Haben Sie Raymond gesehen? - Eveline Pawlich - E-Book

Haben Sie Raymond gesehen? E-Book

Eveline Pawlich

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Beschreibung

Ostern verschwindet im Dschungel der Cameron Highlands Raymond, ein inzwischen ergrauter amerikanischer Idealist aus Flower-Power-Zeiten. Zusammen mit seinen Freunden Helen und Jacob hatte er sich in einem kleinen asiatischen Königtum niedergelassen und dort die Opiumproduktion sozialisiert. Trotz intensiver Suche bleibt er unauffindbar, so dass ihn seine Freunde für tot erklären lassen und dessen genossenschaftlich organisiertes Mohnblume-Unternehmen dem Freien Markt anpassen. Als überzeugter Alt-Linker wäre Raymond über diese Umstrukturierung äußerst ungehalten. Aber zum Glück ist er ja tot. Oder?

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Seitenzahl: 61

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Ostern verschwindet im Dschungel der Cameron Highlands Raymond, ein inzwischen ergrauter amerikanischer Idealist aus Flower-Power-Zeiten. Zusammen mit seinen Freunden Helen und Jacob hatte er sich in einem kleinen asiatischen Königtum niedergelassen und dort die Opiumproduktion sozialisiert. Trotz intensiver Suche bleibt er unauffindbar, so dass ihn seine Freunde nach einiger Zeit für tot erklären und dessen genossenschaftlich organisiertes Mohnblume-Unternehmen dem freien Markt anpassen. Als überzeugter Alt-Linker wäre Raymond über diese Umstrukturierung äußerst ungehalten. Aber zum Glück ist er ja tot. Oder?

Eveline Pawlich, geboren 1951 in Berlin, arbeitete nach einem Germanistik- und Geschichtsstudium als Dramaturgin und an einem Berliner Gymnasium. Sie veröffentlichte Reiseberichte im Berliner "Tagesspiegel", die Kurzgeschichtenbände "Falkenjagd" und „Mama, die Tür klemmt“, die Gedichtbände "Kein Halt auf dieser Strecke",„Valentins Strauß“ und Gedichte in Anthologien sowie die Komödien„Frankenstein gratuliert“ und „Sternekieken“.

PERSONEN

Raymond – Vorstand des Mohnblume-Genossenschafts-Unternehmens

Jacob - Freund Raymonds und Aufsichtsratsvorsitzender im Mohnblume-Unternehmen

Helen - Frau Jacobs

Tiny - Freundin Raymonds

Jasmine - Geschäftspartnerin Jacobs

Clarence – Hellseher

3 Reporter

Inspektor

Ma Ha und Ma Hok – Bedienstete im Hause

VOR BEGINN

FRAGEN an die Zuschauer: Entschuldigen Sie, haben Sie Mr. Raymond gesehen? - Sind Sie Mr. Raymond begegnet? - Wissen Sie zufällig, wo Mr. Raymond ist?

Bei positiver Auskunft: Vielen Dank! Das könnte uns weiterhelfen.

Inhaltsverzeichnis

Erster Akt

Erste Szene

Zweiter Akt

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

Fünfte Szene

Dritter Akt

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Vierte Szene

Fünfte Szene

Vierter Akt

Erste Szene

Zweite Szene

Dritte Szene

Fünfter Akt

Erste Szene

Epilog

ERSTER AKT

ERSTE SZENE

Ostersonntag, nachmittags. Inneres eines Wochenendhauses in den Cameron Highlands. Teakmöbel, teilweise asiatisch, teilweise europäisch, eine Uhr, Ventilator, zwei amerikanische Sessel mit Couch um einen Tisch, auf dem sich eine Vase mit Rosen und Schokoladeneier befinden. Im Hintergrund ein Papagei auf der Stange und im Regal ein Goldfischglas sowie Flaschen. Rechts: Tür und Fenster mit Blick auf einen gepflegten englischen Rosengarten, in dem auch ein thailändisches Geisterhäuschen steht. Im Hintergrund: Dschungelatmosphäre. In den Sesseln sitzen HELEN und JACOB, ergraute, sich für ihr Alter aber fit gehaltene Amerikaner, die seit Jahrzehnten in Asien leben. Helen hat sich noch immer nicht von Indienfummel und Stirnband aus Hippie-Zeiten getrennt, obwohl sie ihre schlanke Mädchenfigur inzwischen verloren hat. Jakob trägt trotz Hitze eine locker gebundene Krawatte. Er entnimmt einem Päckchen hin und wieder einen Kaugummi. Beide trinken Tee und lesen Zeitung. TINY, junge, quirlige, doch sanfte Asiatin, erscheint aufgeregt im Zimmer. Sie ist nach Teenie-Mode mit Minirock gekleidet und wirkt sehr kindlich.

TINY Habt ihr Raymond gesehen?

JACOB Er wird noch schlafen.

TINY hysterisch: Er ist nicht auf seinem Zimmer. Sein Bett ist unbenutzt.

HELEN beruhigend: Vielleicht im Bad.

TINY Habe ich gerade nachgesehen.

JACOB Irgendwo wird er schon sein. Ein Mann verschwindet nicht so einfach.

TINY Ich habe ihn im ganzen Haus gesucht.

JACOB Dann schau im Garten nach!

HELEN Vergiss nicht! Entnimmt der Vase eine Rose, gibt sie Tiny. Sonst sagst du wieder, wir sind schuld, wenn uns die Geister nicht gewogen sind.

Man sieht durch das Fenster TINY im Garten die Blume am Geisterhäuschen opfern. Sie entfernt sich, Raymonds Namen rufend.

HELEN Dieses Kind! Glaubst du, dass Raymond jemals daran denkt, sie zu heiraten? Legt die Zeitung weg.

JACOB Warum? Sollte er?

HELEN Er kommt in die Jahre - und Tiny ist ein liebes Mädchen. Dann brauchte er sich um sein Alter keine Sorgen mehr zu machen. Und sie sich nicht um ihre Zukunft.

JACOB Er zahlt doch auch so.

HELEN Wie billig! Raymond ist anders.

JACOB Aber ein Mann. Dazu noch Amerikaner. Ihre halbe Sippe lebt von ihm. Was will sie denn noch mehr?

HELEN Du sprichst wie jemand von der alten Silom Road.

JACOB Früher warst du weniger spießig.

HELEN Spießig? Schau dich mal an!

JACOB Soll ich mir ’ne Feder in den Hintern stecken?

HELEN Ich sprech hier nicht von Kleiderfragen. Tiny ist ein wirklich nettes Kind. Sie wollte früher Tempeltanz studieren, hat sie mir mal erzählt.

JACOB Ja und? Sie tanzt doch hin und wieder.

HELEN Wo?

JACOB In Clubs - als Gogo-Girl. Du weißt doch, wo Raymond sie aufgerissen hat.

HELEN Sie ist trotzdem ein nettes Mädchen - und mir irgendwie ähnlich. Macht eine tänzerische Bewegung, wobei ihr eine Naht platzt.

JACOB sieht sie stirnrunzelnd an.

HELEN Na ja, wie ich mal war.

JACOB schüttelt verständnislos den Kopf: Du kannst ja wohl nicht ernsthaft glauben, dass Raymond diese Kleine...

HELEN Mich würde es freuen. Sie ist mir in der letzten Zeit so ans Herz gewachsen. Aus meiner Familie ist mir schließlich keiner mehr geblieben. Dass man den Mörder damals nie geschnappt hat, ist mir noch heute unbegreiflich.

TINY aufgelöst: Ich kann ihn nicht finden.

JACOB Mach nicht solch einen Wirbel! Vermutlich spaziert er irgendwo herum und freut sich an der frischen Luft hier draußen.

TINY Wie könnt ihr nur so ruhig bleiben?

HELEN Kind! Raymond ist ein erwachsener Mann. Seit Jahren verbringen wir die Ostertage hier. Er kennt sich aus im Dschungel.

TINY Man muss ihn suchen.

HELEN Na, wenn du meinst, dann tu es. Aber bleib wenigstens auf den markierten Wegen, sonst müssen wir am Ende dich noch suchen!

TINY verlässt hastig den Raum. Man sieht sie durch das Fenster, wie sie auch den Rosengarten verlässt.

JACOB Wie ein aufgeregtes Huhn! Was für ein Blödsinn! In einer halben Stunde ist er wieder da.

HELEN Warum sollte Raymond sie eigentlich nicht heiraten? Wir wären dann eine richtige kleine Familie. Und immerhin lebt sie ja schon eine ganze Zeit bei ihm.

JACOB Von ihm. Das solltest du nicht verwechseln. Schließlich lebst du lang genug in diesem Land.

HELEN Du Chauvinist! Raymond achtet alle Menschen.

JACOB Vielleicht ein Fehler.

HELEN Ich kann dich nicht begreifen. Wo sind bloß deine Ideale geblieben?

JACOB Ich bin erwachsen.

HELEN Erinnerst du dich denn nicht mehr: Peace, Freedom, Flowers, Happyness!

JACOB Fang nicht schon wieder damit an! Das war ein Traum unreifer junger Leute damals in Amerika.

HELEN Ein genialer. Und ein richtiger außerdem. In solchen Träumen gibt es nämlich weder Neid noch Egoismus, keine Kriege, keine Eifersucht, keine Depressionen - und natürlich keine Krawatten.

JACOB zieht seine Krawatte zurecht.

HELEN „Love“ war das, wozu wir aufriefen. Und: „Der passive Mensch ist der beste!“, das war unser Slogan. Deshalb haben wir doch schließlich Mohnblume gegründet.

JACOB Und die ist abgewirtschaftet. Und was dieses Rumgehopse vor gefühlten 100 Jahren betrifft…

HELEN Oh ja, die Happenings im Central Park! Singt und tanzt: Hari Krishna, hari Krishna, hari hari, hari Krishna!

JACOB Phantastereien von Studenten, die heute Firmenbosse sind. Das ist schon lange Schnee von gestern. Bloß ihr beide wollt es nicht merken, du und Raymond.

HELEN Wieso? Damals in Big Apple, da wolltest du doch selbst... Zusammen mit Raymond... Dass dann mein Vetter nach dem Unglück plötzlich auftauchte und Vaters Firma erbte, war wirklich nicht vorauszusehen.

JACOB Stimmt. Keiner hatte damit noch gerechnet.

HELEN Unser Traum von einer Genossenschaft mitten im Herzen des Kapitalismus! Aus war es damit, als er kam.

JACOB Ja, schlagartig.

HELEN Schluss mit der Devise: Nicht Religion ist Opium, sondern Opium Religion. Aber hier war das anders. Und es ist es immer noch.

JACOB Das mit dem Opium ist natürlich richtig.

HELEN Genau wie: West meets East.

JACOB Ja sicher.

HELEN Was dann?

JACOB legt die Zeitung beiseite