6 JMStV), für die Pflicht gewerblicher Telemedienanbieter zur Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten (§ 7 JMStV), für Jugendschutzprogramme (§ 11 JMStV) und für die Kennzeichnungspflicht bei Altersfreigaben (§ 12 JMStV).

2.1.4.3Zusätzliche Regelungsinhalte im RStV für journalistisch-redaktionell gestaltete Telemedien

42Aufgrund des Bezugspunkts des journalistisch-redaktionellen Charakters (s. o., Rn. 34) dieser Telemedien bezieht sich der Regelungsinhalt der §§ 54 ff. RStV auf die klassischen Journalismus-Themen wie

•  die Pflicht zur Beachtung der verfassungsmäßigen Ordnung (§ 54 Abs. 1 Satz 2 RStV),

•  die Verpflichtung auf die journalistische Sorgfaltspflicht (u. a. Wahrheit, § 54 Abs. 2 RStV; vgl. § 6 LPrG BW),

•  das Recht des Betroffenen auf Gegendarstellung (§ 56 RStV; vgl. § 11 LPrG BW),

•  die Pflicht zur Benennung eines verantwortlichen Redakteurs (§ 55 Abs. 2 RStV; vgl. § 8 Abs. 2 LPrG BW) und

•  das Auskunftsrecht des Journalisten gegenüber Behörden (§ 55 Abs. 3 i. V. m. § 9a RStV; vgl. § 4 LPrG BW).

Außerdem enthält § 55 Abs. 1 RStV abweichende Vorgaben für die Anbieterkennzeichnung (= Impressumspflicht) gegenüber denen in § 5 TMG (Näheres hierzu s. u., Rn. 207 f.).

43Besondere Regelungen gelten für Telemedienangebote, die von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten erbracht werden (§§ 11d, 11 f RStV). Danach wird der gesetzliche Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten erweitert (§ 11d Abs. 1 RStV); gleichzeitig wird ihnen auferlegt, ihre Telemedienangebote in Telemedienkonzepten zu Zielgruppe, Inhalt, Ausrichtung und Verweildauer zu konkretisieren (§ 11 f Abs. 1 RStV). Sofern neue Angebote eingerichtet oder vorhandene Angebote verändert werden sollen, ist eine dreistufige Prüfung zum gesellschaftlichen Bedarf durchzuführen (§ 11 f Abs. 4 RStV).19 Außerdem dürfen die Online-Angebote von ARD und ZDF aus Wettbewerbsgründen (gegenüber der Print-Presse) nicht „presseähnlich“ sein (§ 11 Abs. 2 Nr. 3 RStV). Dies wird an der Gestaltung festgemacht: So sprechen Textlastigkeit, Spaltenschriftsatz, Schlagzeilen und Unterschlagzeilen für ein pressetypisches Layout, während Bewegtbilder, Audios, Links und interaktive Angebote (z. B. Kommentierungsfunktion) internetspezifisch sind. Dieses Verbot wurde nach Auffassung deutscher Zeitungsverleger durch die tagesschau.de-Seite und die dazugehörige App verletzt, was nach einem erfolgreichen erstinstanzlichen Urteil zu einer tiefgreifenden Gestaltungsrevision der Seite geführt hat.20

2.1.5Summary „Telemedienrecht“

441.  Das Telemediengesetz gilt für alle Internetangebote. Soweit diese jedoch „journalistisch-redaktionelle“ Angebote enthalten, sind zusätzliche Vorgaben der §§ 54 ff. RStV zu beachten.

2.  Die wesentlichen Vorschriften des Telemediengesetzes betreffen

a)  den Anbieter- und Nutzerbegriff,

b)  die Zulassungs- und Anmeldefreiheit,

c)  die Haftungsprivilegierungen,

d)  das Herkunftslandprinzip,

e)  die Werbung und

f)  den Datenschutz.

Ergänzend finden sich im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag die den Jugendschutz betreffenden Vorschriften für Telemedien.

3.  Die zusätzlichen Regelungen der §§ 54 ff. RStV betreffen die klassischen medienrechtlichen Fragen wie die journalistische Sorgfaltspflicht etc.

2.2Grundrechte

2.2.1Vorbemerkung zur Wirkung von Grundrechten

45Die Grundrechte sind nicht nur Programmsätze (objektives Recht), sondern auch unmittelbar geltendes Recht (vgl. Art. 1 Abs. 3 GG), das jedermann mit der Verfassungsbeschwerde gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG einklagen kann (subjektives Recht). Allerdings wirken die Grundrechte vorrangig im Verhältnis zwischen Bürger und Staat in Form von

•  Abwehrrechten (Abwehr gegen Eingriffe in individuelle Freiheiten, z. B. Religionsfreiheit, Art. 4 GG),

•  Leistungsrechten (Ansprüche auf bestimmte Leistungen, z. B. Anspruch der Mutter auf Schutz und Fürsorge der Gemeinschaft, Art. 6 Abs. 4 GG) und

•  Teilhaberechten (Ansprüche auf Teilhabe an öffentlichen Angeboten, z. B. an Studienplätzen als Ausfluss der Ausbildungsfreiheit, Art. 12 GG).21

46Im Verhältnis zwischen privaten Rechtssubjekten (auch im geschäftlichen Bereich) – und das ist im Internet in aller Regel die maßgebliche Konstellation – gelten die Grundrechte nur mittelbar, nämlich durch gesetzliche Wertungs- und Generalklauseln; so muss die Frage, ob ein Wettbewerbsverhalten unlauter i. S. v. § 3 UWG ist oder ein Vertrag gegen die guten Sitten gem. § 138 BGB verstößt, auch unter Heranziehung grundrechtlicher Wertungen entschieden werden.22 Im direkten Rechtsverhältnis zwischen Bürgern gelten die Grundrechte nicht, weshalb sie im Internetrecht nur eine untergeordnete Rolle spielen. Allerdings sind sie nicht selten die Grundlage für einfach-gesetzliche Regelungen, die im Internetrecht erhebliche Bedeutung haben (z. B. das Eigentumsgrundrecht für das Urheberrecht).

47Die Grundrechte umfassen thematisch einen weiten Bogen, vom Freiheitsprinzip über den Gleichheitssatz, die Glaubensfreiheit bis zum Petitionsrecht (Art. 1–17 GG). Hinzu kommen die Justizgrundrechte und grundrechtsgleiche Rechte wie das Wahlrecht. In diesem Unterkapitel werden jedoch nur einige wenige ausgewählte Grundrechte behandelt, die im Internet eine besondere Relevanz haben.

2.2.2Allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG)

48Aus der Handlungs- und Entfaltungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG zusammen mit der Menschenwürde gem. Art. 1 Abs. 1 GG hat das Bundesverfassungsgericht das sog. „Allgemeine Persönlichkeitsrecht“ (APR) entwickelt.23 Dieses dient dem Gericht quasi als „Steinbruch“ für einzelne Ausprägungen, die im Lauf der Jahre vor dem Hintergrund konkreter Fälle entwickelt worden sind. Für das Internetrecht hat das APR gleich in mehrfacher Hinsicht Bedeutung, denn daraus folgt u. a. das Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme („Online-Durchsuchungen“), das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Datenschutz) und das Recht am eigenen Bild.24

49

Übersicht 8: Allgemeines Persönlichkeitsrecht

2.2.2.1Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme

50Die jüngste und zugleich für das Internet unmittelbar relevante Ausprägung des APR bildet das Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. Anlass für die „Erfindung“ dieses etwas sperrig daher kommenden Grundrechts war die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen sog. verdeckte „Online-Durchsuchungen“ zulässig sind.25 Seit dieser Entscheidung des BVerfG ist geklärt, dass der Einzelne vor Zugriffen auf in der Regel selbst und für eigene Zwecke genutzte EDV-Geräte geschützt ist, wenn die Gesamtschau der dort vorhandenen Daten ein Bild der Persönlichkeit oder der Lebensgestaltung des Betroffenen gewinnen lässt. Neben dem eigenen PC kann dies auch für Handys oder elektronische Kalender gelten. Viele Nutzer vertrauen ihrem eigenen PC umfangreich sensible Daten (Tagebuch, Korrespondenz, Aktivitäten, Termine etc.) an, ohne je daran zu denken, dass darauf unbemerkt von außen zugegriffen werden könnte. Genau dieses Vertrauen in die Vertraulichkeit dieses eigenen informationstechnischen Umfelds wird als Teil des Kernbereichs privater Lebensgestaltung von diesem neu entwickelten Grundrecht geschützt – wenngleich nicht schrankenlos. Wenn „tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut bestehen“, ist bei Vorliegen einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung ein richterlicher Eingriff in den Schutzbereich dieser Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zulässig.26

51Dieses Grundrecht hat aber nicht nur für Online-Durchsuchungen Bedeutung, sondern auch für die sog. Quellen-Telekommunikationsüberwachung. Dabei geht es um die gute, alte Telefonüberwachung (§ 100a StPO), die bei Internet-Telefonie (z. B. Skype) nicht mehr – wie früher – über das Anzapfen der Leitung funktioniert, sondern über einen Softwarezugriff auf den Rechner des Abgehörten (also an der „Quelle“). Dies ist jedoch nur dann zulässig, wenn technisch und rechtlich sichergestellt ist, dass keine über das Abhören von Telefongesprächen hinausgehenden Überwachungsmaßnahmen durchgeführt werden können. Genau an diesem Punkt setzt die (z. B. vom Chaos Computer Club vorgetragene) Kritik an: Die zu diesen Überwachungszwecken verwendete Software könne sehr viel mehr, was sie jedoch nicht darf; das Bundeskriminalamt hält die Zulässigkeitsgrenzen dagegen für gewahrt.27

2.2.2.2Recht auf informationelle Selbstbestimmung

52Ebenfalls eine ganz erhebliche Bedeutung im Internet kommt dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu, das als grundrechtliches „Mutterrecht“ den gesamten Datenschutz verfassungsrechtlich auflädt. Der Entstehungshintergrund war aber noch stark „analog“ geprägt: George Orwell (1903–1950) hat in seinem Zukunftsroman „1984“ ein düsteres Bild einer von „Big Brother“ vollüberwachten Gesellschaft gezeichnet.28 Dieses 1949 erschienene Buch wurde – wohl wegen seines datierten Titels – Anfang der 80er Jahre wieder aktuell. In diesem Klima wurde 1982 ein „Volkszählungsgesetz 1983“29 verkündet, wonach im Frühjahr 1983 eine allgemeine Volks-, Berufs-, Wohnungs- und Arbeitsstättenzählung durchgeführt werden sollte. Ziel war die Erhebung von Angaben über den neuesten Stand der Bevölkerung, ihre räumliche Verteilung und ihre Zusammensetzung nach demografischen und sozialen Merkmalen sowie über ihre wirtschaftliche Betätigung als notwendige Planungsgrundlage für zentrale gesellschafts- und wirtschaftspolitische Entscheidungen von Bund, Ländern und Kommunen.

53Das auf besonders zahlreiche Verfassungsbeschwerden ergangene Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts erklärte zwar das Gesetz für weitgehend verfassungsmäßig, statuierte aber – insbesondere im Hinblick auf die erheblichen Erleichterungen der Datensammlung durch die EDV – als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Hieraus folge, so das Gericht,

„die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden“.30

Dieser Befund hat zu einer gewaltigen Ausweitung datenschutzrechtlicher Bestimmungen auf allen Ebenen nicht nur zwischen Bürger und Staat, sondern auch im Verhältnis der Bürger untereinander, geführt.31 Auch wenn man mitunter die Stirn über datenschutzrechtliche Vorgaben bei vergleichsweise banalen Vorgängen runzeln kann,32 belegen doch Aufsehen erregende Fälle skrupelloser illegaler Datennutzung die Notwendigkeit eines wirksamen gesetzlichen Datenschutzkonzepts.33 Und nicht zuletzt das Internet trägt erheblich zur Erhöhung der datenschutzrechtlichen Gefährdungslage bei: Die Möglichkeit der Verknüpfung verschiedener Daten – etwa Name und Anschrift – mit Informationen zum Surfverhalten oder zu Kaufinteressen/-gewohnheiten ist für Werbeaktivitäten kommerzieller Anbieter von Waren oder Dienstleistungen von höchstem Interesse, so dass heute – anders als in den Zeiten des Volkszählungsurteils – eine mindestens gleich starke Bedrohung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung von Seiten Privater besteht (näher dazu s. u., Rn. 191).34

2.2.2.3Recht am eigenen Bild

54Aus dem Recht der Selbstdarstellung wird das Recht am eigenen Bild abgeleitet, wonach jeder über die Verwendung von Bildern – v. a. Fotos – der eigenen Person entscheiden kann.35 Dieses Recht am eigenen Bild ist ein wichtiges Beispiel dafür, wie Grundrechte im Verhältnis von Bürger und Staat durch den einfachen Gesetzgeber auch in das Verhältnis der Bürger untereinander eingespeist werden. So regelt § 22 Kunsturhebergesetz (KUG) den Grundsatz, dass erkennbare Bildnisse einer Person nur mit deren Zustimmung öffentlich zur Schau gestellt oder verbreitet werden dürfen. Die §§ 23 und 24 KUG sehen Ausnahmen von diesem Grundsatz vor; so ist die zustimmungsfreie Veröffentlichung möglich von Personen der Zeitgeschichte (wegen des Informationsbedürfnisses der Öffentlichkeit), von Hintergrundpersonen (aus Praktikabilitätsgründen) und bei Steckbriefen (zur Erleichterung der Strafverfolgung). Aber auch diese Ausnahmen sind nicht grenzenlos, vor allem dann nicht, wenn die Verwendung oder Veröffentlichung von Prominentenbildern kommerziellen Interessen dienen.

55So hat sich vor einigen Jahren der damalige Torwart der deutschen Fußball-Nationalmannschaft Oliver Kahn erfolgreich gegen die Verwendung eines computergenerierten Abbildes seiner Person in einem Fußball-Computerspiel (wozu er nicht gefragt wurde und an dessen Einnahmen er vermutlich nicht beteiligt worden war) gewehrt. Das Gericht sah die APR-Verletzung von Kahn als „keineswegs marginal oder auch nur gering“ an:

„Denn in dem Spiel wird die Person des Kl. gleichsam zu einem willenlosen Werkzeug des Spielers gemacht, der sie nach eigenem Gutdünken führen und auch zu sinnwidrigen oder gar lächerlichen Aktionen einsetzen kann (etwa indem er die den Kläger darstellende Figur fortwährend Eigentore schießen lässt).“36

Die Entscheidung zeigt im Übrigen auch, dass nicht nur Fotos oder Videos als „Bilder“ gelten, sondern alle visuellen Darstellungen, die eine bestimmte Person erkennbar machen. Ein anderer Anwendungsfall der Kommerzialisierung von Prominentenbildern stellt deren Veröffentlichung in einschlägigen Organen der Regenbogenpresse dar. Letztlich erfolgreich hat hier Prinzessin Caroline von Monaco den Rechtsweg beschritten. Anders noch als das Bundesverfassungsgericht, das bei Personen der Zeitgeschichte von einem Vorrang der Pressefreiheit und des Informationsbedürfnisses der Öffentlichkeit gegenüber dem Recht am eigenen Bild ausging,37 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einer weitreichenden Grundsatzentscheidung für Prominentenbilder aus deren privatem Alltag einen Verstoß gegen Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) festgestellt.38

56Nach dieser sehr „promi-freundlichen“ Rechtsprechung des EGMR hat der BGH in differenzierten Entscheidungen zwar weder die Möglichkeit zur Veröffentlichung von „Promi-Bildern“ noch die damit verbundene Funktion der Pressefreiheit negiert, aber im Wesentlichen darauf abgestellt, ob mit den fraglichen Bildern ein Beitrag zu einer öffentlichen Sachdebatte verbunden sein kann. Ist das der Fall, können auch „Promi-Bilder“ aus privatem Zusammenhang ohne Zustimmung der Betroffenen veröffentlicht werden.39 Dies zeigen exemplarisch die beiden „Einkaufsbummelentscheidungen“ des BGH: Die Bilder, die die ehemalige schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis am Tag nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt beim Einkaufsbummel zeigten, durften veröffentlicht werden, während der BGH dies beim Einkaufsbummel der TV-Moderatorin Sabine Christiansen mit ihrer Putzfrau auf Mallorca von der (nicht vorliegenden) Zustimmung der Abgebildeten abhängig gemacht hat.40 Denn während am privaten Umgang einer Ex-Ministerpräsidentin mit dem öffentlichen Ereignis der Abwahl noch ein hinreichendes öffentliches Interesse bejaht werden kann, fehlt dies bei einer völlig belanglosen Privatsituation einer Prominenten. Denn dann hat nach den Worten des BGH „der Nachrichtenwert der Berichterstattung […] keinerlei Orientierungsfunktion im Hinblick auf eine die Allgemeinheit interessierende Sachdebatte“.

2.2.3Kommunikationsgrundrechte (Art. 5 Abs. 1, 2 GG)

57Der Oberbegriff der Kommunikationsgrundrechte erfasst

•  das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten (Meinungsfreiheit – Art. 5 Abs. 1, Satz 1, 1. Alt. GG),

•  das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten (Informationsfreiheit – Art. 5 Abs. 1, Satz 1, 2. Alt. GG),

•  die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk (einschl. Fernsehen) und Film (Medienfreiheiten – Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).41

58Die Meinungs- und Informationsfreiheit schützt vorrangig die Kommunikationsrechtssphäre des Einzelnen – und zwar in beide Richtungen (im Sinne von „push and pull“):

Übersicht 9: Kommunikationsrichtungen

Die Medienfreiheiten zielen demgegenüber vorrangig auf den Schutz der Medienorgane und des Meinungsbildungsprozesses.42

2.2.3.1Meinungsfreiheit

59Die Meinungsfreiheit nimmt keine Bewertung der einzelnen Meinungsäußerungen vor, sondern gilt für Wertungsäußerungen jeglicher Art unabhängig von Bedeutung oder Banalität, Wahrheit oder Lüge, Wert oder Unwert. Vom Meinungsbegriff nicht erfasst sind lediglich reine Tatsachenbehauptungen oder statistische Angaben. Auch die bloße Auswahl und Präsentation von Tatsachen setzt eine wertende Entscheidung voraus und unterfällt damit der Meinungsfreiheit. Sogar Werbung kann von der Meinungsfreiheit geschützt sein, nämlich dann, wenn sie einen – wie auch immer gearteten – Beitrag zur öffentlichen Diskussion leistet oder (in den Worten des BVerfG) „Gesprächsgegenstände zur Verfügung [stellt], an die sich Diskussionsprozesse und Integrationsvorgänge anschließen können, die sich auf Lebenseinstellungen, Werthaltungen und Verhaltensmuster beziehen“. Entwickelt hat das BVerfG diese Argumentation bei der sog. Schockwerbung eines Bekleidungsherstellers, die schweres Leid von Menschen oder Tieren und damit gesellschaftliche oder ökologische Missstände thematisiert hat.43 Geschützt ist schließlich die sog. „negative Meinungsfreiheit“, wonach man auch das Recht hat, Meinungen gerade nicht zu äußern oder nicht zu verbreiten.44

60Ihre Grenze findet die Meinungsfreiheit erst in den sog. allgemeinen Gesetzen (Art. 5 Abs. 2 GG). Praktisch größte Bedeutung kommt hier dem Strafgesetzbuch zu.45 So ist die Meinungsfreiheit gegenüber dem Ehrschutz des Einzelnen eingeschränkt, weshalb individualisierbare Beleidigungen gem. § 185 StGB strafbar sind; inhaltlich provokante Aussagen allgemeinerer Art, bei denen das Unwerturteil nicht auf wenige konkrete Personen individualisiert wird – wie z. B. „Soldaten sind Mörder“ –, sind dagegen noch von der Meinungsfreiheit geschützt.46 Andererseits können jugendschutzrechtliche Bestimmungen die Meinungsfreiheit begrenzen. Des Weiteren sieht das Strafrecht die Meinungsfreiheit einschränkende Regelungen zum Schutz des demokratischen Rechtsstaates vor, weshalb etwa das Führen des Hakenkreuzes (§ 86a StGB), die Verunglimpfung der Bundesrepublik, ihrer Symbole bzw. ihrer Verfassungsorgane (§§ 90a, 90b StGB) und das Leugnen des Holocaust (§ 130 Abs. 3 StGB) unter Strafe stehen.

61Wer von der Meinungsfreiheit beherzt Gebrauch macht, eckt nicht selten an. Folglich steht das Grundrecht der Meinungsfreiheit häufig in einem Spannungsverhältnis zu Grundrechten des betroffenen Gegenübers, auf das sich die Meinungsäußerung bezieht. Dabei gelten im Internet grundsätzlich dieselben Grundsätze wie bei Printmedien; allerdings kann eine Persönlichkeitsrechtsverletzung im Internet auch dann dem Verantwortlichen für die „Erstveröffentlichung“ zugerechnet werden, wenn die Verletzung selbst erst durch die Weiterverbreitung der Erstveröffentlichung entstanden ist.47 Typischerweise kann der Konflikt zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht nur durch eine Abwägung der gegenüber stehenden Rechte aufgelöst werden. Ein besonders augenfälliges Beispiel dafür bietet das Problem der Namensnennung verurteilter Straftäter in Online-Archiven von (i. d. R. Print-)Medien. Wird ein Mörder nach seiner Tat gefasst und verurteilt, wird hierüber für gewöhnlich in den Medien – mit Namensnennung – berichtet. Dies gilt besonders, wenn – wie im zugrunde liegenden Fall – das Opfer besonders prominent war (der bayerische Volksschauspieler Walter Sedlmayr). Während aber die Printmedien rasch im Papiermüll landen und auf diesem Weg schon kurze Zeit später der Name des Mörders in Vergessenheit zu geraten beginnt, bietet das Internet – und dort besonders die Online-Archive der Printmedien – die Möglichkeit, auch noch viele Jahre später mit ein paar Mausklicks den Namen des Mörders zu recherchieren (sog. „Konservierungseffekt“48). Dies erschwert die Resozialisierung des Täters, wenn dieser (z. B. wegen guter Führung) nach Jahren freigelassen wird. Es stehen sich dann schwerwiegende Rechtsgüter gegenüber.

62

Übersicht 10: Online-Archive

63Laut BGH49 fällt die Abwägung nur dann zugunsten des Online-Archivs aus, wenn

•  der archivierte Alt-Artikel zum Zeitpunkt seiner ersten Veröffentlichung rechtmäßig war (also nicht schon damals unzulässig in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen eingegriffen hat, was etwa bei Verdachtsberichterstattung der Fall sein kann),