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Diese Geschichten gehören lose zusammen und bilden Erzählungen über die Folgen von Unachtsamkeit und Unvernunft in jeder Hinsicht. Dabei geht es um das Zusammenspiel von Natur, Geist und Materie, und dass es oft, wenn auch nicht immer, einen Ausweg aus dem häufig selbst angezettelten Chaos gibt. Nur wer im Gleichwicht mit sich selber lebt, kann seine Umwelt verstehen und sich mit ihr versöhnen.
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Seitenzahl: 283
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Das Gleichgewicht der Harmonie
Der Klang des Lichts
Polarisation
Das Land im Regenbogen
Kristallwesen
Dunkelheit
Rätsel
Leben unmöglich?
Manipulation
Staub
Erinnerungen
Schuld…
Es war ein zauberhaftes Land. Die beiden Kinder standen staunend da. Stumm sahen sie sich um. Alles war in ein warmes goldenes Licht getaucht. Frieden erfüllte ihre Herzen, und ihre Seelen jauchzten vor Freude. Ausgelassen begannen sie zu laufen. Dabei sprangen sie, in dem Versuch die einzelnen Sonnenstrahlen zu fangen, in die Höhe. Doch diese entwischten immer wieder…
Dann kamen sie in einen Wald. Alles war goldgrün. Die Kinder blickten sich neugierig um. Hier sollte es eigentlich von Elfen und Feen nur so wimmeln…. Vielleicht gab es auch ein paar Zwerge… Doch es war nichts zu sehen. Alles war ganz still. Unendlicher Frieden lag über dem Wald. Die Kinder liefen hinein. Bald fanden sie Waldbeeren, an denen sie sich satt aßen.
Diese Welt war einfach wunderschön, doch wo waren die Bewohner? Die Kinder wunderten sich sehr, doch da sie inzwischen müde geworden waren, kümmerten sie sich nicht weiter darum. Sie suchten sich einen Platz zum Schlafen. Sie fanden ihn am Fuße einer hohen Eiche. Fürsorglich summte der Baum ihnen ein Wiegenlied. So schliefen sie ein.
Und fanden sich in einer fremden Welt wieder. Hier war alles schrecklich kalt. Statt Pflanzen gab es hier nur kalten schwarzen Stein.
Die Luft war trübe, und es stank ganz fürchterlich. Hier gab es auch Leben, wie die Kinder bald feststellen sollten. In der Ferne machten sie eine finstere, bedrohlich aussehende Gebäudeansammlung aus. Ängstlich und doch neugierig machten sie sich auf den Weg dorthin. In der Umgebung dieser Gebäudeansammlung, die einer Industrieanlage ihrer eigenen Welt glich, sahen sie dann viele, viele Wesen. Sie waren alle angekettet und mussten hart arbeiten. Sie schienen in der Erde, im Stein nach etwas zu graben. Gelegentlich fanden sie etwas. Doch stets wurde es von den Aufsehern, es waren große hässliche Kreaturen, wieder fortgeworfen. Es war anscheinend nie das Richtige.
„Was suchen diese Wesen bloß?“ fragte der Junge seine Schwester, die zuckte nur mit den Schultern. Gold und Edelsteine jedenfalls nicht! Bei den Fundstücken schien es sich jeweils um alte Gebrauchsgegenstände zu handeln!
Die Schwester meinte spöttisch: „Vielleicht suchen sie einen Gegenstand mit Zauberkräften…“
„Dann sind sie aber dumm“, meinte der Junge geringschätzig und begann die versklavten Wesen genauer zu beobachten. Schließlich sagte er leise: „Sieh sie dir einmal genau an! Sie sehen nicht aus als ob sie hierher gehören! Sie wirken so licht und liebevoll trotz all des ganzen Schmutzes. Sie leiden, und trotzdem strahlen sie keinen Hass aus! Sie tun was ihre Aufseher verlangen, doch sie weinen nicht! Sie sind ganz still. So als ob ein Teil von ihnen in einer anderen, besseren Welt leben würde…“
Seine Schwester sah ihn nachdenklich an. Dann fiel ihr die schöne goldene Welt ein, die sie gerade verlassen hatten…
Sie sagte plötzlich, laut und unbedacht: „Sie kommen alle aus der hellen, klaren Welt, sie kommen von dort. Sie gehören wirklich nicht hierher. Ein finsterer Zauber hat sie hierher geholt!“
Erschrocken schwieg sie. Wie hatte sie nur so schreien können…
Wenn sie nun jemand gehört hätte… Doch es war gut gegangen.
Sie sahen sich noch gründlich um. Die Sklaven wurden gut bewacht.
Sie hätten sich ja gerne einmal mit ihnen unterhalten, doch es war aussichtslos. Es ergab sich keine Gelegenheit. Die Arbeiter wurden pausenlos überwacht.
Sie gingen weiter. Schließlich fanden sich in einer dunklen Ecke innerhalb der Mauern der Gebäudeansammlung wieder. Hier gab es keine Sklaven. Hierher kamen nur die schrecklichen Geschöpfe, die die Sklaven beaufsichtigten Die Kinder beobachteten sie. Auch sie, fand der Junge, sahen in all ihrer Schrecklichkeit nicht allzu glücklich aus. Auch sie schienen sich zu fürchten… Alle schienen ängstlich und angespannt zu sein, es gab keine Freude, nur Angst.
Bruder und Schwester versuchten die Gebäude vorsichtig wieder zu verlassen. Doch das war gar nicht so einfach!
Irgendwie fanden sie den Ausgang nicht wieder. Auf ihrer Suche lernten sie das Innere der Anlage mit all ihren Häusern und Höfen kennen. Die Zeit schien stillzustehen. Sie wurden weder müde noch hungrig. Auch die Sklaven schufteten unermüdlich. Den Kinder war es ein Rätsel, wie so etwas angehen konnte. Stumm standen sie schließlich an einem Turmfenster und sahen über das Land.
Draußen war alles dunkel und steinig, doch einst musste es auch hier sehr schön gewesen sein. Wenn man die einzelnen Farben betrachtete, die hin und wieder durch den schwarzen Steinstaub schimmerten, bekam man einen kleinen Einblick in eine schimmernde, bunt strahlende Welt, einer wunderbaren Welt aus Stein!
Diese Welt war nicht kalt gewesen, nein, auf gar keinen Fall. Hier hatte der gleiche Frieden geherrscht wie in jener anderen Welt, die sie nur so kurz kennen gelernt hatten… Doch dann war etwas passiert, und alles hatte sich verändert.
Aber waren die großen Wesen, die Kinder erlaubten sich nicht mehr, sie hässlich oder schrecklich zu nennen, wirklich die wahren Bewohner dieser Welt? Sie schienen so gar nicht hierher zu passen!
Das Mädchen seufzte. So ganz langsam wünschte sie sich wieder ganz zu Hause zu sein. Daheim bei den Eltern…
Der Junge schwieg. Er wollte wissen, warum sie hier waren. Es gab für alles einen Grund! Sie konnten dies doch nicht träumen? Es war alles viel zu wirklich! Irgendwie hatten sie sich auf den Weg gemacht. Irgendwie waren sie dabei zunächst in die goldene Welt gelangt, und dann waren sie in diese hier geraten. Doch wie nur, und warum?
Er versuchte sich zu erinnern.
Zu Hause… Nein, stop! Jetzt war er schon zu weit. Er runzelte die Stirn. Dann lachte er lautlos. Jetzt hatte er es. Es fiel ihm wieder ein!
Vor kurzem, in ihrer Heimatwelt, war er mit seiner Schwester und den Eltern in ein großes Haus gezogen. Es gehörte zu einem alten, verfallenen Schloss. Doch das Haus war gut gepflegt, und sie hatten alle schöne große Zimmer bekommen! Sein Vater arbeitete bei einer großen Firma, die das alte Schloss wieder aufbauen wollte. Dann sollte ein Hotel daraus werden… Sein Vater beaufsichtigte die Renovierungsarbeiten. Während der Wiederaufbauzeit und des Umbaus, konnten sie in dem schönen Haus wohnen…
Der Junge schluckte.
Aufgeregt hatten seine Schwester und er sich auf Entdeckungsreise durch das alte Schloss gemacht. Es hatte viel zu sehen gegeben. Eines Tages waren sie dabei in einem Turm auf einen großen Spiegel gestoßen. Er glänzte so hell, dass es schien, er wäre erst vor ganz kurzer Zeit poliert worden…
Doch das konnte kaum angehen! Das Loch, durch das sie sich gezwängt hatten um in diese Kammer zu gelangen, war für einen Erwachsenen viel zu klein. Außerdem war der Weg hierher viel zu staubig gewesen! Es bestand kein Grund anzunehmen, dass vor kurzem jemand hier gewesen war…
Der Junge schüttelte gedankenverloren den Kopf. Es war schon alles sehr gespenstisch gewesen… Hell glänzte die Spiegelfläche… Hell lachte ihnen daraus die Sonne entgegen… Dann hörten sie eine Stimme, leise sanft, gleich einem silbernen Wasserfall, sagen: „Oh ihr beiden! Seid willkommen! Ich lade euch zu einer wundersamen Reise in andere Welten ein… Es gibt so viel zu tun… Lernt die Liebe, den Frieden und den Hass kennen und findet euch selber… Dann könnt ihr immer in alle Welten des Universums gelangen! Dann seid ihr die Botschafter des Hohen Rates…“
Seine Schwester hatte dazu erzürnt den Kopf geschüttelt. Wieso sollten sie jemandens Botschafter werden? Und wer war der Hohe Rat? Ein Märchen? Ein Relikt aus einer alten Sage?
Er aber erinnerte sich an die Träume der vergangenen Tage. Beide hatte sie immer wieder von großen Aufgaben und Heldentaten geträumt, hatten geträumt, dass sie sich auf eine weite Reise begeben würden… Doch die Art des Reisens war ihnen verborgen geblieben, nur eine leise Stimme hatte sie gedrängt hierher zu kommen… So hatten sie sich auf den Weg gemacht. Jetzt hatten sie gefunden wonach sie gesucht hatten! Doch jetzt zuckten sie zurück. Auf was hatten sie sich da eingelassen?
Die Stimme wollte sie einfach auf die Reise schicken… Auf eine Reise wohin? Konnten sie dieses Angebot annehmen? Wollte sie da nicht jemand nur auf den Arm nehmen? Der Junge zögerte, seine Schwester wollte schon wieder gehen, da tauchte plötzlich ein alter Mann auf, der die beiden spöttisch anlächelte.
Die Kinder erstarrten. Ihn kannten sie schon lange. Er hatte ihnen Märchen, Geschichten über fremde Welten und Dimensionen jenseits der ihren, erzählt. In seinen Geschichten war auch die folgende vorgekommen:
Es gibt im Meer der Zeit viele Dimensionen, Welten, gleich der hiesigen. Einige werden von sehr guten, liebevollen Wesen, andere von bösen, harten Geschöpfen bewohnt. Die meisten jedoch werden von Lebewesen bevölkert, die weder absolut gut noch absolut böse sind. Gerade so wie die ihre hier…
Diese Welten sind die Schulstuben des Geistes. Damit die Seelen lernen konnten den Sinn in Gut und Böse zu finden. Wer nur das Gute kennt, kann das Böse nicht abschätzen; wer nur das Böse kennt, kann die Liebe nicht erkennen. In beiden Extremfällen ist Leben starr, da es keine Alternative gibt, und doch sind sie zwei Pole, die sich gegenseitig anziehen, da sie sich brauchen!
Über alle Welten wacht der Hohe Rat. Er wurde von den Wächtern der einzelnen Welten eingesetzt. Es ist der hohe Rat des Lebens. Er ist nur dem Schöpfer verantwortlich und so auch jedem seiner Untertanen…
Seine Aufgabe ist es, das Gleichgewicht zwischen Gut und Böse aufrecht zu halten. Erst wenn jede einzelne Seele erkannt hat, dass nur eben gerade dieses Gleichgewicht das Maß aller Dinge sein soll und dementsprechend handelt, kann er sein Amt niederlegen. Doch bis dahin ist es noch weit. Die Welten des erreichten Gleichgewichts sind noch stark unterbevölkert!
Alle Welten entstehen und entstanden aus der Harmonie des Gleichgewichts, in der es weder Gut noch Böse gibt. Auch wenn die Wesen des Gleichgewichts die Sehnsucht nicht kannten, waren sie doch neugierig und suchten ständig neues zu erfahren. So kam es, dass sie eines Tages beschlossen, die theoretisch mögliche Teilung in Gut und Böse zu erfahren. Ihr Experiment gelang. Doch sie hatten vergessen zu überlegen wie sie den Zusammenhalt wiedererlangen wollten…
Der Schöpfer sah nachdenklich zu. Dieses Experiment würde ihnen viele Erfahrungen schenken, die sie sonst nicht machen konnten… Eines Tages würde jede einzelne Seele von allein den Weg nach Hause finden… So beschloss er einfach abzuwarten. Die Ewigkeit kannte keine Zeit. Doch sie würden Hilfe brauchen…
Einige der Wesen beschlossen sich nur dem Guten zuzuwenden, andere nur dem Bösen. Der Schöpfer schüttelte den Kopf. Sie würden den schwersten Weg zurückzulegen haben.
Die, die sich beidem öffneten brauchten nur den inneren Kampf zu kämpfen und die Teilung ihrer Selbst zu erkennen und zu überwinden…
In der Ganzheit gab es keinen Hass, keinen Zorn, nur Einheit und Harmonie mit allem.
Die, die sich einem der beiden Pole direkt zugewandt hatten, würden lernen müssen, mit den äußeren Gegebenheiten klarzukommen. Sie würden das Böse bzw. das Gute als etwas erleben, das ihnen absolut fremd war. Sie würden einen harten Weg zurücklegen müssen, um die jeweilige Wahrheit zu erkennen…
Hier galt es ein Gleichgewicht zwischen zwei praktisch unverträglichen Arten zu schaffen, damit diese von einander lernen konnten! Erst so konnten sie in die Harmonie des Gleichgewichtes zurückkehren!
Der Schöpfer runzelte die Stirn. Dieser Erkenntnisprozess würde nicht ohne harte Kämpfe vorsichgehen. Wenn er sie völlig sich selbst überließ, würden sie sich gegenseitig in immer tiefere Abgründe stoßen. Dies galt es zu verhindern.
Je tiefer die Teilung wurde, desto schwerer wurde die Heimkehr!
So teilte er jeder Welt einen Wächter zu. Diese Wächter wählten dann den Hohen Rat, der das Zusammenspiel der Welten überwachen und eingreifen sollte, wenn das Gleichgewicht zwischen den Welten aus dem Gefüge geriete.
In diesem Sinne sucht der Hohe Rat nun auf den einzelnen Welten Wesen, die seine Botschafter sein können. Sie stellen sein Werkzeug dar, um das Gleichgewicht aufrechtzuerhalten bzw. neu aufzubauen. Die Botschafter werden gerufen. Eine Melodie der Harmonie klingt durch alle Welten. Die Wesen, die Seelen, die sich an die Heimat im Gleichgewicht noch erinnern, können sie hören. In ihnen wächst dann der Wunsch heimkehren…
In jeder Welt gibt es einen Ort, von dem aus sie durch alle Welten reisen können. Der Hohe Rat ermöglicht den Interessenten sich zunächst einmal in den Welten umzusehen. Erst danach bittet er sie, in seinen Dienst einzutreten, in den Dienst für alle Wesen! Selbst dann können sie noch ablehnen.
Heute wird es immer schwerer Botschafter zu finden. Die Wesen, die der Heimat schon nah genug sind, kehren lieber heim…
Die meisten seiner Abgesandten sind schon seit Jahrhunderten in seinem Dienst, und es ist kein Ende abzusehen. Die meisten jungen Leute haben heute das Staunen und das Träumen verlernt, so können sie das Lied nicht mehr hören…
Die beiden Kinder hatten der Geschichte staunend gelauscht. Es musste doch toll sein all die fremden Welten zu sehen! Außerdem war es doch eine tolle Aufgabe verirrten Wesen den Heimweg zu zeigen…
Sie verstanden nicht, warum es dafür geeignete Wesen gab, die sich nicht darauf einließen. Der alte Mann hatte nur leicht gelächelt und gemeint: „Die Welten werden hart, die Kämpfe lassen kaum noch den Blick nach innen zu. So verklingt der Ruf oft ungehört. Die Rückkehr wird immer schwerer, und nur wer konsequent daraufhin arbeitet erreicht das Ziel. Die Wesen, die dieses dann erreicht haben, blicken meist nicht zurück. Von ihnen haben die Zurückgebliebenen keine Hilfe zu erwarten… Niemand kann es ihnen verübeln… Und die Arbeit für den Hohen Rat ist hart, sehr hart! Wer für ihn arbeitet, wird die schönsten aber auch die schrecklichsten Situationen sehen und lernen müssen in allem den Sinn zu sehen… Dieser ist oft sehr tief verborgen… Er ist nicht immer leicht zu entdecken. Auch sind die Wesen, denen geholfen werden soll, oft alles andere als dankbar… Nein, es ist manches Mal ein abscheulicher Job!
Der alte Mann hatte sie freundlich gemustert und leise gelacht. Danach hatten sie nie wieder über diese Geschichte gesprochen. Doch sie hatten in der darauf folgenden Zeit oft von anderen Welten und Dimensionen geträumt. Ihre Sehnsucht wurde immer stärker, so begannen sie zu suchen… Sie wussten aber nicht so recht wonach!
Nun standen sie vor dem Spiegel, begannen zu zweifeln und trafen ihren alten Freund wieder. Es war schon ziemlich komisch! Das Mädchen musterte den alten Mann missmutig. Wollte er sie auch einfach auf die Reise schicken? Dann sollte er lieber gleich wieder verschwinden! Wütend wartete sie.
Der alte Mann lachte leise. Belustigt meinte er: „Niemand kann euch auf die Reise schicken, wenn ihr nicht wollt. Wir können euch nur die Gelegenheit anbieten. Dann müsst ihr die Entscheidung, ob ihr gehen wollt oder nicht, schon selber treffen. Auch die Entscheidung, ob dies eure Lebensaufgabe wird oder nicht, kann von keinem anderen als euch selbst getroffen werden.
Die Reisen sollen euch nur helfen eine endgültige Entscheidung treffen zu können, denn wer das für und wieder nicht kennen gelernt hat, kann keine Klarheit gewinnen. Dann wird er früher oder später zetern und meinen, es hätte alles anders sein können. Die endgültige Entscheidung muss gut überlegt sein, denn sie ist für immer! Entscheidet ihr euch für die Aufgabe des Hohen Rates, dann dürft ihr nicht nur die rosigen Seiten sehen, dann müsst ihr auch die Mängel sehen. Nur wenn ihr alles so akzeptiert, wie es ist, ist eure Entscheidung endgültig. Dann könnt ihr wirklich im Sinne des Schöpfers arbeiten. Es wird viele unbekannte Faktoren geben. Wenn ihr diese nicht bewusst akzeptiert, werden sie euch eines Tages überrollen…
Falls ihr jetzt durch den Spiegel gehen solltet, werden ihr einen Ausschnitt aus allen Welten sehen. Es wird euch eine Fülle schöner Welten begegnen, aber auch die hässlichen und unerwarteten Situationen werden nicht fehlen… Wenn ihr wieder hier angekommen seid, werdet ihr euch entscheiden können… Während der Reise wird hier keine Zeit vergehen. Ich wünsche euch jedenfalls viel Spaß!“
Mit diesen Worten war er verschwunden. Es war gespenstisch still geworden. Nur der Spiegel blinkte hell und einladend.
Schließlich war seine Schwester neugierig zum Spiegel gelaufen, hatte hineingesehen und verblüfft nach ihm gerufen.
Im Spiegel hatten sie dann die herrlichsten Gegenden, verspielte Elfen, Feen und geheimnisvolle Burgen gesehen. Alles wirkte so einladend… Irgendwie waren sie dann durch den Spiegel getreten und hatten sich in der ersten Welt wiedergefunden, die so schön, aber doch auch so leer gewesen war. Dann waren sie auf seltsame Weise hierher geraten. In diese harte Welt, die doch einst so schön gewesen sein musste.
Jetzt standen sie in diesem Eckturm. Der Junge schüttelte den Kopf. Irgendwie war ihre Rundreise wohl etwas aus dem Konzept geraten! Dies hier war bestimmt keine Welt für Anfänger! Aber er war doch recht neugierig.
Der Blick aus dem Fenster zeigte ihnen eine Steinwüste, die im Mondlicht zeitweise wunderbar aufleuchtete und so einen Einblick in schönere Zeiten bot. Doch was sollten sie hier nur machen?
Er wusste, dass seine Schwester am liebsten direkt heimkehren würde, doch er wollte erkunden was hier eigentlich passiert war, wollte helfen…
Sinnend stand er vor dem Fenster. Stumm sah er hinaus, da spürte er die Hand seiner Schwester am Arm. Sie zeigte wortlos aus dem Nordfenster. Dort bot sich ein erschreckendes Schauspiel. Geräuschlos flogen riesige Fledermäuse auf die Gebäude zu. Auf ihnen ritten seltsame Wesen, die nur aus Knochen zu bestehen schienen. Es war erschreckend.
Die Einwohner des Ortes versammelten sich im Innenhof. Die Kinder sahen gebannt zu.
Dann landete die erste Fledermaus. Ein großes, dunkel gekleidetes Knochenwesen mit grünleuchtenden Augen stieg ab. Herrisch schritt es vor den Anwesenden auf und ab. Es begann zu sprechen. Zunächst verstanden die beiden Kinder nichts. Sie waren zum einen recht weit entfernt und zum anderen sprach es äußerst seltsam. Nach einer Weile schafften sie es so zuzuhören, dass sie die Rede verstehen konnten.
Nach der allgemeinen Begrüßung, fragte das Knochenwesen lauernd: „Und meine lieben Untertanen, habt ihr meinen Willen erfüllt? Habt ihr die kristallene Schale des reinen Lichtes gefunden?“
Das gespenstische Wesen schien zu leuchten. Seine Augen glühten in hellem Feuer als es die Bewohner der Welt musterte.
Sie gaben keine Antwort.
Das knöcherne Wesen schien dies allerdings auch nicht zu erwarten.
Doch je länger er sie betrachtete, desto zorniger wurde es. Dann verkündete er laut und ärgerlich: „So ihr habt es also immer noch nicht geschafft! Ich werde euch bestrafen! Ihr werdet euch noch mehr Mühe geben, wenn ihr seht, was geschehen wird, wenn ihr meinen Wunsch nicht schnellstens erfüllt. Wer weiß, vielleicht habt ihr gelogen, als ihr sagtet, die Schale sei verloren gegangen… Vielleicht wollt ihr mich betrügen?!?“
Der Himmel färbte sich rot, und eine unheimliche Hitze breitete sich über die Welt aus. Die Kinder nahmen sich in die Arme und beteten. Sie spürten, wie sich ein heller Lichtmantel um sie legte, und sie konnten wieder frei atmen. Entschlossen sahen sie wieder aus dem Fenster.
Draußen krümmten sich die Wesen dieser Welt vor Entsetzen und Schmerzen. Es war schrecklich anzusehen.
Endlich war es vorbei.
Mit der Ermahnung, endlich seine Wünsche zu erfüllen, verschwand die knöcherne Kreatur.
Die Kinder zuckten beim Betrachten der Weltbewohner zusammen. Die vorher schon hässlichen Gestalten waren nun noch scheußlicher geworden.
Das war ja eine furchtbare Bestrafung!
Sie sahen zum Sklavenlager hinüber. Das seltsame Licht hatte sich auch nach dorthin ausgebreitet. Es hatte dort jedoch wenig „Schaden“ angerichtet. Vielleicht besaßen sie einen natürlichen Schutz dagegen…
Die Kinder sahen sich an. Erleichtert atmeten sie auf. Sie sahen nicht anders als sonst aus. Das Licht hatte ihnen also nichts anhaben können!
Jetzt rätselten sie, was das Knochenwesen wohl mit einer Schale des Lichts wollte! Konnte es überhaupt etwas damit anfangen? Es sah so aus, als würde es sich nur in der Dunkelheit und somit im dunklen, unheimlichen Licht richtig wohl fühlen. Was in Gottes Namen, wollte dieses Wesen mit reinem Licht?!
Der Junge schüttelte den Kopf.
So etwas Unsinniges! Merkte dieses Geschöpf denn gar nicht, dass es nach etwas jagte, dass es nicht verwenden konnte?
Dem Mädchen waren inzwischen die alten Geschichten, die ihnen ihr weißbärtiger Freund erzählt hatte, wieder eingefallen. Es überlegte verblüfft, ob diese Knochengestelle vielleicht die dunkle Seite, die Sklaven die helle Seite und die Kreaturen dieser Steinwelt beide Seite in einem verkörperten…
Nur gab das Ganze auch damit keinen Sinn! Warum sollte die dunkle Seite, die helle versklaven? Und dann noch auf einem solchen Umweg!
Der Junge sah seine Schwester fragend an. Leise teilte sie ihm ihre Überlegungen mit. Er nickte finster. Die Sache wurde immer verworrener.
Selbst wenn die dunkle Seite sich so den Weg zur Heimkehr ins Licht der Harmonie zu erkaufen versprach, ergab es keinen Sinn! Wenn er sich recht erinnerte, sollten alle Wesen lernen im Gleichgewicht zu leben, und aus diesem heraus einsehen, dass nur Toleranz und Liebe das Ziel sein kann… Das finstere Geschöpf hier wollte das Licht jedoch zwingen zu ihm zu kommen. Es wollte selber keinen Beitrag leisten, nur Vorteile nutzen, Gewinn machen… So konnte es nicht gehen! Es würde sich immer tiefer in die Dunkelheit stoßen!
Die Geschwister sahen sich an. So konnte es nicht weitergehen! Hier war etwas ganz schrecklich daneben gegangen. Der ganze schöne Plan des Schöpfers war auf den Kopf gestellt worden… Aber vielleicht gehörte auch dies zu den Lernaufgaben, die die Seelen bewältigen sollten bevor sie heimkehren durften…
Die beiden sahen sich unsicher an. Hatten sie überhaupt ein Recht hier einzugreifen? Sie hatten doch nur einmal die Welten ansehen wollen… Jetzt schien es so, als ob ihnen direkt eine Aufgabe zugeteilt worden wäre…
Sie konnten es sich aber nicht vorstellen! Sie hatten doch von nichts eine Ahnung! Das konnte nicht gehen! Aber einfach nach Hause zurückzukehren, ohne wenigsten versucht zu haben etwas zu ändern, konnten sie auch nicht! Das lag nicht in ihrer Natur.
„Wir versuchen erst einmal genau heraus zu bekommen war hier abläuft.“ meinte das Mädchen, „Danach können wir immer noch entscheiden, ob und wie wir etwas unternehmen!“
Der Junge nickte. Morgen würden sie damit beginnen.
Inzwischen waren sie doch müde geworden. In einer Ecke des Turmzimmers schliefen sie ein. Diesmal störte nichts ihren Schlaf. Sie blieben in dieser Welt. Hier gab es etwas zu tun.
In einem Land weit hinter der Welt sahen sich zwei Wesen an. Sie senkten den Kopf und dankten dem Schöpfer. Jetzt konnte es vielleicht einen vernünftigen Ausweg aus dieser verfahrenen Situation geben… Auch wenn die Entscheidung an zwei Kindern hing…
Sie setzten sich. Sie würden die Entwicklung beobachten. Sie konnten selbst nichts mehr tun, sie hatten zu lange gewartet! Nicht geglaubt, dass es so schlimm werden könnte! Jetzt konnten sie nur noch über die Kinder wachen und hoffen, dass diese einen Weg fanden, alles wieder ins Lot zu bringen.
Sie beteten und wachten. Als die beiden Kinder am anderen Morgen aufwachten, hatten sie Hunger. Stöhnend erhoben sie sich. Hoffentlich fanden sie hier etwas zu essen…
Vorsichtig schlichen sie durch die Anlage. Sie begegneten kaum jemanden. Schließlich gelangten sie in eine Art Küche. Hier herrschte schon reger Betrieb.
Die beiden versteckten sich in einer Nische in der Nähe der Eingangstür. Die Küche war erstaunlicherweise ein heller, freundlicher Ort! Die hier arbeitenden Wesen waren auch nicht so missgestaltet wie die, die sie bisher draußen zu sehen bekommen hatten. Sie fanden keine Erklärung dafür.
Im Laufe der Zeit wurden sie immer hungriger und durstiger. Nach einer Weile ergab sich die Möglichkeit diese Bedürfnisse zu stillen.
Im Küchenraum standen mehrere lange Tische. Auf einen davon wurden nun brotähnliche Gebilde und große Krüge gestellt. „Wahrscheinlich die Verpflegung für die Wachen!“ dachte der Junge und machte sich bei der erstbesten Gelegenheit auf den Weg zum Tisch. Das Mädchen machte es ihm nach. So waren sie schließlich im Besitz eines Kruges und eines Brotes.
Wieder in der Nische angekommen, sahen sie sich um. Hoffentlich hatte sie niemand gesehen…
Da erstarrten sie. Ein kleines, feingeschupptes Wesen stand mit großen Augen mitten in der Küche. Es sagte nichts, aber es hatte sie zweifellos gesehen. Sie zitterten. Was würde nun passieren?
Das kleine Wesen sah sich neugierig um. Seine Schuppen glänzten hell. Es hatte nichts von der Schrecklichkeit der anderen Schuppenwesen an sich. Es hatte nur eine entfernte Ähnlichkeit mit den größeren Exemplaren… Vielleicht gab es hier noch eine vierte Art? Da kam eine der Köchinnen heran. Sie zählte Brot und Krüge durch, schüttelte ärgerlich den Kopf und lief davon um die fehlenden Laibe bzw. Krüge zu ergänzen. Danach schien sie zufrieden zu sein. Das kleine Wesen beachtete sie kaum.
Irgendwie schien sie es gar nicht richtig wahrzunehmen. Wollte sie es nicht sehen?
Das kleine Wesen hatte sich in eine Ecke zurückgezogen. Es wirkte unsicher. Die beiden Kinder warteten gespannt, was es wohl als Nächstes tun würde.
Erst einmal passierte gar nichts. Es wartete nur einfach. Dann kam es langsam auf ihre Nische zu. Ganz vorsichtig. Gerade so als es ebenso viel Angst hätte wie sie auch…
Aufgeregt erwarteten die Kinder das Zusammentreffen. Das kleine Wesen war so anders! Vielleicht konnte es ihnen mitteilen, was hier passiert war?
Dann war es fast heran. Die Eingangstür öffnete sich, und das kleine Wesen fuhr erschrocken zusammen. Voller Entsetzen vergaß es alle Vorsicht und drängte sich so schnell es nur ging zu den Kindern in die Nische. Mit großen Augen lugte es in den Raum, den große, finstere, missmutige Gesellen betreten hatten. Diese luden Brot und Krüge auf Tragen.
Die Kinder wären ihnen nur ungern über den Weg gelaufen! Dem kleinen schuppigen Wesen schien es ähnlich zu gehen… Zitternd stand es da.
Endlich waren die Träger wieder fort. Dem Himmel sei Dank! Niemand hatte sie entdeckt. Jetzt erst wurde dem kleinen Schuppigen bewusst, dass es bei den beiden seltsamen Wesen war, die es zuvor beobachtet hatte. Es blickte sie misstrauisch an. Sie schienen nicht besonders furchterregend zu sein… Außerdem hatten sie eben auch Angst gehabt! Vielleicht hatten sie sich ja nur verirrt, vielleicht kamen sie ja aus einer freundlichen Welt… Das kleine Schuppenwesen lächelte die beiden fremden Wesen zaghaft an.
Den beiden Kindern fiel ein Stein vom Herzen. Himmel! Das tat gut. Vorsichtig erkundigten sie sich nach den Bewohnern dieser Welt. Sie erfuhren, dass dies die Marrh waren, und dass der kleine Schuppige ebenso hieß.
Mühsam wiederholten sie den Namen. Marrh hatte dann aber mit ihren Namen noch größere Probleme, so blieb es dann bei Mädchen und Junge…
Jetzt sahen sie sich abwartend an. Niemand mochte so Recht beginnen. Schließlich hielt Marrh es nicht mehr aus. Er begann die beiden, ungeduldig die Stirn runzelnd, auszufragen. Die beiden Kinder antworteten freimütig.
Dabei aßen sie das Brot und leerten den Krug. Dann meinten die Geschwister, sie sollten jetzt besser einen anderen Ort aufsuchen bevor doch noch jemand auf die Idee kam, die Küche einmal genauer zu durchsuchen… Marrh nickte.
Schnell führte er sie durch die Anlage. Schließlich kamen sie in einen Hof in dem sie bisher noch nicht gewesen waren. Die Kinder staunten. Hier war es ja richtig schön! Es gab sogar eine kleine Quelle in der Mitte. Ringsherum standen grüne Büsche, und es gab auch eine Reihe blühender Blumen. Dazu summten kleine Insekten zwischen den Zweigen der Büsche… Die ganze Welt schien hier wie verwandelt zu sein…
Marrh meinte traurig: „So war es einst überall auf unserer Welt! Doch dann…“ und schon waren sie mitten drin in der Geschichte, nach der die Geschwister so sehnsüchtig gesucht hatten.
Es war eine schöne Welt gewesen. Eine Welt voller Farben und Wunder. Die Steine bildeten herrliche Kristalle, die in der Sonne in allen Farben glühten. Es gab keine Unterschiede. Marrh's Vater war ein weiser Zauberer, der lehrte, dass das Gleichgewicht zwischen Gut und Böse allein die Welt am Leben hielt. Es galt daher für jedes Wesen, so zu leben, dass es mit sich und allen Dingen in Frieden leben konnte, so auch die eigenen Schwächen und Wünsche zu akzeptieren und sie in Gleichmut zu verwandeln…
Marrh seufzte oft. Es war ganz und gar nicht leicht, dem gerecht zu werden. Es war so viel einfacher zu schimpfen und zu schreien… Doch langsam hatte er gelernt, dass es besser war sich seinen Wutanfällen und Vorurteilen zu stellen statt sie zu unterdrücken. Meistens wurde die ganze Angelegenheit bei näherer Betrachtung schon relativ harmlos, und er fragte sich, was ihn zuvor eigentlich so aufgeregt hatte…
Allerdings, wenn er allen Zorn von vorn herein als unwichtig und überflüssig betrachtete, wurde er immer wütender. Das ging also nicht. Es blieb einem nichts anderes übrig als sich mit der jeweiligen Situation genau auseinander zu setzen.
Er begriff auch, dass der Wunsch viel zu besitzen und Anerkennung zu scheffeln, nur ein Ausdruck der Unzufriedenheit mit sich selber war. Wer mit sich in Einklang stand, war nicht mehr auf weltliche Macht und Lob angewiesen.
Dann verspürte Marrh den Wunsch dieses Wissen mit möglichst vielen zu teilen. Sein Vater freute sich sehr. So würde wenigstens eins seiner Kinder in seine Fußstapfen treten.
Marrh lächelte wehmütig. Es war so viel einfacher nach Macht und Reichtum zu streben, als nach innerer Zufriedenheit.
Bald darauf kamen die fremden Knochenwesen, die sie mit großen Versprechen umwarben, und ihnen alle Herrlichkeiten, die nur denkbar waren, versprachen. Marrh hatte dieses Gehabe nicht verstanden. Sie hatten doch alles! Keiner litt Not. Jeder erhielt das Seine zum Leben… Was wollten die Fremden denn nur?! Er schüttelte den Kopf. Er glaubte nicht, dass irgendjemand diesen Wesen Gehör schenken würde. So kümmerte er sich kaum um die Fremden.
Dann stellte er eines Tages erschrocken fest, dass seine Freunde einer nach dem anderen nicht mehr kamen. Eine Zeit lang wartete er auf sie. Dann suchte er sie und fand sie bei den Fremden sitzend. Entsetzt lauschte nun auch er den Worten der Knochenwesen. Sie sprachen von der Bewertung der Arbeit nach dem Leistungsprinzip, dass niemand etwas geschenkt bekommen dürfe, dass nur der, der etwas wert ist, auch etwas erreichen kann und das Recht auf ein erfülltes Leben hat… Unproduktivität müsse ausgemerzt werden, nur dann könne ein Unternehmen Gewinn abwerfen…
Ganz langsam vergifteten diese Lehren die Herzen der Marrh. Marrh's Vater lächelte traurig als sein Sohn ihm davon berichtete. Dann sagte er leise: „Weißt du, mein Lieber, vor vielen, vielen Jahren war unsere Gesellschaft schon einmal auf diesem Trip. Sieh dir dazu im Archiv die Unterlagen an. Sie sind allen zugänglich! Sie werden dir nur zu genau zeigen wohin dieser nun eingeschlagene Weg führen wird… Was die Fremden jedoch damit bezwecken wollen ist mir ein Rätsel. Wir können im Moment nur abwarten und in den Herzen der Marrh versuchen die Erinnerung an bessere Zeiten wachzuhalten. Denn irgendwann werden sie sich wieder nach Einheit und Harmonie sehnen… Dann müssen wir bereit sein!“
Marrh war daraufhin ins Archiv gelaufen. Schaudernd hatte er sich die Dokumente angesehen. Sie zeigten einen furchtbaren Weg der Zerstörung, des Krieges und der Habgier. Dabei fiel ihm aber auf, dass selbst in diesen grausamen Zeiten nie alle Wesen schlecht gewesen waren, dass sie am Ende aus eigener Kraft die Umkehr geschafft hatten.
Es hatte immer einige Wesen gegeben, die an die Kraft des Geistes und der Einheit geglaubt hatten, und die dann schließlich auch den Funken zum Wiederaufbau lieferten.
Aus diesem Funken war dann die neue Welt des Friedens und der Harmonie entstanden, die er kennen gelernt hatte…
Die Gefahren des Krieges und der Habgier waren jetzt lange vergessen. Keiner erinnerte sich mehr an diese Zeiten. Es war zu lange her. Die Welt war langweilig geworden… Jetzt lockte das Neue, der Reichtum. Die Gemeinschaft war vergessen. Jetzt galt nur der Einzelne noch etwas. Jedem verlangte es danach so viel wie nur irgend möglich zu bekommen… Sie hatten fast die gleichen Verhältnisse wieder, die vor so vielen Jahren zu den hässlichen Kriegen geführt hatten!
Die Waage des Gleichgewichts war einmal mehr auf die dunkle Seite übergegangen.
Marrh fragte seinen Vater interessiert, ob sich das Gleichgewicht auch auf die helle Seite verlagern könnte. Dieser lachte und erklärte ihm, dass es dann ebenfalls keine Freude geben würde, wie im anderen Fall. Die Bewohner ihrer Welt wären schließlich weder absolut gut noch absolut böse! Sie konnten nur versuchen mit sich und allen Schwächen und Versuchungen und Fähigkeiten in Frieden und im Gleichgewicht zu leben… Um ganz böse oder gut zu werden, fehlte ihnen die Fähigkeit!
Marrh schüttelte den Kopf. Irgendwie sah er das nicht ein. Sie schienen ihm doch jetzt ziemlich böse zu sein… Ihre Mitwesen galten ihnen nichts mehr. Es gab kaum noch Familien. Die Fremden hatten wirklich ganze Arbeit geleistet. Sie mussten doch jetzt zufrieden sein! Doch dem war nicht so. Es zeigte sich, dass es diesmal doch etwas anders war damals. Denn die Fremden ließen nicht locker.
Die ganze Welt verwandelte sich langsam aber sicher in eine einzige Einöde. Nur hier im Garten seines Vaters änderte sich nichts. Hier konnte er sich immer wieder erholen. Irgendwann hatte sich sein Vater ins Innere der heiligen Pyramide zurückgezogen. Er selber hatte lieber die weitere Entwicklung direkt abwarten wollen… Es würde die Zeit kommen, in der sie wieder gebraucht würden, hatte sein Vater gemeint. Bis dahin sollten sie nur geduldig sein…
Er hatte sich dieser Meinung nicht so recht anschließen können. Vielleicht konnte er ja doch irgendetwas machen… So hatte er gewartet und alles genau beobachtet.
Die Knochenwesen waren ebenfalls äußerst geduldig. Dabei schien es Marrh so, als ob sie auf einen bestimmten Punkt warteten, an dem sie ihr wahres Anliegen vortragen wollten. Doch dieses blieb zunächst im Dunkeln. Die Fremden verließen für eine gewisse Zeit die Welt. Sie würden wiederkommen…
Die Zeit verging. Die Welt wurde immer dunkler. Die Macht und die Gier nach Reichtum verdunkelten den Himmel immer mehr. Dann kamen die Knöchernen wieder. Zufrieden betrachteten sie ihr Werk.
Die Natur war inzwischen so gut wie zerstört. Die Marrh waren nicht glücklich darüber. Sie begannen sie zu vermissen.
Die Fremden lachten zynisch. Jetzt hatten sie die Weltbewohner da, wo sie sie hatten haben wollen! Sie versprachen ihnen, die Umweltschäden zu beheben, wenn sie ihnen die kristallene Schale des reinen Lichtes aushändigen wollten…