Hausbootküsse - Karin Wimmer - E-Book
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Hausbootküsse E-Book

Karin Wimmer

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Beschreibung

Heimat ist da, wo der Anker fällt Sylvie wagt einen Neuanfang, packt ihre Siebensachen zusammen und tritt eine Stelle in der Eventagentur ihrer Freundin an der Ostsee an. Wie gerne möchte sie ihr altes Leben mit all seinem Schmerz und den Problemen endlich hinter sich lassen. Vor allem als sie Georg in Sterenholm trifft, der die Schmetterlinge in ihrem Bauch aus ihrem jahrelangen Winterschlaf erweckt. Aber es gibt noch Versprechen aus der Vergangenheit, die es einzulösen gilt. Und so sehr sie sich wünscht, dass Georg mehr als nur ein Freund wird - wie kann er in ihr Leben passen, in dem eine neue Liebe noch keinen Platz haben darf? Sie wollen mehr wunderbare Strandkorblektüre? Entdecken Sie die komplette Sterenholm-Reihe: - Band 1: Strandkorbflüstern - Band 2: Strandkorbsehnsucht - Band 3: Hausbootküsse - Band 4: Meersalzträume - Band 5: Dünenherzen - Band 6: Leuchtturmhoffnung - Band 7: Sandstrandliebe

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Seitenzahl: 409

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Hausbootküsse

Die Autorin

Karin Wimmer lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Niederösterreich. Seit sie denken kann, sind Bücher ihre treuen Begleiter und Freunde und schon im Teenageralter entdeckte sie auch das Schreiben für sich. Ihre Ideen kommen meist spontan aus alltäglichen Situationen und lassen sie dann nicht mehr los, bis sie sich an den Laptop setzt. Die Liebe spielt in ihren Romanen immer die Hauptrolle. Ihre eigene Leidenschaft gehört ihrer Familie, dem geschriebenen Wort und Schokolade – in etwa in dieser Reihenfolge.

Das Buch

Sylvie wagt einen Neuanfang, packt ihre Siebensachen zusammen und tritt eine Stelle in der Eventagentur ihrer Freundin an der Ostsee an. Wie gerne möchte sie ihr altes Leben mit all seinem Schmerz und den Problemen endlich hinter sich lassen. Vor allem als sie Georg in Sterenholm trifft, der die Schmetterlinge in ihrem Bauch aus ihrem jahrelangen Winterschlaf erweckt. Aber es gibt noch Versprechen aus der Vergangenheit, die es einzulösen gilt. Und so sehr sie sie sich wünscht, dass Georg mehr als nur ein Freund wird - wie kann er in ihr Leben passen, in dem eine neue Liebe noch keinen Platz haben darf?

Von Karin Wimmer sind bei Forever erschienen:StrandkorbflüsternStrandkorbsehnsuchtHausbootküsse

Karin Wimmer

Hausbootküsse

Ein Ostsee-Roman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei ForeverForever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinApril 2021 (1)

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2021Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © privatE-Book powered by pepyrus.com

ISBN 978-3-95818-619-4

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Prolog

Kapitel 1 – vor einem Jahr

Kapitel 2 – vor drei Jahren

Kapitel 3 – heute

Kapitel 4 – vor drei Jahren

Kapitel 5 – heute

Kapitel 6 – heute

Kapitel 7 – vor drei Jahren

Kapitel 8 – heute

Kapitel 9 – heute

Kapitel 10 – vor drei Jahren

Kapitel 11 – heute

Kapitel 12 – vor drei Jahren

Kapitel 13 – heute

Kapitel 14 – vor drei Jahren

Kapitel 15 – heute

Kapitel 16 – vor drei Jahren

Kapitel 17 – heute

Kapitel 18 – vor drei Jahren

Kapitel 19 – heute

Kapitel 20 – vor drei Jahren

Kapitel 21 – heute

Kapitel 22 – vor drei Jahren

Kapitel 23 – heute

Kapitel 24 – vor drei Jahren

Kapitel 25 – heute

Kapitel 26 – vor drei Jahren

Kapitel 27 – heute

Kapitel 28 – heute

Kapitel 29 – heute

Kapitel 30 – heute

Kapitel 31 – heute

Kapitel 32 – heute

Kapitel 33 – heute

Kapitel 34 – heute

Kapitel 35 – heute

Kapitel 36 – heute

Epilog

Danksagung

Leseprobe: Strandkorbflüstern

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Prolog

Widmung

Heimat ist da,wo der Anker fällt!

Prolog

Mein Leben ist kompliziert. Ja, ich weiß: Immer, wenn man das jemandem sagt, erntet man einen wissenden Blick, so als wüsste das Gegenüber, was einem widerfahren ist und dass man übertreibt. Dass es doch nur einer kurzen Klärung bedarf und dann alles wieder im Lot ist. Aber mein Leben ist wirklich kompliziert.

Doch fangen wir erst einmal ganz von vorne an. Mein Name ist Sylvie, ich bin sechsundzwanzig Jahre alt, zierlich und habe rotblondes, langes Haar und blaue Augen. Meine Eltern sind seit fünfunddreißig Jahren zusammen und ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu ihnen, was vielleicht daran liegt, dass ich Einzelkind bin und meine Familie auch in weiteren Schichten sehr klein ist. Man könnte meinen, ich bin ein glatt gestricktes Mädchen von nebenan. Und das ist auch gut so, schließlich tue ich seit einigen Jahren alles dafür, diese Fassade aufrechtzuerhalten. Bisher hat mir das auch keine großen Schwierigkeiten bereitet, auch wenn es mich persönlich belastet. Doch dann kam der Abend, an dem sich alles änderte.

Kapitel 1 – vor einem Jahr

Meine beste Freundin Alexandra hat bis vor Kurzem in der Eventabteilung einer Zeitarbeitsfirma mit mir zusammengearbeitet. Seit einigen Wochen hilft sie in der Pension ihrer Zwillingsschwester an der Ostsee in Service und Küche aus. Im heimeligen L&P verbringe ich nun meinen Urlaub.

Am ersten Abend hier nimmt mich Alexandra, die alle nur Lexi nennen, in die Bar Leuchtturm mit. Der alte Leuchtturm direkt an der Küste, der als Bar umgebaut wurde und eine tolle, maritime Atmosphäre bietet, ist rappelvoll. Wir setzen uns an die Bar und bestellen eben etwas zu essen, als plötzlich zwei Gläser Sekt vor uns stehen. Die Kellnerin deutet auf die andere Seite des Tresens. Meine Freundin scheint den Spender zu kennen, denn sie winkt ihn herüber. Ich schenke dem nicht zu viel Beachtung, doch kurz darauf stellt sie mich ihm vor.

»Sylvie, das ist Georg, er leitet das Tourismusbüro hier im Ort«, erklärt sie mir und als ich aufsehe, steht mir ein Mann gegenüber, dessen Namen und Beruf ich so gar nicht mit seinem Erscheinungsbild in Verbindung gebracht hätte. Chucks, Jeans und ein enges graues Shirt bekleiden einen gut proportionierten Körper, der vermuten lässt, dass er trainiert. Auf einem rundlichen, glatt rasierten Gesicht mit gut ausgeprägten Wangenknochen sitzt ein strahlendes Lächeln und unter dunklem, kurzem, leicht widerspenstigem Haar blitzen mich zwei braune Augen interessiert an.

»Hi«, sagt Georg schlicht und streckt mir seine Hand entgegen. Ich ergreife sie mit einem freundlichen: »Hallo!« Sein Händedruck ist sanft, aber fest und er begegnet mir so offen, dass ich mich in seiner Gegenwart sofort entspanne, was nur selten passiert. Aus dem Augenwinkel bemerke ich, dass Lexi ihren Freund Niko entdeckt hat und ihm entgegengeht.

»Ich wusste gar nicht, dass Lexi so hübsche Freundinnen hat«, schmeichelt mir Georg.

»Ach, und du kennst ihren Freundeskreis schon so gut?«, gebe ich zurück und entlocke ihm ein tiefes Lachen, das mich mitreißt.

»Eigentlich nicht«, gibt er zu. »Aber ich bin gerade dabei, dass sich das ändert.«

Er flirtet ganz eindeutig mit mir und ich lasse es zu. Weil er mir gefällt. Weil es mir guttut. Und weil ich weit weg von zu Hause bin.

»Wie willst du das nur wiedergutmachen?«, steige ich darauf ein.

»Da fällt mir schon noch etwas ein«, gibt er sich zuversichtlich. Dann sieht er mich einen Moment lang nur an.

»Hättest du Lust morgen an einer Bootstour teilzunehmen?«, fragt er dann ruhig. »Um elf legt vom Hauptpier ein Ausflugsdampfer ab, der ein Stück die Küste rauf und runter schippert und einen guten Eindruck über das Tourismusgebiet vermittelt. Das Essen auf dem Schiff ist auch wirklich lecker. Normalerweise sind die Karten sehr schnell weg, aber ich kenne den Kapitän und der nimmt sicher mir zuliebe noch zwei Passagiere zusätzlich mit.«

Der legt aber mal ein Tempo an den Tag.

»Und mit den beiden Passagieren meinst du Lexi und mich?«, antworte ich schlagfertig, um Zeit zu gewinnen.

»Wenn du das möchtest, kannst du auch Lexi mitnehmen. Aber eigentlich wollte ich dich begleiten«, erwidert er. Zwischen uns ist ein leichtes Knistern, doch er verhält sich weder frech noch aufdringlich, sondern gelassen, aber direkt. Ein wenig flirten, aber keine Spielchen. Das gefällt mir. Unter anderen Umständen würde mir das sogar sehr gut gefallen, aber jetzt bringt es mich in eine leichte Zwickmühle. Ich muss eine Entscheidung treffen. Georg scheint mein Zögern zu bemerken, denn er schenkt mir ein Lächeln und deutet auf die Kellnerin, die unsere Bestellung serviert.

»Euer Essen ist da«, merkt er an. »Entschuldigst du mich kurz?«

Lexi und Niko sind endlich bis zu uns durchgekommen und meine Freundin sieht mich neugierig an, ehe sie in ihr Baguette beißt.

»Und?«, fragt sie dann.

»Was und? Wir haben uns nur unterhalten«, wehre ich ihre Frage sofort ab.

»Hey, so habe ich das nicht gemeint. Er ist nett, also wollte ich wissen, wie du ihn findest«, erklärt Lexi.

»Auch nett«, weiche ich ihr aus. Dann merke ich, dass es die Wahrheit ist. Er ist nett. Und offenbar versteht er sich auch gut mit meiner Freundin, also kann er kein schlechter Kerl sein. Es ist nur ein Ausflug. Er kümmert sich um mich, weil ich hier niemanden kenne und Lexi arbeiten muss.

»Er hat mich für morgen eingeladen an der Bootstour teilzunehmen. Würde dich das stören? Weil, na ja, eigentlich bin ich ja hier, um dich zu besuchen.« Falls sie doch frei hätte, wäre das Thema gleich vom Tisch.

»Na klar nimmst du teil! Die Tour muss toll sein, die meisten Gäste sind begeistert, irgendwann will ich das auch noch machen, solange ich hier bin. Außerdem muss ich morgen ohnehin arbeiten, also mach dir wegen mir keinen Kopf«, antwortet sie und macht meine Hoffnung, um eine Entscheidung herumzukommen, zunichte. Einen Moment später taucht Georg wieder bei uns auf.

»Und du hast also vor, mir meine Freundin morgen zu entführen?«, bindet Lexi ihn ins Gespräch mit ein.

Er lacht. »Wenn ich darf und sie das auch möchte?«

Sag ich ja, oder sag ich nein? Ja oder nein, ja oder nein? Doch dann findet Georgs Blick den meinen, mein Kopf setzt aus und ehe ich es mich versehe, nicke ich.

»Aber dass du sie mir unbeschadet wieder zurückbringst!«, scherzt Lexi, die von meinem inneren Kampf natürlich nichts mitbekommen hat.

»Darauf trinken wir gleich noch ein Glas«, meint Georg und bestellt weitere vier Gläser Sekt. Ich stürze meines gleich zur Hälfte hinunter und rede mir danach ein, dass mein beschleunigter Puls vom Alkohol kommt.

Es ist lustig mit den dreien. Doch da Niko und Lexi ein Paar sind, hat der Abend einen Touch von einem Doppeldate.

Etwas später raunt meine Freundin mir zu, dass sie und Niko sich auf dem Heimweg machen, denn die beiden müssen morgen früh raus. Sie fragt, ob ich noch bleibe, doch für mich war es heute aufregend genug. Also verabrede ich mit Georg, dass er mich am nächsten Tag um halb elf vom L&P abholt und wir fahren zu dritt zurück in die Pension.

Ich weiß, dass Lexi verwundert ist, dass ich nicht länger geblieben bin und tatsächlich fragt sie mich danach, als wir allein sind. In diesen Momenten hasse ich mein Leben. Nicht dafür, dass es kompliziert ist. Sondern dafür, dass ich meinen Freunden etwas verheimlichen muss. Und um das zu können, ist es notwendig, manches etwas … anders zu erzählen, als es der vollen Wahrheit entspricht. Ich schrecke aus meinen Gedanken, als Lexi sich räuspert. Ach ja, sie wartet auf eine Antwort. Ich senke den Blick und greife nach einer Ausflucht.

»Ich habe dir doch heute Nachmittag schon gesagt, dass es manchmal klüger ist, abzuhauen, bevor mehr draus wird«, antworte ich leise, wünsche ihr eine gute Nacht und gehe in mein Zimmer.

Am nächsten Tag steht Georg pünktlich an der Rezeption. In Caprihose, luftigem Top und Sandalen gehe ich die Treppe hinunter und versuche das leise Ziehen in meinem Bauch zu ignorieren, als ich ihn entdecke.

»Hi«, sage ich zurückhaltend und weiß nicht ganz, wie ich ihn begrüßen soll.

»Schön dich zu sehen«, antwortet Georg und berührt mich nur für einen Augenblick am Oberarm. Meine Haut kribbelt unter seiner Hand. Doch schon zieht er sie zurück und winkt der Mitarbeiterin hinter dem Computer kurz zu, ehe wir nach draußen gehen. Es ist schon sehr warm und wir machen uns zu Fuß auf den Weg zum Pier. Auf der Einkaufsmeile sieht Georg mich prüfend von der Seite an.

»Ein Hut«, sagt er dann.

Fragend hebe ich die Augenbrauen.

»Ein Hut«, wiederholt er.

»Ein Stock, ein Damenunterrock«, erwidere ich.

»Was?«

»Was?«

Wir lachen beide und bleiben stehen.

»Gut, ich fang noch mal an«, meint er dann. »Es ist heiß heute und ein Hut – oder eine andere Kopfbedeckung – wäre eine gute Idee auf dem Schiff.« Er deutet auf den modischen Fischerhut auf seinem eigenen Haupt.

»Ach so«, gluckse ich und nicke.

»Was wolltest du denn mit einem Unterrock?«, erkundigt sich Georg neugierig.

»Das ist ein Kinderreim«, kläre ich ihn auf. »Ich habe als Teenager oft gebabysittet. Und da bleibt einiges hängen, vor allem, wenn es sich reimt.«

»Verstehe!«, erwidert er lachend. Vor einem Geschäft, das Hüte verkauft, bleibt er stehen und ich greife nach einem großen, weißen Strohhut mit breiter Krempe, setze ihn auf und betrachte mich in dem kleinen Spiegel.

Georg reckt die Daumen nach oben. »Mit dem bist du ganz inkognito unterwegs. Damit würde man nicht mal einen Filmstar erkennen«, scherzt er und winkt ab, als ich nach meiner Geldbörse greife. Während er bezahlt, bemühe ich mich, das Lächeln auf meinem Gesicht zu bewahren, denn er hat keine Ahnung, wie nah er an der Wahrheit dran ist.

Als ich den alten, weißen Dampfer sehe, hebt sich meine Laune wieder. Ich bin gern auf dem Wasser. Wir ergattern einen schönen Platz an der Reling des Sonnendecks und als das Schiff ablegt, entspanne ich mich zusehends.

»Du hast also als Babysitterin angefangen«, greift Georg das Thema wieder auf, während der Dampfer sich bereits langsam in Bewegung setzt. »Und was machst du heute beruflich?« Man merkt, dass es ihn wirklich interessiert und er nicht nur Small Talk macht.

»Ich arbeite in der Eventabteilung einer großen Zeitarbeitsfirma. Wir vermitteln Arbeitskräfte, wo immer sie gerade gebraucht werden. Und in meinem Fall heißt das eben für Veranstaltungen. Neuerdings organisieren wir die Feiern auch komplett, hauptsächlich natürlich für Firmen, aber auch ein paar Hochzeiten waren schon dabei.« Ich erzähle gern von meinem Job. Er macht mir Spaß und es ist ein ungefährliches Thema. Und Georg fragt weiter. Woher ich Lexi kenne und wo ich wohne. Dazwischen zeigt er mir immer wieder die Sehenswürdigkeiten, an denen wir vorbeischippern. Ich fühle mich wohl mit ihm. Das könnte ein Problem werden, doch hier auf dem Wasser schiebe ich meine Sorge einfach beiseite und genieße das Urlaubsgefühl. Viel zu schnell legen wir wieder an. Es ist Nachmittag geworden und ich kann nicht glauben, wie viel ich geredet habe. Zu Fuß schlendern wir zurück zur Pension.

»Wie kommt es eigentlich, dass sich der Leiter des Tourismusbüros mitten in der Hauptsaison spontan einen Tag freinehmen kann?«

Georg lacht leise. »Die Planung ist schon seit Wochen abgeschlossen. Solange kein Sturm aufzieht und alles durcheinanderbringt, so wie vor ein paar Tagen, sollte jetzt die restliche Saison wie am Schnürchen laufen. Da ist ein freier Tag schon mal drin. Vor allem wenn man sich um schöne, einsame Touristinnen kümmern muss.« Er zwinkert mir zu.

»Ach, machst du das öfter?«, frage ich frech. Georg bleibt stehen und dreht mich sanft so herum, dass ich ihn ansehen muss. Dann macht er einen Schritt auf mich zu.

»Ich gebe gern allen Gästen Auskunft darüber, dass die Fahrt mit dem Ausflugsschiff ein besonderes Erlebnis ist. Aber ich habe noch nie jemanden begleitet. Bis auf dich«, erklärt er mir dann ruhig und mit festem Blick. Mein Herz beschleunigt seinen Rhythmus bedenklich.

»Und warum das?«, flüstere ich dann. Er hebt seine Hand und steckt eine Haarsträhne hinter mein Ohr. Für einen Moment glaube ich, dass er mich küssen wird, doch er streichelt nur sanft mit dem Zeigefinger über meine Wange.

»Weil ich dich gerne besser kennenlernen möchte«, gesteht er dann. »Natürlich nur, wenn das für dich in Ordnung ist?« Abwartend sieht er mich an.

Nein ist es nicht. Besser kennenlernen ist eine ganz schlechte Idee. Je besser wir uns kennen, desto gefährlicher wird es. Doch dann höre ich mich mit einem leisen »Ja« antworten. Was mach ich denn da? Bin ich verrückt geworden? Die Seeluft hat wohl meinen Verstand ausgeschaltet. Doch andererseits bin ich in ein paar Tagen wieder zu Hause. Was soll schon groß passieren?

»Als Freunde«, füge ich hinzu. »Ich reise am Sonntag wieder ab und kann kein Drama gebrauchen.«

Ich ernte nur ein Lächeln von Georg, ehe er weitergeht. Hoffentlich ist meine Message bei ihm angekommen, denn es war mein voller Ernst.

Im L&P laufen wir Lilly, Lexis Zwillingsschwester und Chefin der Pension, über den Weg, die uns noch eine Flasche Wein auf die Terrasse bringen lässt, obwohl das Restaurant schon geschlossen hat.

»Ich kann ja nicht glauben, dass Lexi hier in der Küche hilft«, meine ich trocken, nachdem wir angestoßen haben. »Sie ist eine grauenhafte Köchin.«

Georg verschluckt sich beinahe vor Lachen. »Danke für die Vorwarnung, dann werde ich wohl erst wieder in der Nachsaison hier essen.«

»Quatsch, Lilly und Niko haben ja ein Auge auf sie. Und angeblich hat sie schon einiges gelernt. Ich gebe dir Bescheid, wie mein erstes Essen hier war.« Ich lehne mich auf meinem Stuhl zurück und ziehe ein Knie an. Wieder ist es so, dass ich erstaunlich entspannt bin in Gegenwart eines Mannes.

»Wie sind deine Kochkünste denn so?«, fragt Georg.

»Ich kann wahnsinnig gut Curryhuhn … beim Thailänder um die Ecke bestellen. Und meine Fähigkeiten Tiefkühlpizza in den Ofen zu schieben sind überragend.«

»Na, das klingt doch vielversprechend!«

»Und du? Bist du ein heimlicher Gourmetkoch?«, will ich wissen. Er wiegt den Kopf. »Das nun gerade nicht, aber ich weiß, wie man einen Herd benutzt«, erwidert er. »Ich musste mich schon früh um mich selbst kümmern, da lernt man das quasi nebenbei.«

Ich überlege, ob ich nachhaken soll, da kommt Lexi zu uns auf die Terrasse und nimmt mir die Entscheidung ab.

»Darf ich mich kurz zu euch setzen?«, fragt sie höflich.

»Hey, Lexi. Na klar«, begrüßt Georg sie.

»Schön, dass wir uns noch sehen. Unsere Tour war der Hammer. Du musst das unbedingt noch machen, bevor du nach Hause fährst«, plaudere ich rasch über unseren Ausflug.

Lexi und Georg beginnen über das Touristenprogramm der nächsten Wochen zu sprechen. Doch ich höre nicht wirklich zu. Ich nutze die Gelegenheit, dass Georg sich auf Lexi konzentriert, um ihn zu mustern. Und ich kann nicht abstreiten, dass mir gefällt, was ich sehe. Er ist nicht nur sehr attraktiv, sondern auch freundlich, aufmerksam und lustig. Mit ihm Zeit zu verbringen ist so leicht. Man merkt an seinem Auftreten, dass er in sich ruht. Er ist, wie er ist, und versteckt sich nicht hinter einer Fassade und das wirkt auf mich sehr anziehend. Aber ich bin sicher, dass auch er Dinge mit sich herumträgt, die er verbirgt, denn das tun wir letztlich alle. Jedoch mache ich mir Sorgen, welche Auswirkungen er auf mein gut gehütetes Geheimnis haben könnte. Mein Körper reagiert eindeutig auf ihn und auch mein Herz erwärmt sich mit jeder Stunde mehr für diese samtigen Augen und seine sanfte Art. Doch mein Verstand muss scharf und wachsam bleiben, denn mehr als einen harmlosen Urlaubsflirt darf ich mir in meiner Lage nicht erlauben.

Lexi verabschiedet sich und steht auf.

»Ist alles in Ordnung mit dir? Du wirkst so abwesend«, erkundigt sich Georg, als wir wieder allein sind und hält fragend die Weinflasche hoch. Da ich meinem Verstand im alkoholisierten Zustand nicht traue und Georg den Rest schon auf seiner Seite hat, schüttle ich den Kopf.

»Ja, alles gut! Nur etwas müde von der vielen Sonne«, gebe ich vor. »Ich bin eben doch eine Büropflanze.«

Georg lacht, doch wir werden erneut gestört. Diesmal ist es Niko, der um die Ecke kommt. Ich nutze die Gelegenheit, verabschiede mich von den beiden und gehe in mein Zimmer.

Am nächsten Tag laufe ich Lexi an der Rezeption in die Arme, als ich gerade in die Stadt aufbrechen möchte. Georg hat mir eine Nachricht an der Rezeption hinterlassen mit seiner Nummer und der Frage, ob ich Lust hätte heute mit ihm shoppen zu gehen. Und wieder einmal wusste ich, dass es eigentlich keine gute Idee ist, aber ich konnte einfach nicht ablehnen.

»Hast du schon eine Verabredung heute Nachmittag?«, erkundigt sich Lexi.

»Keine, die ich nicht für dich absagen würde«, erwidere ich dankbar.

»Alles klar, dann sag alles ab und schmeiß dich in deinen Bikini, wir treffen uns in zehn Minuten auf der Terrasse.«

Ich rufe Georg gleich von der Rezeption aus an und sage ihm, dass Lexi mich heute für sich beansprucht. Er reagiert sehr verständnisvoll. Natürlich tut er das. Könnte er nicht ein bisschen weniger perfekt sein? Dann erkundigt er sich, ob wir morgen Windsurfen gehen wollen. Da kann ich nicht widerstehen! Ich sage zu und wenig später sind Lexi und ich auf dem Weg an den Strand.

Meine Freundin findet es anscheinend sehr witzig, dass Georg so interessiert ist an mir und zieht mich damit auf. Wir machen es uns auf den Liegetüchern bequem, als sie mich fragt, wieso ich überzeugter Single bin. Da ist sie – die Frage, die mich wieder einmal in die unangenehme Lage bringt, einer Freundin nicht ganz die Wahrheit sagen zu können. Ich erzähle ihr, dass es nicht an mangelnden Angeboten liegt. Aber wenn die Umstände nicht passen, lasse ich es lieber, denn Drama kann ich in meinem Leben nicht gebrauchen. Ich gebe auch zu, dass ich Georg interessant finde. Er ist witzig, charmant, sieht gut aus, weiß was er im Leben will und mag mich offensichtlich sehr. Meine Zurückhaltung schiebe ich auf die Entfernung, mit der ich nicht umgehen könnte. Und dass ich deshalb nicht mehr zulasse als Freundschaft. Daraufhin wendet sich das Gespräch wieder anderen Themen zu und ich atme innerlich auf. Nachdem wir uns in der Ostsee abgekühlt haben, erzähle ich ihr vom Windsurfen und wir verabreden, uns am nächsten Abend zu viert im Leuchtturm zu treffen.

Das Windsurfen am darauffolgenden Tag stellt sich als sehr lustig heraus. Vor allem, da Georg offensichtlich annimmt, dass er es mit einer Anfängerin zu tun hat. Nachdem wir uns die Ausrüstung ausgeliehen haben, möchte er mir erst zeigen, wie man die Füße auf dem Board platziert und das Segel am besten hochzieht, ehe er mir dann Hilfestellung geben will. Ich beobachte ihn aufmerksam, bevor ich mich in Position bringe und davonflitze. Ich war als Teenager oft mit meinen Eltern am Meer und habe diesen Sport schon früh für mich entdeckt. Der Wind und die emporspritzende Gischt, während man über das Wasser saust, geben mir ein besonderes Gefühl von Freiheit. Ich sehe mich nach Georg um und entdecke ihn ein gutes Stück hinter mir. Die Überraschung hat ihn wertvolle Sekunden gekostet und ich habe nicht vor, den Vorsprung zu verlieren. Eine rasche Wendung lässt mich auf die offene See hinausschießen. Ich lache übermütig und lasse mich zu einem lauten »Wuhuuuuu« hinreißen. So frei und voller Leben habe ich mich schon seit Jahren nicht mehr gefühlt. Um mich nicht zu weit vom Festland zu entfernen, drehe ich das Segel erneut und rase Georg nun entgegen. Er zieht eine elegante Schleife und kommt dann an meine Seite. Eine Weile surfen wir nebeneinander her.

»Du bist ja ein Profi! Ich habe dich wohl eindeutig unterschätzt!«, ruft er mir zu.

»Dann solltest du aufpassen, dass dir das nicht öfter passiert!«, erwidere ich und erlaube mir, den Blick seiner braunen Augen festzuhalten. Ein leises Kribbeln macht sich in meiner Magengegend breit. Können wir nicht für immer auf dem Wasser bleiben? Georg lacht leise, als hätte er meinen Gedanken gehört und sieht nach vorne.

»Die Boje, pass auf!«, schreit er plötzlich. Und da sehe auch ich das rote Plastikteil auf mich zukommen. Schnell weiche ich aus, verliere aber das Gleichgewicht und stürze.

»Sylvie!«, höre ich Georgs entsetzte Stimme und schon ist er bei mir im Wasser.

»Alles in Ordnung«, beruhige ich ihn. »Ich bin nicht zum ersten Mal gestürzt. Außerdem bin ich schon ein großes Mädchen und kann schwimmen.«

Er mustert mich so besorgt, dass ich ein Lächeln nicht unterdrücken kann. Die nächste Welle erfasst mich und trägt mich in seine Arme. Er fängt mich auf und atmet scharf ein. Ihm auf einmal so nahe zu sein überrascht und überfordert mich einen Moment lang. Die Situation hat an Leichtigkeit verloren. Mein Herz pocht aufgeregt gegen meinen Brustkorb und ich spüre überdeutlich, wo seine nackte Haut auf meine trifft. Sein Blick wandert zu meinen Lippen und sein Gesichtsausdruck verrät, dass er mich jetzt gerne küssen würde. Vorsichtig fühle ich in mich hinein und entdecke, dass mir diese Vorstellung gefällt. Ich glaube, dass seine Küsse anders wären, weil er anders ist und weil ich mich anders fühle mit ihm. Er verharrt immer noch regungslos, ich spüre, wie er mit sich hadert, abwägt, wie weit er gehen soll, gehen darf. Und auch wenn ich ihm zwei Tage zuvor erst gesagt habe, dass ich nur Freundschaft zu ihm möchte, wünsche ich mir jetzt fast, dass er seine Beherrschung verliert und tut, wonach er sich offenbar sehnt. Denn tief in meinem Inneren spüre ich ein Vibrieren, das ich schon verloren geglaubt habe. Doch er lässt mich mit einem Räuspern los und schwimmt wieder zu seinem Board zurück.

»Wir sollten uns langsam auf den Rückweg machen«, meint er mit rauer Stimme, wartet, bis ich in Position bin, und zieht dann das Segel auf. Ich bin dankbar für die kleine Verschnaufpause, während wir erneut über die Wellen gleiten und die Gelegenheit, mich wieder zu fangen. Schnell überschlage ich im Kopf, wie lange ich noch hierbleibe. Ich weiß nicht, ob ich das noch zwei weitere Tage durchhalte, ohne in eine Katastrophe zu schlittern. Ich fühle mich wohl mit Georg und langsam wird er zu einer unwiderstehlichen Versuchung. Doch es darf nicht sein.

Am Strand verabschiede ich mich schnell und versichere ihm, dass ich allein zurück ins L&P finde.

Frisch geduscht und umgezogen erkunde ich auf eigene Faust die Stadt. Bis zu unserem Treffen im Leuchtturm ist noch Zeit und ich shoppe ein paar Souvenirs für meine Eltern und mich selbst. Als ich schließlich im Lokal ankomme, wartet Georg bereits auf mich.

»Hast du etwas Schönes gefunden?«, fragt er und die Spannung von heute Nachmittag ist nicht mehr zu spüren. Gut so! Ich nicke und zeige ihm meine Schätze. Er zieht mich damit auf, dass ich eine typische Touristin bin, da ich an dem Modell des Stadt-Wahrzeichens – dem Leuchtturm – nicht vorbeigehen konnte. Dann erzählt er mir, dass er von Niko heute ein Demo bekommt, weil er dessen Band eventuell für das After-Season-Fest im Oktober engagieren will und fragt mich nach meiner professionellen Meinung, eine Newcomer-Band für so ein wichtiges Event zu buchen.

»Wenn sie gut genug sind und das liefern können, was du dir vorstellst, haben sie eine Chance verdient«, antworte ich ihm ehrlich.

Da kommt Niko auch schon herein und wenig später Lexi. Die Begrüßung der beiden ist so liebevoll und innig, dass sich in meinem Inneren unweigerlich etwas zusammenzieht. Es ist schön, so verliebt zu sein. Dann fällt mein Blick auf Georg und auch der Ausdruck in seinen Augen ist sehnsüchtig. Es stört mich nicht, dass mit großer Wahrscheinlichkeit ich der Grund dafür bin, sondern vielmehr, dass ich ihm nicht geben kann, was er sich wünscht. Rasch wende ich mich ab. In diese Richtung dürfen meine Gedanken nicht gehen.

Niko und Georg beginnen sich über die Einzelheiten des Gigs zu unterhalten und Lexi verabschiedet sich wenig später wieder. Ich schließe mich ihr an und zu Fuß laufen wir schweigend in die Pension zurück. Ihr liegt etwas auf dem Herzen, das merke ich sofort und wahrscheinlich bin ich die schlechteste Freundin der Welt, aber ich bin an diesem Abend selbst so mit meinen Gefühlen und Gedanken überfordert, dass ich sie nicht frage, ob sie darüber reden will.

Am nächsten Tag verziehe ich mich nach dem Frühstück sofort an den Strand und mache es mir in einem der vielen Strandkörbe bequem. Ich krame mein Buch aus der Tasche, das ich mir von Lilly geliehen habe. Es ist eine Biografie von einem Starkoch, doch schon nach wenigen Seiten klappe ich sie wieder zu. Meine Gedanken schweifen immer wieder ab. Ich bin Inge an der Rezeption heute absichtlich aus dem Weg gegangen, damit ich eine eventuelle Nachricht von Georg erst gar nicht bekomme. Meine Handynummer habe ich ihm wohlweislich immer noch nicht gegeben. Es wird Zeit für ein wenig Ruhe. Eigentlich war der Plan, dass ich mich hier erhole, doch so fühle ich mich ganz und gar nicht. Ich denke über die letzten Jahre meines Lebens nach und muss zugeben, dass ich schon lange nicht mehr so viel Spaß hatte wie in den vergangenen paar Tagen. Doch das Gedankenkarussell drum herum und mein nagendes Gewissen kosten mich sehr viel Kraft.

Zu Mittag bin ich der letzte Gast, der zum Essen in den Speisesaal kommt, und Gabi nickt, als ich nach draußen auf die Terrasse deute. Sie nimmt meine Getränke-Bestellung auf und ich schlemme mich durch Lillys Speisekarte. Alles, was ich probiere, schmeckt ganz hervorragend und ich lehne mich zufrieden zurück, als auch der letzte Rest Dessert aus dem Glas verputzt ist. Gabi lächelt mich an, als sie kommt, um das Geschirr abzuräumen.

»War bei dir alles in Ordnung?«, fragt sie mich freundlich.

»Ja, alles war toll! Anscheinend bin ich die Letzte«, bemerke ich, als ich einen Blick in den leeren Speisesaal werfe. »Das tut mir leid.«

»Gar kein Problem!«, versichert sie mir. »Wir bleiben gerne hier, bis alle Gäste fertig sind. Es muss ohnehin noch alles für morgen vorbereitet werden. Wobei heute ja nicht, weil wir noch üben müssen.«

»Üben?«, wiederhole ich verwirrt.

»Morgen ist der Sommerball der Restaurant-Olympiade. Es gibt eine Tanzdisziplin, bei der wir bewertet werden. Und damit wir uns nicht alle völlig blamieren, wird heute Abend noch mal kräftig geübt«, erklärt sie mir augenzwinkernd. »Dafür müssen die Tische natürlich zur Seite.«

Ich nicke verstehend. Lexi hat mir davon erzählt. Es handelt sich um eine Light-Version der Gästeanimation, die an den Wochenenden stattfindet. Mehrere Restaurants und Beherbergungsbetriebe treten in verschiedenen Disziplinen zur Unterhaltung der Gäste gegeneinander an und erspielen Punkte. Der Betrieb mit den meisten Punkten gewinnt einen Ausflug für das gesamte Team und wird im darauffolgenden Jahr auf allen Werbemitteln genannt.

»Und wann geht es los?«, erkundige ich mich interessiert.

Sie wirft einen Blick auf die Uhr. »Sobald die Küche fertig geputzt ist. Kann nicht mehr lange dauern.« Mit einem kurzen Winken verschwindet sie nach drinnen.

Interessiert beschließe ich, mir die Sache anzusehen. Von meinem Platz auf der Terrasse aus habe ich ja eine gute Sicht. Doch schon nach dem ersten Lied höre ich hinter mir ein leises Räuspern.

»Georg!«, rufe ich überrascht, als ich mich umdrehe.

»Hi«, begrüßt er mich. »Eigentlich hatte ich ja gehofft, Lexi oder Niko hier anzutreffen, aber die Alternative gefällt mir sogar noch besser.«

»Ach wirklich?«, gebe ich amüsiert zurück. »Die beiden sind bei der Bandprobe, soviel ich weiß.«

Georg nickt nur, tritt an meine Seite und wirft einen Blick in den Speisesaal, wo die halbe Belegschaft des L&P tanzt.

»Darf ich bitten?«

»Was?«, frage ich verwirrt.

»Darf ich bitten?«, wiederholt er. »Ich würde gerne mit dir tanzen.«

»Darfst du das?«, entfährt es mir.

»Sag du es mir!«, erwidert er grinsend.

»Nein, ich meine wegen diesem Olympiading. Machst du da nicht bei der Konkurrenz mit?«

Er schüttelt den Kopf. »Ich moderiere das Ding nur«, erklärt er. »Also?« Auffordernd hält er mir seine Hand entgegen.

»Nur tanzen«, stelle ich klar.

Er hebt die Hand wie zum Schwur und streckt sie dann erneut nach mir aus. Und obwohl ich weiß, welches Gefühlschaos mich gleich erwartet, lege ich meine hinein und lasse mich von ihm mit in den Speisesaal ziehen. Seine Hände auf meinem Körper verursachen ein Kribbeln und die Nähe zu ihm bringt mich durcheinander. Gott sei Dank bin ich keine Anfängerin im Tanzen, sodass ich nicht darüber nachdenken muss, was ich tue. Denn ich kann mich auf nichts anderes konzentrieren als auf ihn. Nur noch morgen, dann fahre ich wieder in mein sicheres, langweiliges Leben nach Hause, bete ich mir vor.

Für den Sommerball am nächsten Abend habe ich natürlich kein passendes Kleid im Gepäck. Also steht am Nachmittag shoppen auf meinem Programm. Ich erstehe ein dunkelblaues langes Kleid, das schmal geschnitten ist, jedoch am Rücken einen Spitzeneinsatz bis zur Taille hat. Die Farbe passt zu meinen Augen und auch zu den Riemchensandalen, die ich noch im Koffer habe.

Mit locker hochgestecktem Haar betrete ich am Abend gemeinsam mit dem Team des L&P den Stadtsaal. Georg empfängt uns schon am Eingang und als sein Blick auf mich fällt, kann ich in seinen Augen die Bewunderung ablesen. Für einen Moment genieße ich sie einfach und beschließe, die Erinnerung daran auf jeden Fall mit nach Hause zu nehmen.

»Da ist aber jemand sehr erfreut, dich zu sehen«, raunt mir Lexi zu und ich werfe ihr einen strafenden Seitenblick zu.

»Wir sind nur Freunde«, flüstere ich gerade noch, ehe Georg mir galant seinen Arm anbietet und mich zum Tisch begleitet. Die anderen verschwinden hinter der Bühne und schon bald geht der Wettbewerb los. In zwei Etappen tanzen die Paare der teilnehmenden Restaurants Walzer, Boogie und Foxtrott. Die Zuseher bewerten die Darbietung. Amüsiert sehe ich erst Lexi und Niko zu, wie sie die Aufgabe meistern und spare am Ende nicht mit Punkten für das L&P. Letztlich landet die Pension auf dem zweiten Platz. Nach der Verkündung des Siegers erklärt Georg die Tanzfläche für eröffnet und gesellt sich dann zu uns. Nach einem kurzen Wortwechsel mit Lexi und Lilly sieht er mich fragend an.

»Wenn du mich jetzt noch auf die Tanzfläche begleitest, ist mein Abend perfekt.«

Ich werfe alle Vorsicht über Bord und lasse mich von ihm entführen. Er zieht mich vorsichtig in seine Arme und wohlige Wärme macht sich in mir breit. Sein Duft steigt in meine Nase, er vermittelt mir Geborgenheit und Zuverlässigkeit. Ganz automatisch verringere ich unseren Abstand, suche die Sicherheit, die er ausstrahlt. Als ich aufsehe, treffen sich unsere Blicke. Eine schokoladenbraune Tiefe hält mich gefangen und beschleunigt meinen Puls. Der Raum rund um mich verschwimmt. Das alles hier wird langsam zu gefährlich für mich und obwohl ich mir dessen bewusst bin, kann ich nichts dagegen tun.

»Ich bin sehr froh, dass wir uns getroffen haben«, gesteht mir Georg schließlich leise. »Ich weiß, dass dein Urlaub langsam zu Ende geht, aber ich würde gerne weiterhin Kontakt mit dir halten und dich besser kennenlernen.«

Für einen Moment weiß ich nicht, was ich sagen soll, doch die Band meint es gut mit mir und wechselt zu sehr beschwingter Musik, zu der wir über die Tanzfläche wirbeln, was mir eine Antwort erspart.

»Vielleicht sollte ich wieder zurück an den Tisch«, meine ich nach einigen Tänzen.

»Noch einen Song«, bittet mich Georg. Sein Blick ist intensiv. Die Musik wird romantisch und er zieht mich näher an sich. Ich lege wie selbstverständlich meine Arme in seinen Nacken. Es ist wie ein Reflex, ich kann nicht anders. Was mache ich denn hier? Das läuft alles aus dem Ruder. Aber ich passe so perfekt in seine Arme, dass ich mich nicht nicht an ihn schmiegen kann. Und er nimmt mich so bereitwillig auf, begrüßt meine Nähe und hält mich fest und doch sanft.

»Ich weiß nicht, ob es gleich bei unserer ersten Begegnung im Leuchtturm passiert ist, oder irgendwann zwischen der Schifffahrt und dem Windsurfen, aber … ich mag dich, Sylvie«, flüstert Georg mir ins Ohr.

Sprachlos lehne ich mich etwas zurück, um ihn ansehen zu können. Sein Blick streichelt mein Gesicht und seine Augen wandern zu meinen Lippen. Er wird mich küssen. Das ist der nächste Schritt und obwohl jede Faser meines Körpers will, dass er ihn macht, schreit mein Verstand aus vollen Kräften, dass ich das nicht zulassen darf. Abrupt lasse ich ihn los, bleibe stehen und mache einen Schritt zurück. Dann haste ich zurück zu unserem Tisch. Zum Glück sehe ich meine Freundin dort sitzen.

»Würde es dich stören, mich in die Pension zu begleiten?«, frage ich sie schnell.

Alarmiert blickt sie auf. »Alles okay?«, erkundigt sie sich, während sie schon nach ihrer Tasche greift.

Ich nicke. »Klar, ich möchte jetzt nur einfach zurück.« Ich muss hier raus. Ich muss hier weg. Am besten sofort.

Sobald ich die kühle Nachtluft einatme, geht es mir besser.

Lexi ist irritiert von meiner Flucht, doch ich erzähle etwas von Trennungsschmerz, wenn ich mich auf ihn eingelassen hätte und dass ich dafür keinen Nerv habe. Und sie glaubt mir. Natürlich glaubt sie mir. Ich bin ihre Freundin, weshalb sollte sich sie anlügen? Ich spiele das Spiel inzwischen perfekt genug, um keine Zweifel an meiner Aussage aufkommen zu lassen. Ich verkörpere die Rolle so gut, dass ich selbst manchmal nicht mehr weiß, wie es eigentlich darunter aussieht. Und wofür ich das alles mache. Georg hat etwas Besseres verdient.

»Ich werde morgen ganz zeitig in der Früh fahren, noch vor dem Frühstück. Ich will ihn nicht noch mal sehen«, meine ich dann leise. Lexi nickt und lenkt mich dann noch mit belanglosen Plaudereien ab. Auch am nächsten Tag ist sie eine tolle Freundin und übernimmt sogar für mich, Georg zu sagen, dass ich abgereist bin.

Und dann fahre ich zurück in mein altes Leben. Doch Georg bekomme ich einfach nicht aus dem Kopf. Die Art, wie er mich angesehen hat, als könne er hinter die Fassade blicken. Wie wohl ich mich bei ihm gefühlt habe. Und seine Bitte, dass er mich kennenlernen möchte, lässt mich nicht mehr los. Und da wird mir klar, dass ich ein Problem habe. Und dieses Problem hat einen Namen: Max!

Kapitel 2 – vor drei Jahren

Ich nehme die Treppe, die vom Club in die höher gelegene Cocktailbar führt, und sinke oben auf einen der Hocker, von denen aus man auf die tanzende Menge und die zuckenden Lichter sehen kann. Leise Musik spielt im Hintergrund, von dem mitreißenden Beat ist hier nichts mehr zu hören. Fast unwirklich kommt mir die Party zu meinen Füßen vor. Irgendwo im Getümmel sind noch meine Kommilitonen, die genau wie ich ausgelassen die vorletzte Prüfung feiern, die wir heute hinter uns gebracht haben. Jetzt fehlt nur noch die Präsentation der Abschlussarbeit in vier Wochen, doch das ist eine reine Formsache in meinen Augen. Gegen die Monsterklausur von heute ist alles andere nur noch ein Klacks. Aber es ist gut gelaufen, wenn das mal kein Grund zum Feiern ist. Studium Eventmanagement abgehakt! Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, dass eines der hundert Bewerbungsschreiben einen coolen Job nach sich zieht, und das Leben kann kommen. Aber erst mal brauche ich etwas zu trinken und ein wenig Schonfrist für meine Füße. Der Barkeeper kommt zu mir.

»Einen Cuba Libre«, bestelle ich.

»Wow, ich hätte auf etwas Fruchtiges oder Sahniges getippt«, höre ich eine Stimme hinter mir. Als ich mich umdrehe, sehe ich in zwei Augen, die so unfassbar grün sind, dass ich überlege, ob das farbige Kontaktlinsen sind. Der Rest des Typs ist jedoch auch nicht zu verachten. Groß, blond, schlank, sportlich aber keine Bodybuilder-Muskeln, glatt rasiert, schöner Mund …

»Vom Fruchtsaft wird einem am nächsten Morgen schlecht und für Sahne habe ich schon zu viel Alkohol getrunken. Was glaubst du, was das für eine Schweinerei wird, falls ich kotzen muss?«, gebe ich frech zurück. Mal sehen, ob Mister Hübsch auch Humor hat.

»Eigentlich hatte ich ja gehofft, dass du ab jetzt aufhörst, zu trinken und dich auf anderes konzentrierst.« Sein Grinsen unterstreicht die eindeutige Anmache. Also auch noch schlagfertig und zielstrebig. Aber das kann er auch haben.

»Wenn sich etwas Interessantes ergibt …«

»Darf ich dir diesen Drink ausgeben?«

»Klar darfst du das, oder glaubst du vielleicht, ich bin so leicht zu haben, dass man mir nicht mal etwas zu trinken spendieren muss?«

»Ich beobachte dich schon den ganzen Abend und bin davon überzeugt, dass du vieles bist, aber sicher nicht leicht zu haben«, antwortet mein Gegenüber.

»Hältst du es für klug, dich schon so früh als Stalker zu outen?«, ziehe ich ihn auf und ernte ein Lachen.

»Von meinem Arbeitsplatz aus habe ich nun mal die beste Sicht auf die Tanzfläche und du hast sie in den letzten Stunden kaum verlassen.« Er deutet nach unten auf die kleine Bühne. In meinem Kopf macht es klick und ich sehe ihn mir nochmals genauer an.

»Du bist der DJ«, stelle ich dann fest.

Er nickt. »Max«, stellt er sich vor.

»Sylvie.«

Ich ergreife die Hand, die er mir entgegenstreckt, und spüre, wie mich ein Stromschlag durchzuckt. Von den Haarwurzeln bis zu den Zehenspitzen vibrieren alle meine Nervenenden, meine Sinne sind geschärft, mein Herz setzt einen Schlag lang aus. Max ergeht es anscheinend ähnlich, denn er lässt mich nicht los, sondern fixiert mich mit seinem Blick. Er wirkt überrascht.

»Das ist ungewöhnlich«, murmelt er schließlich. Ich schaffe es nur zu nicken und zwinge mich nach einigen Minuten, meine Hand zurückzuziehen. Es fühlt sich an, als wolle man zwei starke Magnete trennen. Der Kellner bringt meinen Drink und ich bedanke mich. Max deutet auf sich. Somit scheint die Rechnung beglichen.

»Sollte ich jetzt beeindruckt sein?«, frage ich mit einem Grinsen. Er schmunzelt und beugt sich zu mir. Sein Parfum ist ein bekanntes, typisch männliches, doch es passt gut zu ihm.

»Wenn ich dich beeindrucken will, wirst du das merken«, flüstert er dann in mein Ohr und der Hauch seines Atems jagt mir eine Gänsehaut über den Körper. Er sieht mich an, als wolle er abschätzen, ob es okay für mich ist, dass er mir so nahe gekommen ist. Forsch und doch rücksichtsvoll. Ich lächle ihn an und neige meinen Kopf leicht zur Seite. In diesen Augen könnte ich mich verlieren.

»Sind die echt?«, wispere ich dann. Er hebt nur fragend eine Augenbraue. »Deine Augen. Ist die Farbe echt?«

»An mir ist alles echt. Und wenn du mich lässt, beweise ich dir das gerne«, raunt er mir heiser zu.

Und dann küsst er mich ohne weitere Vorwarnung und hebt meine Welt aus den Angeln. Da ist nichts Abwartendes oder Vorsichtiges in seinem Kuss, aber auch nichts Forderndes oder Besitzergreifendes. Er gibt. Die Gefühle brechen über ihn herein und ich merke, dass er mich daran teilhaben lassen will. Leidenschaft, Lust und noch etwas, das ich nicht zuordnen kann. Unsere Lippen erzählen sich, wofür wir keine Worte finden würden. Er küsst mich, als wolle er die Spannung von unserem Händeschütteln auf die nächste Stufe drehen. Als würde ihn die Anziehung zwischen uns verrückt machen und als wolle er herausfinden, ob es mir so geht wie ihm. Und das tut es. Mein ganzer Körper reagiert und ich dränge mich an ihn. Seine Hände streichen über meinen Rücken, er zieht mich an sich und hält mich, damit ich nicht den Boden unter den Füßen verliere. Unter Aufwendung meiner gesamten Willenskraft löse ich mich ein paar Zentimeter von ihm, bevor unsere Show nicht mehr jugendfrei wird. Schwer atmend halten wir uns immer noch an den Händen, wollen den Körperkontakt nicht völlig aufgeben. Ich erkenne, dass jeder seiner Sinne auf mich ausgerichtet ist. Und obwohl ich sonst nicht der Typ dafür bin, greife ich nach meiner Tasche und ziehe ihn wortlos mit mir.

Wir legen sowohl die Taxifahrt, wie auch den Weg in meine kleine Studentenwohnung im Dachgeschoß schweigend zurück. Als ich die Türe hinter mir schließe und meine Jacke aufhänge, spüre ich seine Arme, die sich um mich schlingen. Er dreht mich zu sich und küsst mich sanft.

Ehe meine Beine erneut weich werden und ich keinen klaren Gedanken fassen kann, murmle ich nur: »Kondome?«

»Bitte sag, dass du welche im Haus hast«, fleht er.

Ich trete einen kleinen Schritt zurück. »Ich dachte eigentlich, ein DJ hat so was immer griffbereit in seiner Hosentasche.«

»Autsch! Und schon stecke ich in einer Schublade.« Er wirkt tatsächlich etwas gekränkt.

»Willst du mir sagen, dass du diese Sprüche heute zum ersten Mal geklopft hast?« Skeptisch sehe ich ihn an.

»Nein«, gibt er zu. »Wenn mir eine Frau sehr gut gefällt, spreche ich sie an. Meistens bekomme ich eine Abfuhr, manchmal einen Kuss und ein- oder zweimal wurde es eine nette Nacht. Aber ich bin kein Typ, der Kerben in seinen Bettpfosten schlägt, wie du mir das jetzt unterstellst.«

»Schon gut«, winke ich ab. »Wegen mir musst du hier nicht den Heiligen mimen.«

Er kommt einen Schritt näher und sein Blick ist so intensiv, dass mein Herz erneut stolpert.

»Ich möchte aber in einem guten Licht dastehen. Denn bei dir ist das alles etwas ganz anderes als bisher.«

Ich lache auf. »Ja, klar! Und wieso?«

»Deshalb«, antwortet er heiser und küsst mich. Die magnetische Kraft zwischen uns schlägt erneut zu und ich vergesse alles rund um mich. Ich möchte ihm näher sein, möchte mehr.

»Badezimmerschrank«, flüstere ich zwischen zwei Küssen. Ich sehe die Frage in seinen Augen. »Kondome«, füge ich hinzu und er lächelt.

Was soll ich euch erzählen? Wenn ein Mann schon mit einem Kuss deine Welt auf den Kopf stellt, hat man bei weiteren Intimitäten große Erwartungen. Und er hat sie alle übertroffen. Mehrfach fliege ich in dieser Nacht zu den Sternen, bis wir irgendwann eng umschlungen einschlafen.

Als ich am nächsten Morgen aufwache, liegt Max hellwach neben mir, hat den Kopf in die Hand gestützt und beobachtet mich.

»Du weißt, dass das gruselig ist, oder?«, murmle ich schlaftrunken.

»Das ist mir egal«, kommt zurück.

Ich kuschle mich in meine Decke und sehe ihn forschend an. »Ist das jetzt der Moment, in dem du mir sagst, dass es eine schöne Nacht war, du aber leider losmusst und dich irgendwann meldest?«, frage ich leise. »Denn du hast meine Nummer gar nicht, also würde ich sofort merken, dass es eine höfliche Lüge ist.«

Max lacht und angelt tatsächlich nach seinen Jeans. Und obwohl mir klar ist, dass es ein klassischer One-Night-Stand war, macht sich Enttäuschung in mir breit. Doch er zieht sein Handy aus seiner Tasche und lässt die Hose achtlos wieder fallen. Dann tippt er kurz darauf herum und sieht mich erwartungsvoll an. Ich nenne ihm meine Handynummer und Sekunden später läutet es in meiner Handtasche.

»So, nun können wir einander erreichen, wenn ich diese Wohnung verlassen habe«, erwidert er. »Allerdings habe ich das noch nicht so bald vor.« Er schlüpft unter die Decke und schon spüre ich seine Hände auf meiner Haut. Genießerisch schließe ich die Augen und lasse mich von ihm in eine andere Welt entführen. Max verlässt meine Wohnung erst am Abend, nachdem wir es den ganzen Tag lang kaum aus dem Bett geschafft haben. Abgesehen von einem kurzen Ausflug unter die Dusche, nach dem wir trotz des Vorhabens, uns anzuziehen, erneut in den Federn gelandet sind.

»Ich bin in einer Stunde wieder da«, verspricht er im Flur. »Ich ziehe mir nur frische Klamotten an und organisiere eine Zahnbürste, Pizza und eine große Schachtel Kondome.« Ich lache und kann es kaum erwarten, bis er wieder zurückkommt.

Meine kleine Wohnung besteht neben Bad und Schlafzimmer aus einer Küche mit angeschlossenem Ess-, Wohn- und Arbeitszimmer. Dort sitze ich schließlich mit einer Tasse Kaffee auf der breiten Fensterbank und hänge meinen Gedanken nach, während mein Blick über die Straße und den kleinen Park gegenüber gleitet. Die letzten vierundzwanzig Stunden waren ganz schön ungewöhnlich. Zwischen Max und mir stimmt die Chemie in einem beunruhigend starken Ausmaß. Es ist alles so selbstverständlich mit ihm, ich muss keine Sekunde nachdenken. Die Anziehungskraft hat immer weiter zugenommen, je länger wir beisammen waren.

Das ist doch völlig verrückt, oder? Wir kennen uns eigentlich gar nicht. Ich weiß nichts von ihm. Ich habe keine Ahnung, wo er wohnt oder wie er mit vollem Namen heißt, was er beruflich macht außer dem Job im Club. Er könnte vorbestraft sein, oder auf der Flucht oder Fan von Bayern München. Er könnte hier gleich mit einer Thunfischpizza auftauchen und ich hasse Fisch auf meiner Pizza. In diesem Moment klingelt es und ich eile zur Tür.

Draußen steht Max. Er kommt mit zwei langen Schritten auf mich zu, stellt die Pizzakartons ohne hinzusehen auf die Kommode im Flur, schließt die Tür und zieht mich in eine Umarmung. In seinen Augen lodert etwas auf und er küsst mich leidenschaftlich.

»Das hat alles viel zu lange gedauert«, flüstert er an meinen Lippen. Bevor mein Kopf sich ausklinkt, schiebe ich ihn sachte von mir und nehme das Essen mit in die Küche.

»Wollen wir nicht erst einmal etwas essen?«, schlage ich vor. Gespannt öffne ich die beiden Kartons und entdecke eine Pizza mit Schinken und Pfefferoni und eine vegetarische mit Gemüse und Pilzen. Wie konnte ich nur annehmen, dass er Fisch mitbringt? Ich lache kurz auf, als Max hereinkommt und mich von hinten umarmt.

»Was ist komisch?«, erkundigt er sich. Ich lehne mich an ihn und genieße seinen Duft und seine Nähe.

»Mir ist vorhin aufgefallen, dass ich so gut wie nichts von dir weiß.« Er knabbert an meinem Ohr und küsst sich langsam den Hals seitlich nach unten zu meinem Schlüsselbein. Ich atme scharf ein.

»Wir können gerne reden«, murmelt er in mein Ohr. »Und wir können auch gerne essen. Oder wir können zu Ende bringen, was ich gerade begonnen habe.«

Ganz nebenbei stellt er eine Packung Kondome neben die Pizza und auf einmal ist mein knurrender Magen überhaupt nicht mehr wichtig.

Kapitel 3 – heute