Strandkorbsehnsucht - Karin Wimmer - E-Book
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Strandkorbsehnsucht E-Book

Karin Wimmer

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Beschreibung

Das Leben ist keine Jukebox, auf der man nur die Songs spielen kann, die einem gefallen.   Ein Sommer an der Ostsee liegt hinter Lexi. Ein Sommer mit Niko, der alles verändert hat. Doch bevor sie sich auf ihre neue Liebe einlassen kann, muss sie erst ihr Leben in den Griff bekommen. Und das bedeutet: Neue Wohnung, neuer Job und endlich ihre Diplomarbeit fertig schreiben. Voller Tatendrang stürzt sich Lexi in ihre Aufgaben. Doch sie hat Sehnsucht. Nach Niko, nach salziger Meeresluft, nach Sand unter den Füßen und gemütlichen Stunden im Strandkorb. Zwischen Unfällen, Notfällen und Zwischenfällen merkt Lexi, dass man im Leben nicht alles haben kann. Oder doch? Sie wollen mehr wunderbare Strandkorblektüre? Entdecken Sie die komplette Sterenholm-Reihe: - Band 1: Strandkorbflüstern - Band 2: Strandkorbsehnsucht - Band 3: Hausbootküsse - Band 4: Meersalzträume - Band 5: Dünenherzen - Band 6: Leuchtturmhoffnung - Band 7: Sandstrandliebe

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Seitenzahl: 366

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Strandkorbsehnsucht

Die Autorin

Karin Wimmer lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Niederösterreich. Seit sie denken kann, sind Bücher ihre treuen Begleiter und Freunde und schon im Teenageralter entdeckte sie auch das Schreiben für sich. Ihre Ideen kommen meist spontan aus alltäglichen Situationen und lassen sie dann nicht mehr los, bis sie sich an den Laptop setzt. Die Liebe spielt in ihren Romanen immer die Hauptrolle. Ihre eigene Leidenschaft gehört ihrer Familie, dem geschriebenen Wort und Schokolade – in etwa in dieser Reihenfolge.

Das Buch

Ein Sommer an der Ostsee liegt hinter Lexi. Ein Sommer mit Niko, der alles verändert hat. Doch bevor sie sich auf ihre neue Liebe einlassen kann, muss sie erst ihr Leben in den Griff bekommen. Und das bedeutet: Neue Wohnung, neuer Job und endlich ihre Diplomarbeit fertig schreiben. Voller Tatendrang stürzt sich Lexi in ihre Aufgaben. Doch sie hat Sehnsucht. Nach Niko, nach salziger Meeresluft, nach Sand unter den Füßen und gemütlichen Stunden im Strandkorb. Zwischen Unfällen, Notfällen und Zwischenfällen merkt Lexi, dass man im Leben nicht alles haben kann. Oder doch?

Von Karin Wimmer sind bei Forever erschienen:StrandkorbflüsternStrandkorbsehnsucht

Karin Wimmer

Strandkorbsehnsucht

Ein Ostsee-Roman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei ForeverForever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinMai 2020 (1)

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2020Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © privatE-Book powered by pepyrus.com

ISBN 978-3-95818-579-1

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

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18.

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20.

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25.

26.

27.

28.

29.

30.

31.

32.

33.

34.

35.

Epilog

Danksagung

Leseprobe: Strandkorbflüstern

Empfehlungen

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

1.

»Leben ist das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu machen.«

Beautiful Boy (Darling Boy) John Lennon

1.

Kennt ihr das? Man denkt: Hätte mir jemand vor einem Jahr den heutigen Tag vorausgesagt, dann hätte ich ihn für verrückt erklärt! Und in Sekundenschnelle wird einem bewusst, wie sehr sich das Leben in einem Jahr verändern kann! Heute ist einer dieser Tage in meinem Leben. Kein herkömmlicher, ereignisloser Tag, an dem man mal eben einen Flashback hat und sich wundert, was sich so alles getan hat in letzter Zeit. Nein, heute ist einer jener Tage, die so aufregend und nervenaufreibend sind, so ungewiss und wunderbar, dass einem mit plötzlichem Adrenalinschub bewusst wird, dass man sich das, was man jetzt gerade macht, vor einem Jahr nicht einmal hätte träumen lassen. Es ist ein ganz und gar nicht harmloser Tag im Leben der Alexandra Charlotte Cecilia Manninger, fünfundzwanzig Jahre, Größe einsdreiundsiebzig, Gewicht – nein, so gut kennen wir uns immer noch nicht! Wo war ich? Ach ja – also ein bedeutsamer Tag in meinem Leben.

Ich spüre einen leichten Anflug von Panik, also zwinge ich mich, ruhig ein- und auszuatmen. Dann wage ich einen erneuten Blick in den Spiegel und streiche mein langes, weit ausfallendes Kleid glatt. Ich kontrolliere ein letztes Mal Make-up und Frisur und nicke mir dann aufmunternd zu. Als ich mich vom Spiegel wegdrehe, entdecke ich, dass meine Zwillingsschwester Lilly (eigentlich Elisabeth Karoline Emilia) lächelnd neben mir steht.

»Na, Lexi? Nervös?«, fragt sie mich dann.

Meinen Spitznamen Lexi habe ich vor knapp einem Jahr während meines Aufenthalts bei Lilly erhalten, als ich nach einem hässlichen Vorfall zu ihr geflüchtet bin. Aber das ist eine andere Geschichte!

Rasch lasse ich meinen Blick auch über sie gleiten. Frisur und Make-up sind tadellos, und das Kleid, das wir gemeinsam ausgesucht haben, steht ihr sehr gut. Ich bin zufrieden.

»Nein! Alles bestens«, sage ich deshalb und sehe mich in dem kleinen Raum um. Alle sind fertig und strahlen mich an. Ich werfe meiner Freundin Sylvie einen fragenden Blick zu.

»Von mir aus kann es losgehen«, raunt sie mir zu. Ich nicke, woraufhin sie durch die Tür verschwindet. Mein Vater sieht etwas verloren aus, was ich gar nicht gewohnt bin von ihm. Eigentlich war er sein Leben lang ein tougher Geschäftsmann, den nichts so schnell aus der Ruhe bringt, aber der heutige Anlass scheint ihm doch zuzusetzen. Rasch gehe ich zu ihm.

»Keine Panik! Wenn du auf die Musik achtest, verpasst du deinen Einsatz nicht«, flüstere ich leise. Er sieht mich an, und ich erkenne an seinem Blick, dass er mich jetzt gerne in den Arm nehmen würde und es nur aus Rücksicht auf Frisur und Kleid unterlässt.

Eine nach der anderen geht nach draußen, und meine Nervosität steigt, je leerer der Raum wird.

»Heute ist ein wichtiger Tag. Bei dir ist alles in Ordnung?«, erkundigt sich mein Vater noch schnell.

»Ja«, antworte ich nur, dann geht es los. Die Tür öffnet sich, Musik dringt an meine Ohren, und alle Augen sind auf mich gerichtet. Und jetzt gehe ich hier, im Mittelgang einer Kirche, im langen Kleid und mit Blumen in der Hand, gleichzeitig völlig panisch und absolut ruhig, und frage: Kennt ihr das? Man denkt: Hätte mir jemand vor einem Jahr den heutigen Tag vorausgesagt, dann hätte ich ihn für verrückt erklärt! Und in Sekundenschnelle wird einem bewusst, wie sehr sich das Leben in einem Jahr verändern kann.

2.

Aber ehe wir zu diesem denkwürdigen Tag kommen, sollte ich euch meine Geschichte, wie es dazu kam, weitererzählen: Ich fahre also im August von meinem mehrwöchigen Aufenthalt in der Pension meiner Schwester wieder zurück in mein altes Leben. Im Gepäck habe ich neben vielen neuen Freunden, etlichem an Kocherfahrung (oder besser gesagt überhaupt Grundwissen in diesem Bereich) und einem mächtig schlechten Gewissen, meine schwangere Schwester im Stich gelassen zu haben, auch noch ein Herz, das nach einem Mann schreit, den ich zugunsten meines Studiums verlassen habe. Niko! (Falls ihr euch hier etwas planlos fühlt, rate ich, zu lauschen, was der Strandkorb euch zuflüstert.) Kurz gesagt: Ich bin also auf dem Weg nach Hause! Oder was auch immer man gerade als mein Zuhause bezeichnen würde. Sagen wir lieber, ich bin auf dem Weg zu meinen Eltern.

Dort angekommen, klingle ich und werde von meiner Mutter mit einem »Schön, dass du doch noch zur Vernunft gekommen bist!« begrüßt.

»Hallo, Mama«, sage ich ruhig und schiebe mich mitsamt meinem Gepäck an ihr vorbei in den Flur. Hier nimmt mich mein Vater wortlos in den Arm. Dann greift er nach meinen Koffern und deutet die Treppe rauf.

»Deine Mutter hat dir das Gästezimmer hergerichtet und freut sich sehr, dass sie dich wieder im Haus hat«, meint er mit einem Seitenblick auf sie.

Ich nicke. »Ja, danke! Sie versteckt es nur gut, ich weiß.« Der Sarkasmus in meiner Stimme ist nicht zu überhören, aber nach so vielen Stunden Fahrt und einem wirklich schweren Abschied heute Morgen fehlt mir die nötige Energie für falsche Höflichkeiten.

Im Gästezimmer stellt mein Vater die Koffer in eine Ecke und kramt aus seiner Hosentasche einen Schlüssel hervor.

»Hier, bitte! Willkommen zu Hause, bleib so lange du willst, und versuch deine Mutter zu ignorieren. Sie hätte gedacht, wenn du zurückkommst, dann meinst du zurück zu Robert.« Ich nicke. Meine Mutter und Robert waren immer schon ein Herz und eine Seele, und die Tatsache, dass er mich monatelang mit meiner besten Freundin betrogen hat, sollte ich in ihren Augen unter den Teppich kehren.

»Zurück zu Robert wäre nur schwer möglich, denn auf meiner Betthälfte schläft jetzt Christine«, stelle ich trocken klar.

»Wenn du etwas brauchst …«

»Nein, danke.« Ich schüttle den Kopf. »Ich möchte jetzt einfach nur unter die Dusche und früh ins Bett.«

Als ich alleine bin, suche ich ein paar Sachen für die Nacht aus meinem Koffer und beschließe, ihn gar nicht erst auszupacken. Ich habe ja nicht vor, hierzubleiben! Dann danke ich Gott dafür, dass das Gästezimmer ein eigenes Bad hat und ich meinen Eltern somit heute aus dem Weg gehen kann. Nur Klamotten für morgen muss ich noch aus den Kisten im Keller holen, denn bei Lilly hatte ich nur legere Kleidung dabei, die beim Termin mit dem Betreuer meiner Diplomarbeit in der Universität eher unangebracht wäre. Und vermutlich werde ich auch die Unterlagen dazu brauchen.

Also husche ich rasch die Treppen hinunter und bedanke mich in Gedanken bei mir selbst, dass ich bei meinem Auszug aus Roberts Wohnung sorgfältig alle Kartons beschriftet habe. Mich jetzt auch noch durch CDs und alte Erinnerungen zu wühlen, bis ich meine Unisachen finde, wäre das Letzte, was ich heute noch gebrauchen könnte. Als ich endlich alles beisammenhabe, dusche ich ausgiebig und genieße das warme Wasser auf meiner Haut. Wenig später lasse ich mich aufs Bett fallen und krame in meiner Tasche nach meinem Handy.

»Hallo, Lexi«, höre ich wenige Sekunden später, doch ich stutze, denn es ist nicht die Stimme, die ich erwartet hatte.

»Paul? Ich dachte, Lilly würde schon auf meinen Anruf warten«, erwidere ich überrascht.

»Ja, aber ich hab sie vor einer halben Stunde ins Bett geschickt. Nicht, dass es ohne Widerstand geklappt hätte«, fügt er dann lachend hinzu.

»Warum? Ist alles okay bei ihr?«, frage ich alarmiert. Meine Schwester ist schwanger und mutet sich grundsätzlich zu viel zu. Bisher konnten ihr Freund Paul und ich sie mit vereinten Kräften immer mühsam überzeugen, etwas kürzerzutreten, doch jetzt kämpft Paul alleine.

»Ja, grundsätzlich geht es ihr gut«, beruhigt er mich. »Es war heute nur ein sehr stressiger Tag in der Küche, weil …« Er stockt.

»Weil?«, hake ich nach.

Stille.

»Paul?«

»Weil ich Niko freigegeben hab«, rückt er mit der Sprache raus. »Es hätte keinen Sinn gehabt, ihn heute in die Küche zu stellen.«

Verdammt …

»Hey, mach dir keinen Kopf, ihr geht es gut. Und Niko wird sich auch wieder fangen.«

»Richte Lilly liebe Grüße aus und dass ich gut angekommen bin, okay? Ich melde mich diese Woche noch einmal«, bitte ich ihn und lege auf, damit er nicht hört, dass meine Stimme bricht. Tapfer schlucke ich die aufsteigenden Tränen hinunter. Wie befürchtet, geht es Niko genauso mies wie mir. Ich kann mich jetzt nicht bei ihm melden. Eigentlich wollte ich Bescheid geben, dass alles o.k. ist, aber ich glaube, damit mache ich jetzt alles nur noch schlimmer. Resigniert lege ich mein Handy auf den Nachttisch.

In dieser Nacht schlafe ich wie ein Stein, und als mein Handywecker mich am nächsten Morgen aus dem Schlaf reißt, brauche ich einige Sekunden, um zu realisieren, wo ich bin. Als ich das Gästezimmer meiner Eltern erkenne, lasse ich mich wieder matt in die Kissen sinken. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Jede einzelne Faser meines Körpers sagt mir, dass ich hier nicht hingehöre, und mit jedem Atemzug sehne ich mich nach der Ostsee. Ich fühle mich kraftlos, leer und ausgebrannt – was vor allem mit den nervenaufreibenden Gedanken und Entscheidungen der letzten Zeit zu tun hat. Hab ich wirklich das Richtige getan? Der Handywecker piept erneut, und ich schiebe die grüblerischen Gedanken von mir. Seufzend ergebe ich mich meinem Schicksal und tappe ins Badezimmer.

Aus meinem Schrank wähle ich heute einen Hosenanzug, da ich mit dem Betreuer meiner Diplomarbeit einen Termin in der Uni habe, von dem einiges abhängt. Ich möchte einen guten Eindruck hinterlassen, obwohl ich nicht weiß, was ich ihm noch vormachen will. Mein Studium war in den letzten Monaten lediglich in meinem Leben ein kleines Randkapitel, das ich mehr als nur vernachlässigt habe. Und heute hole ich mir die Quittung ab und hoffe, dass ich meine halb fertige Diplomarbeit nicht in die Mülltonne werfen kann.

Wenig später treffe ich in der Küche auf meine Eltern. Sie sitzen um den reich beladenen Frühstückstisch, auf dem auch ein Gedeck für mich bereitliegt. Ich ignoriere es, ebenso wie den aufkeimenden Ärger darüber, dass meine Mutter nach so vielen Jahren immer noch nicht weiß, dass ich vor neun Uhr morgens keine feste Nahrung zu mir nehmen kann, ohne dass mir speiübel davon wird. Ich nehme mir eine große Tasse Kaffee – heute schwarz – und lehne mich beim Trinken schweigend gegen den Küchenschrank.

»Alexandra, setz dich! Ein Frühstück im Stehen ist an so einem wichtigen Tag nicht angebracht«, belehrt mich meine Mutter sofort. Ich zwinge mich, tief durchzuatmen, damit meine Antwort etwas weniger bissig klingt.

»Ein Frühstück im Stehen hat in den vergangenen Wochen gereicht, also wird es das heute auch«, stelle ich fest. »Und jetzt entschuldigt mich bitte, ich muss los.« Ehe noch einer der beiden etwas erwidern kann, bin ich aus dem Haus.

Die Gegend hier ist mir altvertraut und doch fremd. Seit ich vor fünf Jahren hier weggezogen bin, hat sich viel verändert. Am allermeisten wohl ich selbst!

Auch in der Uni fühle ich mich wie ein Fremdkörper. Ich war in den vergangenen Monaten nicht besonders oft hier, nicht mal zu den Terminen mit meinem Betreuer, die ich hätte einhalten müssen. Das hat mir den Schlamassel, in dem ich jetzt stecke, ja eigentlich erst eingebrockt. Ich seufze und klopfe an die Tür von Prof. Brauner.

»Frau Manninger«, ruft er erstaunt, als ich eintrete. »Ich muss gestehen, in meiner Abteilung laufen Wetten, ob Sie sich heute wirklich blicken lassen. Und ich habe eben eine Menge Geld verloren.«

Ich entschuldige mich und erkenne erleichtert, dass der ältere Herr mir nicht böse ist. Im Gegenteil, er versucht sogar, mir zu helfen, die Arbeit noch fertig schreiben zu können. Wir versuchen so kompakt wie möglich, alle versäumten Gespräche nachzuholen und sowohl mich als auch meine Diplomarbeit so weit zu bringen, dass Prof. Brauners Nachfolger mit mir weiterarbeiten kann.

Ich verlasse die Uni erst am Nachmittag. Mein Mittagessen bestand aus einem zweifelhaften Brötchen aus der Mensa, und das war noch das vertrauenerweckendste Angebot dort. Himmel, Lilly hat mir wirklich den Ernährungsfloh ins Ohr gesetzt, früher waren Kochen und Essen notwendige Übel für mich.

Zu Hause verschwinde ich gleich im Gästezimmer und falle ins Bett. Die letzten beiden Tage waren enorm anstrengend. Ein wenig Entspannung kann nicht schaden, also schalte ich das Radio an. Es läuft Heaven von Bryan Adams. Ich erkenne den Song sofort, denn ich habe ihn in den letzten Wochen an fast jedem Abend gehört – gespielt von Niko auf seiner Gitarre, die er liebevoll seine »Lady« nennt. Nein, nein, das ist jetzt absolut kontraproduktiv. Ich mache das Radio wieder aus und reibe meinen schmerzenden Kopf. Vorsichtig taste ich nach der Handtasche, mit der ich gestern angekommen bin, da ich in ihr noch Kopfschmerztabletten vermute. Doch was ich dort als Erstes wiederfinde, ist der Flyer des After-Season-Festes, den Niko mir untergeschoben hat und auf dessen Rückseite die unglaublichen Worte stehen: »Ich werde warten!« Und während sie gestern ein Lächeln in mein Gesicht gezaubert haben, sind sie heute einfach zu viel für mich. Innerhalb von Sekunden brechen so viele Gefühle über mich herein, dass ich nicht mal atmen kann. Regungslos liege ich da. Ich halte die Tränen nicht auf, die Kraft dazu kann ich gerade nicht aufbringen. Ich schließe die Augen und sehe Niko, auf seinem Bett sitzend, die Gitarre in den Händen und mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Er fehlt mir so sehr, dass es körperlich wehtut. Jetzt weiß ich, weshalb man Liebeskummer auch Herzschmerz nennt – es ist genau die Stelle in der Mitte meines Brustbeines, die gerade so wehtut, dass ich glaube, wahnsinnig zu werden. Ich fühle mich wie ein Tisch, dessen Beine unter einer zu großen Last einknicken und brechen. Den Flyer zu finden, war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. In den letzten Wochen hat mich Verschiedenes immer wieder an meine Grenzen gebracht – die Trennung von Robert, meine Gefühle für Niko, die Entscheidung zwischen ihm und meinem Studium – und immer wieder habe ich mich gefangen, Restenergie mobilisiert und weitergemacht. Aber jetzt, so unwillkommen und fehl am Platz, wie ich mich hier fühle, ist da einfach keine Restenergie mehr übrig. Ich kann einfach nicht mehr! Kraftlos rolle ich mich zusammen und bleibe einfach nur liegen.

3.

In den nächsten beiden Tagen verlasse ich mein Zimmer nicht. Genau genommen tue ich gar nichts. Ich höre auf dem MP3-Player Songs von B.U., grüble vor mich hin, ob meine Entscheidung, wieder zurückzukommen, wirklich richtig war, ignoriere das Klopfen meiner Eltern, weigere mich, etwas zu essen, und finde es nicht einmal der Mühe wert, zu duschen.

Am Donnerstag klopft es an meiner Zimmertür, und es ist nicht das vorsichtige Klopfen meines Vaters, sondern mehr ein Hämmern.

»Lexi? Du öffnest jetzt augenblicklich diese Tür! Es reicht nämlich! Haben wir uns verstanden?« Ich erkenne die Stimme und weiß, dass es sinnlos ist, mich weiter tot zu stellen. Vor meiner Zimmertür steht meine Freundin Sylvie, und sie ist sauer.

»Sag mal, hast du jetzt völlig den Verstand verloren?«, faucht sie mich an, als ich die Tür öffne. »Wir waren am Montagabend verabredet, und du versetzt mich so einfach und bist tagelang nicht erreichbar. Und deine Eltern …« Dann stockt sie und sieht mich von oben bis unten an. »Wie siehst du denn aus?« Ich kann ihr diese Frage nicht beantworten, denn ich gehe dem Badezimmerspiegel seit Tagen aus dem Weg. Stattdessen lasse ich sie in der Tür stehen und verschwinde wieder ins Bett. Sylvie schließt die Tür hinter sich und baut sich vor meinem Bett auf.

»Ich weiß ganz genau, was hier los ist. Du hast den Ich-hab-den-Mann-meines-Lebens-verlassen-und-fühl-mich-hier-einsam-und-verlassen-Blues. Vor ein paar Wochen hab ich dich gefragt, ob du zwei Trennungen hintereinander überstehst, und du hast was gefaselt von Dummheiten, die man bereut, wenn man sie nicht begeht. Und jetzt finde ich hier ein heulendes Häufchen Elend?« Sie macht eine kurze Pause. Als ich nicht reagiere, holt sie tief Luft und schimpft weiter: »Jetzt hörst du mir mal gut zu! Es war deine Entscheidung, die Beziehung mit Niko einzugehen, obwohl sie ein Ablaufdatum hatte, es war deine Entscheidung, das Jobangebot deiner Schwester abzulehnen und wieder zurückzukommen. Es war deine Entscheidung, nicht bei Niko zu bleiben! Du wolltest – ich zitiere – dein Ding durchziehen und neu starten!« Kraftlos sehe ich auf.

»Und wenn ich das nicht kann? Ich hab grade keine Ahnung, was ich hier eigentlich mache.« Sylvie mustert mich stumm.

»Ich erzähl dir jetzt mal, wie ich die Sache sehe! Du hast zwei Möglichkeiten. Entweder packst du die paar Sachen, die du hier aus deinen Taschen geräumt hast, wieder ein, lässt das Studium sausen und fährst postwendend wieder zu deiner Schwester an die Ostsee. Dort bleibst du dann Küchenhilfe und arrangierst dich mit dem Gedanken, dass du dein ganzes Leben nur nach jemand anderem gerichtet hast. Das ist keine Entscheidung, für die du dich grundsätzlich schämen müsstest, viele Frauen haben das im Laufe der Geschichte gemacht.«

Jetzt hat sie meine ganze Aufmerksamkeit, denn das klingt so gar nicht nach meiner Freundin.

»Oder aber, du schwingst jetzt deinen Hintern aus dem Bett und tust auch das, was du dir vorgenommen hast, nämlich dein Leben mal ganz allein auf die Reihe bekommen und herausfinden, wer du wirklich bist. Es hat niemand behauptet, dass das der einfachere Weg ist, und auch nicht, dass es ohne Schmerzen ablaufen wird. Aber ich würde dir trotzdem dringend dazu raten, sonst hat die Aktion, dass du Niko und deine Schwester zurückgelassen hast, nämlich ihren Sinn verloren.«

Das ist die Sylvie, die ich kenne.

»Egal wie du dich entscheidest, du kommst jetzt aus diesem verdammten Bett raus und gehst duschen! Du siehst entsetzlich aus, und – jetzt mal ganz ehrlich – du stinkst«, fügt sie dann mit angewidertem Blick hinzu. Ich gebe mich geschlagen, quäle mich aus dem Bett und trolle mich wortlos ins Badezimmer.

»Ich warte!«, ruft Sylvie mir nach.

Ohne nach links oder rechts zu schauen, steige ich sofort unter die Dusche und schamponiere und seife mich ein. Der warme Wasserstrahl fühlt sich gut an. Auch das Zähneputzen erledige ich gleich. In ein Badetuch gewickelt, stehe ich kurz darauf vor meinem Spiegel und riskiere einen Blick. Gut, ich bin sauber und wieder wohlriechend, aber meinem Gesicht sieht man deutlich an, dass ich mich sehr habe gehen lassen in den letzten Tagen. Mit geföhntem Haar komme ich schließlich in ein Schlafzimmer zurück, in dem Sylvie gezaubert hat. Meine Bettwäsche ist gewechselt, das Fenster steht sperrangelweit offen und lässt wieder Sauerstoff in den Raum, mein Handy, dessen Akku sich bereits gestern mit einem letzten Piep verabschiedet hat, lädt fleißig, und auf dem Sessel hängen frische Klamotten.

»Schon besser«, nickt meine Freundin. »Letzte Nahrungsaufnahme?«

Ich überlege.

»Schon verstanden. Zieh dich an, wir gehen was essen, und dann sagst du mir, wie du dich entschieden hast.«

Entgeistert sehe ich sie an.

»Was denn? Du hast drei Tage in diesem miefenden Raum verbracht. Es wird Zeit, die Dinge etwas voranzutreiben«, beschließt sie und scheucht mich zu den Klamotten.

Wenig später sitzen wir in einem unserer früheren Lieblingsrestaurants, und ich schnuppere an meinen Nudeln mit Tomatensauce. Hungrig beginne ich zu essen. Nicht schlecht, denke ich. Aber mit ein wenig mehr Oregano … Lexi, was soll denn das? Von diesen Nudeln hast du dich lange Zeit praktisch ausschließlich ernährt, daran gibt es nun wirklich nichts zu meckern. Sylvie sieht mich erwartungsvoll an.

»Also? Du siehst jetzt wieder einigermaßen menschlich aus und hast auch etwas im Magen. Wie soll es jetzt weitergehen mit dir?« Dass ausgerechnet Sylvie vorhin mit dem Vorschlag ankam, einfach umzudrehen und zu Niko zurückzufahren, hat mich nachdenklich gestimmt.

»Du hast dich nach deinem Urlaub bei Lilly gefragt, ob Georg nicht doch der Richtige gewesen wäre, stimmt‘s?«, frage ich sie mit durchdringendem Blick. Und dann passiert es! Meine superrationale Freundin, die sogar ihren Aufenthalt abgekürzt hat, damit ihre Urlaubsliebe ihr emotional nicht zu nahe kommen kann, senkt jetzt betreten den Blick.

»Sylvie, ich hatte ja keine Ahnung …«, meine ich bedauernd.

»Lassen wir das«, wischt sie das Thema vom Tisch. »Ich bin hier, wichtiger ist die Frage, ob du auch hierbleibst.« Ich nicke. Ja, es geht mir im Moment wirklich mies, aber diese Entscheidung habe ich bereits getroffen. Die Gedanken darum haben mir viele schlaflose Nächte beschert, aber letztlich war ich mir sicher, und darum sollte ich jetzt auch dahinterstehen.

»Ich hab gewusst, dass ich hier keinen Halt haben werde und mein Leben mal ganz allein auf die Reihe kriegen muss, aber als es jetzt so weit war, hat mich das gelähmt«, gebe ich zu. »Doch große Schluchten überwindet man nicht mit kleinen Schritten, man muss schon springen.« Sylvie umarmt mich und versenkt dabei fast ihren Schal in meiner Tomatensauce.

»Du bist nicht allein«, murmelt sie in mein Haar.

»Du auch nicht«, nuschle ich zurück.

Als ich wieder in mein Zimmer komme, bin ich im Besitz eines nagelneuen Terminplaners, den ich mit Sylvie noch im Einkaufszentrum besorgt habe, und voller Tatendrang. Es wird Zeit, mein Leben wieder etwas mehr zu planen, nicht einfach alles passieren zu lassen und darauf zu reagieren. Mein Handy zeigt an, dass es geladen ist, und ich sehe, dass Michael versucht hat, mich zu erreichen. Kurz entschlossen rufe ich ihn an und verabrede mich am nächsten Abend mit ihm in einem Café.

Als ich pünktlich dort ankomme, habe ich ein mulmiges Gefühl im Bauch. Sicher, ich kenne Michael schon sehr lange und hatte auch schon unzählige Verabredungen mit ihm, aber eben immer zu viert – er und Christine mit mir und Robert. Ihn jetzt allein zu treffen und zu wissen, dass die anderen beiden nun ein Paar sind, ist eigenartig. Auch Michael scheint etwas unsicher, als er mich mit Wangenküsschen begrüßt.

»Alexandra, schön, dass wir es geschafft haben«, meint er steif und überreicht mir eine Visitenkarte. Was soll das denn? Ich kenn ihn ja wohl bitte eindeutig zu gut, als dass er sich mir noch vorstellen müsste. Perplex sehe ich ihn an. Verwirrt wandert sein Blick zwischen meinen Augen und der Karte hin und her.

»Die Kontaktdaten meiner Immobilienmaklerin – deswegen wolltest du dich doch mit mir treffen, oder?«, meint er dann entschuldigend. Ja, natürlich, das hatten wir ja besprochen, als ich noch bei Lilly war! Ich nicke rasch und stecke die Karte in meine Tasche.

»Wie geht es dir?«, fragt er vorsichtig. »Was macht die Uni?«

»Die Uni ist gerade mein geringstes Problem«, erwidere ich seufzend. Michael nickt.

»Ich weiß, was du meinst. Mir geht es nach der Trennung von Christine nicht anders. Man hängt sehr in der Luft. Es gibt so viele Dinge zu regeln und zu tun, aber man sieht nur diesen angehäuften Berg, und schon ist man wie eingefroren. Keine Ahnung, wo man anfangen soll, was gerade das Wichtigste ist und was noch warten kann. Du hast durch den Aufenthalt bei deiner Schwester Zeit gewonnen, aber jetzt trifft dich alles, was hier gewartet hat, auf einen Schlag«, beschreibt er meine Lage passend.

Als ich das Mitgefühl in seiner Stimme höre, muss ich schlucken, damit mir die Tränen nicht in die Augen steigen. Ich hatte fast vergessen, dass er dasselbe durchmachen musste. Ja, stimmt, ich habe Zeit gewonnen. Aber gleichzeitig habe ich mir gleich noch eine Wunde mehr zugelegt. Ich beschließe, die Sache mit Niko für mich zu behalten. Mir fehlt eindeutig gerade die Energie, um Michael die ganze Geschichte zu erzählen.

»Und hast du einen Tipp für mich?«, erkundige ich mich lächelnd, als ich mich wieder gefangen habe. »Was ist denn das Wichtigste?« Michael legt behutsam seine Hand auf meine und drückt sie leicht.

»Dass du einfach mal irgendwo beginnst. Ganz egal, wo – der Rest kommt dann wie von selbst ins Laufen«, versichert er mir zuversichtlich. Danach werden wir beide etwas lockerer. Er erzählt, dass er sich seit der Trennung total in die Arbeit gestürzt hat und für seine Firma in den nächsten Wochen einige Male nach Frankreich reisen muss. Er ist für eine Kosmetikfirma tätig, die reine Naturprodukte erzeugt, und kümmert sich um Einkauf und Qualitätsüberprüfung der gelieferten Ware. Im Moment soll er die Lavendelernte eines Vertragspartners überwachen.

»Mein Chef ist von meinem Hang zu Überstunden so begeistert, dass er mir diesen großen Auftrag anvertraut hat. So hat es wenigstens einen positiven Nebeneffekt, wenn einem im kleinen Zimmer in der Pension Mama die Decke auf den Kopf fällt und man sich ablenken möchte«, erzählt er sarkastisch.

Ich beiße mir auf die Unterlippe, ehe ich mich traue zu fragen: »Hast du nach ihrem Auszug noch mal was von Christine gehört?«

Er schüttelt den Kopf. »Nein, und ich wüsste auch nicht, weshalb.« Vorsichtig sieht er mich an. »Und du? Hat Robert sich gemeldet?«

Ich nicke. »Ja, er hat mich angerufen, als ein Brief von der Uni versehentlich noch an die alte Adresse kam. Den hat er mir dann mit Kurier geschickt«, erzähle ich.

»Und von Christine? Ich meine, sie ist deine beste Freundin!?«, erkundigt er sich weiter.

»Sie war meine beste Freundin«, stoße ich hervor. Michael sieht mir wohl an, wie verletzt ich noch bin.

»Vielleicht hilft es dir, dass ich mich in ihr genauso getäuscht habe wie du? Ich meine, ich hab sie geheiratet! Und sie hat nicht mal versucht, mir etwas zu erklären oder unsere Ehe zu retten, als ich sie auf Robert angesprochen habe«, sagt er leise. Ich verstehe, was er meint.

»Als wir uns bei der Post getroffen haben, bin ich einen Tag zuvor von meiner Schwester zurückgekommen«, erzähle ich dann. »Ich wollte ein paar Sachen aus der Wohnung holen. Die beiden sind mir auf dem Weg zum mittäglichen Schäferstündchen praktisch in die Arme gelaufen. Sie wollten mich zwar mit zig Nachrichten und Anrufen zur Rückkehr bewegen, aber das Ende ihrer Affäre war nie Teil des Plans. Als ich dahintergekommen bin, wollte sie etwas dazu sagen, aber … ich wollte einfach nichts hören.« Eine betretene Stille macht sich breit.

»Ein Glas Rotwein?«, fragt Michael schließlich. Ich lächle und nicke. Als der Wein kommt, hebt Michael sein Glas.

»Ich trinke darauf, dass ich mich mit siebenundzwanzig Jahren scheiden lasse und wieder bei meinen Eltern wohne – zwei Dinge, die mit ein wenig Alkohol entschieden leichter zu ertragen sind.« Er prostet mir zu. Ich tue es ihm gleich.

»Und ich trinke darauf, dass mich meine beste Freundin nach Strich und Faden hintergangen hat, ich wieder bei meinen Eltern wohne und Menschen im Stich gelassen habe, die ich sehr liebe, nur um mich zu fragen, was ich hier eigentlich mache – das ist genau das Leben, das ich mir immer erträumt habe. Darauf kann man doch nur das Glas heben.« Es wird schließlich noch ein ganz netter Abend, und wir wollen auch weiterhin in Kontakt bleiben.

4.

Als ich am nächsten Morgen aufwache, hab ich etwas Kopfschmerzen. Es war letztlich gestern doch mehr als nur ein Glas Wein. Ich ziehe bequeme Klamotten an und tapse in die Küche, um mit einem schwarzen Kaffee die Lebensgeister wieder zu wecken. Doch ehe ich es noch bis zur rettenden Kaffeemaschine geschafft habe, laufe ich meiner Mutter in die Arme.

»Ach, guten Morgen! Dass mein Fräulein Tochter es auch mal aus den Federn geschafft hat. Man sieht dich ja kaum.« Der Vorwurf in ihrer Stimme ist nicht zu überhören.

»Das war auch meine Absicht«, murmle ich und dränge mich an ihr vorbei.

»Bitte?«

»Guten Morgen, Mama!«, sage ich laut. »Ich wollte euren üblichen Tagesablauf nicht stören.« Eilig füttere ich die Kaffeemaschine mit einer der vielen bunten Kapseln und drücke auf irgendeinen der leuchtenden Knöpfe. Für diese hypermodernen Dinger habe ich nichts übrig. Bei einer Filtermaschine weiß man wenigstens, was unten rauskommt. Bei diesen ganzen Knöpfen und verschiedenen Kapseln ist es wie ein Glücksspiel, was einen letztlich aus der Tasse anlacht. Und dass ich morgens eine Bedienungsanleitung studieren muss, ehe ich zu meinem heiß ersehnten Kaffee komme, ist wirklich das Letzte, das ich gebrauchen kann. Meine Mutter räuspert sich lautstark neben mir. O.k., vielleicht ist die Bedienungsanleitung doch nur das Zweitletzte, das ich morgens gebrauchen kann.

»Darf man sich erkundigen, wie deine weiteren Pläne aussehen? Ich meine, es kann ja nicht ewig so weitergehen, dass du dich bei uns verkriechst und dich ständig bis spät in die Nacht mit weiß Gott wem herumtreibst«, meint sie spitz.

»Mutter, ich war ein einzigesMal weg. Du solltest deine Definition von ständig überdenken«, erwidere ich müde. Wie lange kann so eine verdammt Maschine für einen vernünftigen Kaffee brauchen?

»Und mit wem?«, bohrt sie nach. Was soll denn das Kreuzverhör?

»Keine zwielichtigen Gestalten, Mutter, nur mit Michael. Und ich bin fünfundzwanzig Jahre alt, also kannst du bitte aufhören, mich wie ein Kleinkind zu behandeln?« Das Zischen hat ein Ende, und mit einem fröhlichen Piep zeigt das spacige Ding vor mir an, dass ich endlich meinen Morgenkaffee bekomme. Die Tasse ist allerdings nur zur Hälfte voll. Ach, Mann … Meine Mutter zieht eine Schnute. Ich nehme einen Schluck.

»Michael … Nun ja, meinst du, dass es eine gute Idee ist, dich mit anderen Männern zu verabreden? Robert könnte …«

»Wow, wow, wow!«, unterbreche ich sie laut. Kapsel und Taste haben offensichtlich perfekt zusammengepasst und den wohl stärksten Espresso fabriziert, den ich je in meiner Tasse hatte. Ich fühle mich wie eine Flutlichtanlage, die man angeknipst hat.

»Aber …«

»Nein!«

»Kind …«

»Nein!«

»Aber …«

»Mutter!«, schreie ich. Endlich ist sie still und sieht mich an.

»Robert ist Geschichte! Es ist aus, vorbei, ohne Zurück, kein Widerrufsrecht! Bitte versuch das endlich in deinen Kopf zu kriegen und zu akzeptieren!«, fordere ich laut.

»Wir wollen doch nur dein Bestes, und Robert war perfekt für dich«, meint sie eindringlich.

»Nein, war er nicht! Sonst hätte er mich wohl nicht hintergangen und eine Affäre mit meiner besten Freundin angefangen«, bringe ich es auf den Punkt.

»Aber vielleicht hast du da nur was missverstanden …«

»Sie haben vor meinen Augen in unserem Bett gevögelt, Mutter!«, rufe ich, und sie sieht mich pikiert an.

»Es muss doch aber irgendwie weitergehen mit dir!«, meint sie dann klagend.

»Ach nein, wirklich?«, erwidere ich sarkastisch.

»Du kannst doch nicht auch noch vom richtigen Weg abkommen. Robert hat dich immer so gut unterstützt …«, redet sie sich in Rage. Ich stoppe sie mit einer Handbewegung.

»Robert hat unterstützt, dass ich mein Studium zwei Jahre total vernachlässigt habe«, stelle ich richtig. »Ich habe mein Praktikum knapp vor der Festanstellung verloren, weil ich es nicht für nötig befunden habe, dass ich meine Diplomarbeit fertig schreibe. Ich bin längst vom richtigen Weg abgekommen. In Wahrheit bin nicht ich die gute Tochter. Sondern es ist die Tochter, die du immer als Enttäuschung ansiehst, die sich aus dem Nichts etwas aufgebaut hat, die eine Pension und ein Restaurant aus dem Boden gestampft hat, die einen wundervollen Mann an ihrer Seite hat und ein Team anführt, das vollkommen hinter ihr steht und sie auch jetzt in der Schwangerschaft voll unterstützt. Auch wenn es nicht leicht ist, sie in der Küche zu entlasten, weil sie ihre Arbeit so sehr liebt, dass sie völlig in ihr aufgeht und einfach die Beste darin ist.« Meine Mutter hat sich mit schockiertem Blick gesetzt.

»Schwangerschaft?«, stößt sie hervor. »Elisabeth ist schwanger?« Ich beiße mir auf die Lippe. Verdammt! Lilly bringt mich um.

»Ja, sie wollte es euch sicher selbst sagen …«, erwidere ich beschwichtigend. Ich sehe die Überraschung in ihren Augen, doch meine Mutter fängt sich schnell wieder.

»Vielleicht hast du recht«, meint sie nachdenklich. Ich traue meinen Ohren kaum. Hat sie mir gerade zugestimmt?

»Möglicherweise habe ich mir wirklich immer um die Falsche von euch Sorgen gemacht. Dass dein Studium nur mehr eine Ausrede war, ist mir schon länger klar. Aber das meinte ich nicht mit dem richtigen Weg. Robert hätte dir auch ohne Studienabschluss ein sorgenfreies Leben bieten können. Bis wir jetzt wieder so jemanden finden für dich …« Sie lässt den Satz in der Luft hängen und schüttelt nachdenklich den Kopf. Langsam fügen die Mosaiksteinchen sich zu einem Bild zusammen. Fassungslos schnappe ich nach Luft.

»Du hast mir nie zugetraut, dass ich selbst erfolgreich werde und auf eigenen Beinen stehe, oder? Du wolltest mich reich verheiraten, damit ich abgesichert bin, wie im 18. Jahrhundert. Du denkst, ich schaff es nicht aus eigener Kraft!« Die volle Wahrheit so auszusprechen, weckt einen Brechreiz in mir. Sollten Eltern nicht an ihre Kinder glauben?

Die Reaktion meiner Mutter spricht Bände. Sie schweigt! Sie versucht nicht einmal, sich herauszureden, etwas abzumildern oder zu erklären. Wütend knalle ich meine Tasse auf den Tisch, sodass Kaffee herausspritzt, und stürme ins Gästezimmer.

Außer mir tigere ich auf und ab. Ich habe das Gefühl, dass mein ganzes Leben sich zu einem großen Felsblock verschmolzen hat und mir nun im Weg liegt. Das Ganze ist ein Albtraum – was mach ich denn eigentlich hier? Vor einer Woche noch hatte ich einen Job, eine Bleibe, Freunde und Familie um mich … Ich schrecke auf. Familie! Lilly! Oh, mein Gott, meine Mutter … Noch während ich denke, such ich mein Handy und wähle Lillys Nummer.

»Es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir leid!«, versichere ich ihr inbrünstig, noch ehe sie einen Ton sagen kann.

»Mama war schneller als du«, meint sie nur.

»Lilly, ich kann mich gar nicht genug bei dir entschuldigen! Ich wollte es ihr nicht sagen, aber sie hat mich so auf die Palme gebracht, dass es mir rausgerutscht ist. Bitte verzeih mir!«, flehe ich.

»Verzeihen? Soll das ein Witz sein?«, höre ich und schließe verzweifelt die Augen. »Ich kann dir gar nicht genug danken!« Was? Überrascht setze ich mich.

»Ich hatte keine Ahnung, wie ich es ihr sagen soll«, fährt Lilly fort. »Ich weiß nicht, wie du es geschafft hast, aber sie hat keinen Ton verloren über meinen Job oder Paul oder über irgendeine andere Sache, über die sie sich sonst so gerne aufregt. Sie hätte es zwar lieber von mir erfahren, aber hey, welch Freudentag, wenn das mal das Einzige ist, das sie gerade an mir auszusetzen hat.« Sie lacht. »Was war denn los, dass du so auf der Palme warst?« Ich erzähle ihr von meinem Gespräch mit unserer Mutter, und auch sie schnappt empört nach Luft.

»Wir sind doch hier nicht bei Stolz und Vorurteil. Die Gute sollte nicht immer von sich auf andere schließen. Lass dich bloß nicht von ihr runterziehen, du weißt genauso gut wie ich, wie viel du draufhast«, schärft sie mir ein. Ich lächle. Es tut gut, mit meiner Schwester zu reden.

»Was hast du denn jetzt vor?«, fragt sie. Ich atme tief durch, und plötzlich weiß ich, dass ich den Felsbrocken anschubsen muss, damit er aus dem Weg rollt. Und auch, womit ich anfange.

»Ausziehen!«

Am Nachmittag sitze ich in einem kleinen Café unweit der Uni und nippe an meinem Espresso. Nachdem der von heute Morgen mich so aufgerüttelt hat, habe ich beschlossen, bis auf Weiteres bei dem schwarzen Wundergetränk zu bleiben. Schließlich gibt es noch eine Menge zu tun. Gleich nach meinem Telefonat mit Lilly, bei dem das Thema Niko unausgesprochen umschifft wurde, habe ich die Immobilienmaklerin angerufen, die Michael mir empfohlen hat, und nun warte ich hier auf sie.

»Verzeihung, sind Sie Frau Manninger?«, fragt mich die junge Frau, die eben durch die Türe gekommen ist. Sie ist kaum älter als ich, gertenschlank und trägt ihr schwarzes Haar etwa kinnlang.

»Äh, ja …«, antworte ich überrascht.

»Annabelle Hauser mein Name, wir haben heute Vormittag telefoniert«, stellt sie sich vor, und ich muss mich wohl endgültig von meinem Vorurteil verabschieden, dass Immobilienmakler erzkonservative ältere Herrschaften sind.

»Oh, ja, natürlich. Aber nennen Sie mich doch bitte Lexi«, erwidere ich lächelnd und schüttele ihre Hand.

»Gerne! Annabelle – können wir Du sagen?« Und schon ist das erste Eis gebrochen. Auch sie bestellt Kaffee und sieht mich erwartungsvoll an.

»Also Lexi, du hast erwähnt, dass du eine Wohnung suchst. Was hast du dir denn vorgestellt? Wie und wo soll sie denn sein?«

»Möglichst weit weg von meiner Mutter!«, platze ich heraus. Annabelle lächelt.

»Nun ja, das beantwortet meine nächste Frage, nämlich warum du eine neue Wohnung suchst.«

»Weil es mit fünfundzwanzig endlich Zeit für die erste eigene Wohnung ist«, meine ich dann überlegt.

»Hast du noch nie allein gewohnt?«, erkundigt sich die Maklerin. Ich schüttle den Kopf.

»Erst mit meinem Ex-Freund zusammen, dann kurz bei meiner Schwester und jetzt wieder bei meinen Eltern, aber diesen Zustand möchte ich gerne so schnell wie möglich ändern.«

Annabelle nickt. »Verstehe! Und welche Vorstellungen hast du? Wie groß soll sie sein? Ungefähre Lage? Besondere Wünsche?« Ich hole tief Luft. Darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht.

»Also nicht zu groß und einigermaßen zentral wäre gut, weil ich zur Uni muss. Und es sollte etwas sein, das ich zu meinem Zuhause machen kann. Bis jetzt hatten meine Wohnungen immer die Note von jemand anderem. Es war immer hübsch, aber irgendwie konnte ich keiner Bleibe meinen eigenen Stempel aufdrücken.« Ich blicke auf, und sie lächelt.

»Ich mach dir einen Vorschlag. Wir sehen uns einfach mal ein paar Sachen an, und du sagst mir dann, was du anders haben willst und was dir gefällt.«

»Klingt gut«, antworte ich erleichtert.

»Eine Frage muss ich dir aber schon noch stellen, das gehört zum Job leider dazu. Und zwar die Frage nach der Bonität …« Abwartend sieht sie mich an.

»Ja, ich hab einiges gespart, also Kaution, Ablöse und Provision sind kein Problem«, beruhige ich sie.

»Und ein laufendes Einkommen?«, erkundigt sich Annabelle.

»Ich bin gerade auf Jobsuche«, antworte ich ausweichend.

»Würde jemand für dich bürgen? Deine Eltern vielleicht?«, schlägt sie vor, doch ich schüttle den Kopf.

»Die will ich da nicht mit hineinziehen.«

Sie nickt. »Verstehe! Wenn man wegen der Mutter eine eigene Wohnung sucht, möchte man sie dann nicht um eine Bürgschaft bitten.« Bedrückt sieht sie mich an.

»Also ich versteh deine Situation wirklich, aber leider bin ich in diesem Punkt unseren Vermietern verpflichtet. Ohne fixes Einkommen wirst du keinen Mietvertrag bekommen«, stellt sie fest. Der Felsbrocken, der schon ins Wanken gekommen war, liegt nun wieder starr und bedrohlich vor mir. Eine Weile ist Annabelle still, dann leuchten ihre Augen auf.

»Ich hab eine Idee. Heute Vormittag hatte ich eine Besichtigung nicht weit von hier. Die Wohnung hat für den Kunden nicht gepasst, er sucht etwas in einem anderen Stil, aber vielleicht hast du Lust, sie dir mal anzusehen. Die Schlüssel hab ich noch dabei. Hast du Zeit?« Ich bin verwirrt.

»Ja, aber ich hab in den letzten zehn Minuten keinen Job gefunden.«

Annabelle nickt beschwichtigend. »Meine Idee erklär ich dir später. Jetzt besichtigen wir mal die Wohnung.« Wir bezahlen, und kurz darauf sitze ich schon neben ihr im Auto.

Als wir wenig später anhalten, sehe ich mich um. Es ist nicht das Zentrum, aber auch nicht zu weit weg vom Schuss. In der Straße, in der wir halten, gibt es eine Pizzeria und ein weiteres kleines Lokal. Die Gebäude sind alle dreistöckig, davor wachsen auf einem kleinen Grünstreifen Bäume. Annabelle deutet auf ein Haus.

»Hier ist die Adresse, wir müssen in den dritten Stock.« Ich nicke und folge ihr. Es gibt keinen Lift, und ab dem zweiten Stock beschimpfe ich mich in Gedanken selbst dafür, dass ich in letzter Zeit keinen Sport getrieben habe. Die Maklerin schließt die Türe auf und lässt mich als Erste eintreten.

»Geh doch bitte mal durch. Wir haben hier einen Flur mit Garderobe, und die erste Türe rechts ist die Küche, ich schlage vor, dass wir dort starten.« Ich folge ihren Anweisungen und stehe in einem überraschend hellen, mittelgroßen Raum. Zu meiner Linken befinden sich eine Sitzecke mit weißen Ledersesseln und einem schwarzen Glastisch. Zu meiner Rechten entdecke ich den eigentlichen Kochbereich, der durch eine Bar mit zwei Hockern optisch abgegrenzt ist. Die Front der Küche ist burgunderrot mit einer hellgrauen Granitarbeitsfläche und scheint noch sehr neu zu sein.

»Der Vormieter hat die Küche erst vor einem Jahr einbauen lassen. Die Ablöse dafür ist wirklich fair, aber über das Finanzielle sprechen wir später. Alle Geräte sind vorhanden – Geschirrspüler, großer Kühlschrank mit Gefrierfach, Backofen in Höhe der Arbeitsfläche und ein Herd mit Ceranfeld, meiner Meinung nach das Beste, um zu kochen.«

»Ich koche lieber mit Gas«, murmle ich gedankenverloren.

»Oh, kochst du viel?«, hakt Annabelle nach. In meiner Magengegend krampft sich etwas zusammen.

»Gelegentlich«, weiche ich aus. »Bleibt die Sitzecke auch in der Wohnung?« Sie schüttelt den Kopf.

»Nein, es bleibt nur die Küche hier, die restlichen Möbel nehmen die Mieter mit. Man kann sich also in der Gestaltung voll austoben«, meint sie augenzwinkernd. »Als Nächstes gehen wir vielleicht ins Wohnzimmer, gleich die nächste Tür rechts.« Auch dieser Raum ist hell und freundlich, mit zwei Fenstern an der Stirnseite. Ich schenke der Möblierung wenig Beachtung, sie bleibt ja ohnehin nicht. Das Zimmer ist relativ groß, und ich habe entdeckt, dass es noch einige Türen den Flur runter gibt. Die Miete wird also nicht unbedingt die eines Schlumpfpilzes sein. Fragend drehe ich mich zu Annabelle, doch die winkt mich schon weiter ins Badezimmer, wo mich Fliesen in sanftem Beige, ein Doppelwaschtisch, eine Dusche und eine Badewanne erwarten.

»Es ist leider kein Tageslichtbad, aber das Lichtkonzept und die gute Ablüftung machen das absolut wieder wett«, flötet Annabelle.

»Ok, stopp!«, unterbreche ich sie. »Was ich bis jetzt gesehen hab, ist ja echt toll, aber ich hatte eher gedacht, du zeigst mir eine sehr kleine Wohnung, bei der die Chance besteht, dass ich die Miete einige Monate noch von meinem Ersparten berappen kann, ehe ich einen Job gefunden habe. Aber diese Wohnung ist riesig, man kann eine Großfamilie hier unterbringen. Die kann ich doch nie und nimmer bezahlen«, stoße ich hervor.