Halt mich fest - Trix Niederhauser - E-Book

Halt mich fest E-Book

Trix Niederhauser

4,4

Beschreibung

Wie sag ich's meinen Eltern? Früher oder später kommt jede Lesbe an diesen Punkt, auch Chris, die rockende Gitarristin mit Hang zu Unfällen. Eigentlich ist es doch gar nicht nötig und überhaupt ... Aber dann tritt Tina in ihr Leben, und auf einmal ist alles anders. Das Coming-out, die verschollen geglaubte Großmutter, die mit gepackten Koffern vor der Tür stehende Mutter, die Ex mit dem dritten Auge, die Kaugummi kauende blonde Schönheit und vieles mehr machen der Heldin Chris das Leben schwer. Tapfer erträgt sie mit Tina an ihrer Seite die putzende Mutter, den pubertierenden Neffen und den schweigenden Vater. Nur dass Tina rothaarige Frauen küsst, macht ihr zu schaffen. Doch zu jedem Problem gibt es eine Lösung - schlaue und weniger schlaue.

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Trix Niederhauser

HALT MICH FEST

Roman

Originalausgabe: © 2006 ePUB-Edition: © 2013édition el!es

www.elles.de [email protected]

Alle Rechte vorbehalten.

Für: Carla–kritisch, konstruktiv, begeisterungsfähig Anita und Tanja–neugierig, lesefreudig, unterstützend Sandra–wartend, tröstend, feiernd

1. Kapitel

»Die Liebe ist ein Chaos!«

Dieses Zitat stammt von Christina Frank, und das bin ich. Glaubt mir, ich spreche aus Erfahrung. Die ganze Geschichte fing bereits mit einem Chaos an: dem in meiner Wohnung. Was tut frau, wenn das Telefon klingelt, und es nirgends zu entdecken ist? Richtig! Ich wühlte mich durch Zeitschriften, Kleider, leere Pizzakartons, und tatsächlich, unter der Jeansjacke, die ich seit einigen Tagen vermisste, lag der Apparat. Auf mein freudiges »Hallo«–schließlich hatte ich die Jacke wiedergefunden–bekam ich ein ebenso fröhliches »Hallo, Chris, hier ist dein Lieblingsbruder« zu hören. Da ich nur einen Bruder habe, war klar, dass es sich um Patrick handelte.

»Störe ich?«

»Nein, im Gegenteil. Du hast mir eben klargemacht, dass ich wieder einmal aufräumen muss.«

Offenbar überforderte ich ihn mit dieser Antwort.

»Schön. Aber ich rufe wegen etwas Wichtigem an. Halt dich fest! Ich habe es unseren Eltern gesagt!«

Das überforderte nun mich. Fieberhaft überlegte ich, was er Wichtiges mit unseren Eltern besprochen haben könnte.

»Hast du nicht gehört? Sie wissen Bescheid über mich und Shirley.«

Ach so. Daran hatte ich im ersten Moment nicht gedacht. Seit über einem Jahr war er nun mit Shirley befreundet, und vor einem Monat waren sie zusammengezogen. Sicher würde ich demnächst zur Tante erkoren. »Wurde ja langsam Zeit, oder?« gab ich zu bedenken. Bislang hatte Patrick die Eltern aus gutem Grund im Ungewissen gelassen. Mein Vater, Hans-Hermann, war sehr konservativ, um nicht zu sagen spießig und stur. Als städtischer Beamter war er wahrscheinlich dazu verpflichtet. Auf jeden Fall war es schwierig, mit ihm auszukommen. Ich spreche aus Erfahrung. »Und? Wie hat er reagiert?«

»Na ja, du kannst es dir etwa vorstellen. Seinen Monolog zum Thema Ausländer kennst du. Mischehen würden nicht funktionieren, die kulturellen Unterschiede seien zu groß, Kinder aus solchen Beziehungen müssten später darunter leiden. Bla, bla, bla.«

Mit dieser Rede war ich bestens vertraut. Unsere Streitgespräche sorgten, dank lautstarker Argumente, in der Nachbarschaft für Unruhe. So manche Nachbarin hatte mir bereits zu meinem Standpunkt gratuliert.

»Shirley kommt zwar ursprünglich aus Namibia, aber sie ist hier aufgewachsen, sie kennt nichts anderes. Es ist doch egal, ob sie schwarz, weiß oder grün ist! Ich liebe sie, aber dem Alten geht es nur um das Gerede der Nachbarn. Er hörte mir gar nicht richtig zu.« Patrick klang traurig und enttäuscht.

»Und Mama?«

»Die sagte erst überhaupt nichts, saß einfach da und sah Vater an. Zuletzt schrie er, dass ich vorläufig nichts mehr bei ihnen zu suchen hätte, es sei denn, ich trenne mich von Shirley. Und dann hat er die Tür zugeknallt und ist in seinem Arbeitszimmer verschwunden.«

Ich konnte mir die Szene lebhaft vorstellen. Ein Wunder, dass noch alle Türen heil waren, nach mehrjährigem Knallen.

»Mama versuchte mich zu trösten. Ich solle ihm Zeit lassen, sie werde mit ihm sprechen.«

Das überstieg meine Vorstellungskraft. Meine Mutter, Helga, hatte sich in all den Jahren das Schweigen angewöhnt. Nie widersprach sie meinem Vater. Sie nahm Rücksicht auf ihn, bediente ihn hinten und vorn. Dafür dachte er für sie gleich mit. Das nannte sich wohl wahre Partnerschaft. Natürlich versuchte sie ab und zu bei einem Streit zwischen ihm und mir zu schlichten. Meistens aber bat sie mich, auf seine schlechten Nerven Rücksicht zu nehmen.

»Vorläufig werde ich mich zu Hause nicht mehr blicken lassen. Und du? Wann wirst du ihnen sagen, dass du lesbisch bist?«

Nach dieser Reaktion wagte ich gar nicht, daran zu denken. Vielleicht sollte ich mich gleich ins Ausland absetzen. Konnte es mir egal sein, wenn der eigene Vater mich verstoßen würde, wenn ich Hausverbot bekam? Eigentlich schon, obwohl ich mir eine positive Einstellung meiner Eltern wünschte.

»Du kannst dich nicht immer verstecken!« drängte Patrick weiter.

Natürlich hatte er recht, das war mir klar, aber bisher hatte ich einfach nie die passende Gelegenheit gefunden. Wahrscheinlich würde es die nie geben. Für meinen Vater hieß Homosexualität, dass zwei Frauen oder zwei Männer miteinander ins Bett gingen, mehr nicht. Unweigerlich würde er auf das Thema Sex zu sprechen kommen, und das war etwa so einfach, wie mit einem Eisbären über den besten Sonnenschutz zu diskutieren. Meine Aufklärung bestand darin, dass er mir eine Predigt hielt, die beinhaltete, dass Jungs nur das wollten. Was das war, hatte er mir verschwiegen.

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