Harfenspiel - Leo M. Friedrich - E-Book

Harfenspiel E-Book

Leo M. Friedrich

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Beschreibung

HAARP- um keine Forschungseinrichtung der Welt kreisen mehr Gerüchte und Verschwörungstheorien. Eine Studie soll über die wahren Fähigkeiten der geheimnisumwitterten Anlage in den Wäldern Alaskas Auskunft geben. Doch diese gerät durch einen Zufall in die falschen Hände. Es beginnt eine gnadenlose Jagd auf den jungen Reporter Steffen Kern. Mit Hilfe seiner neuen Bekannten Claudia und ihres Vaters, dem ehemaligen Agenten Peter Bohm, versucht er, den Verfolgern zu entrinnen. Doch es geht um weitaus mehr. Ihre Gegner nehmen kurzerhand einen ganzen Kontinent als Geisel und drohen mit einer Katastrophe, nach der die Weltkarte neu gezeichnet werden muss.

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Veröffentlichungsjahr: 2015

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© 2015 Leo M. Friedrich

Covergestaltung: ninjastudio

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN Paperback:

978-3-7323-7283-6

ISBN e-Book:

978-3-7323-7285-0

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar

Leo M. Friedrich

HARFENSPIEL

Wir leben in einem gefährlichen Zeitalter. Der Mensch beherrscht die Natur, bevor er gelernt hat, sich selbst zu beherrschen.

Albert Schweitzer

PROLOG

Schwarzwassertal bei Kühnhaide

südliches Erzgebirge

21.Mai 2014

Der Sprengmeister wischte sich einen imaginären Schweißtropfen von der Stirn und ließ die Fingerknöchel knacken. Wie immer kurz vor einer Explosion. Er hatte in seinem Leben schon mit allen Arten von Sprengstoff gearbeitet und die unglaublichsten Dinge in die Luft gejagt. Sein Meisterstück jedoch lieferte er in den Bergen von Tora Bora in Afghanistan ab. In dem weitverzweigten Höhlensystem suchte jede verfügbare Spezialeinheit der amerikanischen Streitkräfte nach Osama Bin Laden. Dort wurde der Mann mit der Narbe über dem linken Auge auf ihn aufmerksam. Der befehligte eine Einheit Ranger, die nach wochenlangem Bombardement in das Felsenlabyrinth einrückte. Der Sprengmeister wurde ihnen zugeteilt. Er sollte mit Hilfe von einigen Päckchen C-4 die Eingänge der Höhlen zum Einsturz bringen, die von den Soldaten bereits durchsucht worden waren. Damit wollte man verhindern, dass die Taliban in diese zurückkehren konnten.

Jetzt saß er hier, in der Nähe der tschechischen Grenze in einem gemieteten Mitsubishi Outlander. Er wartete auf den Anruf, der gleichzeitig den Schlusspunkt unter den merkwürdigsten Job setzen sollte, den er in seiner langen Karriere auszuführen hatte. Gleichzeitig war aber auch die Bezahlung exorbitant, so dass er nach dem Gespräch mit seinem alten Kameraden nicht lange überlegen musste. Zwei Wochen lang hatten er mit zwei Helfern Nacht für Nacht unzählige Pakete mit Semtex, den seiner Meinung nach bestem Sprengstoff, der auf dem Markt war, in einen der unzähligen alten Bergbaustollen geschichtet. Die durchzogen den Untergrund des Erzgebirges wie das Straßennetz einer Großstadt und es war nicht weiter schwierig, einen geeigneten Eingang zu finden. Diesen konnte man ohne große Probleme mit einem kleinen Transporter erreichen, der auf jeder Fahrt gute fünfhundert Kilogramm beförderte. Nacht für Nacht fuhren sie zunächst zu einem in einer gewaltigen Scheune abgestellten Truck, luden jeweils eine halbe Tonne Semtex um und hielten dann direkt vor dem Eingang des Stollens. Jetzt begann der mühsamste Teil des Jobs. Der Auftraggeber hatte darauf bestanden, die Ladung so tief wie möglich in den Berg zu schaffen. So schleppten sie die Pakete gute dreihundert Meter durch den mit Geröll verstopften Gang. Schließlich kamen sie an eine Stelle, an der es nicht mehr weiterging, weil dort vor vielen Jahren die alten Stützbalken nachgegeben hatten und das darüber liegende Gestein herunterstürzte. Unter endlosen Flüchen stapelten sie das Semtex im Schein ihrer Stirnlampen nach den Anweisungen des Sprengmeisters inmitten des Gewirrs aus Holz und Steinen. Zum Abschluss der Arbeiten wurden eine Reihe von Zündern installiert und lange Kabel durch den Stollen ins Freie gezogen.

Nun saßen sie in sicherer Entfernung und warteten auf den Befehl zur Sprengung. Im Stillen hatte sich jeder der drei Männer mehr als einmal gefragt, welchen Sinn es ergeben sollte, hier mitten im Gebirge, weitab von irgendwelchen Ortschaften, ein altes Bergwerk mit so einer gewaltigen Menge Semtex in die Luft zu jagen. Niemand würde die Explosion hören, nur die Erde würde vielleicht für einen kurzen Moment ein wenig wackeln. Aber die sehr großzügige Bezahlung und die mehr als eindringliche Mahnung des Narbenmannes bewirkten, dass jeder seine Vermutungen für sich behielt. Doch egal, was jeder einzelne dachte, keiner von ihnen hatte auch nur eine vage Ahnung von der Rolle, die sie in dem Plan spielten.

Obwohl die drei Männer jeden Augenblick damit gerechnet hatten, zuckten sie doch zusammen, als das Handy auf dem Armaturenbrett zu vibrieren begann. Der Sprengmeister griff danach.

„Seid ihr soweit?“

„Ja Sir, alles ist vorbereitet.“

„Drei Minuten.“

„Verstanden.“

Die Männer stiegen aus und blickten in Richtung des Berges. Der Eingang zum Stollen war etwa einen Kilometer entfernt. Jetzt standen sie neben einer kleinen Steinbrücke, die über den gurgelnden Gebirgsbach führte. Der Sprengmeister hielt die Zündmaschine in der Hand und nickte seinen Gefährten zu.

„Dann wollen wir mal.“

Die Wirkung war gewaltiger als erwartet. Die Erde erzitterte und für einen Augenblick dachten sie, die Brücke neben ihnen würde einstürzen. Offenbar bahnte sich die gewaltige, von gut zehn Tonnen Semtex ausgelöste, Druckwelle ihren Weg durch das Labyrinth der vielen uralten Stollen, die den Untergrund in dieser Region durchzogen. Dann war mit einem Schlag wieder Ruhe. Hastig stiegen die drei Männer in das Auto und machten sich auf den Weg zur nur wenige Kilometer entfernten tschechischen Grenze. In fünf Stunden würden sie in Prag in ein Flugzeug steigen. Ihr Auftrag war erledigt.

HAARP-Forschungszentrum Gakona Alaska 10. Mai 2014

Die Sonne schien an diesem Nachmittag besonders einladend durch das Bürofenster zu strahlen. Es war Freitag und wie immer stapelten sich unzählige, mit Tabellen, Grafiken und Zahlenkolonnen übersäte Papiere auf seinem Schreibtisch. Stan Magnusson starrte wütend auf das Chaos vor ihm. Zu allem Überfluss musste er nun auch noch einen Auftrag erledigen, der nichts mit seiner eigentlichen Arbeit zu tun hatte. Dabei war er doch in nicht einmal zwei Stunden mit dem schönsten Mädchen, das man in dieser Einöde finden konnte, zu einem Wochenendausflug in die Jagdhütte ihres Vaters verabredet. Fluchend stieß sich Magnusson von seinem Schreibtisch ab und rollte mit seinen Bürostuhl die zwei Meter zum Arbeitsplatz seines Chefs, auf dem ein ähnliches Durcheinander herrschte, wie auf seinem eigenen. Dale Briggs hatte bereits kurz nach dem Mittagessen fluchtartig das Büro verlassen, um mit ein paar alten Freunden zum Angeln in die nahen Berge zu fahren. Auf dem Weg dorthin musste er dann doch noch eine Eingebung gehabt haben, die ihn dazu brachte, seinem Assistenten um ein Haar das erste romantische Wochenende mit seiner neuen dunkelhaarigen Eroberung zu verderben. Stan Magnusson wühlte geschlagene fünf Minuten in den Bergen von Papieren, um dann den gesuchten USB-Stick schließlich in einer der unteren Schreibtischschubladen zu finden. Triumphierend warf er ihn in die Höhe, fing ihn wieder auf und rollte zurück zu seinem Platz. Er stöpselte den kleinen Speicher in die Buchse seines Rechners, und rief das E-Mail-Programm auf. Die Adresse hatte ihm Briggs am Telefon diktiert, der Zettel steckte in der obersten Zeile der Tastatur. Für einen kurzen Augenblick hielt er inne, um sich darüber zu wundern, dass eine so wichtige Persönlichkeit eine E-Mail-Adresse bei googlemail besaß, statt die üblichen Server der Regierung zu nutzen. Dann fiel ihm aber wieder ein, wie wichtig seinem Boss die Ermahnungen bezüglich der Geheimhaltung gewesen waren. Er warf einen Blick auf die Uhr und erschrak heftig. Eilig tippte er die Adresse in die dafür vorgesehene Zeile, fügte die Datei vom USB-Stick hinzu und drückte auf „Senden“. Für einen kurzen Augenblick genoss er die Befriedigung, eine Arbeit von mehreren Wochen erfolgreich beendet und vor allem noch pünktlich abgeschickt zu haben. Er fuhr seinen Rechner herunter, zog den Stick ab und verstaute ihn wieder in der Schreibtischschublade seines Chefs. Das Wochenende mit Christin war gerettet. Stan Magnusson konnte nicht ahnen, dass ein winziger Fehler in Form eines einzigen vertauschten Buchstabens, der in der Welt des Internets täglich

Wismar, Deutschland 11.Mai 2014

Auch wenn inzwischen das Wochenende begonnen hatte, brach Steffen Kern nicht in Hektik aus. Er liebte es, nachts im Büro zu sitzen und an seinen Artikeln zu arbeiten. Er blickte auf die Uhr. Es war mittlerweile fast halb zwei. Patricia dürfte in der Zwischenzeit ihre Sachen gepackt und seine Wohnung verlassen haben. Sie hatte sich an seine Marotte, fast immer nachts zu schreiben, nie richtig gewöhnen können. Gestern hatte es deswegen wieder einmal einen heftigen Streit gegeben, der damit endete, dass sie sich zum wiederholten Male trennen würden. Kern streckte sich. Er vermutete, in zwei oder drei Wochen stand sie vor seiner Tür, setzte ihren Hundeblick auf und alles würde wieder gut werden. So ging das schon seit fast drei Jahren. Obwohl er sich dieses Mal nicht so sicher war. Ihre Andeutungen, die Spitzen, die Eifersüchteleien, alles hatte in den letzten Wochen einen schärferen Unterton bekommen. Auch war die gestrige Auseinandersetzung heftiger als die vorherigen. Zwar hatte er wie gewohnt äußerlich gelassen reagiert, während sie ihn mit den immer gleichen Vorwürfen bombardierte, aber die Sorge in ihm wuchs, dass es dieses Mal doch endgültig aus sein könnte. Er schüttelte den Kopf und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Eine Fabrik für Solarelemente stand vor der Pleite. Kern hatte am Vortag mit mehreren Arbeitern gesprochen.

Die Geschäftsleitung wollte sich nicht zu dem Thema äußern. Der Pressesprecher war im Urlaub. Ja klar. Der Markt für Sonnenkollektoren war in den letzten zwei Jahren eingebrochen, weil die Chinesen Europa mit ihren billigen Produkten regelrecht fluteten. Jetzt standen auch hier, im ohnehin wirtschaftlich schwer gebeutelten Wismar, schon wieder einige hundert Arbeitsplätze auf dem Spiel. Es fiel ihm schwer, sich weiter auf den Artikel zu konzentrieren, der am Montag in der „Ostsee-Post“ erscheinen sollte. Seine Gedanken wanderten wieder zu Patricia, die jetzt wahrscheinlich wieder im Haus ihrer Eltern in ihrem alten Kinderzimmer lag und an die Decke starrte. Sie weinte nicht, da war er ganz sicher. Noch nie hatte er eine Träne bei ihr gesehen. Sein Blick schweifte wieder auf den Bildschirm. Er speicherte den Entwurf und rief sein E-Mail-Programm auf. Kern hatte die Angewohnheit, für alle möglichen Fälle ein eigenes Konto einzurichten. Deshalb verfügte er mittlerweile über gut ein halbes Dutzend Adressen, die er in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen abfragte. Zwar hatte ihm der picklige Praktikant, der sich seit einigen Wochen in der Redaktion um die Computer kümmerte, bereits mehrfach mit hochgezogenen Augenbrauen erklärt, E-Mail sei eine Kommunikationsform aus dem vorigen Jahrhundert. Heutzutage verständige man sich über soziale Netzwerke oder WhatsApp. Aber Kern hielt an seiner Gewohnheit fest und verbrachte regelmäßig Zeit damit, seine E-Mail-Konten zu kontrollieren.

Aufs Geratewohl loggte er sich bei googlemail ein. Wie die meisten Internet-Nutzer verwendete Kern für alle Dienste aus Bequemlichkeit das gleiche Passwort. Es überforderte ihn schlichtweg, sich ständig wieder neue Kombinationen aus Zahlen und Buchstaben ausdenken und merken zu müssen, wie es die Computerexperten vorbeteten. Googlemail verwendete er für die Kommunikation mit zwei früheren Studienfreunden, die es auf Grund besserer Leistungen geschafft hatten, ziemlich gut bezahlte Jobs im Ausland zu finden. Ben, der schon vom ersten Semester an der Überflieger gewesen war, arbeitete jetzt als Redakteur bei einem amerikanischen Internet-Nachrichtendienst in Florida, während Karsten, der kleine blasse rothaarige Junge mit der hässlichen Brille, eine Menge Geld als Pressesprecher eines englischen Pharmaunternehmens scheffelte.

Kern hatte ihn gemeinsam mit Patricia im vergangenen Jahr in Manchester besucht. Sie hatten sein Haus bewundert, seine, zugegeben nicht sehr attraktive, aber nette Frau kennengelernt und mit der kleinen, erdbeerblonden, sommersprossigen Tochter gespielt. Und er, Steffen Kern, der als Student nicht so sehr durch gute Leistungen glänzte, dafür aber keine Party ausließ, saß hier in der Lokalredaktion eines Provinzblattes und schrieb über Sachen, die über die Grenzen von Wismar hinaus keinen Menschen interessierten, während seine Freundin immer wieder in seine Wohnung einzog, um ihn kurze Zeit später erneut zu verlassen.

Alaska 11. Mai 2014

Dale Briggs reagierte mit einem lauten Fluch auf das durchdringende Klingeln. Weil Alaska dermaßen dünn besiedelt war, das sich der Aufbau eines normalen Mobilfunknetzes nur in den wenigen größeren Orten rentierte, hatte die Leitung seiner Einrichtung an alle Führungskräfte statt herkömmlicher Handys Satellitentelefone ausgeben lassen. Damit waren sie faktisch an jedem Fleck der Erde rund um die Uhr erreichbar. Briggs legte die Angel beiseite und drückte auf die grüne Taste.

„Ich hoffe, es gibt einen guten Grund, mich an diesem wundervollen Abend zu stören.“

„Ob der Abend so wundervoll ist, wird sich noch herausstellen. Guten Abend, Doktor Briggs. Hier ist Kevin Gutberg, Assistent von Senator Handerson.“

„Ich weiß, wer Sie sind, Mister Gutberg. Was kann ich für Sie tun?“

„Doktor, der Senator wartet seit gestern auf die versprochene Studie. Sie ist noch immer nicht auf dem vereinbarten E-Mail-Konto eingegangen. Sie werden es doch wohl nicht vergessen haben?“

„Die Mail ist am Freitag an Sie rausgegangen. Genau so, wie es abgesprochen war.“

„Doktor, Dale, haben Sie persönlich die Studie an den Senator geschickt?“

„Na ja, nicht direkt. Ich hatte einen dringenden Termin. Mein Mitarbeiter, Mister Magnusson hat sich darum gekümmert.“

„Ich höre wohl nicht richtig. Es war vereinbart, dass Sie und nur Sie sich damit befassen. Ihnen ist doch wohl die Brisanz der ganzen Angelegenheit klar?

Wie konnten Sie zulassen, dass ein Fremder die Studie in die Finger bekommt, der sie offenbar aus Vorsatz oder Dummheit nicht weitergeleitet hat? Dale, das wird Konsequenzen für Sie haben. Jetzt setzen Sie gefälligst Ihren Arsch in Bewegung und sorgen dafür, dass keine Zeile dieser Studie in falsche Hände gerät. Und treiben Sie Ihren dämlichen Assistenten auf! Der soll erklären, wo die Mail geblieben ist. Ich erwarte noch heute einen Anruf.“

Die Leitung war tot.

„Du blödes, arrogantes Arschloch!“

Briggs hätte um ein Haar sein Telefon in die Strömung des Baches geworfen. Im letzten Augenblick überlegte er es sich jedoch anders und wählte die Nummer seines Assistenten, in der stillen Hoffnung, ihn nicht zu erreichen. Dann hätte er bis Montag Zeit, die Sache selber zu klären. Wenn hier wirklich etwas schief gelaufen war, dann hatte er ein gewaltiges Problem am Hals. Senator Handerson hatte ihn vor drei Monaten in sein Landhaus nach Vermont eingeladen und auf die absolute Vertraulichkeit des Auftrages hingewiesen. Nicht einmal die engsten Mitarbeiter sollten erfahren, um was es bei der Studie ging. Es kostete Briggs unendliche Mühe, einzelne Arbeiten so an seine wenigen Mitarbeiter zu verteilen, dass niemand einen Zusammenhang herstellen konnte. Als einziger hatte Stan Magnusson einen genaueren Einblick in den eigentlichen Inhalt der Arbeit. Schließlich war der sein Assistent und damit mehr als nur die rechte Hand des Professors. Nach wochenlanger Arbeit war es ihnen gelungen, die eigentliche, hochgeheime Studie in einem beinahe harmlos wirkenden wissenschaftlichen Aufsatz zu verstecken. Und dann war dieser Blödmann Gutberg mit der Idee um die Ecke gekommen, alles per Mail an eine harmlos wirkende googlemail-Adresse zu schicken.

Nach dem dritten Klingeln meldete sich schwer atmend Magnusson.

„Dale, ist irgendetwas passiert?“

„Stan, mein Junge, ich störe nur ungern. Warst Du gerade joggen?“

„Ähm, nein. Nicht direkt. Aber eigentlich ist es gerade sehr ungünstig.“

„Das ist es immer. Besonders am Wochenende. Sag mal, hast du gestern noch das getan, worum ich dich gebeten hatte?“

„Den Bericht an den Senator? Den habe ich rausgeschickt. An die Adresse, die du mir genannt hast.“

„Bist du da ganz sicher? Ich hatte eben diesen Idioten Gutberg am Telefon. Der sagte, es wäre nichts eingegangen.“

„Unmöglich. Ich habe es gleich nach deinem Anruf gesendet und den USB-Stick wieder in den Schreibtisch getan. Dale, hast du kein Vertrauen mehr zu mir?“

„Doch Stan, habe ich. Würdest du trotzdem mal ins Büro fahren und alles überprüfen? Gutberg will noch heute eine Antwort haben. Es ist sehr wichtig. Schließlich kam der Auftrag vom Senator persönlich.“

„Dale, das kann aber ein paar Stunden dauern. Ich bin nämlich auch nicht in meiner Wohnung, weißt du?“

„Das habe ich mir schon gedacht. Wer bleibt am Wochenende freiwillig in Gakona? Und jetzt entschuldige dich bei deiner hübschen Freundin, setz dich in dein Auto und fahre los. Und denke bitte daran. Das alles ist streng geheim. Zu niemandem ein Wort, verstanden?“

„Geht klar. Ich melde mich bei dir, sobald ich alles überprüft habe. Aber ich bin hundertprozentig sicher, dass die Sache korrekt gelaufen ist.“

Briggs beendete das Gespräch, zupfte mit zwei Fingern eine Dose Bier aus der Kühlbox neben sich und nahm einen langen Schluck. Jetzt blieb ihm nichts weiter übrig, als zu warten. Eigentlich sollte er die Studie persönlich nach Washington bringen, aber der Senator war bis gestern auf einer längeren Asien-Reise und auch seiner, Briggs Terminkalender platzte aus allen Nähten. So war man übereingekommen, dass er persönlich die Studie an ein harmlos wirkendes E-Mail-Postfach senden sollte. Und das hatte er in der Hektik des Tages schlichtweg vergessen. Es fiel ihm erst wieder ein, als er im Auto auf dem Weg zu seinem Angelausflug war. Und Stan Magnusson, sein zuverlässigster Mitarbeiter, hatte es an seiner Stelle erledigt. Briggs leerte die Bierdose und schaute auf die Uhr.

Es dauerte fast drei Stunden, dann meldete sich sein Telefon erneut. Briggs brauchte einige Sekunden, bevor er realisierte, was sein Assistent von ihm wollte.

„Dale, es war mein Fehler. Ich habe es verbockt. Es tut mir leid…“

„Stan, zum Teufel. Was ist los? Was hast du angestellt? Was ist mit der Mail?“

„Ich habe es überprüft. Dale bitte, das ist mir noch nie passiert. Ich habe mich bei der Eingabe der Adresse vertippt.“

„Ja und? Dann kommt doch immer so eine blöde Meldung. Die Sendung konnte nicht zugestellt werden oder so ähnlich. Das passiert mir laufend.“

„Mag sein, aber diese Meldung ist nicht gekommen. Also hat irgendjemand die Mail erhalten.“

„Und wer?“

„Das weiß ich nicht. Aber ich habe einen Kumpel in Texas. Der könnte das ganz schnell herausfinden.“

„Nichts da. Unser Freund Gutberg ist so schon misstrauisch genug. Du bleibst jetzt im Büro bis ich da bin. Dann überlegen wir uns was. Ich fahr jetzt los. Und wehe, du spielst inzwischen Detektiv, hast du verstanden?“

Bevor sein völlig aufgelöster Assistent antworten konnte, hatte Briggs bereit das Gespräch unterbrochen und sprintete zu seinem Ford Explorer.

Der Weg in das Tal war holprig, doch das war ihm in diesem Augenblick egal. Er grübelte darüber nach, wie er dem Senator die Panne mit der Mail am einfachsten beichten konnte. Dazu musste er aber erst einmal an dessen Bulldogge Gutberg vorbei. Irgendwo hatte er Handersons Privatnummer in seinem Satellitentelefon gespeichert. Instinktiv griff er danach und blätterte im Verzeichnis. Ohne es zu merken, gab er dabei immer mehr Gas und sah zu spät die Elchkuh vor sich auf dem Weg. Briggs riss das Lenkrad viel zu heftig herum, streifte einen

Washington D. C.

Der Senator brüllte geschlagene zwei Minuten immer wieder Briggs Namen in sein Telefon, ohne eine Antwort zu bekommen. Erst dann gab er auf und wandte sich an seinen Assistenten Gutberg.

„Irgendetwas muss passiert sein, sonst hätte er sich gemeldet. Nehmen Sie Verbindung mit der örtlichen Polizei auf, die sollen da mal nachhaken. Vorher holen Sie mir aber irgendeinen Mitarbeiter dieses gottverfluchten Institutes an die Strippe. Ich will wissen, was mit dieser Studie passiert ist, die schon seit gestern auf meinem Schreibtisch liegen sollte.“

„Sir, ich habe den bösen Verdacht, dass da etwas gewaltig schief gelaufen ist. Angeblich hat ein Assistent von Briggs gestern noch vor Feierabend alles an uns geschickt.“

„Dann holen Sie diesen Schwachkopf aus dem Wochenende und lassen sich erklären, was er da verzapft hat. Und das noch heute. Ich fahre jetzt rüber nach Georgetown. Sie erreichen mich in meiner Wohnung.“

Handerson erhob sich und begann, einige Unterlagen in seinen Aktenkoffer zu packen. Gutberg griff nach seinem Notizblock und verschwand eilig aus dem Büro. Für ihn war der Samstag gelaufen, er würde seine beiden Kinder heute wieder nicht ins Bett bringen können. Er ließ sich auf seinen Stuhl fallen und griff nach dem Telefonhörer. Natürlich hatte er bereits vor Wochen auch Stan Magnussons Nummer recherchiert. Überhaupt war Kevin Gutberg ein geborener Planer und Organisator. Und er sorgte regelmäßig dafür, dass der Senator dies auch bemerkte. Die Stelle als Assistent im Capitol betrachtete er nur als Durchgangsstation und strickte unermüdlich an seinem Netzwerk, das ihn möglichst weit nach oben befördern sollte. Dabei strebte er aber nicht unbedingt eine Rolle in der ersten Reihe des politischen Lebens in der Hauptstadt der USA an. Eher einen der sehr gut dotierten Posten als Lobbyist oder noch besser, als Vorstand eines der einflussreichen Think Tanks, einer der politischen Beratungsfirmen, die die wahre Macht in Amerika verkörperten. Kevin Gutberg hatte sich zum Grundsatz gemacht, wöchentlich einen neuen, einflussreichen und damit bedeutsamen Menschen seinem Bekanntenkreis hinzuzufügen.

Aus diesem Grund nahm er jede Einladung zu einer der zahlreichen Dinner Partys und Empfänge an. Oftmals auch, um seinen Boss zu vertreten, der solche Termine verabscheute.

Gutberg erreichte nur zwei Minuten, nachdem er sein eigenes Büro betreten hatte. den armen Stan Magnusson, der noch immer verzweifelt auf seinen Bildschirm starrte.

„Hören Sie Stan, aus irgendeinem Grund ist Doktor Briggs nicht mehr erreichbar. Sie müssen mir ganz genau erklären, was passiert ist. Und ich brauche die Studie jetzt.“

„Ich soll hier auf Dale, ich meine Mister Briggs warten. Er will Ihnen alles erklären. Bitte Sir, es ist meine Schuld. Ich schicke Ihnen den Bericht, wenn mein Boss hier ist.“

„Nein Stan, Sie senden ihn mir sofort. Vorher erklären Sie mir aber noch, was genau Sie Idiot verbockt haben. Und wehe Ihnen, Sie lügen mich an. Also los, ich höre.“

„Eigentlich habe ich mich nur bei der Eingabe der E-Mail-Adresse vertippt. Deshalb ist sie auch nicht bei Ihnen angekommen.“

„Sie haben sich vertippt. Und warum merken Sie Dummkopf das erst jetzt. Jedes Programm gibt eine Meldung, wenn die Adresse nicht stimmt.“

„Anscheinend gibt es aber die Adresse, die ich eingegeben habe. Sonst…“

„Sie sind wohl von allen guten Geistern verlassen? Die Angelegenheit ist hoch geheim und Sie Blödmann schicken Sie jetzt in der Weltgeschichte herum. Ich brauche jetzt sofort die Adresse, an die die Mail gegangen ist.“

„Sir, Mister Gutberg, es tut mir leid. Ich sollte die Studie an ‚kingkev@googlemail’ schicken, habe aber bei der Eingabe ‚kingken’ eingegeben. Das ist mir noch nie passiert, ehrlich Mister…“

„Stan, damit Ihnen eines klar ist. Wenn Sie vorhatten, in diesem Land irgendwo Karriere zu machen, können Sie dies ab sofort vergessen. Sie sind der größte Trottel der mir jemals untergekommen ist. Und jetzt schicken Sie mir die Studie, aber passen Sie auf, was Sie Legastheniker in Ihre Tastatur klappern. Sie sagten ‚kinken@googlemail’ haben Sie eingegeben?“

„Ja Sir. Und wie gesagt, es tut mir furchtbar leid…“

Der letzte Teil von Magnussons Entschuldigungstirade erreichte Gutberg schon nicht mehr. Der wühlte bereits in seinem Rolodex nach einer bestimmten Visitenkarte.

„Sam Brigthman? Hier ist Kevin Gutberg aus dem Büro von Senator Handerson. Ich brauche die Dienste der NSA für eine diskrete Auskunft. Ich suche den Inhaber einer bestimmten E-Mail-Adresse. Natürlich wird sich der Senator persönlich an Ihren Boss, Admiral Peal, wenden. Aber vielleicht können Sie vorab ja schon einmal mit den Recherchen beginnen. Dann stehen Sie vor Ihrem Admiral gut da und für Sie ist möglicherweise eine Beförderung drin. Ich suche nach dem Nutzer von ‚[email protected]’. Der Senator braucht alle Informationen, die Sie in der Kürze der Zeit auftreiben können. Danke, mein Freund, der Senator wird bei Peal ein gutes Wort für Sie einlegen. Sie bekommen die offizielle Anfrage noch heute.“

Gutberg war gar nicht aufgefallen, dass er in seinem Redeschwall den NSA-Abteilungsleiter gar nicht hatte zu Wort kommen lassen. Der schmiss den Hörer auf sein Telefon und murmelte: „Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, es ist Wochenende, du arrogantes Arschloch.“

In diesem Augenblick war Gutberg schon aus seinem Büro gesprintet und auf dem Weg zu seinem Wagen. Senator Handerson besaß eine komfortable Stadtwohnung im vornehmen Bezirk Georgtown, die er aber nur nutzte, wenn der Senat tagte. Die übrige Zeit lebte er auf seiner Farm in Vermont, wo er eine Menge Geld mit der Zucht von edlen Rennpferden verdiente. Schwer atmend klopfte der Assistent an die Tür des Appartements. Der Senator hatte bereits den dunklen Anzug gegen Jeans und Cowboyhemd getauscht.

„Kevin, so früh habe ich Sie noch gar nicht erwartet. Was ist denn nun mit unserem kleinen Strategiepapier passiert?“

„Der Armleuchter, der sich wissenschaftlicher Mitarbeiter nennt, hat sich beim Versenden der Mail mal eben ein bisschen vertippt. Jetzt ist die ganze Sache bei einer fremden Adresse gelandet.“

„Aber kann man die denn nicht zurückholen oder sowas? Ich habe davon keine Ahnung. Deshalb habe ich ja auch Ihnen die ganze Organisation überlassen.“

„Das ist das Problem, Sir. Eine E-Mail kann man nicht mal so eben zurückholen wie einen normalen Brief. Wir wissen noch nicht einmal, wer der Empfänger ist. Das kann ein russischer Geheimagent sein, ein chinesischer Hacker oder ein Schreiberling der ‚New York Times’. Oder irgendein Niemand.“

„Um Gottes Willen, Kevin. Wir müssen um jeden Preis verhindern, dass das Papier in falsche Hände gerät. Wie kann man herausbekommen, wer es jetzt hat?“

„Dafür haben wir die NSA, Senator. Ich habe bereits mit einem Kontaktmann dort telefoniert. Er braucht allerdings einen offiziellen Befehl des Direktors seiner Behörde. Jetzt kommen Sie wieder ins Spiel. Reden Sie mit Admiral Peal. Jetzt sofort. Wir haben fast vierundzwanzig Stunden verloren, aber es ist zum Glück Wochenende und vielleicht hat noch niemand die Mail gelesen.“

„Sehr gut Kevin. Ich habe die Handynummer vom Admiral irgendwo in meinen Unterlagen…“

„Senator, ich war so frei, sie für Sie schon einmal herauszusuchen. Hier ist sie.“

Gutberg reichte ihm einen Zettel. Handerson nickte dankbar und griff zum Telefon.

„Admiral Peal, hier spricht Senator Clive Handerson. Wie geht es Helen und den Kindern?“

„Danke der Nachfrage, Senator. Aber Sie rufen mich doch bestimmt nicht an einem Samstagnachmittag an, um sich nach meiner Frau zu erkundigen?“

Handerson lachte schallend.

„Nein Walther, natürlich nicht. Ich habe da ein kleines Problem, bei dem nur Sie mir helfen können. Ich brauche Informationen über den Inhaber eines bestimmten E-Mail-Kontos. Mein Mitarbeiter hat bereits mit Ihrem Mister Brigthman telefoniert. Aber uns ist klar, dass er Ihr Okay dafür braucht.“

„Senator, gerade Sie als Mitglied des Geheimdienstausschusses wissen, dass wir uns da auf sehr dünnem Eis bewegen. Ich muss eigentlich die Füße stillhalten, solange dies kein offizielles Ersuchen der Regierung ist. Aber ich nehme nicht an, dass der Präsident davon Kenntnis hat?“

„Walther, dies ist eine inoffizielle, quasi private Bitte von mir. Ist ja auch keine große Sache, nur eine Anschrift und ein paar Hintergrundinformationen. Mehr will ich gar nicht.“

Handerson grinste Gutberg an und reckte den Daumen nach oben. Beiden war klar, dass nicht einmal der allmächtige Direktor der gewaltigen NSA, des größten Geheimdienstes der Welt, die Bitte eines Senators der Vereinigten Staaten abschlagen würde.

„In Ordnung Senator, ich rufe Brightman an. Wenn ich Ergebnisse habe, melde ich mich bei Ihnen.“

„Danke, Walther. Ich wusste immer, dass ich auf Sie zählen kann. Ihnen ist schon klar, dass die Sache sehr diskret gehandhabt werden muss?“

„Senator, alles, was die NSA betrifft, wird absolut diskret behandelt. Wie gesagt, ich melde mich.“

Vierundzwanzig Stunden später betrat Handerson mit Kevin Gutberg im Schlepptau das Restaurant eines Golfklubs in der Nähe von Baltimore. In einer Ecke erhob sich eine hünenhafte Gestalt und kam gemächlichen Schrittes auf die beiden zu. Handersons Gesicht hellte sich auf.

„Walther, das ging aber fix! Ich hatte nicht vor Dienstag mit Ihrem Anruf gerechnet. Darf ich Ihnen meinen Mitarbeiter Kevin Gutberg vorstellen.“

Der Admiral gab beiden flüchtig die Hand und wies seinerseits auf einen blassen jungen Mann von Anfang dreißig, der sich zögernd erhob.

„Sehr erfreut. Senator. Ich möchte Sie mit Sam Brigthman bekannt machen. Er hat für Sie recherchiert und wird Ihnen seinen Bericht vorstellen. Das ist dann aber auch alles, was wir für Sie tun können. Dafür haben Sie doch sicher Verständnis.“

Handerson hob beide Hände.

„Unbesehen, Admiral. Wie gesagt, es war eine kleine private Bitte. Nicht mehr und nicht weniger. Bitte, Mister Brightman. Erzählen Sie uns, was Sie herausgefunden haben.“

Brightmans Blick sah man an, dass ihn der kleine, private Gefallen eine schlaflose Nacht gekostet hatte. Er schlug einen Ordner auf und begann mit völlig emotionsloser Stimme seinen Bericht.

„Die Mail-Adresse‚[email protected]’ gehört einem Deutschen namens Steffen Kern. Er wohnt in Wismar, das ist eine kleine Stadt an der Ostsee, und arbeitet als Redakteur einer Lokalzeitung.“

Handerson stieß einen leisen Pfiff aus und blickte Gutberg an.

„Scheiße. Ein Schreiberling.“

Brightman hob die rechte Hand.

„Es ist kleines, eher unbedeutendes Lokalblatt. Er berichtet hauptsächlich über Verkehrsunfälle, Stadtfeste und Streitigkeiten zwischen Provinzpolitikern. Alles andere ist für ihn offenbar ein paar Nummern zu groß. Die besagte Mail ging bei ihm nachts gegen ein Uhr zwanzig Ortszeit ein und wurde auf einen USB-Stick heruntergeladen. Und zwar von einem Rechner in der Zeitungsredaktion. Er arbeitet also wohl gern nachts. Auf dem Server von googlemail ist die Nachricht noch vorhanden. Wenn Sie es wünschen, Senator, können wir sie jederzeit löschen lassen.“

Jetzt blickte Brightman zum ersten Mal seinen Gesprächspartnern ins Gesicht. Handerson nickte heftig.

„Ja, tun Sie das. Unbedingt.“

„Machen wir, Senator. Kein Problem.“

„Was wissen Sie noch über diesen… Kern?“

„Kern ist sechsundzwanzig Jahre alt, ledig. Offenbar liiert mit einer Patricia Bernhard, Krankenschwester. Wohnt ebenfalls in Wismar. Sein Vater war in der ehemaligen DDR Offizier bei den Fallschirmjägern, hatte aber Ende 1989 bei einem Sprung einen schweren Unfall. Der Schirm öffnete sich nicht rechtzeitig. Seitdem ist er gelähmt und sitzt im Rollstuhl. Seine Mutter arbeitet bei einem Steuerberater.“

Handerson nickte zufrieden.

„Hat er selbst eine militärische Ausbildung?“

„Er war vor seinem Studium bei der Bundeswehr. Hat sechs Monate bei der KFOR im Kosovo Dienst geschoben. Allerdings nur als Redakteur der Soldatenzeitung und des Soldatensenders. Nach unseren Erkenntnissen war er an keinerlei Kampfeinsätzen beteiligt.“

Gutberg nippte an dem Glas Wasser, das ein Kellner in der Zwischenzeit diskret vor ihm platziert hatte.

„Also nicht besonderes. Sozusagen ein Niemand.“

Brightman wiegte den Kopf.

„Na ja Kevin. Es gibt da schon einen Punkt, den ich noch erklären muss.“

Handerson schaute auf.

„Wieso, war er beim ostdeutschen Geheimdienst, dieser… Stasi? Dafür ist er doch eindeutig zu jung. Oder haben die schon Kleinkinder rekrutiert?“

Er lachte laut über seinen Witz und stutzte erst, als Brightman ihn mit unbewegtem Gesicht anschaute.

„Was ist los, Sam? Nun raus damit. Ist er ein verdammter Agent oder so was?“

„Er nicht, Senator. Aber sein Großvater. Klaus Jürgen Becker war Chef einer Spezialabteilung, die sich ‚Albatros’ nannte. Ich habe darüber vor Jahren mal recherchiert. Eine wirklich harte Truppe. Und Becker war eine Legende bei den Geheimdiensten. Wir haben erst nach dem Ende der DDR herausgefunden, wo er überall mitgemischt hat. Es hat uns schlichtweg die Sprache verschlagen.“

Gutberg schüttelte den Kopf.

„Papperlapapp Sam. Das muss jetzt ein uralter Mann sein. Der tut keinem mehr was.“

„Genau, Kevin. Er ist jetzt sechsundsiebzig. Aber vor kurzem war er noch sehr aktiv.“

Erneut polterte Handerson los.

„Wieso? Hat er beim Bingo beschissen?“

Wieder schüttelte Brigthman den Kopf.

„Senator, erinnern Sie sich, dass vor ein paar Jahren angeblich eine russische Atomwaffe verschwunden war und dann in Hamburg zur Explosion gebracht werden sollte?“

„Das war dieser Becker? Warum läuft er dann noch frei herum?“

„Es war nicht Becker, sondern einer von seinen ehemaligen Mitarbeitern. Und Becker hat maßgeblich dazu beigetragen, ihn zur Strecke zu bringen.“

„Das heißt, er ist plötzlich einer von den Guten geworden?“