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Keine Beziehung in unserem Leben wird so lange, so intensiv und so emotional verbunden erlebt wie die eigene Geschwisterbeziehung. Geschwister teilen von Anfang an innigst Verbundenes - ihre Eltern. Sie lieben und sie hassen sich, sie streiten und versöhnen sich. Sie verbünden sich, sie helfen sich. Sie tun einander weh, sie tun einander gut. Es verbinden sie auf immer längst verjährte und verblasste Kindheitserinnerungen. Diese Beziehung prägt uns wie keine andere in unserem Leben. Hand in Hand - Wie Geschwisterliebe wachsen kann ist ein Buch über die Herausforderungen, die Geschwisterkinder an uns als Eltern stellen. Es gibt Hilfestellungen, wie wir diese meistern und unsere Kinder durch die Höhen und Tiefen ihrer ganz eigenen Beziehung zueinander begleiten können. In der 2., aktualisierten Auflage gibt es zusätzlich in jedem Kapitel kleine Übungen zur Selbstreflexion.
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Seitenzahl: 94
Veröffentlichungsjahr: 2018
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FÜR LEANDER UND MONA
DANKE FÜR ALL DIE SCHÖNEN MOMENTE,
DIE IHR MIR BESCHERT HABT.
UND DANKE FÜR ALL DIE SCHWIERIGEN
AUGENBLICKE, DIE UNS ALLE GEMEINSAM
BEWEGT UND WACHSEN LASSEN HABEN.
Vorwort
Geschwister
Zum zweiten Mal schwanger
Wie sag ich’s meinem Kind?
Und jetzt bist du so groß
Mutter und Vater einmal mehr
Zum dritten Mal schwanger
Geburt einer Geschwisterbeziehung
Blind Date — die erste Begegnung
Liebe zum Quadrat
Wo ist mein Platz?
Eins und Zwei. Erst Du, dann Du
.
Unendlich viele Gefühle
Du musst (nicht) lieb sein
Feindseligkeit
Das Unumgängliche - Sie streiten sich
Körperliche Aggression
Konflikte begleiten
Das gehört mir
Das Gift in der Geschwisterbeziehung
Aber — Kleines Wort, große Wirkung
Fragen und Antworten
Zeit und Geduld
Als ich zum zweiten Mal schwanger wurde, war ich überglücklich und gelassen. Wir hatten immer ein zweites Kind geplant, wir waren ein eingespieltes Team und hatten das Gefühl, zu wissen, was auf uns zukommen würde. Wir hatten einen Altersabstand von drei Jahren gewählt, weil wir hofften, dass unser Sohn in dem Alter sowohl sprachlich als auch emotional so weit entwickelt sein würde, seine Gefühle einigermaßen artikulieren zu können. Und dass wir ihn entsprechend gut vorbereiten könnten.
Doch bald spürten wir, dass da eine Herausforderung vor uns stand, mit der wir so nicht gerechnet hatten. Erst kam die Übelkeit und mit ihr bleischwere Müdigkeit. Danach war der Bauch zwar noch nicht besonders sichtbar, aber groß genug, dass mein Sohn nicht mehr auf dem Schoß sitzen konnte. Und als der Bauch groß genug war, dass er ihn sehen konnte, verstand er noch lange nicht, warum es nicht gut war, darauf herumzuklettern.
Bald konnte ich meinen Sohn nicht mehr drei Etagen hinauftragen und mich nachts nicht mehr in seine Betthöhle zu ihm kuscheln. Die zunehmende Ablehnung frustrierte ihn. Das Baby hingegen interessierte ihn überhaupt nicht. Verbal hätte ich ihn auf vieles vorbereiten können, jedoch gab es nur selten Gespräche darüber. Er stellte keine Fragen, ich wollte ihn aber auch nicht zwangsverpflichten zu einem Mama-Sohn-Kurs übers Geschwisterkriegen.
Und dann stellte ich fest, dass es ziemlich egal ist, wie groß der Altersunterschied der Geschwisterkinder ist. Denn alles steht und fällt mit der Entwicklung des älteren Kindes. Mit seiner Persönlichkeit, seinem Charakter. Und schlussendlich natürlich auch mit dem Wesen des Geschwisterkindes.
Viel später erst erkannte ich, dass sich genau das durch alle Phasen der Geschwisterbeziehung zieht. Solange Kinder sich entwickeln, gibt es kein Rezept dafür, wie man spezielle Situationen löst oder handhabt. Es gibt kein Allgemeinrezept gegen Eifersucht und auch keines gegen Streitereien. Wir können unsere Kinder weder perfekt vorbereiten noch vor ihren eigenen Gefühlen bewahren. Was es jedoch gibt, und wofür ich selbst überaus dankbar war, sind Hinweise, ein paar Gedanken, die in den schlimmsten Situationen helfen können, dass alle einigermaßen trocken durch den Sturm segeln. Dass niemand untergeht und alle gemeinsam und sicher an Land schiffen.
Auch in meinen Beratungen taucht das Thema Geschwister immer wieder auf. Wie kann ich beiden Kindern gerecht werden, wie beuge ich der Eifersucht vor, wie gehe ich mit ihr um? Was tue ich, wenn sie laut und heftig, stets und ständig streiten und sich sogar verletzen? Wann schreite ich ein, wann überlasse ich sie sich selbst?
Deshalb gibt es dieses Buch. Ich hoffe, auf diesem Weg vielen Eltern gute Unterstützung geben zu können. Dass aus meinen Fehlern und aus meiner stürmischen Reise, aus den Hinweisen, die ich erfahren habe, noch viele andere − letztendlich auch ich selbst − profitieren können. Auf einer der spannendsten aber auch herausforderndsten Fahrten ihres Lebens. Viel Freude und Alles Gute!
Nadine Hilmar, Juli 2015
STORMS
MAKE TREES
TAKE DEEPER ROOTS.
(DOLLY PARTON)
Keine Beziehung in unserem Leben wird so lange, so intensiv und so emotional verbunden erlebt wie die eigene Geschwisterbeziehung. Geschwister teilen von Anfang an innigst Verbundenes − ihre Eltern. Sie lieben und sie hassen sich, sie streiten und versöhnen sich. Sie verbünden sich, sie helfen sich. Es verbinden sie längst verjährte und verblasste Kindheitserinnerungen. Sie sind selten auszublenden, wenn Bilder aus der eigenen Kindheit auftauchen.
Was wir uns für unsere Kinder und ihre Beziehung zueinander wünschen ist nicht selten geprägt von dem, was wir erlebt haben. Waren wir Einzelkinder, so wünschen wir ihnen womöglich einen Spielpartner, den wir hin und wieder vermisst haben. Erinnern wir uns an Streit und Neid, an Rivalität und Kampf, wünschen wir ihnen mehr Harmonie und liebevolles Miteinander.
Eine Geschwisterbeziehung ist aber ein großes Meer aus allem. Aus Gefühlen und Emotionen, die uns unser ganzes Leben lang begleiten, in sämtlichen anderen Beziehungen wieder auftauchen. Wir können Neid und Streit weder verhindern noch einfach stoppen. Aber wir können sie als gegeben annehmen und so unseren Kindern ihre ganz eigenen Erfahrungen schenken: Indem wir sie ihre eigene Geschwisterbeziehung entwickeln und wachsen lassen.
Egal ob zwei, drei, vier oder unzählige Kinder in einer Familie leben. Jedes Kind ist anders und so ist auch seine Beziehung zu jedem anderen Familienmitglied: eigen und individuell. Mit jedem neuen Geschwisterkind verändert sich das System Familie, verrücken sich die Konstellationen. Jedes einzelne Kind, jede Beziehung, die existiert und das Gesamtgefüge nicht aus dem Auge zu verlieren, ist eine große Herausforderung. Doch nur durch sie kann es uns ermöglichen, das Schiff vom Heimathafen aus gut und sicher über die Meere segeln zu lassen.
GEH
LASS MICH
IN RUHE UND
DOCH NIE ALLEIN IM
LEBEN
Keine Zweitschwangerschaft wird so verlaufen wie die erste. Ob wir ein weiteres Kind geplant haben oder nicht, ob wir vor Freude tanzen oder einen Schreck verdauen müssen. Unsere Aufmerksamkeit ist geteilt. Wir werden nicht nur erneut Eltern eines neuen Lebewesens, unser erstes Kind wird großes Geschwisterkind. Bruder oder Schwester. Das allein bringt oft viele Emotionen mit sich. Sowohl vorfreudige als auch wehmütige. Erwartungsvolle. Beängstigende. Unser „Kleines“ wird groß. Und alles wird anders. Das kann ich versprechen. Wie anders − das liegt an Euch.
Egal wie problemlos und entspannt die Schwangerschaft sein mag und hoffentlich ist. Mit einem kleinen Kind rund um die Uhr im Haus ist die Zeit für Entspannung und Ruhepausen limitiert. Die Kommunikation mit dem Kind im Bauch erhält meist etwas weniger Aufmerksamkeit als beim ersten Mal. Die Auseinandersetzung mit dem wachsenden Leben geschieht dann, wenn Zeit dafür ist. Die Beziehung zum ersten Kind schläft zuweilen unter einem Berg aus Müdigkeit, Anspannung und dünnen Nerven. Wir fragen uns, wie wir unsere Liebe aufteilen können und woher wir genügend Zeit und Kraft für alle aufbringen werden. Glück, Vorfreude und Zweifel wechseln sich gewürzt von zahlreichen Hormonen ab.
All dies − abgesehen von den individuellen körperlichen Veränderungen − spüren unsere Kinder. Sie spüren Sorge und Glück, Angst und Vorfreude. Sie nehmen all das auf und versuchen, es einzuordnen. Das gelingt ihnen mal mehr und mal weniger.
Je nach Charakter des Kindes wird es diese Gefühle und Emotionen hinterfragen. Je nach Entwicklungsstand und Persönlichkeit wird es an der Schwangerschaft der Mutter teilhaben wollen.
Was können wir also tun, wie können wir unser Kind gut auf das Bevorstehende vorbereiten und ihm die Umstellung so problemlos wie möglich gestalten? Wie können wir gemeinsam diese doch so spannende Zeit erleben?
Wichtig ist in allen Dingen Ehrlichkeit. Dem Kind, aber natürlich auch uns selbst gegenüber. Körperliche Erschöpfung, Erschlagenheit, aber auch Angst oder Selbstzweifel die neue Situation betreffend, sind völlig normal. Jegliche Sorgen tauchen aus einem Strudel aus Hormonen oder einfach aus der Tatsache der Situation heraus auf.
All das gehört ernstgenommen. Und dem Kind gegenüber auch ernst kommuniziert. Werten wir etwas ab mit „Es ist nichts.“ verwirrt das unser Kind, weil es spürt, dass eben doch etwas ist. Vielmehr noch zeigt es dem Kind: Darüber reden wir nicht. Das ist nicht gut, das ignorieren wir. Es kann dazu führen, dass auch unsere Kinder sich verschließen, dass sie ihre Gefühle verstecken oder nicht wagen, sich zu äußern. Es kann aber auch genauso dazu führen, dass sie immer mehr rebellieren, weil sie wollen, dass ihre Eltern ehrlich sind. Weil sie einfach wissen wollen, was los ist.
Gerade kurz vor der Geburt kommt es häufig vor, dass die älteren Kinder schlechter schlafen, dass sie vermehrt einnässen, obwohl sie schon ohne Windel waren. Sie werden anhänglicher und ängstlicher. Distanziert oder lauter. Ganz individuell zeigen sie uns, dass sie etwas beschäftigt. Denn sie spüren, dass die große Aufregung unmittelbar bevorsteht. Was sie nicht greifen können, ist das, was kommt. Und wir können es ihnen nicht sagen. Wir können ihnen nur vermitteln: Es wird ein Baby bei uns wohnen. Es wird öfter weinen oder schreien. Es wird viel Aufmerksamkeit brauchen. Es wird vieles anders werden. Aber wie es genau werden wird, das wissen wir nicht. Und genau das dürfen wir auch ehrlich sagen und zugeben. Denn es wird mal lustig, mal schön, mal anstrengend und mal kräftezehrend. Es wird alles und nichts. Nur wie es wirklich wird, das sehen wir erst, wenn es so weit ist.
Was sie nicht greifen können, ist das, was kommt. Und wir können es ihnen nicht sagen.
Es geht darum, die Kinder gut durch diese Phasen der Unsicherheit und Angst zu begleiten. Sie in ihren Gefühlen zu sehen, wahrzunehmen, zu respektieren und vor allem ernstzunehmen. Sie so anzunehmen, wie sie sind und mit allem, was sie und uns beschäftigt. Nur so haben sie die Möglichkeit, sich durch das aufregende Neue zu kämpfen und zuversichtlich und voller Vertrauen, dass sie sich − während sich sonst alles ändert − auf uns verlassen können. Darauf, dass wir sie verstehen und halten in dieser stürmischen Zeit.
Wie sag ich’s meinem Kind?
Eine oft gestellte Frage ist, wie wir unserem Kind davon erzählen, dass wir ein Baby erwarten.
Im Prinzip ist das sehr individuell, es gibt keine Vorlage dafür und ist abhängig von den Rundumbedingungen. Wenn Übelkeit und Müdigkeit schon sehr früh sehr dominant die Tage der Schwangerschaft begleiten, können wir unseren Kindern recht bald erzählen, was mit uns los ist. Sie spüren schließlich sehr genau, dass es uns nicht gut geht und sind froh, wenn sie eine Erklärung bekommen. Letztendlich hängt das aber auch vom Entwicklungsstand des Kindes ab. Kleine Kinder sind mit einem „Mir geht es heute nicht so gut. Ich muss mich ausruhen.“ soweit zufrieden. Ältere Kinder hingegen schieben gern ein „Warum?“ nach und wundern sich am dritten Tag dann schon über die anhaltende Dauer dieses Zustandes.
In jedem Fall sollte die Nachricht über das zu erwartende Ereignis freudig, aber achtsam übermittelt werden. Unser Kind darf erfahren, dass wir uns freuen, dennoch sollten wir von ihm nicht dieselbe Reaktion erwarten. Es darf skeptisch sein, unschlüssig und unsicher, weil es nicht richtig begreifen kann, was das bedeutet. Vor allem dürfen wir damit rechnen, dass die Reaktionen von Tag zu Tag verschieden sind. Je nach Stimmungslage des Kindes und auch von uns selbst.
Besonders hilfreich kann es sein, diese Nachricht und die anstehenden Veränderungen mit einem Buch begleitet zu übermitteln. Denn es werden Fragen auftauchen, die uns selbst vor gewisse Herausforderungen stellen. Da können Bücher und ihre Verbildlichung der Tatsachen sehr helfen.
Und jetzt bist du so groß