Meersalzträume - Karin Wimmer - E-Book
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Meersalzträume E-Book

Karin Wimmer

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Beschreibung

Träume sind nicht für die Warteschleife gemacht. Maria Gabriella Mancuso, kurz Gabi, ist irgendwo falsch abgebogen: Eigentlich wollte sie immer schon in die Medienbranche, doch nun hängt sie in der Gastronomie fest. Und auch ihre Beziehung zu Langzeitfreund Daniel ist eher eingefahren als aufregend. Als eine Fernsehshow mit dem berühmten Koch Lukas Behrens eine Assistentin sucht, sieht sie ihre Chance gekommen und wirft ihr bisherigen Leben über den Haufen. Sie reist mit der Crew die Küste entlang und plötzlich ist von der langweiligen Gabi nichts mehr übriggeblieben. Mariella, wie sie am Set genannt wird, genießt ihr neues Leben in vollen Zügen. Doch während sie mit Lukas flirtet, schleicht sich immer wieder Daniel in ihre Gedanken und bringt ihr Herz durcheinander. Und aus heiterem Himmel steht Mariellas Leben wieder Kopf …   Sie wollen mehr wunderbare Strandkorblektüre? Entdecken Sie die komplette Sterenholm-Reihe: - Band 1: Strandkorbflüstern - Band 2: Strandkorbsehnsucht - Band 3: Hausbootküsse - Band 4: Meersalzträume - Band 5: Dünenherzen - Band 6: Leuchtturmhoffnung - Band 7: Sandstrandliebe

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Seitenzahl: 368

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Meersalzträume

Die Autorin

Karin Wimmer lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Niederösterreich. Seit sie denken kann, sind Bücher ihre treuen Begleiter und Freunde und schon im Teenageralter entdeckte sie auch das Schreiben für sich. Ihre Ideen kommen meist spontan aus alltäglichen Situationen und lassen sie dann nicht mehr los, bis sie sich an den Laptop setzt. Die Liebe spielt in ihren Romanen immer die Hauptrolle. Ihre eigene Leidenschaft gehört ihrer Familie, dem geschriebenen Wort und Schokolade – in etwa in dieser Reihenfolge.

Das Buch

Maria Gabriella Mancuso, kurz Gabi, ist irgendwo falsch abgebogen: Eigentlich wollte sie immer schon in die Medienbranche, doch nun hängt sie in der Gastronomie fest. Und auch ihre Beziehung zu Langzeitfreund Daniel ist eher eingefahren als aufregend. Als eine Fernsehshow mit dem berühmten Koch Lukas Behrens eine Assistentin sucht, sieht sie ihre Chance gekommen und wirft ihr bisherigen Leben über den Haufen. Sie reist mit der Crew die Küste entlang und plötzlich ist von der langweiligen Gabi nichts mehr übriggeblieben. Mariella, wie sie am Set genannt wird, genießt ihr neues Leben in vollen Zügen. Doch während sie mit Lukas flirtet, schleicht sich immer wieder Daniel in ihre Gedanken und bringt ihr Herz durcheinander. Und aus heiterem Himmel steht Mariellas Leben wieder Kopf …

Von Karin Wimmer sind bei Forever erschienen: 

StrandkorbflüsternStrandkorbsehnsuchtHausbootküsseMeersalzträume

Karin Wimmer

Meersalzträume

Roman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei Forever Forever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Oktober 2021 (1) © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2021 Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © privat E-Book powered by pepyrus.com ISBN 978-3-95818-646-0

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Epilog

Danksagung

Leseprobe: Hausbootküsse

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Kapitel 1

 

Widmung

»Man verliert sich selbst, wenn man versucht, das Leben eines anderen zu führen.«

Kapitel 1

»Maria? Verstehst du mich?«, höre ich die schrille Stimme meiner Mutter. Aufgeregt wedelt sie mit den Händen, um auf sich aufmerksam zu machen.

»Mama, ich sehe dich und höre dich. Du musst nicht so laut schreien, dass man dich auch ohne technische Unterstützung von Sizilien bis zur Ostsee hört«, versichere ich ihr lachend.

»Topolina, ich werde mich nie daran gewöhnen, dich durch diesen Computer zu sehen«, beschwert sie sich wie immer. Nun skypen wir schon seit vier Jahren regelmäßig, und obwohl meine Mutter die Technik durchaus beherrscht, kann sie sich immer noch nicht damit anfreunden.

»Wie geht es euch?«, erkundige ich mich wie jeden Sonntag.

»Deine Geschwister treiben mich noch in den Wahnsinn.« Theatralisch wirft sie ihre Hände in die Luft. Ich schmunzle, denn bei fünf Kindern macht ständig einer etwas, das ihr nicht in den Kram passt.

»Möchte Francesca immer noch ihr Hauptfach wechseln?« Ich mutmaße, dass meine jüngste Schwester der Grund für die schlechte Laune meiner Mutter ist.

»No, davon konnten wir sie abbringen, aber Benito … aaaaah!« Sie murmelt italienische Verwünschungen in sich hinein.

»Benito?«, frage ich nach. Mein Bruder ist nur zwei Jahre jünger als ich und normalerweise das Musterkind. Er arbeitet in einer Bank, worauf alle furchtbar stolz sind. Was kann er ausgefressen haben, dass er ein aaaah unserer Mama verdient hat?

»Er hat Simona verlassen, obwohl wir alle schon mit einer Hochzeit gerechnet haben. Sogar mein Brautkleid durfte sie schon anprobieren, und dann das. Stupido!«, schimpft sie über den älteren ihrer beiden Söhne.

»Dein Brautkleid?«, rufe ich entrüstet. »Sollte nicht ich als deine älteste Tochter dein Brautkleid bekommen?«

Ich höre schnelle Worte in meiner Muttersprache, die im Hintergrund gesprochen werden, die ich aber nur bruchstückhaft verstehe.

»Mama, sag Nonna, wenn sie mir was mitzuteilen hat, soll sie vor die Kamera kommen und es mir persönlich sagen. Meinetwegen auch auf Italienisch, aber nicht immer durch dich als Sprachrohr«, erkläre ich verärgert. Meine Großmutter weigert sich strikt, zu skypen, quatscht meiner Mutter aber ständig dazwischen.

»Maria Gabriella, wir warten schon viele Jahre, dass der Tedesco dich endlich zu einer ehrbaren Frau macht«, sagt meine Mutter, doch es sind die Worte meiner Großmutter. Wieso ich das so genau weiß? Nicht, weil sie meinen Freund Gerd immer noch als denDeutschen bezeichnet, denn meine Mutter ist ebenso wenig begeistert darüber, dass ich mit ihm zusammen bin, wie meine Nonna. Schließlich bin ich seinetwegen an die Ostsee gezogen. Die beiden wichtigsten Frauen in meinem Leben sind sich auch einig darin, dass man nur als verheiratete Frau ehrbar ist. Und sie hätten sich beide lieber einen braunäugigen, heißblütigen Italiener für mich gewünscht, als einen großen blonden Deutschen, dessen Aussehen an Matthias Schweighöfer erinnert. Italienische Werte, Familie geht über alles, bla, bla, bla.

Doch es ist die Art, wie sie mich genannt hat, die mir eindeutig zeigt, dass diese Worte von meiner Nonna stammen. Mein Name ist Maria Gabriella Mancuso, doch Maria Gabriella nennt mich nur meine Großmutter, die den Namen auch ausgesucht hat. Damit sollte die Tugendlosigkeit ihrer Tochter, die mit sechzehn von einem Touristen aus dem nördlichen Südtirol schwanger wurde, zumindest durch die Namensgebung einer Seligen wieder wettgemacht werden. Es lebe die Logik des katholischen Glaubens. Meine Mutter selbst ruft mich Maria, wobei die Betonung bei ihr auf dem i liegt. Hier in Deutschland bin ich einfach nur Gabi.

»Jetzt lasst doch mal eure vorsintflutlichen Einstellungen. Wir heiraten, wenn es uns passt«, fahre ich den beiden über den Mund.

»Du wirst noch als alte Jungfer sterben«, kommt es erneut aus dem Hintergrund.

»Ich bin erst einunddreißig«, verteidige ich mich.

»In deinem Alter hatte ich schon fünf Kinder«, hält meine Mutter dagegen.

»Beruhigt es dich, wenn ich dir sage, dass ich keine Jungfrau mehr bin?«, schieße ich zurück.

»Mamma mia!«, höre ich nun wieder von hinten und dann ein sich entfernendes italienisches Fluchen.

»Und nennt Gerd nicht immer den Deutschen«, lege ich nach.

»Wo ist er denn? Hat er sich diesmal Zeit genommen, um mit seiner zukünftigen Schwiegermutter zu sprechen?«, stichelt sie.

»Nein, Mama, er arbeitet noch«, antworte ich und schließe gleich darauf die Augen, als mir klar wird, dass ich ihr die nächste Steilvorlage geliefert habe, um sich in Rage zu reden.

»Hast du denn inzwischen eine andere Anstellung? Um zu kellnern, hättest du nicht so lange in Deutschland studieren müssen. Das könntest du auch hier in der Pizzeria von Onkel Guiseppe. Schließlich hast du bei ihm ja eine Lehre als Kellnerin begonnen«, wirft sie mir vor.

Ja, das habe ich, allerdings nur, um das Jahr Wartezeit auf den Studienplatz in Deutschland zu überbrücken. Ich dachte mir, wenn es doch nicht klappt, habe ich die Zeit wenigstens nicht vergeudet. Dass ich die Lehre dann abgebrochen habe, hat mir meine Familie immer noch nicht ganz verziehen.

»Sie war immer schon zu hübsch für eine Kellnerin. Da kommen die Männer nur auf dumme Gedanken.« Offenbar ist meine Großmutter wieder an die Seite meiner Mutter zurückgekehrt.

»Ich habe euch das doch schon erklärt. Der Job hat sich so ergeben. Während des Studiums habe ich gekellnert, um Geld zu verdienen, und dann bin ich dabeigeblieben. Und ich arbeite in einem soliden Restaurant, nicht in einer zwielichtigen Bar«, versuche ich die Wogen zu glätten. Ich mag meinen Job im Service der Pension L&P an der Ostsee, auch wenn er erst nur als Übergang gedacht war. Vor allem meine Chefin Lilly und mein Chef Paul sind herzliche Menschen, bei denen man sofort zur Familie gehört. Und Gerd und ich sind nun schon einige Jahre Teil dieser Familie. Nur meine tatsächliche Familie hat ständig etwas an meinem Freund und meinem Job auszusetzen.

Mit meinen einunddreißig Jahren stehe ich selbstverständlich schon auf eigenen Beinen, aber ich bin auch Italienerin, da redet die Familie immer mit, ob man will oder nicht. Natürlich hat meine Mutter in dem einen Punkt recht, dass ich jetzt nicht in dem Job arbeite, für den ich studiert habe, aber wer kann schon alle seine Träume wirklich leben?

»Ist das Mariella? Macht ihr dem armen Kind schon wieder das Leben schwer?«, höre ich nun eine männliche Stimme. Es ist unverkennbar mein Vater Bruno, denn Mariella nennt mich nur er.

Nun höre ich, wie mein Vater seine Frau und seine Schwiegermutter vom Laptop verscheucht. Rasch schickt mir meine Mutter Küsse und verabschiedet sich bis nächste Woche.

»Principessa, wie geht es dir?«, fragt Papa mich dann liebevoll.

»Alles in Ordnung! Bist du auch so entsetzt darüber, dass Benito sich von Simona getrennt hat?«, greife ich das Thema meiner Mutter wieder auf.

»No! Er war nicht mehr glücklich mit ihr. Deine Großmutter wollte unbedingt eine Hochzeit, aber ich bin froh, dass diese Kratzbürste ihn nicht eingefangen hat.« Mein Vater zwinkert mir zu. Wir beide konnten Simona tatsächlich noch nie leiden, haben es aber nicht gerade vor den anderen ausposaunt.

Das Thema Hochzeit sieht er allgemein skeptisch. Er selbst wurde kurzerhand zur Hochzeit verdonnert, was er sich mit achtzehn vermutlich nicht ausgesucht hätte. Doch wenn man eine minderjährige Sizilianerin schwängert, die neben drei kräftigen älteren Brüdern auch noch eine resolute Mutter hat, legt man sich besser nicht mit ihnen an. Aber das Schicksal hat es gut mit ihm gemeint, und die Liebe der beiden hat immer noch Bestand. Also führt er seither sein Leben liebend und streitend an der Seite meiner Mutter. Dass die beiden zumindest in einem Punkt gut zusammenpassen, zeigen wohl meine vier Geschwister Benito, Alessandra, Francesca und Matteo.

»Ist sie schon aus Benitos Wohnung ausgezogen?«, erkundige ich mich und greife nach meiner Tasse Kaffee.

»Nein, Benito wohnt vorübergehend bei Alessandra. Die Wohnung überlässt er ihr«, erzählt mein Vater. »Er hat einfach ein zu weiches Herz.«

»Das hat er von dir, Papa«, erwidere ich neckend.

»Sei nicht böse auf deine Mutter und deine Nonna. Sie meinen eben, dass ihr Weg der einzige ist, der eine Frau glücklich machen kann«, versucht er zu vermitteln.

»Ich weiß, Papa. Aber ich möchte nicht bei jedem Telefonat die gleiche Leier von einem Ring am Finger und einem ganzen Haus voll Kindern hören. Vor allem steigern sich die beiden in dieses Thema so rein«, stöhne ich.

»Sie sind Sizilianerinnen, was erwartest du? Sie sind nicht so wie du und ich.« Entschuldigend hebt er die Hände. Er hat recht. Als einziges seiner Kinder komme ich charakterlich nach ihm, auch wenn ich mit meinem Aussehen das typische Klischee einer Italienerin bediene, mit olivfarbener Haut, dunklen Augen und langem schwarzem Haar. Ich bin stolz auf meine sizilianischen Wurzeln, aber froh, dass ich auch das Bodenständige meines Vaters mitvererbt bekommen habe und nicht nur das aufbrausende Temperament der vorherigen weiblichen Generationen. Er war es auch, der darauf bestand, dass wir zweisprachig aufwachsen. So spreche ich fließend Italienisch und Deutsch, was mir einen guten Studienplatz in Deutschland ermöglicht hat und jetzt ein schönes Leben an der Ostsee.

»Ich hab dich lieb, Papa!«

»Ich dich auch, Principessa! Rufst du uns nächste Woche wieder an?«, fragt er hoffnungsvoll. Auch er vermisst mich, das weiß ich, aber er würde es mir nie vorwerfen.

»Klar!«, verspreche ich. Nachdem wir uns voneinander verabschiedet haben, lege ich auf. Das Thema Hochzeit treibt mich noch in den Wahnsinn. Aber meine Familie ist sich offenbar sicher, dass ich und Gerd einmal vor den Altar treten werden. Witzigerweise denken viele, dass wir das schon hinter uns haben und verheiratet sind. Anscheinend machen wir den Eindruck eines alten Ehepaars. Über diesen Gedanken muss ich lachen. Es könnte aber natürlich auch an den Partnerschaftsringen liegen, die Gerd und ich schon seit Jahren tragen.

Kurz darauf höre ich einen Schlüssel im Schloss.

»Schatz?«, rufe ich in den Flur.

»Hey!«, begrüßt mich Gerd und bringt einen Schwall kalte Luft mit ins Wohnzimmer. Es ist Anfang September, und in diesem Jahr wird es bereits früh Herbst in Sterenholm. »Ist dein Telefonat schon zu Ende?« Rasch küsst er mich und lässt sich neben mich auf die Couch fallen.

»Wieso? Wolltest du mit meiner Mutter reden?«, frage ich amüsiert.

Gerd wirft mir einen erschrockenen Seitenblick zu. »Eher noch mit ihr als mit deiner Großmutter. Sie ist beängstigend«, gibt er flüsternd zu und lacht dann.

»Nonna ist schon in Ordnung, nur etwas …« Ich suche nach dem richtigen Wort.

»Herrschsüchtig? Übergriffig?«, versucht Gerd mir zu helfen.

»Resolut«, bringe ich meinen Satz zu Ende.

»Ja, und Zitronen sind nicht sauer, sondern nur erfrischend«, zieht er mich auf.

»Seit wann urteilst du über Personen, die du noch nie getroffen hast?«, frage ich, und aus meiner Stimme ist das Scherzhafte verschwunden.

»Baby, immer wenn ich mit deiner Mutter geskypt habe, hat deine Großmutter ständig auf Italienisch dazwischengerufen. Und ich habe die Worte, die ich verstanden habe, nachgeschlagen. Sie waren nicht freundlich, um es höflich zu formulieren. Sie hasst mich«, bringt er seinen Eindruck auf den Punkt.

»Ach, Gerd …«, seufze ich.

»Es wird langsam kälter draußen. Wir sollten wirklich den Kamin renovieren lassen, damit wir es uns vor dem knisternden Feuer gemütlich machen können«, lenkt er ab. Ja, das sollten wir, schieben es aber schon seit Monaten auf. So wie wir vieles andere immer aufschieben.

»Auf Sizilien sind es immer noch über zwanzig Grad«, sage ich leise mit einem bisschen Heimweh.

»Dafür siehst du hier im Winter Schnee am Strand. Man kann nicht alles haben«, erwidert Gerd lachend. »Lilly hat mir übrigens Reste vom Mittagessen mitgegeben. Wir brauchen also nichts zu kochen. Ich glaube, ich mach mir einen Tee. Möchtest du auch eine Tasse?«

»Warte mal kurz!«, bitte ich ihn. »Was hat Lilly zu unseren Urlaubsanträgen gesagt?«

Für die zwei Wochen Urlaub habe ich schon Pläne im Kopf, die mich ganz kribbelig machen. Doch der Gesichtsausdruck meines Freundes lässt meine Vorfreude verpuffen.

»Sag nicht …«, stoße ich entsetzt hervor.

»Sorry! Michaela ist nur noch zwei Wochen hier, und wir können Paul und Lilly doch nicht allein lassen«, entschuldigt er sich.

»Wer sagt das? Du oder Lilly?«, hake ich nach.

Er schweigt.

»Gerd? Das ist nicht deine Pension, wir sind dort nur angestellt. Wir haben ein Recht auf Urlaub, und ich bin sicher, dass unsere Chefin das genauso sieht. Immerhin hat sie uns darauf hingewiesen, dass wir noch so viel Resturlaub übrig haben«, entgegne ich ihm entrüstet.

»Ja, aber Michaela …«

»… bleibt sicher auch noch etwas länger«, unterbreche ich ihn. »Wir wollen ja nicht während der Hauptsaison freihaben. Es ist Nebensaison, und in diesem Jahr ist noch dazu verdammt wenig los.«

»Gabi, du weißt, dass mein Job mein Leben ist«, verteidigt er sich, und ich schlucke. Ja, das weiß ich, aber bisher war mir nicht klar, dass ich in der Rangfolge erst hinter dem Job komme. Ernst sehe ich ihn an.

»Ich rede mit Lilly, okay?«, gibt er sich schließlich geschlagen. Ich nicke, jedoch mit einem schalen Beigeschmack.

Kapitel 2

Es ist kurz vor dem Mittagessen, als Lilly mich zu Lexi ins Büro schickt. Lexi ist die Zwillingsschwester meiner Chefin und betreibt mit ihrer besten Freundin Sylvie die Eventagentur Strandkorb, die ihren Sitz derzeit noch im L&P hat. Bald jedoch zieht die Agentur in Lexis neues Haus in der Nachbarschaft, das fertig renoviert ist und in einem Nebengebäude Platz für das Büro der beiden hat.

»Herein«, höre ich auf mein Klopfen.

»Du wolltest mich sprechen?«, frage ich neugierig und entdecke, dass auch Georg bei Lexi sitzt. Georg ist Sylvies Freund und Leiter des Tourismusbüros der kleinen Stadt Sterenholm an der Ostsee, wo wir alle unser Zuhause gefunden haben.

»Jawohl, Frau Mancuso, M.A.«, erwidert Lexi augenzwinkernd, und ich muss lachen, weil ich meinen Master nie irgendwo angebe. Ich stehe nicht so auf Titel.

»Ich wusste gar nicht, dass du Multimediale Information und Kommunikation studiert hast«, gibt Georg zu.

»Und woher weißt du es jetzt?«

»Von mir«, antwortet Lexi. »Als ich im Frühjahr in den Personalbögen nach jemandem gesucht habe, der Lilly nach Lucys Geburt vertreten könnte, bin ich auf deinen Studienabschluss gestoßen.«

»Aber Lilly hat doch inzwischen Hilfe und managt Kind und Küche ganz hervorragend. Außerdem hilft mir in diesem Bereich mein Studium überhaupt nicht weiter.« Ich zucke mit den Schultern und weiß nicht, was die beiden von mir wollen.

»Darum geht es auch nicht«, stellt Lexi klar und deutet auf Georg.

»In einer Woche sollen einige Folgen der Kochsendung Strandküche bei uns in Sterenholm gedreht werden. Da ein Assistent ausgefallen ist, sucht die Aufnahmeleitung jemanden aus der Gegend, der sie unterstützt, am besten noch mit Gastro-Erfahrung«, erzählt er mir, und ich horche auf. »Und anscheinend bin ich in der glücklichen Lage, hier sogar jemanden vor mir zu haben, der die entsprechende Ausbildung dafür hat.«

Das glaube ich jetzt nicht. Bietet er mir gerade einen Job an?

»Du meinst …«, beginne ich, und Georg nickt eifrig.

»Dich!«, bringt er es auf den Punkt. »Es sind drei Wochen Dreh geplant, und das Set ist im Dünenhof. Deine genauen Aufgaben müsstest du mit Ines Gutbauer besprechen, sie hat mich kontaktiert. Aber ich habe die Telefonnummer hier. Was sagst du?

»Und die Nachsaison?«, werfe ich ein.

Lexi winkt ab. »Ich habe natürlich vorab mit Lilly geklärt, ob sie dich entbehren könnte, bevor ich dich in eine Zwickmühle bringe. Sie meint, Michaela und Gerd schaffen das allein.«

Ich nicke, um Zeit zu gewinnen. Das Angebot wirft mich etwas aus der Bahn. Nach meinem Bachelor-Abschluss habe ich mit viel Glück und einer dicken Empfehlung eines meiner Dozenten ein Praktikum in den Bavaria Filmstudios in München ergattert. Es hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht und mich darin bekräftigt, auch noch den Master in Multimediale Information und Kommunikation zu machen. Nach meinem Abschluss war ich dann finanziell abgebrannt. Also habe ich nach ein paar Aushilfsjobs in diversen Bars als Kellnerin in einem Saisonbetrieb in München angefangen, um mich über Wasser zu halten und in Ruhe nach einem geeigneten Job zu suchen. Dort lernte ich Gerd kennen.

Eigentlich lautet sein voller Name Daniel Gerrit Albers. Ich werde nie verstehen, wieso man hier dazu neigt, den zweiten Vornamen als Rufnamen zu verwenden. Und die deutsche Gastronomie hat ihn noch dazu gnadenlos abgekürzt, denn wenn man kellnert, ist Zeit leider Mangelware. So wurde auch aus Maria Gabriella schlicht Gabi und aus Daniel Gerrit einfach Gerd. Privat habe ich ihn lange Daniel genannt, aber irgendwann im Laufe der Jahre, in denen wir Seite an Seite gearbeitet haben, wurden wir in allen Lebenslagen Gerd und Gabi.

Nach einem Jahr hatte ich genug Kohle auf der hohen Kante, um mich für einen meinem Studium entsprechenden Job zu bewerben. Doch Gerd bekam zeitgleich das Angebot, im Ferienhaus seines Vaters zu wohnen und an der Ostsee im L&P zu arbeiten. Auch für mich war noch eine Stelle im Service frei, und so musste ich mich zwischen Liebe und Karriere entscheiden. Ich habe der Liebe den Vorrang gegeben und es, was Gerd betrifft, auch nie bereut, aber ich habe mir nie mehr einen Job in der Branche gesucht, für die ich eigentlich studiert habe.

»Frau Gutbauer hat mich gebeten, sie anzurufen, wenn ich jemanden gefunden habe. Die Zeit drängt ja bei ihr ein wenig. Ist das für dich schon okay?«, unterbricht Georg meine Gedanken.

»Ähm … ja«, stimme ich zu.

Wenig später ist Frau Gutbauer in der Leitung.

»Frau Mancuso?«, höre ich.

»Ja«, antworte ich mit belegter Stimme.

»Hier spricht Ines Gutbauer von der Set-Aufnahmeleitung von Strandküche. Herr Leitner meinte, dass Sie vielleicht die Lösung für mein Problem wären. Unser Regisseur Wolfgang Gebhardt und ich teilen uns normalerweise einen Assistenten. Unser Filmstab wird sehr klein gehalten, und bis jetzt hat das gut funktioniert. Leider fällt unser Assistent wegen eines schweren Radunfalls kurzfristig aus, und wir suchen einen Ersatz, der uns während der Dreharbeiten in Sterenholm aus der Patsche helfen kann. Herr Leitner meinte, Sie hätten bereits ein wenig Erfahrung gesammelt?«

»Ich habe ein mehrmonatiges Praktikum in den Bavaria Filmstudios in München gemacht«, bestätige ich und erzähle kurz, welche Aufgaben ich dort bereits übernommen hatte. »Ich kann Ihnen gerne die Empfehlungsschreiben und meinen Lebenslauf mailen.«

»Das wäre toll! Leider schaffe ich es noch nicht von hier weg, damit wir ein persönliches Gespräch führen könnten«, bedauert sie. »Hören Sie, was Sie mir da erzählen, klingt gut. Bei uns wären Sie zuständig für die Beschaffung der Zutaten und übrigen Materialien, die benötigt werden, sowie als rechte Hand unseres Regisseurs. Würden Sie sich das zutrauen?«

Ihr Tempo überrascht mich.

»Ja, ich denke schon«, erwidere ich dann.

»Dann schicken Sie mir bitte Ihre Unterlagen. Ich werde sie prüfen und mit Herrn Gebhardt absprechen. Währenddessen können Sie sich schon mal überlegen, ob Sie sich den Job vorstellen können. Ich melde mich spätestens morgen.« Nach einer kurzen Verabschiedung legt sie auf.

Ich setze mich sofort an den Computer und maile Frau Gutbauer meine Dokumente. Mir dämmert erst jetzt langsam, was eben passiert ist. Dann fällt mein Blick auf die Uhr. Ich verabschiede mich rasch von Georg und Lexi, damit ich noch rechtzeitig zum Mittagessen in den Speisesaal komme.

Lilly zwinkert mir in der Küche zu.

»Wäre das für dich wirklich okay?«, raune ich ihr leise zu. Wir sind wie eine Familie hier, und ich habe das Gefühl, sie im Stich zu lassen. Doch sie streichelt meinen Arm und sieht mich warmherzig an.

»Natürlich! Die Nebensaison schaffen wir auch mit zwei Kellnern, und Michaela wäre froh, wenn sie noch etwas länger bleiben könnte«, winkt sie ab. Das hat sich bei Gerd gestern noch ganz anders angehört. »Mach dir um das L&P keine Sorgen. Wenn du den Job bekommst, dann nimm ihn an, wenn du es wirklich willst.«

Ich umarme Lilly herzlich.

Während des Mittagsgeschäfts kreisen meine Gedanken die ganze Zeit rund um das Gespräch mit Georg und Lexi. Als der größte Stress vorüber ist, steht Lexi plötzlich in der Tür des Speisesaals und winkt mich zu sich.

»Frau Gutbauer hat angerufen. Wenn du willst, kannst du den Job haben. Allerdings müsstest du dich bis morgen entscheiden«, fügt sie hinzu und sieht mich abwartend an.

Mir stockt der Atem. Das Angebot ist ein Traum, und ich wäre verrückt, es abzulehnen. Diese Kochsendung ist sehr bekannt, und ich hätte in der Branche endlich eine Zehe in der Tür. Wenn man mit mir zufrieden ist, kann das eine weitere Empfehlung bedeuten.

»Ich möchte es vorher noch mit Gerd besprechen«, antworte ich. Besser gesagt will ich es ihm als Erstem erzählen, weil ich grade platzen könnte vor Freude und Aufregung. Dieses Angebot ist von allein gekommen, ohne Hunderte Bewerbungen schreiben zu müssen. Und noch dazu ist es genau in dem Bereich, der mich am meisten interessiert – im Fernsehen. Das ist, als würden einem die gebratenen Tauben von allein in den Mund fliegen.

Lexi lächelt verständnisvoll und verabschiedet sich wieder in ihr Büro.

Das ist so aufregend! Ich habe Jahre gewartet, um in meinem eigentlichen Beruf arbeiten zu können. Es ist nun die vierte Saison, die Gerd und ich bei Lilly sind. Erst im Vorjahr hat Gerds Vater uns sein Ferienhaus in Sterenholm geschenkt, weil wir uns hier so wohlfühlen. Doch ich weiß, wenn ich erst einmal Medienluft geschnuppert habe, will ich mehr davon und bestimmt nicht mehr zurück in die Gastronomie. Sie war nur als Übergang gedacht, und obwohl ich das L&P und seine Crew liebe, ist es nicht das, was ich mein Leben lang machen will. Das Jobangebot ist keine Abwechslung für ein paar Wochen oder Monate, sondern eine Grundsatzentscheidung.

Wie gern würde sofort mit Gerd darüber reden, aber irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass ich erst für mich selbst entscheiden muss, was ich will. Ich lasse meinen Blick kurz auf ihm ruhen. Er ist Kellner mit Leib und Seele. So sehr, dass er nicht mal Urlaub nehmen will. Er braucht den Stress der Saison und die Ruhe der Nebensaisonen, er liebt es, die Gäste schnell und unauffällig zu umsorgen, immer schon zu ahnen, wer etwas brauchen könnte, und hat die typisch offene, zugängliche Art, die einen guten Kellner ausmacht. Ich habe viel von ihm gelernt, aber die Leidenschaft, mit der er seinen Beruf ausübt, habe ich nie besessen. Möglicherweise ist es genau das: Es ist sein Beruf, seine Berufung, seine Wahl. Ich aber habe die Medienbranche gewählt und war während meines Praktikums genauso mit ganzem Herzen dabei, wie Gerd es bei seinem Job ist. Und so soll es doch auch sein, oder? Man sollte erfüllt sein von dem, was man tut. Es nicht nur machen, weil man mit der Kohle, die man dabei verdient, seine Rechnungen zahlen kann. Ich schätze, da ist meine Entscheidung schon.

Als wir uns am Nachmittag auf den Weg nach Hause machen, ist mein Freund ziemlich still. Vielleicht hat er was mitbekommen?

»Können wir reden?«, frage ich, während er das Auto vor dem Haus parkt.

»Klar! Sofort oder ganz in Ruhe heute Abend?« Lächelnd sieht er mich an. Er hat also nichts gemerkt. Ist es der richtige Zeitpunkt, zwischen Auto und Haus so ein Thema aufzugreifen? Ich entscheide mich dagegen.

»Heute Abend klingt gut. Was wollen wir essen?«

»Ich dachte an etwas Mexikanisches, was meinst du?«, schlägt er vor. »Ich könnte noch in den Supermarkt fahren. Dann kannst du in Ruhe eine Ladung Wäsche waschen, wie du es heute Morgen geplant hattest.«

Er hat etwas ausgesucht, das er kochen kann, damit ich mich inzwischen um meine Klamotten kümmern kann. Warme Zuneigung durchflutet mich. So funktionieren wir.

»Klingt gut«, erwidere ich und küsse ihn rasch.

»Sehr gut, dann fahre ich gleich noch mal los. Und nach dem Essen machen wir es uns mit einer Flasche Wein auf der Couch gemütlich, okay?«

Ich nicke, und er verabschiedet sich mit einem Winken. Den restlichen Nachmittag verbringe ich zwischen Waschmaschine, Trockner und Bügelbrett. Aus der Küche strömt ein verlockender Duft, doch das bevorstehende Gespräch liegt mir wie ein Stein im Magen. Doch warum eigentlich? Er liebt mich und wird sich bestimmt für mich freuen. Schließlich weiß er doch am besten, wie es ist, wenn man seinen Beruf gerne macht.

Aber als ich vor dem vollen Teller sitze, bringe ich nichts hinunter. Schließlich lege ich das Besteck zur Seite und sehe Gerd an. Seine sportliche Figur, die schmalen Hüften, sein gewinnendes Lächeln, das leicht verstrubbelte blonde Haar und die dunkelblauen Augen – ich habe mich vom ersten Moment an zu ihm hingezogen gefühlt. Wie er damals aus der Küche kam und lachend gemeint hat: »Gott sei Dank, da kommt meine Verstärkung. Dann gleich mal ran an die Fleischknödel.«

Wir haben zusammen in der Auguststubn gearbeitet, einem typischen Münchner Wirtshaus. Bei meiner Bewerbung dort hatte ich nur wenig Gastro-Erfahrung. Meine Lehre habe ich nicht abgeschlossen und bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich nur Getränke in der Pizzeria meines Onkels serviert und am Tresen diverser Bars ausgeholfen. Doch das war allen völlig egal. An meinem ersten Arbeitstag wollte ich jeden Teller einzeln servieren, doch in der Küche hat man mich ausgelacht und mir vier Portionen Knödel mit Sauerkraut aufgeladen. Das große Tablett war schwer, und ich konnte nicht sehen, wohin ich lief. Auf dem Weg zu den Tischen habe ich eine Stufe übersehen, bin gestolpert und hingefallen. Blut floss mein Schienbein hinunter. Das Essen war quer durch das Wirtshaus geflogen, Sauerkraut landete auf der Glatze eines Gastes, und die Knödel rollten unter die Tische. Ich wäre am liebsten im Boden versunken, doch da streckte sich mir eine Hand entgegen.

»Komm hoch«, sagte Gerd leise und stützte mich, als ich neben ihm in die Küche humpelte.

»Katrin«, rief er dort nach der Küchenhilfe. »Hol dir Eimer und Lappen und wisch draußen auf. Und sag Bescheid, dass man dem Herrn auf Tisch fünf ein Bier aufs Haus gibt.« Ich spürte, wie ich rot wurde.

»Tut mir leid«, flüsterte ich.

»Nicht dir sollte es leidtun, sondern den Kollegen hier«, schnaubte er. »Wie kommt ihr dazu, sie so zu überfordern? Zwei Portionen hätten fürs erste Mal auch gereicht.« Seine Stimme war scharf, und die beiden Köche zogen den Kopf ein.

»Jetzt verarzten wir dich erst mal«, meinte er sanft, drückte mich auf ein leeres Bierfass und begutachtete mein aufgeschlagenes Knie.

»Auf den Schrecken trinken wir heute Abend gemeinsam einen Schnaps«, beschloss er dann. Und als er vorsichtig das Pflaster über die Wunde klebte, spürte ich in mir Tausende Schmetterlinge, die im Takt der Küchenmusik geschunkelt haben.

Ich schüttle den Kopf, um die Gedanken an die Vergangenheit zu vertreiben. Gerd räuspert sich und holt mich endgültig zurück in die Gegenwart.

»Ich weiß, du wolltest mit mir reden, aber kann ich anfangen?«, fragt mich mein Freund und strahlt. Überrumpelt nicke ich.

»Ich habe nachgedacht. In mir reift schon einige Zeit der Wunsch, unsere Beziehung auf eine andere Stufe zu bringen.«

Macht er … will er … wird das jetzt das, wonach es sich für mich anhört? Überrascht blinzle ich ihn an. Ein leichtes Kribbeln macht sich in meinem Bauch bemerkbar, als würden die Schmetterlinge von damals wieder erwachen. Natürlich habe ich schon ein paarmal darüber nachgedacht, ob wir heiraten, aber bisher hat er sich immer völlig unbeeindruckt gezeigt, wenn das Thema in unserem Umfeld aufgetaucht ist. Nie im Leben wäre ich darauf gekommen, dass er sich schon länger wünscht, dass wir …

»Lass uns Eltern werden«, unterbricht er meine Gedanken freudestrahlend. Wie eine große Fliegenklatsche erschlagen seine Worte die in mir tanzenden Flattertiere.

»Was?«, stoße ich hervor, als ich unsanft von meinen Hochzeitsgedanken wieder in die Realität plumpse.

»Ein Baby! Lass uns ein Baby bekommen«, wiederholt er. »Ich denke, es wird Zeit für den nächsten Schritt. Am Hafenfest haben wir die Sache mit den Kindern ja gut hinbekommen. Wir sind beide über dreißig, es läuft gut zwischen uns, wir haben ein stabiles Umfeld, ein Haus. Was sagst du?«

Damit hätte ich nie im Leben gerechnet. Das ist für ihn der nächste Schritt? Und vor allem: Mit diesen nüchternen Gedanken? Wir haben auf besagtem Fest Luftballontiere verschenkt, das kann man ja wohl nicht mit Elternschaft vergleichen. Was ist mit: Ich liebe dich über alles und wünsche mir nichts mehr, als dass wir eine Familie werden? Oder: Ein Kind mit dir wäre das Schönste, was ich mir vorstellen kann? Und was bekomme ich zu hören? Es wird Zeit. Wir sind beide über dreißig. Will er mir damit etwa sagen, dass ich alt werde? Ich kann doch noch eine Weile Kinder bekommen. Oder hört er schon meine biologische Uhr ticken? Wieso höre ich dann aber nichts? Nein, die eigentliche Frage ist doch: Warum habe ich mich selbst noch nie gefragt, ob ich Mutter werden will? Und jetzt kommt er mit dieser Frage daher? Und das ausgerechnet jetzt?

»Gabi?«, fragt er vorsichtig, doch in meinem Kopf dreht sich gerade alles. Ich versuche, einen klaren Gedanken zu fassen, etwas zu erwidern, doch immer wenn ich denke, Worte gefunden zu haben, flutschen sie wieder davon, als würde ich Fische mit den bloßen Händen fangen wollen. Überraschung, Enttäuschung, Zweifel, Angst – alles vermischt sich zu einem Gefühlscocktail, der eine giftige Farbe annimmt.

»Schatz?«, höre ich wieder die Stimme meines Freundes. Ich greife nach den ersten Worten, die ich zu bilden vermag.

»Ich habe das Angebot bekommen, für die Kochshow Strandküche zu arbeiten, solange sie hier in Sterenholm gedreht wird«, platzt es aus mir heraus.

Nun ist es an Gerd, überrascht die Augenbrauen zu heben.

»Strandküche?«, wiederholt er.

»Eine ziemlich bekannte Kochsendung. Jemand aus dem Team ist kurzfristig ausgefallen, und Georg bekam die Anfrage, ob jemand vor Ort mit Gastroerfahrung als Assistentin verfügbar wäre. Durch mein Studium bin ich ins Gespräch gekommen, und nach einem kurzen telefonischen Bewerbungsgespräch hat man mir den Job angeboten.«

»Und du möchtest gerne zusagen?«, fragt er vorsichtig.

»Ja, das wäre eine tolle Chance für mich, und das Fernsehen war immer schon mein Traum«, antworte ich, erleichtert, dass er mich offenbar versteht.

»Wann soll es denn losgehen?«, erkundigt sich Gerd.

»Schon in einer Woche«, antworte ich.

»Wie lange dauert denn der Dreh?«, will er dann wissen.

»Drei Wochen«, antworte ich und merke, wie er sich entspannt.

»Das ist … gut«, erwidert er etwas verhalten. »Dann kannst du doch mal ein wenig Fernsehluft schnuppern. Mach dir keinen Kopf. Die paar Wochen kann die Kinderplanung nun auch noch warten.« Damit ist das Thema für ihn erledigt.

Er räumt die Teller ab, während ich am Küchentisch sitzen bleibe und mich fühle, als hätte ich etwas verpasst. Wann genau habe ich seinem Plan eigentlich zugestimmt? Okay, ich habe ihn auch nicht direkt abgelehnt, aber er nimmt einfach an, dass ich mit an Bord bin, ohne eine Antwort abzuwarten.

Ich horche in mich hinein: Weiß ich denn, was ich davon halte? Ich dachte immer, ich hätte noch Zeit, mir darüber Gedanken zu machen. Und ganz ehrlich gesagt, war ich nie der Typ Frau, der feuchte Augen bekommt, wenn ein Baby im Raum ist. Ich finde sie süß, muss sie aber nicht unbedingt anfassen oder auf den Arm nehmen. Fehlt mir vielleicht das Mutter-Gen? Oder bin ich einfach noch nicht bereit dafür? Was würde das überhaupt für mein Leben bedeuten?

Ich beschließe, die Zeit für mich arbeiten zu lassen. Vielleicht weiß ich nach dem Job, wie es weitergehen soll. Oder ich stelle mich so furchtbar an, dass ich mir meine Karriereträume sowieso abschminken kann. Wahrscheinlich hat mich sein Vorschlag heute einfach nur überrascht.

Am nächsten Tag gebe ich Frau Gutbauer Bescheid, dass ich den Job annehme. Nun bleibt mir eine Woche, um mich wieder in die Medienarbeit einzulesen. Also wälze ich nach der Arbeit meine Bücher von der Uni und die Aufzeichnungen, die ich während meines Praktikums gemacht habe. Schließlich will ich mich nicht blamieren.

Kapitel 3

Mein Herz klopft mir vor Aufregung bis zum Hals, als ich an meinem ersten Tag das Set von Strandküche betrete. Der Dünenhof hat in diesem Jahr über die Herbst- und Wintermonate geschlossen, da einige Zimmer renoviert werden. Und die Küche hat Georg für die Produktion der Kochsendung gebucht.

»Hi, kann ich dir helfen?«, fragt mich eine zierliche Blondine mit blondem Pixie-Cut, als ich das Hotel betrete.

»Ja, ich bin die neue Assistentin, die bei Herrn Leitner angefragt wurde«, erkläre ich schnell.

»Ach ja, wir hatten miteinander telefoniert. Ich bin Ines, die Set-Aufnahmeleiterin. Geh doch schon mal weiter, die anderen haben gleich Erstbesprechung. Lukas möchte dich auch gerne kennenlernen, und irgendwo schwirrt auch Wolfgang, unser Regisseur herum.« Sie lächelt mir freundlich zu und deutet Richtung Küche.

Dort sehe ich schon Lukas Behrens, den Starkoch der Sendung. Obwohl er noch nicht mal dreißig ist, läuft Strandküche nun schon seit einigen Jahren sehr erfolgreich im Fernsehen. Mit Charme und gutem Aussehen hat er die Zuschauer auf seine Seite gezogen und ist Dauerthema in den Klatschzeitungen des Landes, auch wenn er sein Privatleben von der Öffentlichkeit fernhält. Sein hellbraunes Haar ist heute jedoch nicht wie in den Sendungen akkurat gestylt, sondern wirkt, als wäre er erst aufgestanden. Ganz im Gegensatz zu seinen grünen Augen, die vor lauter Energie Funken zu sprühen scheinen. Seine ganze Körperhaltung zeigt pures Selbstvertrauen, allerdings strahlt er keine Arroganz aus, wie man es von anderen Starköchen kennt. Es gibt zwar keinen Zweifel daran, dass er hier der Boss ist, aber er vermittelt zugleich das Gefühl, dass es um Teamwork geht. Er beendet eben ein Gespräch mit einem Mittfünfziger in kariertem Hemd, ehe er sich auf die mittige Kochinsel setzt, damit er sein Team etwas überragt.

»Guten Morgen, Leute. Schön, dass beim Drehbeginn der neuen Staffel wieder so viele bekannte Gesichter dabei sind. Dann weiß ich ja schon mal, dass die grundlegenden Dinge alle klappen werden.« Es ertönt allgemeines Lachen. Die Crew ist aufmerksam, aber entspannt. »Wir starten heute in Sterenholm mit unseren Ostsee-Sendungen, und ich hoffe, dass wir mit dieser Staffel an die Erfolge der letzten anknüpfen können. Ihr kennt meine Einstellung, die ich Gott sei Dank mit Wolfgang teile. Wenn jemand Vorschläge dafür hat, wie man eine Szene besser machen könnte, unsere Tür steht euch allen stets offen, immer raus damit. Wie ihr sicher schon gehört habt, hat Oskar sein Rad gegen einen Baum gesetzt und fällt eine Weile aus. Dafür haben wir ein ganz neues Gesicht unter uns, das ihn als Assistenz von Ines und Wolfgang ersetzt. Ist sie schon da?« Suchend durchforstet sein Blick den Raum, und ich hebe die Hand. »Alles klar! Dann spreche ich mal mit unserem Neuzugang.«

Mit diesen Worten hopst er wieder auf den Boden und kommt zu mir herüber.

»Maria Gabriella Mancuso, M.A.«, liest er meinen Namen von seinem Klemmbrett ab.

»Das bin ich«, bestätige ich.

»Hi, ich bin Lukas. Wir duzen uns hier alle am Set, wenn das für dich in Ordnung ist?«, fragt er und streckt mir die Hand entgegen.

»Ja klar!«, versichere ich schnell und ergreife sie.

»Wirst du Maria Gabriella genannt?«, erkundigt er sich.

»Ähm, nein. Gabi.«

Lukas stutzt.

»Wer macht denn aus so einem wunderschönen Namen einfach nur Gabi?«, fragt er fassungslos.

»Die deutsche Gastronomie«, antworte ich trocken, und er lacht.

»Und wie nennt man dich zu Hause?«, erkundigt er sich dann.

»Maria«, antworte ich prompt. »Oder Mariella.« Dann fällt mir auf, dass ich bei zu Hause sofort an Sizilien gedacht habe, an meine Familie und nicht an Gerd.

Ein Lächeln huscht über sein Gesicht. »Das finde ich doch gut.« Dann wendet er sich an die anderen. »Leute, das ist Mariella Mancuso.«

Das Team nickt begrüßend, und mit einem Mal bin ich Mariella.

»In deinen Unterlagen habe ich gesehen, dass du durch dein Studium in der Theorie eine Menge gelernt hast, aber nicht viele Erfahrungen sammeln konntest. Das ist für uns …«

Ich halte die Luft an. Sagt er mir jetzt etwa, dass ich ungeeignet bin, dass er einen Ersatz für mich anfordern will?

»… ein Glücksfall«, beendet er seinen Satz, und ich blicke überrascht auf. »Wir arbeiten hier etwas unkonventioneller als sonst in Fernsehproduktionen üblich. Nicht ganz so viel Hierarchie, sondern mehr Teamplay. Ines hast du ja schon kennengelernt. Mit ihr erarbeitest du jeden Tag, was wir als Nächstes brauchen, und besorgst es. Hauptsächlich werden es Zutaten sein. Hier lege ich großen Wert auf Regionalität und Tierwohl. Wenn du dir nicht sicher bist, was oder in welcher Qualität etwas benötigt wird, sprich auf jeden Fall mit mir darüber. Die zweite Person, der du assistierst, ist Wolfgang, unser Regisseur.«

Er winkt den Mann im karierten Hemd zu sich und stellt uns vor.

»Ihr beide kommt klar? Ich muss langsam in die Maske«, entschuldigt sich Lukas. Als wir nicken, schlendert er in einen Nebenraum.

»Willkommen im Team«, begrüßt auch Wolfgang mich herzlich. »Mit Regieassistenz kennst du dich ein wenig aus?« Ich beeile mich, zu nicken. »Ich behalte das große Ganze im Auge, du bist meine verlängerte Hand und kümmerst dich um die Details. Eine Kochsendung hat eigene Abläufe, aber nach ein oder zwei Tagen kommst du sicher in den Job ganz von selbst rein.«

Er klopft mir aufmunternd auf die Schulter und wendet sich den Kameraleuten zu, die etwas von ihm brauchen. Ich sehe mich um und entdecke Ines.

»Wo kann ich helfen?«, frage ich, als ich an sie herantrete. Sie nickt mir mit einem Lächeln zu.

»Ich mag deine Eigeninitiative«, sagt sie dann. »Wir sehen uns mal an, welche Geräte vorhanden sind und ob noch welche von unseren eigenen gebraucht werden. Lukas ist da ein wenig eigen. Am besten notierst du dir gleich ein paar Dinge, ohne die er in der Küche nicht leben kann.«

Dafür bin ich ausgerüstet und krame in meiner Tasche nach dem Notizbuch, das ich extra eingesteckt habe. Dann kontrollieren wir die Ausstattung und die Zutaten, die Ines für den ersten Drehtag schon vorbestellt hat. Wir vergleichen sie mit der Rezeptliste, und Ines gibt mir auch die Informationen über die Speisen, die in den nächsten Tagen gekocht werden sollen.

»Lukas legt großen Wert auf Frische, Regionalität und …«

»Tierwohl«, vervollständige ich ihren Satz.

»Ich sehe, hier hat er schon Vorarbeit geleistet«, erwidert sie grinsend. »Also kauf alles, was möglich ist, direkt vom Bauern, Fischhändler, Müller, Bäcker oder Fleischer. Und gib mir dann für jede Sendung eine Liste, was woher stammt. Das kommt dann in den Abspann rein.«

Mein Stift flitzt über das Papier während Ines’ Briefing. Ich möchte so schnell wie möglich selbstständig arbeiten können. Als wir fertig sind, grinst sie mich an.

»Du legst dich ganz schön ins Zeug, das gefällt mir. Von meiner Seite her war es das vorerst mal. Kümmere dich bitte zuerst um die Lebensmittel für die nächsten Tage, dann startet der Dreh sicher schon, und Wolfgang braucht dich.«

»Alles klar«, versichere ich ihr. Ich arbeite lange genug im L&P, um zu wissen, woher Lilly ihre Zutaten bezieht. Und da sie auf die gleichen Punkte Wert legt wie Lukas, orientiere ich mich an ihren Zulieferern. Bei Frederik erkundige ich mich nach der Telefonnummer des Fischers seines Vertrauens. Schon nach kurzer Zeit sind die Bestellungen für die nächsten drei Sendungen erledigt. Wie von Ines prophezeit, beginnt kurz darauf der Dreh, und ich bin Wolfgangs Schatten. Ich merke schnell, dass man hier keinen strengen Abläufen folgt, sondern intuitiv arbeitet. Ich leite Wolfgangs Änderungswünsche an Kameramann Jens, Maskenbildnerin Sandra und Lukas weiter. Als die Folge fertig gedreht ist, wird das Rohmaterial gleich vor Ort geschnitten. Cutter Klaus und Wolfgang arbeiten hier Hand in Hand.

»Danke, Mariella, dafür brauche ich dich nicht mehr«, teilt Wolfgang mir mit. Sehnsüchtig linse ich in Klaus’ kleines Reich. Der Regisseur folgt meinem Blick. »Außer du möchtest zusehen?«, bietet er mir dann an.

»Sehr gerne«, nehme ich an und setze mich auf einen Stuhl hinter den beiden, um sie nicht zu stören. Am liebsten wäre ich rund um die Uhr am Set, damit ich so viel wie möglich sehen und lernen kann. Ich weiß noch nicht, welchen Part ich für meine Zukunft ansteuere, aber ich nehme mir fest vor, in diesen drei Wochen mein Ziel genau festzulegen.

Der Schnitt fasziniert mich. Zu Beginn der Folge wird ein Video über das Hotel eingespielt, das, wie Wolfgang mir verrät, auf Material beruht, das uns das Hotel zur Verfügung gestellt hat.

»Ich würde es ja lieber selbst drehen, denn meist ist es eine unglaubliche Selbstbeweihräucherung, aber das wären zusätzliche Drehtage und ein großer Aufwand für den Außendreh. Das ist einfach nicht drin. Also müssen wir das Beste herausholen und es so schneiden, dass es zu unserer Sendung passt und nicht zu lange ist«, erklärt er mir. Ich zücke wieder den Stift und schreibe jedes von Wolfgangs Worten mit, bis er ihn mir irgendwann aus der Hand nimmt.

»Wie man das Rohmaterial am besten editiert, kannst du nicht hier nachlesen«, sagt er dann lächelnd und deutet auf meinen Block. »Du fühlst es hier.« Er tippt sich an die Brust und zwinkert mir zu.

Ich lächle ihn an, dankbar, dass ich mit ihm zusammenarbeiten darf. Wolfgangs Erfahrung ist immens, und ich bezweifle, dass ich jemals so gut werde wie er. Aber ich folge seinem Rat, beobachte und bekomme langsam ein Gespür für die passenden Übergänge, die Klaus und er gemeinsam finden.