Leuchtturmhoffnung - Karin Wimmer - E-Book
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Leuchtturmhoffnung E-Book

Karin Wimmer

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Beschreibung

Du merkst, wenn es der Richtige ist. Oder? Als Lukas plötzlich vor Anna steht, setzt ihr Herz kurz aus. Seit Jahren hat sie ihren besten Freund aus Jugendtagen nicht mehr gesehen. Dabei erinnert sie sich nur zu gut an die gemeinsame Zeit bis zu jenem verhängnisvollen Abend, nach dem Lukas verschwand, ohne sich je wieder bei ihr zu melden. Mittlerweile ist er ein gefeierter Starkoch und Anna Inhaberin einer Gärtnerei – Welten scheinen sie zu trennen. Als sie sich unerwartet in Sterenholm begegnen, hängen die unausgesprochenen Worte wie graue Wolken über dem Meer. Wird das Leuchtfeuer des Leuchtturms, Licht in ihre stürmische Gefühle bringen? Sie wollen mehr wunderbare Strandkorblektüre? Entdecken Sie die komplette Sterenholm-Reihe: - Band 1: Strandkorbflüstern - Band 2: Strandkorbsehnsucht - Band 3: Hausbootküsse - Band 4: Meersalzträume - Band 5: Dünenherzen - Band 6: Leuchtturmhoffnung - Band 7: Sandstrandliebe

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Leuchtturmhoffnung

Die Autorin

Karin Wimmer lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Niederösterreich. Seit sie denken kann, sind Bücher ihre treuen Begleiter und Freunde und schon im Teenageralter entdeckte sie auch das Schreiben für sich. Ihre Ideen kommen meist spontan aus alltäglichen Situationen und lassen sie dann nicht mehr los, bis sie sich an den Laptop setzt. Die Liebe spielt in ihren Romanen immer die Hauptrolle. Ihre eigene Leidenschaft gehört ihrer Familie, dem geschriebenen Wort und Schokolade – in etwa in dieser Reihenfolge.

Das Buch

Du merkst, wenn es der Richtige ist. Oder?

Als Lukas plötzlich vor Anna steht, setzt ihr Herz kurz aus. Seit Jahren hat sie ihren besten Freund aus Jugendtagen nicht mehr gesehen. Dabei erinnert sie sich nur zu gut an die gemeinsame Zeit bis zu jenem verhängnisvollen Abend, nach dem Lukas verschwand, ohne sich je wieder bei ihr zu melden. Mittlerweile ist er ein gefeierter Starkoch und Anna Inhaberin einer Gärtnerei – Welten scheinen sie zu trennen. Als sie sich unerwartet in Sterenholm begegnen, hängen die unausgesprochenen Worte wie graue Wolken über dem Meer. Wird das Leuchtfeuer des Leuchtturms Licht in ihre stürmische Gefühle bringen?

Karin Wimmer

Leuchtturmhoffnung

Ein Ostsee-Roman

Ullstein

Besuchen Sie uns im Internet:www.ullstein.de

Originalausgabe bei UllsteinUllstein ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH,Berlin Juni 2023 (1)© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2023Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic®E-Book powered by pepyrusISBN 978-3-8437-2886-7

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Playlist

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Epilog – ein Jahr später

Nachwort und Danksagung

Leseprobe: Dünenherzen

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Playlist

»Am Ende wird alles gut.

Und wenn es nicht gut ist,

ist es noch nicht das Ende.«

Oscar Wilde

Playlist

Schifoan -

Wolfgang Ambros

Zwickts mi -

Wolfgang Ambros

Freunde -

Austria 3

2 Mal -

Mathea

Stoak wia a Felsn -

Stefanie Werger

Fachmann in Sachen Anna -

Roger Cicero

Kalt und immer kälter -

STS

Wo bist du -

Josh

Brücken zum Mond -

Tagträumer

Alte Seele

- Lemo

Freindschoft

- Edmund

Achy Breaky Heart -

Billy Ray Cyrus

Von dir ein Tattoo

- Josh

Du entschuldige i kenn di -

Peter Cornelius

Leiwand -

Edmund

Es tut so weh, wenn ma verliert -

Rainhard Fendrich

Ring in der Hand -

Josh

I walk the line -

Johnny Cash

Just when I needed you most -

Randy Vanwarner

Help me make it through the night -

Kris Kristofferson

Gö du bleibst heut Nacht bei mir -

STS

Weilst a Herz hast wie a Bergwerk -

Rainhard Fendrich

Expresso & Tschianti -

Josh

Vielleicht -

Josh

So wie du bist

- Lemo

tagträumen –

Tagträumer

Mein Anker –

Julian le Play

Vielleicht der Sommer -

Lemo

Team

- Julian le Play

Wo du wohnst

- Josh

Kapitel 1

Kennt ihr das? Es gibt diesen einen Moment im Leben, den man schon hundertmal durchgespielt hat. Das Zusammentreffen mit dieser einen Person, auf das man sich in Gedanken vorbereitet hat, für das man sich Worte zurechtgelegt und alle möglichen Emotionen durchgedacht hat, nur damit man perfekt dafür gewappnet ist. Es kann eigentlich nichts schiefgehen. Und dann kommt diese Situation, mit der man gerechnet hat, für die man einen Plan hat. Aber alles läuft anders.

Für mich ist dieser Augenblick nun gekommen. Die Sekunde, in der das Leben von Anna Klausner seinen ruhigen, vorhersehbaren Verlauf verlässt und auf eine unberechenbare Bahn geworfen wird.

Ich wusste, dass ich ihm heute begegnen würde. Schließlich bin ich Brautjungfer bei jener Hochzeit, auf der er Trauzeuge ist. Als er Mariella im Winter hier in Sterenholm besucht hat, bin ich ihm geschickt aus dem Weg gegangen. Doch auf einer Feier begegnet man sich notgedrungen irgendwann. Doch seien wir mal ehrlich: Es gibt Schlimmeres, als seiner Vergangenheit bei so einer Gelegenheit wieder zu begegnen.

Ich stecke in einem wunderschönen Kleid, mein dickes dunkelbraunes Haar ist perfekt frisiert, und meine braunen Augen sind professionell geschminkt. Ich sehe umwerfend aus. Ja, das kann ich von mir selbst sagen, ich habe den halben Morgen damit verbracht, fremden Leuten dabei zuzusehen, wie sie mich in diese Märchenprinzessin verwandeln. Und ausnahmsweise fühle ich mich in diesem Aufzug sogar wohl. Ich hatte vor, freundlich, aber distanziert zu lächeln, ein nettes Hallo von mir zu geben, wie man es mit flüchtigen Bekannten tut und mich dann mit den anderen Personen an meinem Tisch zu unterhalten. Doch dann sagt er mit seiner Stimme, die ich immer noch unter Tausenden wiedererkennen würde, einfach nur »Anna!«. Und das genügt, um mir klarzumachen, dass mein Plan gescheitert ist.

Ich sehe auf, und Lukas Behrens steht vor mir. Die Erinnerungen lassen mich erstarren, nein, sie erschlagen mich förmlich, so geballt prasseln sie auf mich ein. Und es sind so unendlich viele. Er hat sich kaum verändert, obwohl wir uns seit Jahren nicht mehr gesehen haben. Natürlich bin ich nicht darum herumgekommen, seine Kochshow Strandküche im Fernsehen anzuschauen, vor allem, da meine engste Freundin und heutige Braut Mariella eine Staffel lang mit ihm zusammengearbeitet hat. Aber ihn in natura zu sehen, ist etwas ganz anderes. Da war kein Maskenbildner am Werk und auch kein Stylist. Man erkennt die kleinen Lachfältchen um seine Augen, die er schon lange hat, und sein Haar sieht nicht aus wie in der Show, sondern so, wie ich es noch von früher kenne. Heute ist er Lukas pur und seine Präsenz lässt meine Brust eng werden. Ich habe das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, doch ich reiße mich zusammen, denn dafür ist keine Zeit.

Sein Gesicht ist männlicher geworden, er ist glatt rasiert und hält seinen Körper offensichtlich fit. Überrascht blitzen seine grünen Augen auf, jene Augen, die ich so gut kenne. Und auch die Art, wie er sich mit den Fingern durch sein hellbraunes Haar fährt, ist mir altvertraut. Er ist nervös. Seine Hände umklammern das Sektglas, das er bei seiner Rede vor dem Essen gehoben hat und das nun bereits halb leer ist. Sein Blick verrät mir, dass er nicht damit gerechnet hat, mich am Nebentisch vorzufinden. Ich hingegen wusste durch die vielen Abende, in denen Mariella mit mir und unseren anderen Freundinnen die Tischordnung durchgegangen ist, dass ich Lukas heute vermutlich nicht aus dem Weg gehen kann. Niemand weiß, dass wir uns kennen, denn mein Leben vor Sterenholm, halte ich unter Verschluss.

Rasch stehe ich auf, denn ich will nicht länger zu Lukas aufsehen müssen. Ich will ihm bei diesem Aufeinandertreffen auf Augenhöhe begegnen. Mein grünes Kleid raschelt um meine Knöchel, und er mustert mich erneut.

»Du siehst toll aus«, bricht es aus ihm heraus. Ich muss zugeben, es gibt schlechtere Sätze, um eine unangenehme Situation zu überspielen. Lukas war schon immer sehr offen und direkt, aber dieses eindeutige Kompliment führe ich auf seine Überraschung zurück. Er hat mich schon in jedem erdenklichen Outfit gesehen, aber so zurechtgemacht noch nicht besonders oft.

»Danke«, antworte ich knapp. Unsicherheit macht sich in mir breit. Wie selbstverständlich hebe ich meine Hand, um eine Haarsträhne hinters Ohr zu streichen. Eine Geste, die ich tausendmal am Tag mache, aber heute ist sie überflüssig, denn mein Haar ist hochgesteckt und mit Nadeln und Haarspray bombenfest fixiert. Ich zwinge mich, ruhig ein- und auszuatmen, damit ich wieder auf Kurs komme. Mein Lächeln wirkt bestimmt etwas aufgesetzt, aber zumindest traue ich mir wieder zu zu sprechen.

»Schönen Abend noch, Lukas«, wünsche ich ihm und wende mich von ihm ab. Sanft legen sich seine Finger um mein Handgelenk.

»Anna, du kannst mich doch nicht einfach so stehen lassen«, sagt er leise, und Fassungslosigkeit ist aus jedem seiner Worte deutlich herauszuhören. Meine Augen werden eng, und als ich mich zu ihm umdrehe, ist mein Blick so eiskalt, dass er mich sofort loslässt.

»Können wir bitte miteinander reden?«, versucht er es nun auf die höfliche Art. Ich mache einen Schritt zurück, um Distanz zwischen uns zu bringen und ihm deutlich zu zeigen, dass er mir fernbleiben soll.

»Ich bin heute Brautjungfer auf der Hochzeit meiner Freundin Mariella. Auf der du im Übrigen Trauzeuge bist«, erinnere ich ihn kühl. »Wenn du also nichts Organisatorisches von mir brauchst, das diese Feier betrifft, dann entschuldige mich bitte. Ich glaube, das Brautpaar will die Torte anschneiden, und ich habe versprochen, beim Verteilen zu helfen.«

Lukas sieht sich um und entdeckt Mariella und Daniel, die eben auf dem Weg zur riesigen Hochzeitstorte sind. Flehend sieht er mich an.

»Können wir nach der Feier reden?« Ich kenne diesen Dackelblick nur zu gut. Ich war dabei, als er ihn perfektioniert hat. Aus diesem Grund bin ich immun dagegen und kann ihm gelassen standhalten. Ich habe mit der Sache abgeschlossen. Wozu etwas wieder hochwürgen und zerkauen, was man längst runtergeschluckt hat?

»Der Zeitpunkt, an dem du mit mir hättest reden sollen, ist schon lange vorbei, Lukas«, stelle ich klar. »Ich wünsche dir einen schönen Abend und eine gute Heimreise!« Mit diesen Worten lasse ich ihn stehen.

Die Hochzeit von Mariella und Daniel ist eine Megaparty. Sterenholm, unser Zuhause, ist eine Kleinstadt an der Ostsee, in der irgendwie jeder jeden kennt. Und da Daniel in der Pension L&P unserer Freunde Lilly und Paul kellnert und Mariella beim örtlichen Radiosender gearbeitet hat, bevor sie in Mutterschutz gegangen ist, haben sie viele Freunde und Bekannte. Daher ist die Anzahl der Gäste enorm groß. Noch dazu kommt, dass Mariellas Familie aus Italien stammt, wo es üblich ist, die Verwandtschaft bis zum dritten Grad auf seine Hochzeit einzuladen. Alle sind zwar nicht gekommen, aber die italienischen Wortfetzen mischen sich doch recht munter unter die deutschen.

Ich sehe mich um und entdecke meine Freundin Lexi mit ihrem Freund Niko auf der Tanzfläche, wo sich auch Sylvie und Georg tummeln. Die beiden Frauen haben die Hochzeit organisiert, genau genommen ihre Eventagentur Strandkorb. Meine beste Freundin Livia hingegen steht gerade bei Mariella. Sie hat die Torte gebacken und gibt der Braut Tipps, wo und wie sie diese am besten anschneiden kann. Lilly und ihr Mann Paul, die beiden Inhaber des L&P, halten währenddessen händeringend ihre einjährige Tochter Lucy von dem Kunstwerk aus Kuchenteig fern. Der kleine Wirbelwind würde sich anscheinend gerne durch alle drei Stöcke futtern. Ich frage mich, wie es in einem Jahr sein wird, wenn auch Mariellas und Daniels kleiner Sohn das Licht der Welt erblickt hat und durch die Gegend tappst. Noch trägt sie ihn jedoch stolz als unübersehbare Kugel vor sich her.

Ein warmes Gefühl macht sich in mir breit, als ich meine Freunde auf einem Haufen versammelt sehe. Alle wirken gelöst und glücklich. Und ich bin es auch, einfach weil ich sie an meiner Seite weiß. Ein großer Freundeskreis war mir fremd, bevor ich nach Sterenholm gezogen bin. Doch dieser bunte Haufen an Frauen hat mich so ganz nebenbei adoptiert, und ehe ich michs versah, war ich bei den Mädelsabenden mittendrin. Meistens fehlt bei diesen Treffen auch unser aller Freund und Lieblingsbarkeeper Johnny nicht. Er hat ebenfalls hier an der Ostsee seine neue Heimat gefunden, und so wie es in diesem Augenblick aussieht, auch jemanden, dem er sein Herz schenken möchte. Dieser Jemand heißt Frank und ist Livias lange verschollener Bruder, der vor Kurzem wieder hier aufgetaucht ist. Aber das ist eine andere Geschichte.

Livia entdeckt meinen wandernden Blick und kommt zu mir herüber.

»Alles in Ordnung bei dir?«, fragt sie forschend. Sie hat ein gutes Gespür für mich, obwohl ich nicht die zugänglichste Freundin bin. Auch heute lächle ich ihre Fürsorge einfach weg.

»Ja, ich dachte nur eben, was für eine gelungene Hochzeit es ist«, antworte ich ehrlich. Auch Livia sieht sich um und nickt.

»Sylvie hat sich selbst übertroffen. So perfekt organisiert habe ich noch keine andere Hochzeit erlebt, und als Konditorin bin ich bei den Vorbereitungen meistens hautnah dabei.«

Dann verklärt sich Livias Blick, und ihr Lächeln wird zu einem Strahlen. Ich muss mich nicht umdrehen, um zu wissen, dass ihr Freund Frederik auf uns zukommt. Die beiden haben nach vielen Umwegen erst vor Kurzem zueinandergefunden, und ich freue mich sehr, Livia so glücklich zu sehen. Als Frederik bei uns ist, schmiegt sie sich sofort in seine Arme.

»Torte oder tanzen?«, raunt sie ihm zu. Er drückt sie noch ein wenig fester an sich.

»Solange du so nahe bei mir bleibst, ist mir das völlig egal«, antwortet er ihr mit rauer Stimme, und ich hebe abwehrend die Hände.

»Das ist jetzt mein Stichwort, um euch allein zu lassen.« Lachend winke ich den beiden Turteltauben zu und helfe dem Brautpaar beim Verteilen der Torte, wie es meine Aufgabe ist. Geschickt schaffe ich es, Lukas den restlichen Abend aus dem Weg zu gehen.

Es wird schon hell, als ich schließlich nach Hause komme. Ich wohne in einem abgelegenen weißen Haus direkt am Strand mit Sprossenfenstern, grünen Fensterläden und Reetdach. Als ich nach Sterenholm gezogen bin, habe ich es als Wunder betrachtet, dass gerade dieses wunderschöne Haus schon seit Längerem einen Mieter gesucht hat. Doch bereits nach wenigen Wochen war mir klar, was viele meiner Vormieter abgeschreckt hat. Man wohnt nicht nur direkt am Strand, man hat in dieser Ecke die Ostsee quasi als Mitbewohner und erlebt alle Launen hautnah mit. Vor zwei Jahren musste ich bei einer starken Sturmwarnung das Haus sogar verlassen, da Hochwasser befürchtet wurde. Gott sei Dank blieb es jedoch aus. Inzwischen habe ich mich an die besondere Lage meines Heims gewöhnt.

Müde schlendere ich an meinem eigenen Strandkorb vorbei und steige die Stufen hoch zur kleinen Veranda, die vor meiner Haustür liegt. Sie ist gemauert und an zwei Seiten verglast, damit der Ostseewind vom Inneren des Hauses ferngehalten wird. Kaum durch die Tür, streife ich meine Schuhe ab und muss dabei grinsen. Als Mariella mich gefragt hat, ob ich Brautjungfer sein möchte, habe ich mich auf das Schlimmste gefasst gemacht. Unbequeme Kleider in Pink oder Flieder und High-Heels, die mir den Tag zur Hölle machen. Aber alles kam ganz anders. Das A-Linien-Kleid aus Chiffon mit Rundkragen und gerafftem Brustteil ist sehr angenehm zu tragen und kommt ganz ohne Reifrock oder Ähnlichem aus. Die Farbe durfte sich jede von uns selbst aussuchen, und so wählte ich meine Lieblingsfarbe Grün. Und als Mariella dann beschlossen hatte, dass wir genau wie sie Ballerinas auf ihrer Hochzeit tragen können, war mein Glück perfekt.

Leise lachend gehe ich ins Bad, wo ich das Kleid öffne und einen Blick in den Spiegel werfe. Die Frisur sitzt immer noch genau so wie um zehn Uhr morgens. Ich frage mich, ob ich all die Haarnadeln jemals wieder aus meinen Haaren bekomme. Da ich mit den Dingern auf meinem Kopf aber nicht schlafen gehen möchte, mache ich mich an die mühselige Arbeit. Strähne für Strähne fallen braune Wellen auf meine Schultern, und als ich endlich nichts Spitzes mehr in meinem Haar ertasten kann, greife ich nach der Bürste. Während ich versuche, mein Haar zu entwirren, kommt mir erneut das Gespräch mit Lukas in den Sinn. Lukas, den ich so weit von mir weggeschoben, den ich unter den Teppich gekehrt und aus meinen Gedanken verbannt habe. Obwohl ich es schon länger weiß, kann ich immer noch nicht fassen, dass eine meiner Freundinnen mit ihm eng befreundet ist und er mir ausgerechnet hier wieder über den Weg läuft. Meine Oma hat früher immer gesagt: Es gibt keine Zufälle! Aber kann mir mal jemand erklären, welcher Idiot hier am Schicksal herumgepfuscht hat? Ich schüttle energisch den Kopf und konzentriere mich wieder auf die Gegenwart.

Schließlich landet auch das kunstvolle Make-up auf Abschminkpads, und als ich kurz darauf nach einer warmen Dusche erneut vor dem Spiegel stehe, sieht mich wieder die natürliche Anna an, die mir und meinem Umfeld vertraut ist. Ich war nie ein typisches Mädchen. Klar hatte ich als Kind Puppen, aber die wurden nicht ständig umgezogen und frisiert, sondern hatten kurze Haare oder einen geflochtenen Zopf, wie ich. Und sie trugen robuste Kleidung, denn sie wurden einfach überallhin mitgenommen. Die Farben Grün oder Blau habe ich Pink immer schon vorgezogen. Ich habe lieber Hosen als Kleider getragen, und statt in der Puppenküche zu spielen, war ich draußen und hab mich schmutzig gemacht. Und ich meine nicht ein wenig Erde an den Händen oder Grasflecken auf der Hose. Ich spreche von richtig, richtig dreckig!

Auch als Erwachsene bin ich das absolute Gegenteil meiner besten Freundin Livia, die Prosecco, Pink, und Sex and the City liebt und mit ihren rauschenden Kleidern und Schuhen mit Mörderhacken sämtliche Mädchenklischees erfüllt. Meine Haare sind meist zum Pferdeschwanz zusammengebunden oder geflochten, ein Hauch Kajal ist alles, was ich an Make-up brauche, wenn ich abends mal weggehe, und ich besitze neben verschiedenen Turnschuhen und Ballerinas nur ein Paar halbhohe Pumps, aber keine High-Heels. Aber seit ich in Sterenholm lebe, stehen Mädelsabende mit Wellness, Himbeersekt und Frauengesprächen auch auf meinem Terminplan. Und ich muss sagen, dass ich sie liebe. Ein bisschen Mädchen bin ich also doch.

Todmüde falle ich ins Bett und schlafe bis zum frühen Nachmittag. Zeit aufzustehen, denn Mariella und Daniel starten in ein paar Tagen in ihre Flitterwochen und haben uns zu einem Abschiedsessen ins L&P eingeladen.

Kapitel 2

Als ich die kleine Pension gegen sechs betrete, ist es sehr ruhig, denn das Restaurant bietet normalerweise nur Frühstück und Mittagessen an. Doch Lilly und Niko schwingen für das frischgebackene Ehepaar ausnahmsweise heute Abend die Kochlöffel, und mein Magen knurrt schon voller Vorfreude. Georg und Sylvie sind bereits da, genau wie Lexi. Livia und Frederik kommen gleich nach mir durch die Tür, gemeinsam mit Mariella und Daniel. Es gibt ein großes Hallo zur Begrüßung, als hätten wir einander nicht erst vergangene Nacht gesehen. Kurz darauf betritt auch Johnny den Raum, Hand in Hand mit Frank. Die beiden blicken etwas unsicher in die Runde.

»Na, ihr Süßen seht ja alle schon wieder fit wie Turnschuhe aus, dabei habt ihr die ganze Nacht getanzt«, begrüßt uns Johnny locker wie immer. Doch ich merke an der Art, wie er und Frank sich aneinander festklammern, dass sie sich nicht sicher sind, ob es in Ordnung ist, dass sie zusammen hier sind.

»Woher willst du das denn wissen, Onkel Johnny? Du bist doch schon gegen zwei Uhr verschwunden«, neckt Lexi ihren besten Freund. Ich rechne mit einer schlagfertigen Antwort, die Johnny sonst immer parat hat, doch diesmal wirft er Frank einen verlegenen Blick zu und schweigt.

»Aber sicher nicht, um zu schlafen, denn als Georg und ich nach Hause gekommen sind, war auf der Quietscheente noch Licht«, zieht auch Sylvie ihn auf, die Johnny ebenfalls schon von früher kennt. Sie und Georg wohnen auf dem Hausboot neben Johnny, der nach dieser Aussage tatsächlich etwas rot wird.

»Wer wird denn die Nacht mit Schlafen vergeuden, wenn er so einen Mann bei sich hat?«, kontert er aber trotzdem in gewohnter Manier. Er zieht Frank näher zu sich und küsst ihn verliebt. Wir Frauen können uns ein entzücktes »Wuhu!« nicht verkneifen, doch Lexi räuspert sich, dann sieht sie Frank ernst an.

»Also gut, dann werde ich dir gleich mal was sagen: Ich bin Lexi, die beste Freundin deiner Sahneschnitte und, wenn du Johnny unglücklich machst, dein schlimmster Albtraum.« Ruckartig sehen wir sie alle an, und die Gespräche verstummen. Was soll denn diese Aussage? Nur von der Küchentür ertönt leises Lachen.

»Entspannt euch, Leute«, entschärft Niko, der gerade seinen Kopf herausstreckt, die Situation. »Diesen Spruch musste ich mir damals anhören, als Johnny mich kennengelernt hat. Ich wusste, irgendwann kommt die Retourkutsche von Lexi.«

Auch Johnny kann sich an die Situation wohl noch gut erinnern, denn ein Lächeln liegt auf seinem Gesicht. Er nickt Frank aufmunternd zu, der sich etwas entspannt. Und wie ich es von meinen Freunden gewohnt bin, nehmen sie Frank herzlich in ihrer Mitte auf. Livia fällt ihrem Bruder um den Hals, und Frederik klopft ihm auf die Schulter. Die beiden sind alte Freunde. Einer nach dem anderen begrüßt Frank, es regnet Handschläge und Umarmungen. Wir alle freuen uns sehr, dass er und Johnny nun offenbar ein Paar sind.

Im Restaurant ist ein großer Tisch für uns vorbereitet, an den Paul und eine der Kellnerinnen des L&P gerade noch Hand anlegen. Eine Front des Raums ist komplett aus Glas und ermöglicht einen unfassbar schönen Blick auf die Ostsee und den Strand der Pension. Auch Mariella kann sich gar nicht daran sattsehen, also stelle ich mich zu ihr an die Fensterfront und lege meinen Arm um sie.

»Ist deine Familie schon abgereist?«, frage ich, denn offenbar ist nur für die Freunde gedeckt.

Mariella nickt. »Ja, sie waren größtenteils ja schon seit einer Woche hier, und heute Mittag haben wir sie zum Flughafen gebracht.«

Erneut schweift ihr Blick über die glitzernden Wellen des ruhigen Meeres, und sie seufzt verzückt.

»Na, wird dir dieser Ausblick fehlen, wenn ihr flittert?«, necke ich sie.

»Ich hoffe, dass ich auf meinen Flitterwochen Besseres zu tun habe, als Sterenholm zu vermissen«, gibt sie augenzwinkernd zurück und dreht sich zum Tisch. »Außerdem bleiben wir der Ostsee ja treu.«

»Und ihr wollt wirklich eine Rucksacktour machen?«, fragt Livia mit hochgezogenen Augenbrauen. Sie sagt es so, als hätten die beiden vor, unter Brücken zu schlafen und sich aus Mülltonnen zu ernähren.

»Schatz, nicht jeder braucht so viel Komfort wie du«, zieht Frederik sie auf und küsst ihre Wange.

»Na ja, aber hochschwanger ist es doch etwas ungewöhnlich«, springt Sylvie ihr bei. Doch Daniel winkt ab.

»Wir bereisen einen Teil der Route, die wir für unsere Rucksacktour geplant hatten. Aber wir nehmen natürlich das Auto und haben überall Pensionen oder Ferienhäuser gebucht, also braucht ihr euch nicht um Mariella zu sorgen«, beruhigt er uns und zieht seine Frau liebevoll an sich.

»Genau! Außerdem habe ich das auch mit meiner Ärztin abgesprochen, und sie hält es für eine gute Idee, noch mal Urlaub zu zweit zu machen, bevor der Zwerg geboren wird.« Zärtlich legt sie ihre Hand auf den Bauch.

»Oh ja, das finde ich auch!«, meint Lilly, die eben aus der Küche gekommen ist. »Glaub mir, nutze die Zeit zum Schlafen! Und wenn der Kleine da ist, genießt die Zeit, in der er im Kinderwagen liegt und dir nicht davonlaufen kann.«

Lexi beginnt zu lachen und erntet einen vernichtenden Blick ihrer Zwillingsschwester Lilly.

»Ist Lucy wieder mal der Babysitterin davongelaufen?«, will Lexi dann grinsend wissen.

»Ich schwöre, sie ist zur Hälfte Wiesel.« Lilly wirft theatralisch die Hände in die Luft. »Gestern mussten wir sie im ganzen Haus suchen, bis wir sie in der Vorratskammer entdeckt haben.«

»Aber die ist doch immer versperrt«, wirft Lexi stirnrunzelnd ein.

»Frag mich nicht, wie sie reingekommen ist. Dort haben wir sie jedenfalls gefunden. Sie wollte mit den Kartoffeln einen Turm bauen.«

Der ganze Tisch lacht, bis auch Lilly schließlich mit einstimmt. Paul schiebt einen Kindersitz zum Tisch und lächelt seine Frau an.

»Heute schnallen wir sie fest, ich verspreche es.« Er haucht ihr einen Kuss auf die Schläfe.

»Und es sind auch ganz viele Onkel und Tanten hier, die ein Auge auf sie haben«, fügt Daniel hinzu. »Wir müssen ohnehin üben.« Er streichelt über Mariellas Bauch.

Mit einem Mal droht mich die geballte Glückseligkeit im Raum zu ersticken. Ich gönne meinen Freunden ihr Glück wirklich von Herzen, aber jetzt brauche ich kurz Abstand davon. Rasch verschwinde ich auf die Toilette und lehne mich gegen die kühlen Fliesen. Als die Tür aufgeht, erwarte ich eine meiner Freundinnen, doch es ist die Kellnerin, die bei meinem Anblick zusammenzuckt.

»Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken«, entschuldige ich mich mit erhobenen Händen. Lachend winkt sie ab.

»Ach was, ich dachte nur, es wären alle im Speisesaal. Alles in Ordnung mit dir?« Besorgt mustert sie mich, und ich nicke.

»Ja, als letzter verbliebener Single der Runde brauche ich nur kurz eine Auszeit vom vielen Turteln«, gebe ich zu und wundere mich über mich selbst, dass ich einer Fremden gegenüber so offen bin. Grinsend streckt sie mir ihre Hand entgegen.

»Dann bin ich wohl deine Verstärkung«, meint sie dann. »Ich bin auch noch Single.«

»Gut zu wissen, dass ich nicht die Einzige bin, die Und sie lebten glücklich bis an ihr Ende noch nicht hinbekommen hat.« Ich schüttle ihre Hand. »Ich bin Anna.«

»Miriam! Ich bin die neue Kellnerin von Lilly und Paul«, stellt sie sich vor.

»Dann warst du das, die Mariellas Brautkleid auf ihre Maße geändert hat?«, erinnere ich mich an das Gespräch zwischen Lilly und Mariella vor einigen Wochen. Mariella wollte unbedingt im Brautkleid ihrer Mutter heiraten und suchte eine Änderungsschneiderin. Miriam nickt eifrig.

»Na, dann dürfen wir ja noch jemanden herzlich in Sterenholm und in unserem Freundeskreis begrüßen«, beschließe ich kurzerhand. »Ich sage Lilly, dass sie dich zum nächsten Mädelsabend mitbringen soll, dann lebst du dich schnell hier ein.«

Überrascht schnappt Miriam nach Luft. »Ja, sehr gerne!«

Ich drücke noch einmal ihre Hand, ehe ich die Toilette verlasse und mich wieder an den Tisch setze. Niko steckt seinen Kopf aus der Küche.

»Von uns aus kann es losgehen. Sind wir komplett?« Fragend sieht er Mariella an. Diese wendet sich zur Tür, nickt und ruft Niko dann zu: »Jetzt schon!«

Ich folge ihrem Blick, und das Lächeln gefriert auf meinem Gesicht. Lukas betritt den Speisesaal und sieht sich um.

»Tut mir leid, dass ich zu spät bin, aber ich habe mich verfahren. Das Navi hat mich zum Hintereingang gelotst und dann habe ich die Orientierung verloren«, gibt er lachend zu.

»So ist es mir auch ergangen, als ich zum ersten Mal hierhergekommen bin«, stimmt Lexi in sein Lachen ein. Wir setzen uns an den Tisch, und Mariella sieht sich nachdenklich um.

»Lukas, kennst du irgendjemanden noch nicht? Die meisten hast du ja bei deinem Besuch im Winter schon getroffen, als wir zusammen gegessen haben und dann auf dem Konzert von Nikos Band im Watermelon waren«, meint sie. Das Watermelon ist die Bar, die die Nachtgastronomie von Frederiks Fischkneipe übernommen hat. Tagsüber ist es ein großes Lokal, doch wenn die Fischkneipe schließt, trennt eine Schiebewand die beiden Hälften und in Johnnys glitzernder Cocktailbar kann noch ausgiebig weitergefeiert werden.

»Ach ja, Livia war nicht dabei«, fällt Mariella nun ein. Livia winkt Lukas freundlich zu, und auch er hebt die Hand und schenkt ihr ein Lächeln. Mariellas Blick wandert weiter, bis er an mir hängen bleibt. Auch ich habe an diesem Abend durch Abwesenheit geglänzt. Meine Freundin deutet auf mich.

»Und das ist …«

»Anna.« Lukas’ Stimme ist ruhig, und ich spüre, dass er mich intensiv ansieht.

»Habt ihr euch bereits kennengelernt?«, fragt Mariella fröhlich. Lukas nickt, wie ich aus den Augenwinkeln erkenne.

»Ja, kurz nach ihrer Geburt«, erklärt er dann, und ich schließe für einen Moment die Augen. Kann er nicht einfach den Mund halten und wieder abreisen? Es wird leise am Tisch, alle sind sichtlich verwirrt.

»Ihrer Geburt?«, wiederholt Mariella. »Woher kommst du noch mal?« Alle sehen einander an und heben ihre Schultern.

»Ich sage ja schon lange, dass eine Biografie von Lukas hermuss«, scherzt Sylvie, um die eigenartige Stimmung etwas zu lockern. Doch in mir kocht Wut auf. Es ist nicht seine Angelegenheit, meinen Freunden etwas von meiner Vergangenheit zu erzählen. Er gehört hier nicht her, nicht nach Sterenholm und ganz sicher nicht mehr in mein Leben. Ich fühle, dass seine Augen immer noch auf mir ruhen, und hebe meinen Blick. Aber wenn er das Spiel auf diese Art spielen will, kann er das gerne haben.

»Ja, woher kommt der deutsche Starkoch nur?«, frage ich bitter und sehe ihn herausfordernd an. »Vielleicht möchte er ja noch mehr über sich verraten.«

Lukas sieht mich getroffen an. Es ist, als wären die anderen gar nicht mehr im Raum.

»Du bist sauer«, schlussfolgert er, als würde seine Befürchtung bestätigt. Das macht mich noch wütender. Was hat er denn erwartet?

»Nein«, antworte ich, und meine Stimme hat einen endgültigen Ton. »Ich bin mit dir fertig.«

Man könnte eine Stecknadel fallen hören, so still ist es mit einem Mal im Speisesaal.

»Süßer, in deiner Haut möchte ich gerade nicht stecken«, raunt Johnny Lukas zu, der neben ihm sitzt. Lukas’ Kiefer ist angespannt, er hat wohl mit weniger Gegenwehr von meiner Seite gerechnet. Livia fängt sich als Erste.

»Also, wenn ihr euch seit eurer Geburt kennt, seid ihr kein Ex-Paar«, kombiniert sie. »Und Geschwister seid ihr auch nicht, denn Anna ist Einzelkind.«

Lukas nickt. »Das stimmt. Wir waren beste Freunde.«

Ich schnaube leise. »Das ist lange her und längst vorbei«, stelle ich klar und wende mich an Niko, der zwischen Esstisch und Küche wie eine Salzsäule steht. »Wollten wir nicht eigentlich essen?«

Nickend verschwindet Niko in der Küche. Er verehrt Lukas als Koch und ist sicher mächtig nervös, dass er ihm nun seine Gerichte servieren darf. Mariella lenkt das Gespräch wieder auf sich und erzählt von der vergangenen Woche mit ihrer Familie und wie ihren Verwandten die Hochzeit in Deutschland gefallen hat.

»Nona war begeistert von euren Kleidern. Ihr ist es ja wichtig, dass in der Kirche die Schultern bedeckt sind.« Sie lacht. Ihre Großmutter ist der Inbegriff einer italienischen Katholikin. »Und sie hat sich nicht einmal darüber beschwert, dass es eine evangelische Kirche war, in der wir geheiratet haben.«

Sylvie legt sich die Hand aufs Herz und atmet tief aus.

»Ich hatte ja schon die schlimmsten Befürchtungen«, gibt sie erleichtert zu.

»Der Pfarrer war katholisch, das hat sie milde gestimmt«, bemerkt Mariella, und alle lachen.

Ich versuche, mich auf das Gespräch zu konzentrieren und Lukas so gut es geht zu ignorieren, doch es fällt mir schwer, fühle ich doch seinen Blick ständig auf mir. Hätte Mariella ihn nicht heute Mittag auch gleich in den Flieger setzen können?

Als das Essen serviert wird, sind alle damit beschäftigt. Es schmeckt hervorragend, und Lukas lobt die Küche in den höchsten Tönen. Lilly und Niko werden tatsächlich rot. Es ist eigenartig für mich, zu sehen, wie andere Menschen auf Lukas reagieren. Welchen Stellenwert sie ihm einräumen, wie wichtig ihnen seine Meinung ist. Er ist als Koch ein Star, doch ich kenne ihn einfach nur als Lukas und habe seine Karriere in den letzten Jahren lediglich aus der Ferne mitbekommen.

Nach dem Hauptgang brauchen wir eine Pause, bis wir uns über das Dessert hermachen, das Niko vorbereitet hat. Mariella wendet sich an Lukas.

»Starkoch hin oder her, beim Dessert ist hier in Sterenholm trotz allem nicht deine Meinung die ausschlaggebende«, erklärt sie ihm augenzwinkernd. »Was das angeht, ist Livia die unangefochtene Nummer eins, und alle zittern, wenn sie ihr etwas Süßes vorsetzen.«

»Du sagst das, als wäre ich eine zickige Restaurantkritikerin«, beschwert sich Livia. »Dabei bin ich einfach nur Konditorin.«

»Und im Übrigen nicht die einzige am Tisch«, fügt Johnny hinzu und deutet auf Frank. Sylvie hebt die Hand.

»Stopp mal! Also nichts gegen dich«, meint sie an Frank gewandt. »Aber Livias Zitronentörtchen sind der Himmel auf Erden. Ob du da mithalten kannst, musst du erst noch beweisen.« Grinsend sieht sie ihn an.

»Challenge accepted«, zwinkert Frank ihr zu. »Morgen backen Livia und ich Zitronentörtchen und du kommst zur Blindverkostung. Mal sehen, welche dir besser schmecken.«

Mir gefällt, dass er langsam auftaut und Sylvie Kontra gibt.

»High noon am Hauptplatz«, erwidert diese, als würde sie ein Duell im Wilden Westen vereinbaren. Dann schlagen sie und Frank ein, und wir anderen werfen uns grinsend vielsagende Blicke zu. Es ist allen klar, dass wir da selbstverständlich dabei sein müssen.

Einige Zeit später räuspert sich Niko. »Also, ich bin sicher, die Frage brennt uns allen unter den Nägeln, darum bin ich mal so mutig und stell sie in der Hoffnung, dass sie die Stimmung nicht ruiniert.« Er schweigt einen Moment, und wir sehen ihn verwirrt an. »Was hat Anna vorhin gemeint, als sie sagte, woher der deutsche Starkoch wohl kommt?«

Es wird ruhig am Tisch, und alle Augen sind auf Lukas gerichtet. Ich hatte gehofft, dass wir das Thema ruhen lassen, aber offenbar ist das Interesse der anderen geweckt. Lukas sieht etwas verwirrt in die Runde.

»Na, aus dem gleichen Ort wie Anna …«, beginnt er. Dann konzentriert er sich erneut auf mich. »Deine Freunde wissen nicht, wo du vorher gelebt hast?«, reimt er sich zusammen und erntet Kopfschütteln der anderen.

Mariella denkt nach.

»Ich tippe ja, dass ihr aus Bayern kommt«, meint sie dann an Lukas gewandt. »Als wir damals im Auto gemeinsam zum nächsten Set gefahren sind, hast du den Text von Schickeria einwandfrei verstanden. Norddeutsche hätten da Probleme. Ich konnte es als Italienerin ja nur, weil ich in Bayern gearbeitet hab.«

Lukas schweigt, doch die Ironie der Situation lässt mich lächeln. Er dachte, die anderen wüssten ohnehin schon Bescheid, und hat so irrtümlich mehr über sich verraten, als er freiwillig tun würde.

»Kalt«, antworte ich nur und lasse Lukas nicht aus den Augen.

»Wieso hat Anna so betont, dass du ein deutscher Starkoch bist …«, überlegt nun Lexi.

Livias Augen werden groß.

»Weil genau das nicht stimmt«, schlussfolgert sie. »Das heißt, du bist eigentlich gar kein gebürtiger Deutscher?«

Ich nicke. »Jetzt kommen wir der Sache schon näher.« Alle sehen mich fragend an, also löse ich das Rätsel auf. »Der hochgepriesene deutsche Starkoch, das Wunderkind am Kochlöffel kommt so wie ich aus Österreich«, lasse ich die Bombe platzen. »Genau genommen aus Recking, einem verschlafenen kleinen Bergdorf, das auf den meisten Landkarten nicht mal eingezeichnet ist.«

Meine Freunde schweigen überrascht. Als ich hergezogen bin, hat mich niemand gefragt, woher ich stamme, und ich habe es auch nie erwähnt. Ich war einfach glücklich, hier ein neues Zuhause gefunden zu haben.

Mariella blinzelt verwirrt. »Aber in Strandküche heißt es doch immer der deutsche Starkoch Lukas Behrens.«

Lukas nickt betreten. »Ich habe bei einem Casting für eine neue Kochshow teilgenommen«, beginnt er zu erklären. »Dort hat man mir gesagt, als Österreicher hätte ich in Deutschland schlechtere Karten, aber vom Können her wollten sie mich und keinen der anderen. Daher hat man meine Herkunft einfach nicht erwähnt. Und als Strandküche dann zu dem deutschen Koch-Format wurde, hat man mich kurzerhand zum Deutschen gemacht. Aber eigentlich bin ich immer noch österreichischer Staatsbürger.«

Fragend sieht er mich an.

»Ich auch«, sage ich schlicht.

»Dein leichter Akzent ist mir schon aufgefallen, aber ich dachte auch eher an den Süden Deutschlands«, gibt Lilly dann an mich gewandt zu. »Österreich hatte ich nicht auf dem Schirm. Das hört man gar nicht.« Ich lächle.

»Ich habe mich sehr bemüht, deutsches Deutsch zu sprechen, damit man mich versteht«, gebe ich zu und greife nach meinem Weinglas. »Nach einer Weile merkt man dann gar nicht mehr, wie sehr man sich anpasst.«

Es gibt einiges an Gelächter, bis Lukas sich räuspert.

»Ich wäre euch sehr dankbar, wenn die Information über meine Herkunft diesen Raum nicht verlassen würde«, bittet er die Anwesenden dann. Ich lache humorlos auf. Diese Scheinheiligkeit geht mir gegen den Strich.

»Hauptsache, der äußere Schein bleibt gewahrt«, kommentiere ich trocken. »Warum hast du dann nicht einfach den Mund gehalten?«

Getroffen sieht er mich an.

»Anna, ich dachte doch … ich wollte nur …«

Ich stoppe ihn mit einer Handbewegung.

»Entschuldigt ihr mich bitte? Ich bin noch etwas müde von gestern und muss morgen früh zum Blumen-Großmarkt. Es wird Zeit, dass ich nach Hause gehe. Vielen Dank für die Einladung, es hat hervorragend geschmeckt!«

Nachdem ich mein Glas geleert habe, greife ich nach meiner Tasche und verlasse den Speisesaal. Doch bereits bei der Rezeption hat Mariella mich eingeholt.

»Es tut mir leid, Anna«, ruft sie, und ich bleibe stehen. Mein schlechtes Gewissen meldet sich lautstark. Ich hätte den Abend einfach stumm ertragen sollen, statt Lukas eine Szene zu machen. Mariella soll sich in ihrem Zustand nicht aufregen. Ich atme durch und drehe mich zu ihr.

»Das muss es nicht«, versichere ich ihr. Händeringend steht sie da.

»Ich wusste nicht …«

Beruhigend nehme ich sie in den Arm.

»Das konntest du auch nicht wissen. Es ist eine Sache zwischen Lukas und mir, die dich nicht betrifft. Mir tut leid, dass wir euch mit reingezogen haben. Er ist dein Freund, und das akzeptiere ich.«

Sie löst sich von mir und sieht mich fragend an. Ich verstehe, was ihre Sorge ist.

»Nein, das ändert nichts zwischen dir und mir«, beantworte ich ihre stumme Frage und streichle sanft ihre Schulter. »Und ich versuche, mich in Zukunft zusammenzureißen, wenn Lukas und ich wieder aufeinandertreffen.«

Erneut umarmen wir uns, dann höre ich, wie noch jemand den Raum betritt. Hinter uns steht Niko mit einer Schale in den Händen.

»Ich habe dir das Dessert eingepackt«, meint er und reicht mir das Geschirr. »Sorry, dass ich nachgehakt habe.«

»Schon gut«, antworte ich. »Und danke für den Nachtisch!«

Fluchtartig verlasse ich das L&P, ehe noch mehr der Anwesenden hier auftauchen. Oder besser gesagt ein ganz bestimmter.

Draußen bleibe ich für einen Moment stehen, recke mein Gesicht in die salzige Brise, die vom Meer heraufweht und lasse meinen Blick zum Himmel gleiten. Egal, wo auf der Welt du bist, die Sterne sind immer die gleichen. Noch so ein Spruch meiner Oma. Ihr hätte es gefallen, dass das Schicksal bei Lukas und mir nicht lockerlässt. Aber sie kannte ja auch nie alle Fakten. Seufzend mache ich mich auf den Weg nach Hause.

Kapitel 3

Der nächste Tag beginnt grässlich früh. Ich betreibe meine Gärtnerei Blatt & Blüte nun schon seit einigen Jahren. Den Großteil der Pflanzen, die ich verkaufe, ziehe ich in meinen Gewächshäusern selbst. Die Schnittblumen werden mir je nach Bestellung geliefert. Trotzdem muss ich ab und an selbst zum Blumengroßmarkt, um das neue Sortiment meiner Lieferanten zu sehen, persönliche Absprachen zu tätigen oder Dekoware zu kaufen. Der Markt öffnet seine Pforten bereits um vier Uhr morgens, und wer die schönste und frischeste Ware haben will, muss wohl oder übel gleich zu Beginn vor Ort sein. Für gewöhnlich macht mir das nichts aus, aber heute ist eine kalte Dusche nötig, damit die Müdigkeit aus meinen Knochen verschwindet. Nun ist es halb sechs, und ich bin mit den meisten Besorgungen fertig. Ich brauche noch ein paar Dekoartikel für eine anstehende Taufe, für die ich den Blumenschmuck liefere, und dann geht es ab in den Laden.