Havelwasser - Jean Wiersch - E-Book

Havelwasser E-Book

Jean Wiersch

4,6

  • Herausgeber: Prolibris
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2013
Beschreibung

Mitten in Brandenburg, am Havelufer, wird die Leiche eines Geistlichen gefunden. Kein leichter Fall für Manzetti, Kriminalbeamter mit halbitalienischer Abstammung, sieht er sich bei seinen Recherchen doch schnell einem von der Kurie entsandten Aufpasser gegenüber. Aber schon bald präsentiert ihm der Mörder eine zweite Leiche am Beetzsee: Die Ermordung des Lehrers ist in gleicher Weise inszeniert wie die des Diakons. Und dann geht dem liebenswert-sympathischen Manzetti doch das heißblütige italienische Temperament durch und er gerät mit einem aalglatten Rechtsanwalt aneinander, der seine Ermittlungen behindert ...

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Seitenzahl: 325

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Jean Wiersch

Havelwasser

Brandenburg Krimi

Prolibris Verlag

Handlung und Figuren sind frei erfunden. Darum sind eventuelle Übereinstimmungen mit lebenden oder verstorbenen Personen zufällig und nicht beabsichtigt.

Ich widme dieses Buch

Kerstin, Ulla und Wolf, deren Existenz verhindert,

dass mein Leben um die schönsten Momente betrogen wird.

1

Die Hitze schwebte schon in den frühen Morgenstunden vom strahlend blauen Himmel. Sie legte sich wie eine Glocke über die Stadt und kroch durch die kleinsten Gassen, schlüpfte in jeden Winkel und trieb ohne Erbarmen die Restkühle der Nacht vor sich her. Lediglich an der Havel, und dort auch nur im Schutze großer Bäume, hielt man es noch gut aus.

Wenn da nicht die pure Neugier, die Sensationslust gewesen wäre, die all die Menschen selbst bei diesem Wetter in die pralle Sonne gelockt hatte. Dort standen sie dicht gedrängt auf einer der Havelbrücken und gafften.

Unter der Brücke hatten mehrere Männer zu tun und ließen sich kaum von den Zuschauern ablenken. Einer von ihnen sah aber doch hin und wieder zur Brücke hoch und brummte in Richtung seines Nebenmannes: „Ich hasse diese Gaffer.“

Der Angesprochene sah nur kurz hoch und gab sich gelassen: „Lass sie doch! Solange sie uns nicht bei der Arbeit behindern ...“

„Hm“, quittierte er den Ratschlag des Kollegen und wandte seine Aufmerksamkeit der Uniform zu, die ihn als Polizisten auswies: Mit dem Zeigefinger schnippte er drei oder vier kaum sichtbare Staubpartikel von der linken Schulter und nahm dann wieder die Stufen zum Salzhofufer ins Visier, die er mit seinem Kollegen bewachen sollte.

Oben an der Treppe befand sich die neue Cafébar. Dort herrschte normalerweise Hochbetrieb, der das kleine Brückenhäuschen oft genug aus allen Nähten platzen ließ, aber heute war eben alles anders. Heute begann genau dort die polizeiliche Absperrung, und deshalb musste an diesem Morgen das Café geschlossen bleiben.

Die Betriebsamkeit hatte sich an diesem Morgen direkt auf die Jahrtausendbrücke verlagert, wo Schulkinder mit bunten Ranzen auf den Rücken standen, dicht gedrängt neben erwachsenen Männern, die ihre Fahrräder gegen das Brückengeländer drückten. Wie eine Meute Jagdhunde vor der Beute. Sie strebten alle zum Rand, ganz nach vorne.

Zuerst hatte noch absolute Stille geherrscht. Kein Laut war durch die Luft gesurrt, nicht einmal das Scharren von Füßen war zu hören gewesen. Dann leises Wispern, das von Sekunde zu Sekunde zu allgemeinem Gemurmel angeschwollen war, bis deutlich die ersten Fragen in der Menge ertönten. Es handelte sich immer um die gleichen, aber was sollte man schon anderes fragen in dieser Situation?

„Was ist da unten los?“ „Wieso dürfen wir da nicht runter?“ „Warum riegelt die Polizei alles ab?“

Schließlich waren auch Antworten gefolgt, die allerdings eher Besserwisserei, zumindest aber reger Fantasie entsprangen. Der Eine hatte gehört, dass …, der Nächste wusste aus zuverlässiger Quelle, dass es sich ganz anders verhielt, was der Dritte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit völlig ausschließen konnte. Jeder war hier mittlerweile sein eigener Reporter und kommentierte nach eigenem Gusto.

Auch die alte Dame wollte wissen, was dort passiert war, vor allem musste sie es sehen. Und so führte sie ihren kleinen Kampf, der nicht nur einer um den besten Platz war, sondern hier rang sie um Informationen, quasi um jedes Detail. Sie, die über vierzig Jahre Erfahrung im Durchdringen von Menschenmassen besaß. Es sollte nicht umsonst gewesen sein, dass sie sich fast ihr ganzes Leben lang mit dem vollen Tablett durch die Mädels und Jungs auf den Tanzböden gedrängelt hatte. Jetzt endlich konnte sie davon auch profitieren und so schob sie ihre kleine dürre Faust zwischen die rangelnden Körper, bis sich endlich ein winziger Durchschlupf öffnete. Geübt schlängelte sie sich durch das erkämpfte Loch, bevor die anderen Schaulustigen es wieder schlossen.

Endlich kam sie also vorne an und stellte sich sofort vollkommen taub. Sie tat so, als höre sie all die Beschimpfungen nicht, die zweifellos und ohne Ausnahme ihr galten. Wie der Sieger eines sportlichen Wettstreits legte sie die dünnen Finger auf das mittlerweile warme Metall des Brückengeländers und genoss den Schauer, der ihr zur Belohnung über den Rücken lief, als sie ihren Blick in dieselbe Richtung lenkte, in die all die Menschen um sie herum schauten.

Die dort unten arbeiteten routiniert und ohne Hektik. Jeder kannte seine Aufgabe, jeder war mit dem Nebenmann verzahnt – und im Gegensatz zu den Gaffern waren diese Männer nicht freiwillig hier. Warum fanden die Leute hin und wieder so viel Vergnügen daran, sich gegenseitig fast zu zertrampeln?

Kurzfristig abgelenkt, stellte sich diese Frage der Mann, den fast alle Augenpaare anglotzten. Dann nahm er den Blick wieder von den Neugierigen, die noch immer murmelnd hoch über ihm auf der Jahrtausendbrücke standen, und hatte sie auch gleich wieder vergessen. Andrea Manzetti, einer der Hauptkommissare der Polizeidirektion Brandenburg, stand hier schließlich nicht zu seinem Vergnügen in der Morgensonne.

Er hatte kein Auge für seine Umgebung, denn seine Aufmerksamkeit galt einzig Dr. Bremer, der nur einen Meter von Manzetti entfernt vor einem Mann mittleren Alters mit einer ziemlich unansehnlichen Wunde kniete. Quer über den Hals verlief ein riesiger Schnitt, und genau das war das Problem von Hauptkommissar Manzetti. Deshalb musste er sich hier die Beine in den Bauch stehen, obwohl er eigentlich an seinem Schreibtisch sitzen und ein längst fälliges Papier für die Registratur fertigstellen wollte. Der erste Anruf des Tages hatte ihn aber ans Ufer der Havel geführt, und er wusste schon jetzt, dass es mit seiner administrativen Aufgabe für heute wohl vorbei war.

Die Worte des Rechtsmediziners rissen ihn unsanft aus seinen Überlegungen. „Scharfe Wundbegrenzung, fehlende Gewebsbrücken und eine größere Länge als Tiefe. Ergo ein sehr sauberer Schnitt. Professionell und in einem Zug.“ Dr. Bremer kniete noch immer neben dem toten Körper und spreizte die klaffende Wunde an der Halspartie des Toten weiter auseinander, als es nach Manzettis Meinung notwendig gewesen wäre.

„Was können Sie zum Todeszeitpunkt sagen, Dottore?“, fragte Manzetti, der als ranghöchster und damit verantwortlicher Kriminalist die Tatortarbeit leiten musste.

„So weit bin ich noch nicht. Eins nach dem andern, okay?“ Die Worte des Rechtsmediziners waren ganz sachlich, enthielten im Tonfall aber trotzdem ein gehöriges Maß an Zurechtweisung. Das stieß Manzetti sauer auf. Bremer zog immer sein Ding durch, ließ sich auf nichts anderes ein, stellte sich mitunter sogar über alle anderen.

„Es handelt sich hier um die klassische Form der Schnittverletzung, vorgenommen mit einem sehr scharfen Gegenstand. Wie ich sehen kann, nur ein Schnitt. Der aber brutal tief“, formulierte er weiter, ohne auf die Frage Manzettis nach dem Todeszeitpunkt zurückzukommen.

Der beugte sich unterdessen zu dem Mediziner hinunter und versuchte, dessen Worte verlustfrei aufzuschnappen. Das tat er wie immer äußerst angewidert. Er hätte gerne darauf verzichtet, aber es gehörte wohl oder übel zu seinem Beruf. Er spürte deutlich, wie sich Unwohlsein in der Magengegend breitmachte und sich das unverdaute Frühstück langsam wieder nach oben schob. In all den Dienstjahren war es ihm nicht gelungen, sich an Anblicke wie diesen zu gewöhnen. Er schaffte es einfach nicht, den notwendigen Abstand zu solchen Gewaltopfern herzustellen. Da war es ihm gerade recht, dass der Arzt wie eine Barriere zwischen ihm und dem Toten stand. „Nicht doch mehrere Schnitte, Dottore? Klafft die Wunde nicht zu sehr auseinander.“ Manzetti stellte die Frage, weil er nicht so recht wusste, wie er die Grantigkeit des Arztes anders umschiffen sollte. Außerdem lenkte ihn das ein bisschen von den Gedanken an den eigenen Verdauungstrakt ab.

„Nein, ganz klar nur ein Schnitt.“ Der Rechtsmediziner nahm die mit einem weißen Einweghandschuh geschützte Hand vom Opfer. „Schnittverletzungen können erheblich klaffen“, erklärte er mit einem kurzen Seitenblick auf Manzetti. „Besonders wenn Muskulatur durchschnitten wurde. Typisch dafür sind Halsschnitte, mein Lieber.“ Er deutete mit der rechten Hand direkt auf die Leiche, die vor seinen Füßen auf den von der Sonne bereits erwärmten Steinen der Uferpromenade lag.

„Also nur ein Schnitt.“ Aber so ganz mochte Manzetti seinen Gedanken noch nicht aufgeben. „Auch keine Probierschnitte?“

„Nein. Auch keine Probierschnitte“, kappte Bremer diese Idee mit rügendem Tonfall, bevor Manzetti darüber intensiv nachdenken konnte. „Sie glauben doch nicht etwa an Suizid, Manzetti? Niemand schneidet sich so gewaltig selbst in den Hals.“ Die Antwort Bremers war kurz, aber eindeutig.

Damit fing der Sommer gut an in diesem Jahr. Manzetti konnte den Tatortbefund drehen und wenden, wie er wollte, es blieb ein Verbrechen. Jener Mann, der zweifellos einige Zeit in der Havel verbracht hatte, war mit großer Wahrscheinlichkeit ermordet worden, bevor er, wie auch immer, im trüben Wasser des Flusses landete. „Womit ist der Gute denn ins Jenseits befördert worden?“ Er begnügte sich weiter mit den Standardfragen, auch wenn ihm ein anderes Niveau lieber gewesen wäre.

„Kann ich noch nicht definitiv sagen. Ich denke, mit einem sehr scharfen Messer.“ Bremer griff in seinen Koffer und zeigte Manzetti ein Skalpell.

„Und wann ist das passiert?“ Diese Frage schob er in der Hoffnung nach, dass Bremer die Wiederholung nicht bemerkte. Außerdem musste er in dieser Sache einfach hartnäckig bleiben.

„Kollege Manzetti“, begann Bremer daraufhin seine unmissverständliche Belehrung. „Die Leiche lag, wie Sie sehen können, im Wasser, und das macht es mir nicht gerade einfach. Also noch mal, haben Sie Geduld.“ Bei dem letzten Wort verdrehte er genervt die Augen.

„Also, wie üblich, ich muss mich gedulden. Wann kommt er auf Ihren Tisch, Dottore?“

Bremer zog seine Gummihandschuhe aus und verstaute sie in einem blauen Müllsack. Er stand jetzt neben Manzetti und sah ihn mitleidvoll an. So schien es wenigstens. „Na gut. Aber bitte beachten Sie, lieber Manzetti, dass alles, was ich nun sage, sehr, sehr vage Vermutungen sind.“ Dabei vergrub er beide Hände in den Hosentaschen seiner Jeans.

„Einverstanden, aber …“

„Stopp!“ Dr. Bremer unterbrach den Kriminalisten mit blitzschnell erhobener Hand. „Kein Aber! Also, wie Sie gehört haben, gibt es keine Probierschnitte. Demnach fällt Suizid aus. Genaueres kann ich aber erst sagen, wenn ich die Untersuchungen abgeschlossen habe. Die Leiche trieb einige Zeit im Wasser, und dort reichen in aller Regel wenige Stunden, um diverse Spuren zu vernichten oder zu verwischen, die Wundwinkel zum Beispiel weisen bereits Fischfraß auf. Was mir aufgefallen ist: Es gibt keine Verletzungen an den Händen. Das lässt den Schluss zu, dass der Mann sich nicht mit ihnen zur Wehr gesetzt hat. Sonst hätte er womöglich in die Klinge gefasst, um sie wegzudrücken. Allerdings hat er kleine Verfärbungen an beiden Handgelenken, die von einer Art Fesselung herrühren könnten.“

Manzetti nickte und machte sich Notizen in einen handtellergroßen Schreibblock.

„Der Schnitt ist tief und reicht fast bis zur Wirbelsäule“, fuhr Bremer ungestört mit seinem Vortrag fort. „Er erfolgte von links oben nach rechts unten. Demnach hat ein Rechtshänder von hinten oder aber ein Linkshänder von vorne gehandelt. Ersteres ist wahrscheinlicher. Das muss jetzt erst einmal genügen.“

Manzetti war erstaunt und fast geneigt anzunehmen, dass Bremer jedes Wort von einem Teleprompter abgelesen hatte. „Danke, Dottore. Sie rufen mich an, wenn Sie fertig sind?“

„Mache ich.“ Aus Bremers Augen sprach pure Verwunderung, als er nun seinerseits eine Frage formulierte. „Werden Sie auch dieses Mal nicht dabei sein? Gauder will das immer!“

Manzetti zuckte nur mit den Schultern und fing Bremers seltsamen Blick auf. Ihm war schon klar, dass der andere Hauptkommissar gerne derartige Leichenschnippeleien live verfolgte. Ihm fehlten aber dazu alle Ambitionen. Er redete sich gelegentlich sogar ein, dass ihm als Halbitaliener das dafür notwendige Barbarische im Blut fehle.

„Dottore!? Noch eine letzte Aussage zum Todeszeitpunkt?“

Bremer packte seine Utensilien bereits zusammen und antwortete mit lang gezogenen Worten: „Sie nerven, Manzetti. Bei einer Wasserleiche mache ich solche Äußerungen nicht vor einer gründlichen Untersuchung im Institut, und selbst da wird es nicht wesentlich leichter.“ Dann stockte er, kratzte sich an der Stirn und brach auf, ohne einen Gruß, aber noch immer heftig den Kopf schüttelnd.

Manzetti ging auf der Promenade zu seiner Kollegin. Sein Hemd unter dem Sakko war bereits durchgeschwitzt. Schon jetzt war das Thermometer auf fünfundzwanzig Grad geklettert, und auch die Luftfeuchtigkeit war sehr hoch. Das Hemd war ein Geschenk seiner Frau und eigentlich für die unmittelbar bevorstehenden Ferien bestimmt, fiel ihm plötzlich ein. Nicht auszudenken, wenn es ihm nicht gelang, den Fall umgehend zu lösen, denn den Urlaub zu verschieben, kam nicht in Frage. Aber ob es so einfach würde?

Er rief seine junge, siebenundzwanzigjährige Mitarbeiterin Sonja Brinkmann zu sich: „Kommst du bitte mal her?“

„Was ist denn?“ Sie stand noch etwa zwanzig oder dreißig Meter von ihm entfernt und unterhielt sich mit einem älteren Ehepaar. Manzetti erfasste die Situation und musste einsehen, dass die drei ihm wohl nicht entgegenkommen würden und er stattdessen zu ihnen gehen müsse.

Sonja stellte vor: „Das ist das Ehepaar Müller. Sie haben den Toten beim Spaziergang gefunden. Und das ist Hauptkommissar Manzetti. Er leitet die Ermittlungen.“

Er brauchte ihnen keine Frage zu stellen, die kleine Frau in den hohen Sechzigern begann sofort zu berichten. „Wir gingen hier wie jeden Tag nach dem Frühstück spazieren und sahen den Körper im Wasser treiben. Mein Mann stieg die Leiter hinunter in die Havel und hat ihn an die Mauer herangezogen.“ Manzettis Blick fiel automatisch auf ihren Mann. Man sah ihm sein hohes Alter an, aber er schien noch sehr fit zu sein. Seine zerknautschte Hose ließ wirklich die Vermutung zu, dass er mit ihr vor kurzem im Wasser gewesen war.

„Da konnten wir ja noch nicht wissen, dass der arme Kerl ermordet worden ist“, fuhr Frau Müller unterdessen fort. Sie fasste sich mit einer Hand an die Stirn und spitzte entsetzt die Lippen. „Mit Hilfe anderer Männer, die hier auf den Bänken gesessen haben, hat er ihn dann aus dem Wasser gehoben und auf den Rücken gedreht. Furchtbar diese Verletzung. Und das ganze Blut …“ Sie nahm die Hand von der Stirn, presste sie vor den Mund und drehte sich gleichzeitig zur Seite.

Manzetti sah ihr den Ekel regelrecht an. Er hoffte nur, dass sie ihr Frühstück wenigstens so lange bei sich behalten würde, bis ihm selbst nicht mehr schlecht war. Als er seinen Kopf nach links drehte, erspähte er in einiger Entfernung jene Männer, die Frau Müller wohl gemeint hatte. Eine zahnlose Abordnung von Brandenburgs Stadtpennern prostete ihm belustigt mit braunen Bierflaschen zu. Es waren gute Bekannte von ihm, auch wenn sie nicht zu seinem privaten Umfeld gehörten. Sie waren weit und breit die Einzigen, die keine entsetzten Gesichter machten. Sie wirkten sogar ausgesprochen fröhlich.

„Schönes Frühstück“, dachte Manzetti beim Anblick der Bierflaschen und sah wieder zum Ehepaar Müller, ohne den Gruß der drei Männer zu erwidern.

„Danke, Frau Müller“, seufzte er. „Das haben Sie sicherlich alles meiner Kollegin bereits erzählt, und ich will Sie auch nicht weiter quälen. Wenn Sie sich für uns noch einige Zeit bereithalten würden? Es hat ja sicherlich schon jemand notiert, wo wir Sie erreichen können. Ich melde mich dann bei Ihnen, ja? Bis dahin noch mal danke und auf Wiedersehen. Sonja!“

Sonja Brinkmann riss entsetzt den Mund auf, sagte aber vorerst nichts. Erst als das Ehepaar außer Hörweite war, fragte sie ein wenig verstört: „Warum warst du so unhöflich und kurz angebunden?“

„Sagen wir es so“, antwortete er, ohne sie eines Blickes zu würdigen. „Wenn du nicht immer so ungestüm handeln würdest, dann wäre dir sicherlich auch nicht entgangen, dass die Dame gerade anfing zu spinnen.“

Die gebirgigen Falten auf Sonjas Stirn zeigten ihre Verwirrung nur zu deutlich. „Das verstehe ich nicht.“

„Warum bist du Polizistin geworden?“, fragte er, ohne ihr Zeit für eine Antwort zu lassen. „Sicherlich doch, um nach der Wahrheit zu suchen, oder? Was ist aber die Wahrheit? Ist die Wahrheit in den Aussagen der Zeugen zu finden, die geradezu auf solche Unglücke lauern?“ Sein Blick ging dabei zur Jahrtausendbrücke, die noch immer gut gefüllt war. „Die Frau hat gerade ihrer Fantasie freien Lauf gelassen. Sie hätte sich nicht wieder eingekriegt. Das kannst du mir glauben, und du hättest das eigentlich auch alleine merken müssen.“

Sonja nahm ihren Chef scharf ins Visier. Jedenfalls versuchte sie es. „Sie wollte uns doch nur helfen. Ohne auch nur auf eine Frage zu warten, hat sie geschildert, was sie gesehen hat. Wo ist dein Problem?“

„Das Problem? Das Problem ist dieser Typus von Zeuge: Herr Kommissar, ich habe alles ganz genau gesehen. Worum geht’s?“ Nach einer kurzen Pause fuhr er dann in ruhigerem Ton fort. „Sie erzählte von Unmengen Blut! Sonja, erkläre mir bitte, wie der Tote noch geblutet haben soll, als sie ihn endlich aus dem Wasser gefischt hatten. Kein Tropfen war mehr in ihm.“

Sonja stand plötzlich wie angenagelt. Sie hatte das Gefühl, als lege sich eine straffe Schlinge um ihre Luftröhre. Sie fürchtete zudem, knallrot anzulaufen, und schäumte innerlich vor Wut auf sich selbst. Wie konnte ihr ein derartiger Lapsus unterlaufen? Noch dazu vor Manzetti, den sie, warum auch immer, sogar anhimmelte. Sie wollte doch immer und in jeder beruflichen Situation alles richtig machen! Endlich, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass sich außer Manzetti niemand im Umkreis von zehn Metern befand, gewann sie wieder an Fassung und brach das Schweigen. „Du hast ja Recht. Die beiden bringen uns nicht wirklich weiter, denn sie haben den Toten lediglich gefunden. Wir sollten jetzt zuerst klären, wer er ist, ich meine natürlich war.“

„Richtig“, pflichtete er bei. „Und das sollten wir tun, bevor uns die Presse das mitteilt. Ergo, wie unser Dottore immer sagt, stöberst du alle Vermisstenfälle der letzten Tage, besser der letzten Wochen durch.“

2

Manzetti hatte die Ellbogen auf den Schreibtisch gestützt und starrte Löcher in die Luft seines Büros. Er fand erst jetzt Zeit zum Nachdenken, denn dazu brauchte er nach der Besichtigung derartiger Tatorte eine Auszeit, die er sich auch gegen alle Widerstände regelmäßig nahm.

Deshalb war er vom Fundort der Leiche erst einmal in den nahe gelegenen Fontaneclub gegangen und hatte dort das Personal befragt, ob sie irgendetwas bemerkt hätten, was ihm in diesem Fall weiterhelfen könne. Aber alle waren nur mit dem Herrichten des Buffets beschäftigt gewesen, hatten die Leiche nicht gesehen und konnten somit auch nichts zu ihrer Identifizierung beitragen. „Wir wurden erst aufmerksam, als es hier den ganzen Auflauf gab“, hatte die Kellnerin gesagt, und das war wirklich die einzige Aussage, die sich auf den Mord bezog.

Also hatte er sich entschlossen, wenigstens noch einen kalten Weißwein zu trinken und dazu zwei oder drei Amarettokekse zu knabbern. Und musste wieder einmal feststellen, dass sein Gaumen, den er wohl von seiner italienischen Mutter geerbt hatte, sich an den deutschen Wein immer noch nicht gewöhnen wollte. Nach wie vor zog er einen Pinot Grigio jedem Riesling vor.

Zurück in seinem Büro wusste er nicht so recht, wie er anfangen sollte. Der Direktionsleiter, Polizeidirektor Claasen, hatte ihn sofort zu sich beordert und in Form eines Monologs die Bedeutung, gar die vernichtende Bedeutung dieses Mordfalls für den keimenden Tourismus ihrer gemeinsamen Heimatstadt klargemacht. Der Direktor hatte seinen Kopf in den Nacken geworfen und mit staatsmännischer Geste trompetet: „Jetzt stehen wir in einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung.“ Was immer das auch heißen mochte.

Claasen, in Brandenburg geboren und auch aufgewachsen, hatte dabei mit jedem Satz verraten, dass er als Polizeichef nicht nur der Allgemeinheit, sondern als rotarischer Freund auch seinen zahlreichen am Tourismus verdienenden Mit-Rotariern verpflichtet war. Manzetti habe also alle anderen Fälle, an die er kostbare Zeit verschwände, liegen zu lassen und sich ausschließlich auf diese Ermittlungen zu konzentrieren. Damit hatte Claasen Manzettis nächste Frage schon beantwortet, bevor der sie überhaupt stellen konnte, und die Alternative, dass vielleicht doch Gauder den Fall betreuen könne, mit einem Fingerstreich zunichte gemacht.

Manzetti hatte sich daraufhin schmollend in sein Büro zurückgezogen und nahm nun ein weißes Blatt Papier aus dem Schreibtisch. Mit gespitztem Bleistift notierte er, was er bislang wusste.

Er schrieb über den Toten: „männlich, weiße Hautfarbe, mittleres Alter, bekleidet mit Jeans und Poloshirt“. Nach einer kurzen Pause fügte er in Klammern hinzu: „(barfuß)“. Alles andere konnte er nur vermuten, wie etwa, dass der über den gesamten Halsbereich verlaufende Schnitt mit einem sehr scharfen Messer verursacht worden und der Körper in der Folge völlig ausgeblutet war. Den Todeszeitpunkt hatte Dr. Bremer nicht eingrenzen wollen, und Manzetti musste davon ausgehen, dass Auffinde- und Tatort zweierlei Stellen waren. Mehr hatte er nicht – und das war nicht viel. Vor allem aber fehlte ihm ein Hinweis auf die Identität des Opfers.

Er schielte auf die kleine Standuhr, die seit einem Jahr ihren Platz auf seinem Schreibtisch gefunden hatte. Sie war das Geschenk seines Patenonkels und hatte früher dessen Büro im Oberlandesgericht geziert. Dann drückte Manzetti eine Taste seines Telefons.

„Sonja, komm bitte mal zu mir.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, legte er auf.

Nach nicht einmal dreißig Sekunden klopfte es an der Tür, und nur einen Wimpernschlag später saß Sonja auf dem Stuhl, der vor seinem Schreibtisch stand. Sie rückte dicht heran und legte einen Notizblock vor sich ab, wobei sie nervös einen Stift zwischen Daumen, Zeige- und Mittelfinger drehte und unaufhörlich mit der Spitze ihres rechten Turnschuhs auf den Boden tippte.

„Hast du schon etwas zur Identität unseres Opfers?“, fragte er. Die Frage entsprang seiner Hoffnung, dass der Computer, mit dem außer ihm offenbar alle anderen vorzüglich zu kommunizieren verstanden, irgendeinen Namen ausgespuckt hatte.

„Nein, habe ich nicht“, gab Sonja enttäuscht zu.

„Wenn du bis heute Nachmittag nichts herausfindest, dann könntest du ja sogar die Presse einbinden. Ich meine damit, dass doch bestimmt ein vernünftiges Foto von seinem Gesicht herzustellen ist, oder?“

„Mach ich. Aber müssen wir da nicht erst …“

„Claasen, meinst du?“

Sonja nickte stumm.

„Der hat mir einen ziemlich beeindruckenden Vortrag gehalten und wünscht Tag und Nacht unsere vollste Konzentration. Also wird er auch die Hilfe der Presse nicht ausschlagen.“

„Das hat er wirklich so gesagt?“, wunderte sie sich.

Manzetti überlegte kurz. „Mmh, vielleicht nicht ganz. Aber das stand zwischen den Zeilen.“

„Okay. Aber dafür trägst du die Verantwortung. Was sonst noch?“, fragte sie fordernd, so als wäre große Eile geboten.

„Sprich mit den Tauchern der Bereitschaftspolizei und bitte sie, die Havel an der Fundstelle abzusuchen. Sie sollten schon etwas davor, ich meine entgegen der Strömung, beginnen. Vielleicht finden sie ja irgendetwas, das uns weiterhilft, und wir gewinnen Zeit.“

Als Sonja alles aufgeschrieben hatte, schickte er sie wieder weg und verließ dann selbst die Direktion. Er ging in Richtung Nicolaiplatz und bog kurz davor nach links in die Hochstraße ab. Die Treppen bis zum Eingang des städtischen Klinikums erklomm er sehr langsam, denn seiner Meinung nach hatte er an diesem Tag schon genug geschwitzt.

Im Krankenhaus suchte Manzetti die Cafeteria auf, setzte sich auf einen Stuhl, der nicht direkter Sonneneinstrahlung ausgesetzt war, und bestellte einen Espresso und ein Glas Wasser. Dann wartete er. Nach etwa zehn Minuten erschien endlich Dr. Bremer und winkte der jungen Kellnerin schon an der Tür zu. Der Dame reichte das, denn auch ohne viele Worte begann sie, dem Doktor das zuzubereiten, was er wünschte.

Bremer entnahm seiner braunen Tasche einen Stapel Fotos und warf sie vor Manzetti auf den Tisch. „Kommen wir gleich zur Sache“, begann er in barschem Ton. „Die Bestimmung der Todeseintrittszeit war sehr schwierig. Ich habe mich in erster Linie an die konservativen Methoden gehalten. Ergo kann ich sagen, dass wir es mit einer einigermaßen frischen Leiche zu tun haben.“ Bremer machte eine kurze Pause, um sich einige Schweißperlen von der Stirn zu wischen. „Ich gehe nicht davon aus, dass sie länger als sechs bis acht Stunden in der Havel lag. Durch den langen Aufenthalt im Wasser war die Feststellung des Todeszeitpunktes mit Hilfe der Körpertemperatur leider nicht möglich.“ Er kramte wieder in seiner Tasche und holte einen Aktenordner hervor, in den er seine Notizen und Untersuchungsergebnisse geheftet hatte.

„Die Fotos können Sie ruhig betrachten“, versuchte er zu provozieren, wohl wissend, dass Manzetti dann von neuem Ekel geschüttelt würde. „Ich gehe davon aus, dass der Tod gestern so zwischen einundzwanzig und dreiundzwanzig Uhr eintrat … Wie komme ich darauf, mein lieber Manzetti?“

Der lehnte sich in seinem Stuhl zurück, sagte aber nichts. Die Fotos lagen noch immer unberührt auf dem Tisch.

Endlich beantwortete Bremer die von ihm selbst gestellte Frage. „Die Totenstarre war nämlich noch nicht vollständig ausgebildet, was nach sechs bis neun Stunden der Fall gewesen wäre. Es fehlte aber nicht mehr viel, und die Messung der elektrischen Herzerregbarkeit erbrachte bei Injektion in die Vorkammer noch ein Ergebnis.“

Als Bremer damit fertig war, drehte er sich nach der hübschen Kellnerin um, und seine Augen begannen, merkwürdig zu leuchten. Sie nahte mit einem großen Glas Cola. Auch ohne an dem Glas zu riechen, wusste Manzetti aus der langjährigen Zusammenarbeit mit Bremer, dass diese Cola einen gehörigen Prozentsatz Rum enthielt. Selbst jetzt zur Mittagszeit.

„Der Tod ist auf scharfe Gewalt zurückzuführen“, sagte Bremer und nahm der blonden Bedienung das Glas aus der Hand. „Schreiben Sie es bitte auf meine Rechnung“, wies er sie an und trank dann einen riesigen Schluck.

„Na klar, Herr Doktor“, antwortete sie mit blinzelnden Wimpern, die eine Vertrautheit verrieten, die über eine in Krankenhauskantinen übliche hinausging. Warum sollte Bremer aber auch asketisch leben, dachte Manzetti und ergänzte in Richtung der Kellnerin: „Und meinen Kaffee auch.“ Was Bremer durch ein Nicken bestätigte, nachdem er sich mit dem Handrücken über den Mund gewischt hatte. Die Kellnerin kommentierte es nicht und verschwand wieder hinter ihrem Tresen.

„Danke“, bequemte sich Manzetti doch noch zu sagen, obwohl er die selbst veranlasste Einladung als eine Art Schweigegeld für die Cola-Rum verstand.

„Ein klassischer Halsschnitt. Sie verzeihen mir die Bemerkung, aber der Schnitt ist wundervoll ausgeführt. Zur verwendeten Waffe kann ich so viel nicht sagen. Es deutet aber alles auf ein Messer. Oder ein Skalpell.“

Oder eine Rasierklinge oder ein Beil oder, oder, oder setzte Manzetti die Aufzählung in seinen Gedanken fort.

„Details bitte ich meinem Bericht zu entnehmen.“ Bremer klappte den Aktenordner zu und übergab seinen Bericht damit offiziell an Manzetti. Dann schüttete er genüsslich den Rest Cola in sich hinein.

„Einige Bemerkungen hätte ich noch.“ Jetzt zitierte Bremer aus dem Gedächtnis. „Der Tote war wahrscheinlich an den Handgelenken gefesselt, und er war geknebelt. Jedenfalls befinden sich Rückstände von Klebeband rings um seine Lippenpartie.“ Nach einer kurzen Pause sagte er: „Dann ist mir noch etwas aufgefallen. Das spielt vielleicht keine bedeutende Rolle, hilft Ihnen unter Umständen aber bei der Identifizierung der Leiche.“

Mit dieser Bemerkung schraubte sich Manzettis verflachendes Interesse augenblicklich wieder auf das höchste Niveau, und er forderte den Arzt mit eindeutiger Geste zum Weiterreden auf.

„Ich fand nicht normale Hornhauthäufungen an beiden Knien des Toten. Man ist natürlich versucht anzunehmen, dass er zu Lebzeiten als Bauarbeiter malochte, vielleicht als Pflasterer, der viel auf Knien rutschte. Aber dazu passen seine gepflegten weichen Hände nicht.“

Mehr konnte Manzetti dem Rechtsmediziner nicht entlocken, und so verabschiedete er sich ohne weitere Fragen und ging dann die Hochstraße wieder hinunter bis zum Nicolaiplatz. Dort wollte er eigentlich in die Straßenbahn steigen und nach Hause fahren, aber das musste warten. Er ging zurück zur Direktion.

3

Ole Claasen, inzwischen in der Mitte der Fünfziger angekommen, war ein Mensch, der alle Gelassenheit verlor, die seinem Alter eigentlich angemessen wäre, sobald er unter Druck geriet. Deshalb riss er die Tür zu seinem Vorzimmer auf und blaffte sofort in den Raum: „Wo ist Manzetti? Ich kann ihn in seinem Büro nicht erreichen.“

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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