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Du möchtest in deinen Roman knisternde Erotik integrieren oder einen Erotikroman schreiben? Dieser Ratgeber vermittelt dir Schritt für Schritt, wie du ... ... erotische Stimmung im Roman entwickelst, ... heiße Sexszenen schreibst und ... einen überzeugenden Erotikroman aufbaust.
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Seitenzahl: 179
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Worum es in diesem Buch geht
Erotik, Sex und Pornografie – was ist was?
1
Sexszenen schreiben
Sexszenen aufbauen
Warum Erotik und Sex einen Roman zu
einem richtig guten Roman machen können
Das Bett als Minenfeld
Die 16 wichtigsten Motive für Sex
Aufwärm-Ideen: So bringst du deine Figuren in Fahrt
Was vor der Sexszene passiert
Wie du stark einsteigst
Wie du Spannung im Mittelteil erzeugst
Wie du am Ende für eine Überraschung sorgst
Körperliche Annäherung deiner Figuren in zwölf Schritten
Aktionen und Reaktionen
Variationen von Sexszenen
Und was passiert nach dem Sex?
Intime Oasen: Wo deine Figuren Sex haben können
Sinnliches Kopfkino
Show, don't tell
Was deine Figuren tun
Was deine Figuren wahrnehmen
Was deine Figuren sagen
Was deine Figuren denken
Fesselnde Formulierungen
Große Gefühle
Die richtigen Worte
Besondere Details
Doppeldeutigkeiten
Metaphern und Vergleiche
Küssen
Starke Verben für Erotik und Sex
2
Einen Erotikroman schreiben
Genre Erotik
Warum sich gut geschriebene Erotikliteratur auszahlen kann
Unterschiedliche sexuelle Vorlieben in der Belletristik
Klassische Kernideen für Erotikromane
Was erlaubt ist und was nicht
Lesen, lesen, lesen
Figuren mit Leib und Seele
Rollenverteilung
Was Figuren brauchen
Noch mehr Kontur
Die Frage der Perspektive
Bedeutung von Kleidung
Sie lieben und sie hassen sich
Zwölf Grundtypen für deinen Erotikroman
Eine erotische Geschichte weben
Rettungsweste Plot
Die Heldenreise als Sexabenteuer
Erotik und Sex in sieben Schritten
Anfang und Ende gehören zusammen
Was dein Buch braucht: The Big Five „Ist das spannend!"
Knisternde Stimmung – in der Gegenwart oder Vergangenheit
Kürzer kann mehr sein
Zwei Stunden, damit du deine Story überblickst
Durchhalten
Schreibzeit planen
Inspiration finden
Überarbeiten
3
Uber Sexualität schreiben
Authentisch sein
Warum es wichtig ist, über Werte nachzudenken
Kondome und andere Verhütungsmittel
Toleranz für eine bunte Welt
Wie viel Klischee sein darf
Gründlich recherchieren
Mit der eigenen Geschichte spielen
Informationen beschaffen
Kontakte und Austausch
Begriffe rund um Geschlechteridentität und sexuelle Orientierung
Adressen und Lesetipps
Anlaufstellen für deine Recherche
Lese-Anregungen
Dieses Handbuch soll dich bei deinem Schreibprozess unterstützen. Fang am Anfang an, in der Mitte oder am Ende, spring zu dem Thema, das dich am meisten interessiert, oder zu dem, das du gerade brauchst. Suchst du schnell ein Beispiel? Tipps oder Hinweise? Orientier' dich an den Randzeichen.
Beispiel
Tipp
Hinweis
In diesem Buch geht es um all das, was Autor*innen wissen müssen, wenn sie über Erotik und Sex schreiben wollen – gleichgültig, ob es um einen Roman mit einzelnen Sexszenen oder einen ganzen Erotikroman geht.
1
Im
ersten Teil
erfährst du, wie sich Erotik innerhalb von Szenen aufbauen lässt, wie deine Szenen fesselnd werden und welche Worte die Wirkung haben, die du erzielen möchtest.
2
Der
zweite Teil
betrifft die Arbeit an einem kompletten Erotikroman. Er vermittelt dir unter anderem, wie du lebendige und interessante Figuren kreierst und eine überzeugende Geschichte baust.
3
Der
dritte Teil
gibt dir Hintergrundinformationen zum Thema Sexualität und hilft dir bei der Recherche.
In diesem Buch geht es um das Schreiben von Erotik und Sex – zwei Begriffe, die Unterschiedliches meinen und sich ergänzen können, aber nicht müssen. Während Erotik für sinnliche Liebe steht, die den Geist und die Psyche miteinbezieht, geht es beim Sex um konkrete sexuelle Handlungen.
Erotik und Sex können zusammengehören. Treten sie in einer Sexszene gemeinsam auf, befeuern sie sich – wie im folgenden Beispiel –gegenseitig.
Ihr Atem stockte, als sie merkte, dass Davids Platz auf der anderen Seite des Lagerfeuers leer war. Verstohlen sah sie sich um, bis sie jemand sanft nach vorn schob. David setzte sich hinter sie. Die Hand, die unter ihr Shirt auf ihren Bauch glitt, war rau und warm. Die Vorstellung, David würde gleich ihre Brüste berühren, löste eine Gänsehaut bei ihr aus. Sie spürte, wie ihre Nippel hart wurden und sich ihr Unterleib zusammenzog. Doch seine Hand bewegte sich nicht nach oben, sondern wanderte tiefer, in ihren Hosenbund. Sie schloss die Augen und lehnte sich an seine Brust. Eine Weile hörte sie nur das Knistern und Knacken des Feuers. Langsam schob sie sich heran, bis sich seine Erektion an ihrem Hintern rieb.
Erotik kann mit Sex daherkommen, aber sie braucht ihn nicht zwangsläufig. Erotik ist eigenständig! Dementsprechend ist es möglich, dass eine Szene erotisch wirkt, obwohl die Romanfiguren keinen Sex miteinander haben und sich nicht einmal berühren.
Davids Augen hatten sich noch nicht an die nächtliche Dunkelheit am See gewöhnt. Und doch glaubte er, Sophie schemenhaft durch die tanzenden Flammen hindurch sehen zu können. Wie sie lachend und entspannt auf der Wiese vor ihm saß. Wie ihr Haar im Wind wehte. Wie ihr Rock um ihre Oberschenkel flatterte. Sogar, wie sich ihre Nippel unter ihrem enganliegenden Shirt abzeichnen. Seine Haut kribbelte, als er ihren Blick auf sich spürte.
Erotik kann wie hier allein aus der Möglichkeit von Sex erwachsen, aus einer Ahnung, einer Andeutung. Dadurch bilden sich im Kopf Bilder von Annäherung und prickelnder Berührung. Erotik hat viel mit Fantasie zu tun, die auf Berührung und Sex bezogen ist. Erotik ist lustvoll – schon lange vor dem Sex.
Sex ist nicht jederzeit erotisch. Er gefällt nicht immer. Sex kann auch einfach nur Sex sein, schnell und der reinen Befriedigung dienen. Darüber hinaus kann er auch unbefriedigend, abstoßend oder ekelerregend auf Romanfiguren und Leserschaft wirken. Doch gleichgültig, ob Autor*innen erfüllenden oder konfliktträchtigen Sex schreiben, können sie tief in das Innenleben der Beteiligten eindringen, in ihre Gefühle und Gedanken.
Schlechter Atem und das Gewicht eines Mannes rissen sie aus ihrem Traum. Sie schlug die Augen auf, als er mit zusammengepressten Lippen hastig ihr Top nach oben schob und mit rauen Händen ihre Brüste traktierte. Früher hatte sie diese Hände geliebt, hatte sich vorgestellt, wie sie sich
auf ihrer Haut anfühlen könnten. Doch jetzt, wo sie ihn endlich haben konnte, widerte der Mann sie an. Als er sich zwischen ihre Beine drängte, drückte sie ihn mit aller Kraft von sich weg. „Nein!“, sagte sie entschlossen und setzte sich auf.
Schilderungen von Sex sind dann Pornografie, wenn sie Sex direkt darstellen und nahezu ein einziges Ziel verfolgen: den Orgasmus, den Lesende zum Beispiel durch Selbstbefriedigung auch selbst erleben wollen. Dabei wird Sex so beschrieben, wie Zuschauerinnen ihn sehen würden. Die Gefühle und Gedanken der Romanfiguren sind, genauso wie ihre individuelle Beziehung zueinander, im Porno ohne Funktion. Die Figuren wurden erschaffen, damit sie Sex miteinander haben. Pornografie allein trägt deshalb keinen ganzen Roman.
Sie stützte sich an Georges Schultern ab und sah ihm dabei tief in die Augen. Er streckte die Hände aus, um sanft ihre Nippel zu kneten. Hinter ihr schob Tim ihre Beine auseinander, bis sie breitbeinig vor ihm stand. Dann holte Tim seinen Harten aus der Hose. Langsam begann er, mit seinem Schwanz ihre Pospalte entlangzufahren, bevor er ihn zwischen ihre Schamlippen schob, ihn aber direkt wieder herauszog. Beim nächsten Mal drängte er sich tiefer hinein. Ein tiefes Stöhnen entschlüpfte ihrer Kehle.
Auch diejenigen, die einen Porno schreiben, also Lesende in erster Linie erregen und zum Höhepunkt führen möchten, können auf zumindest rudimentäre Rahmenhandlung nicht verzichten. Ohne sie wirken aneinandergereihte Sexszenen schnell platt und peinlich. Ein Porno gewinnt mit Charakteren, die sich durch mehr als Namen, Haarfarbe und Penisgröße unterscheiden.
Sexszenen aufbauen
Sinnliches Kopfkino
Fesselnde Formulierungen
Ob Romance, Fantasy oder Young Adult, Krimi, Thriller oder Historie -quer durch die Genres geht es immer öfter auch um lüsterne Gedanken, körperliche Anziehung und Annäherung. Die Zahl der Romane, in denen Autor*innen Szenen voller Erotik und Sex beschreiben, hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen.
Sexszenen lassen sich mittlerweile in allen Genres finden. Erfolgreiche Beispiele sind der erste Band der Paper-Reihe Paper Princess von Erin Watt im Genre Romance, die Fantasy-Serie Das Reich der sieben Höfe der US-Amerikanerin Sarah J. Maas und Nevernight von New York Times-Bestseller-Autor Jay Kristoff im Bereich der Dark Fantasy. Mona Kasten zeigt mit Save Me und Save Us, wie sich Sex emotional im New Adult-Bereich schreiben lässt. Und deutsche Autor*innen wie Anne Freytag und Laura Kneidl machen den Weg frei für vielfältige Geschlechteridentitäten und sexuelle Orientierung. So erweitert Anne Freytag die Liebes- und Sexbeziehung ihrer Buchfiguren in Mein Leben basiert auf einer wahren Geschichte auf drei junge Erwachsene; Laura Kneidl schreibt in Someone New über Sex mit einem trans Jungen. Zu den erotischen Thrillern gehört die Buchreihe Eve Dallas der US-amerikanischen Schriftstellerin Nora Roberts unter dem Pseudonym J.D. Robb, zum Genre Historie die mit Sex gewürzten Romane von Rebecca Gablé, wie Der Palast der Meere.
Warum integrieren heute so viele erfolgreiche Schriftsteller*innen Erotik- und Sexszenen in ihre Romane? Erotik und Sex in Büchern sind gesellschaftsfähig geworden und machen – sofern gut geschrieben - reichlich Lust am Lesen. Darüber hinaus setzen Schreibende Erotik und Sex in Romanen gezielt ein, damit sie wichtige Funktionen einnehmen. Denn Erotik und Sex entfalten in der dramatischen Struktur ganz besondere Stärken. Es folgen sechs besondere Stärken von Erotik und Sex in Romanen.
Bis Charaktere endlich zueinander finden, sind sie oft einen konfliktträchtigen und spannenden Weg gegangen. Wenn Sex jetzt ihre Wünsche nach Nähe und Lust erfüllt, kann er zum Höhepunkt der Geschichte werden. Dann ist Sex befreiend und befriedigend – auch für die Lesenden.
Emotionen wie Traurigkeit, Freude, Hass, Liebe und Angst sind essenziell für jede Geschichte. Denn Lesende möchten sich mit ihren Buchheld*innen identifizieren, ihre Gefühle miterleben – und mit ihnen weinen, lachen, hassen, lieben und sich ängstigen. Die Gefühle, die leidenschaftliche Erotik und heißer Sex erzeugen, können so intensiv sein, dass Lesende besonders tief in die Geschichte eintauchen.
Erotik, aus der Sex hervorgeht, schafft Nähe. Romanfiguren liegen umschlungen Haut an Haut, hören gehauchte Worte und intimes Stöhnen, schmecken Körpersäfte und sehen einander unverhüllt. Dies führt meist auch zu einer psychischen Intimität. Wenn sich Figuren physisch und seelisch so nahe sind, fallen oft ihre Alltagsmasken. Dann treten die Neigungen, Ängste und Eigenschaften besonders hervor. Mithilfe einer Sexszene lässt sich daher gut veranschaulichen, wie locker oder verkrampft, wie warmherzig oder kalt, wie empathisch oder gefühllos, wie glücklich oder verzweifelt die Charaktere sind. Sex kann also beim Schreiben eingesetzt werden, um die Psyche und auch das Verhalten im Zwischenmenschlichen zu verdeutlichen.
Sie will – aber er nicht. Jedenfalls nicht sofort. Oder nicht so, sondern sanfter oder härter oder an einem anderen Ort. Vielleicht wünschen die Romanfiguren auch Ähnliches, aber die privaten oder gesellschaftlichen Umstände lassen es nicht zu. Sobald Liebe, Annäherung und/ oder Sex ersehnt, aber nicht möglich oder nicht erlaubt sind, ist Konfliktstoff-Voraussetzung für einen spannenden Roman – bereits gesetzt.
Der erste Sex miteinander treibt die Geschichte extrem voran, denn er verändert die Beziehung der Figuren zueinander. Je nachdem, ob er gut oder schlecht, peinlich oder großartig war, wandelt sich der Umgang miteinander. Stell dir vor, die Figuren, die miteinander Sex hatten, haben ein gemeinsames Arbeitsumfeld. Dann reagieren sie auf dem Flur, in Besprechungen und bei dienstlichen Feierlichkeiten anders aufeinander als vorher. Darüber hinaus kommen unweigerlich Fragen nach der Verbindlichkeit der Beziehung zueinander auf. Wird es ein weiteres intimes Treffen geben? Ging oder geht es nur um Sex? Oder um Liebe? Ist aus der Liebelei vielleicht schon eine Beziehung geworden? Oder wollen die Figuren am liebsten gar keinen Kontakt mehr zueinander?
Sex ist ein geeignetes Mittel, um die Figurenentwicklung zu veranschaulichen. Je nachdem, wie sich eine Figur fühlt oder was sie von sich und der Welt denkt, verändert sich auch die Art und Weise, wie sie mit Sex umgeht. Ein Charakter, dessen Selbstwertgefühl und Mut im Laufe der Geschichte steigt, kann Sex gegen Ende der Geschichte mehr genießen als zuvor. Ein Charakter, der gelernt hat, feinfühliger zu sein, gibt vielleicht mehr. Und ein Charakter, der lockerer geworden ist, lässt mehr zu.
Jede Geschichte besteht aus vielen kleinen Szenen. Sie können an einen Ort gebunden sein, innerhalb eines Zeitraums spielen oder durch ein Ereignis zusammengehalten werden. Mehrere dieser feinen Handlungseinheiten ergeben ein Kapitel.
Der Begriff Szene stammt aus dem Theater. Eine Szene umfasst dort in der Regel den Zeitraum, in dem alle Darstellenden auf der Bühne bleiben. Sobald ein*e Schauspielerin auftritt oder von der Bühne abgeht, beginnt eine neue Szene. In manchen Bühnenstücken bestimmt dagegen das Bühnenbild ihre Länge. Dann erstreckt sie sich über den Zeitraum, in dem das Bühnenbild gleich bleibt. Erst ein Bühnenbildwechsel leitet eine neue Szene ein. In beiden Fällen ist sie eine kleine Handlungseinheit.
Eine Szene erzählt – jeweils durch eine Leerzeile, ein grafisches Trennelement oder einen Seitenumbruch von der nächsten getrennt – eine kleine Geschichte innerhalb der großen Geschichte. Sie braucht, um spannend zu sein, genau das, was auch die große Geschichte hat: ein Ziel, Hindernisse auf dem Weg zum Ziel und damit einen Konflikt. Allerdings bleibt das Ende der Szene im Gegensatz zum Ende des Romans offen, denn es soll zum Weiterlesen anregen. Konkret sieht das so aus:
Wichtige Voraussetzungen für eine Szene
Die Romanfigur, die im Mittelpunkt steht, möchte ein Problem lösen. Sie verfolgt ein
Ziel.
Dabei stehen ihr zum Beispiel Gegenspieler und ihre Machenschaften, innere Zweifel oder knappe Ressourcen wie zu wenig Geld, zu wenig Zeit, zu wenig Kraft und Energie – also
Hindernisse
- im Weg.
Diese Hindernisse wirken auf die Figur wie eine Bedrohung. Für die Figur steht also einiges auf dem Spiel. So entwickelt sich ein
Konflikt.
Nun fragen sich die Lesenden: Kann die Figur überhaupt ihr Ziel erreichen? Wird sie die Hindernisse überwinden? Welchen Preis muss sie dafür zahlen? Die Szene erzeugt
Spannung!
Eine spannende Szene braucht also eine Figur, die auf ihrem Weg zum Ziel mit Hindernissen und Schwierigkeiten konfrontiert wird. Genau dieses Prinzip gilt auch für Sexszenen. Hätte die aktive Romanfigur in einer Sexszene kein Ziel und gäbe es für sie keine Hindernisse und keine Bedrohung, bliebe die Spannung aus. Eine solche Szene wäre langweilig und würde einen reinen Selbstzweck erfüllen. Sie wäre ausschließlich dafür geschaffen, den Roman mit Sex anzureichern. Und damit würde sie die Lesenden von der Handlung ablenken, im schlimmsten Fall sogar aus der Geschichte herausbringen.
Wichtig! Eine Sexszene muss – wie jede andere Szene – die Hand lung vorantreiben, damit sich die Geschichte weiterentwickeln kann.
Stell dir vor, Tim ist mit George und Janna in Urlaub und sie teilen sich eine gemeinsame Ferienwohnung. Die Männer Tim und George sind beste Freunde, doch beide sind in Janna verliebt. Tims heimliches Ziel ist, mit Janna zusammenzukommen. Er hat aber George versprochen, die Finger von Janna zu lassen.
An einem Abend fehlt George. Nach einer kleinen Auseinandersetzung umarmen sich Tim und Janna, um sich zu versöhnen. Jetzt erst merken sie, wie leicht bekleidet sie sind. Die Luft knistert. Hormone kommen in Schwung. Das Ziel wird noch konkreter. Es heißt jetzt: zueinander und am besten ineinander! Für Tim, aus dessen Perspektive wir die Szene verfolgen, ist die Möglichkeit, dass George jeden Moment zurückkommen kann, ein Hindernis, das gleichzeitig wie eine Bedrohung wirkt. Wertvolle Männerfreundschaft steht auf dem Spiel. Der Konflikt besteht in den beiden Wünschen, einerseits mit Janna zusammenzukommen, andererseits sich mit George nicht zu überwerfen. Er sorgt für Spannung.
Konfliktstoff schließt Erotik nicht aus! Obwohl eine Sexszene in vielerlei Hinsicht einem Minenfeld gleichen kann, kann sie sehr erotisch sein.
Durch die Bedrohung (Entdeckung durch George) ist der Spannungsbogen bereits über die gesamte Szene ausgeworfen worden. Die Lesenden fiebern mit. Kommen Tim und Janna jetzt zusammen? Wie wird George reagieren? Der Sex zwischen Tim und Janna lässt sich nun lange erotisch ausgestalten. Die Lesenden können sich unter dem Spannungsbogen gemeinsam mit Tim und Janna in Leidenschaft und Ekstase fallen lassen.
Die Spannung (Werden sie entdeckt oder nicht?) lässt sich in dieser Szene – wie in jeder anderen auch – bis zum Höhepunkt treiben. Tim meint, Schritte zu hören. Oder die Lesenden erfahren, dass George bereits auf dem Rückweg ist. Wenn George genau dann unvermittelt auftaucht, wenn Tim oder Janna einen Orgasmus hat, fallen der Spannungshöhepunkt und der sexuelle Höhepunkt sogar zusammen. Danach herrscht Ernüchterung, wo eben noch Leidenschaft brodelte.
Alternativ ist es möglich, die Spannung dadurch zu schüren, dass es Tim nur kurz gelungen ist, nicht an George und dessen mögliche Reaktion zu denken. Beim Sex wachsen nicht nur Tims Lustgefühle, sondern auch seine inneren Zweifel. Schließlich hält er sie nicht mehr aus und zieht die Reißleine (Höhepunkt), noch bevor George auftaucht. „Janna, es tut mir leid, aber es geht einfach nicht ..."Auch hier wird ist der Höhepunkt gleichzeitig zum Wendepunkt.
Und wie geht es weiter?
In beiden Fällen hat diese Sexszene die Geschichte vorangetrieben: Falls George Tim und Janna beim Sex erwischt hat, wird es womöglich schon bald gewaltig zwischen Tim und George krachen. Oder George zieht sich stumm zurück und überlässt seinem besten Freund das Feld.
Und was passiert, wenn Tim bereits vorher die Finger von Janna gelassen hat? Dann könnte er trotzdem von einem schlechten Gewissen geplagt werden. Außerdem dürfte Janna ganz schön sauer auf Tim sein, weil er sie erst angemacht und dann das schöne Spiel plötzlich beendet hat. Sie könnte verletzt sein, weil sie sich abgewiesen fühlt. Möglich ist auch, dass Tim Janna die Schuld an dem Dilemma gibt, indem er ihr vorwirft, sie hätte ihn verführt.
Konflikte können in der Sexszene laut oder leise sein. In dem Beispiel mit Janna, Tim und George zeigt sich der Konflikt zuerst nur leise: in den inneren Zweifeln Tims, eventuell auch in seinen subtilen Äußerungen oder Handlungen. Später, bei einer Auseinandersetzung zwischen ihm und George oder ihm und Janna wird der Konflikt wahrscheinlich richtig laut ausgetragen.
Grundsätzlich kann immer aus einer körperlichen Annäherung eine disharmonische Spannung entstehen. Figuren, die sich eben noch körperlich (und seelisch) nah waren, stoßen sich gegenseitig plötzlich vehement weg und können sich dabei sogar seelisch verletzen. Und die Lesenden fragen sich: Wie geht es weiter?
Der US-amerikanische Schriftsteller und Drehbuchautor Dwight Swain (1915-1992) hat ein Szenenwechsel-Modell entworfen, das hilfreich ist, um Lesende in ständiger Spannung zu halten. Dies gelingt seinem Modell zufolge, wenn Szenen einem bestimmten wiederkehrenden Rhythmus folgen. So handelt die Romanfigur in der einen Szene aktiv, bis sie scheitert, während sie in der folgenden Szene auf ihr Scheitern reagiert und eine neue Entscheidung trifft. Dann beginnt das Prinzip von Neuem: Sie wird wieder aktiv und scheitert, bis sie wieder reagiert. So geht es weiter, bis alle Hindernisse überwunden sind und – bei einem Happy End – die Figur am Ziel ihrer Wünsche angelangt ist.
Szene AFür die erste Szene (in der die Figur aktiv handelt) hat Dwight Swain vor allem diese drei Punkte hervorgehoben:
das
Ziel
der Romanfigur,
den
Konflikt,
der die Figur immer wieder vor Hindernisse stellt, sodass sich Spannung ergibt,
und die
Katastrophe,
die der Konflikt auslöst.
Für das oben genannte Beispiel bedeutet das:
Tims Ziel besteht in seinem Traum, Janna zu erobern. Einen : Konflikt hat er mit George, dem er versprochen hat, nur ein Kumpel für Janna zu bleiben. Die Katastrophe am Ende der Szene beginnt möglicherweise, wenn George Tim und Janna beim Sex erwischt. Durch die Frage Wie reagiert Tim jetzt? bleibt die Spannung über das Ende der Szene hinaus hoch.
Szene BBei der nächsten Szene, die Swain Seguel nannte, sind folgende Punkte wichtig:
die erste
Reaktion
der Figur, in der das Ziel darin besteht, Gefühle und Gedanken zu sortieren,
die Erkenntnis, sich in einem Konflikt voller Hindernisse und damit in einem
Dilemma zu
befinden,
und die neue
Entscheidung,
die für neue Spannung sorgt.
Tims Reaktion besteht erst mal darin, sich ins Auto zu setzen und in einer Kneipe volllaufen zu lassen. Seine Gefühle wirbeln ebenso durcheinander wie seine Gedanken. Sein Ziel ist, klarzusehen und am besten eine Lösung zu finden.
Er erkennt das Dilemma und damit den Konflikt voller Hindernisse, in dem er steckt. Er ist in Janna verliebt, will George als Freund aber auch nicht verlieren.
Doch auf dem Heimweg wird ihm klar, dass er eine Entscheidung treffen muss, was zu tun ist. Er nimmt sich vor, George und Janna ein Dreiecksverhältnis vorzuschlagen. Damit hat er ein neues Ziel, das er wieder aktiv verfolgen will und das wiederum die anschließende Szene einleitet. Und die Lesenden können mit Spannung zur nächsten Seite umblättern, um herauszufinden, wie genau Tim seinen neuen Plan verfolgen wird.
Wichtig! Das Aktions-Reaktions-Prinzip ist hilfreich, um dem Roman einen Rhythmus zu geben. Wie alle theoretischen Ansätze ist es ein Hilfsgerüst, das du nutzen kannst, aber nicht musst. Es ist ein Werkzeug, mit dem du an deinem Roman jederzeit feilen kannst.