Hedwig Courths-Mahler - Folge 160 - Hedwig Courths-Mahler - E-Book

Hedwig Courths-Mahler - Folge 160 E-Book

Hedwig Courths-Mahler

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Beschreibung

Die junge Waise Rose von Lossow hat als entfernte Verwandte Aufnahme in Schloss Falkenried gefunden. Klaglos fügt sie sich darin, dass man sie wie ein Aschenbrödel behandelt. Nur Hasso von Falkenried, der Sohn des Hauses, kommt ihr herzlicher entgegen als alle anderen. Und das gräbt sich tief in ihre junge Seele, die sich Hasso in inniger, verschwiegener Liebe zu eigen gegeben hat. Der junge Flugzeugkonstrukteur hat jedoch keine Ahnung, dass Rose den ganzen Reichtum ihres vereinsamten Herzens auf ihn konzentriert. So kann er auch nicht wissen, dass für Rose eine Welt zusammenbricht, als er sich mit der bezaubernden Natascha von Kowalsky verloben will...

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Kriegsbraut

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Bastei Verlag

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2191-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die Kriegsbraut

Roman um ein Mädchenschicksal, das zu Tränen rührt

Rose von Lossow stand an der Parkmauer und sah mit sehnsüchtigen Augen die Fahrstraße entlang, die an Schloss Falkenried vorüber nach dem Dorf führte.

Sie wartete hier auf das Auto, in dem Herr von Falkenried seinen Sohn Hasso vom Bahnhof abholte. Nur einen Blick wollte sie beim Vorüberfahren auf Hasso werfen. Weit vorgeneigt stand sie unter der hohen Buche auf der kleinen Anhöhe, die den ganzen Park überragte.

Nur wenige Minuten verharrte sie auf ihrem Platz, als sie das Auto herankommen hörte. Vorsichtig, um nicht gesehen zu werden, trat sie hinter den dicken Buchenstamm. Während sie die Hand auf das rebellisch klopfende Herz drückte, schaute sie auf die Straße hinab.

Da flog das Auto vorüber.

Nur einen Augenblick hatte sie das kühne Profil Hasso von Falkenrieds erhascht.

Drüben sauste das Auto weiter und bog in den Hauptweg des Parks ein, der zum Schloss führte. Jetzt hielt wohl der Wagen vor dem hohen Portal. Hasso von Falkenried war daheim bei den Seinen.

Und Rose stand abseits – sie hatte nichts zu schaffen mit diesem Wiedersehen. An sie dachte wohl niemand. Sie war ja ein Fremdling, eine Geduldete in Schloss Falkenried, eine, die dort das Gnadenbrot aß und arbeiten musste, mit dem Einsatz ihrer ganzen jungen Kraft, damit sie wenigstens das Bewusstsein hatte, dies Brot nicht umsonst zu essen. Ach, wie gern wäre sie jetzt neben Rita, Hassos Schwester, und seiner Mutter in der hohen, gewölbten Eingangshalle gestanden und hätte bescheiden auf den Augenblick gewartet, wo Hasso seine Augen mit dem gütigen Ausdruck auf sie gerichtet hätte. Sicher hätte er ihr die Hand gereicht und herzlichgesagt: „Guten Tag, Rose! Geht es dir gut?“

Aber sie hatte nicht bleiben dürfen. Tante Helene, Hassos Mutter, hatte sie mit einem Auftrag nach der Meierei hinübergeschickt, gerade jetzt, da man Hasso erwartete. Damit dokumentierte sie eben, wie schon oft, dass Rose nicht unbedingt zur Familie gehörte.

Als sie, die fünfzehnjährige Waise einer entfernten Verwandten und Jugendfreundin von Tante Helene, aus Barmherzigkeit in Falkenried Aufnahme fand, war Hasso bereits auf der Hochschule. Er wollte Ingenieur werden und zählte damals fünfundzwanzig Jahre.

Bei der ersten Begegnung hatte Rose keinen günstigen Eindruck auf ihn gemacht. Der lang aufgeschossene linkische und schüchterne Backfisch mit den eckigen Bewegungen und dem hageren, blassen Gesicht, aus dem die tiefblauen Augen so hilflos und traurig herausblickten, konnte ihm kein Interesse abnötigen. Er kümmerte sich überhaupt wenig um weibliche Wesen. Sein Studium nahm ihn ausschließlich in Anspruch. Dann sah er sie wieder, wenn er von Zeit zu Zeit in den Ferien zu Hause war, und er wunderte sich darüber, wie vorteilhaft sich Rose von einem Male zum anderen veränderte. Auch fiel es ihm auf, dass man ihr eine Art Aschenbrödelstelle im Haus zuwies und dass sie stets so still und bescheiden zurückstand.

Da regte sich das Mitleid in ihm mit dem armen Mädchen, das von keiner Seite Liebe erfuhr und doch von allen Seiten immer stark in Anspruch genommen wurde, dass man alle unangenehmen Dinge möglichst auf Rose abschob und es ganz selbstverständlich fand, dass sie alles ohne Widerrede auf sich nahm.

Roses Ausbildung war noch nicht beendet, aber das beachtete niemand. Das war freilich mehr Gedankenlosigkeit als böser Wille. Rose suchte sich selbst weiterzubilden, soweit sie Zeit dazu hatte.

Sie tat alles so selbstverständlich, dass man es auch selbstverständlich fand. Ihr Schaffen und Streben erschien keinem als etwas Besonderes, weil immer eins zum andern kam. Nur Hasso fiel es auf, wenn er nach Hause kam, dass man Rose jedes Mal wieder neue Pflichten aufgebürdet hatte. Er wunderte sich über ihre Leistungsfähigkeit. Nur zuweilen nahm er mit einem scherzenden oder anerkennenden Wort Rose gegenüber davon Notiz. Und jedes dieser Worte erschien Rose wie ein köstliches Geschenk. Sie gruben sich tief in ihre junge Seele, die sich Hasso, seit sie ihn zuerst gesehen, in tiefer, verschwiegener Liebe zu eigen gegeben hatte.

Hatte Rose jemals eine Mußestunde, so füllte sie dieselbe aus, indem sie sich in Lektüre über das Flugwesen vertiefte. Mit brennendem Interesse stand sie Hasso von Falkenrieds Beruf gegenüber und suchte sich einzuarbeiten in seinen Ideenkreis.

Da er auch zu Hause an Zeichnungen und Berechnungen arbeitete und niemand etwas in seinem Arbeitszimmer anrühren durfte, hatte sie es übernommen, dort Ordnung zu halten. Nur sie allein betrat außer Hasso dieses Zimmer, wenn er in Falkenried weilte. Und er hatte bemerkt, dass Rose die einzige war, die in Falkenried seinem Beruf einiges Verständnis entgegenbrachte. Größeres Interesse nötigte aber auch dieser Umstand Hasso für Rose nicht ab.

Keine Ahnung kam ihm, dass Rose den ganzen Liebesreichtum ihres vereinsamten Herzens auf ihn konzentrierte. Sie hatte sich gut in der Gewalt und verriet nicht mit einem Wimpernzucken, was in ihrer Seele für ihn lebte.

***

Hasso von Falkenried war nun heute in Falkenried zu einem längeren Urlaub eingetroffen.

Als er Rose erblickte, trat er lächelnd mit ausgestreckter Hand auf sie zu. „Tag, Rose! Ich wusste doch, dass mir noch etwas fehlte in Falkenried. Aber wahrhaftig, nicht einmal gefragt habe ich nach dir. Die Eltern wollten allerlei erzählt haben. Wie geht es dir?“

Ihr Herz schlug so, dass es sie fast schmerzte. Aber sie war wohlgeübt in der Kunst, sich zu beherrschen. Und so erschien sie ganz ruhig und still.

„Guten Tag, Hasso! Ich danke dir, es geht mir gut. Dir hoffentlich auch?“

Es fiel Hasso zum ersten Mal auf, wie angenehm diese Mädchenstimme klang. „Wo hast du denn gesteckt, Rose, dass ich dich jetzt erst sehe?“

„Ich war in der Meierei, hatte dort zu tun.“

„Und das war so eilig, dass du mich nicht erst begrüßen konntest bei meiner Ankunft?“

Sie mochte ihm nicht sagen, dass seine Mutter sie fortgeschickt hatte. „Ja, es war eilig, Hasso.“

„Du bist also noch immer das fleißige Hausmütterchen in Falkenried?“, sagte er, schon ein wenig mit seinen Gedanken fort von ihr.

„Es ist wenigstens mein innigstes Bestreben, Hasso, mich nach Kräften nützlich zu machen.“

Das sagte sie so ernst und schwer, dass er sie forschend betrachtete und seine Gedanken zu ihr zurückrief. „Ich glaube, das tust du mit jedem Atemzug. Meiner Mutter sparst du eine Haushälterin und meinem Vater einen Verwalter.“

„Das Erstere vielleicht, eine Haushälterin erübrigt sich in Falkenried. Aber wir haben, wie du weißt, einen sehr tüchtigen Verwalter.“

„Gewiss, Colmar ist tüchtig, aber da mein Vater nur noch wenig leisten kann, müsste bei unseren ausgedehnten Besitzungen noch ein zweiter Verwalter tätig sein. Seit Hansen aber entlassen ist, hat man hier die Pflichten desselben dir aufgebürdet, das weiß ich wohl, obwohl ich wenig zu Hause bin und mich nicht viel um die Wirtschaft kümmere. Ich habe das auch, als ich Pfingsten hier war, meinem Vater gesagt. Aber er erwiderte mir, du habest selbst dringend darum gebeten, dir diese Arbeiten nicht wieder abzunehmen.“

„Ja, das habe ich getan.“

„Und warum?“

„Ich kann es ja schaffen und tue es gern.“

„Aber es muss dir zu schwer werden, Rose.“

„O nein, es ist mir nicht zu schwer. Ich bin jung, gesund und stark und bin glücklich, wenn meine Tage bis zum Rand mit Arbeit gefüllt sind. Dann weiß ich, dass ich in Falkenried nicht nutzlos das Gnadenbrot esse.“

„Rose!“

„Verzeih, Hasso, dass ich mich zu diesem Ausdruck hinreißen ließ. Du hast es mich gewiss nie fühlen lassen, dass ich nur aus Gnade und Barmherzigkeit in Falkenried geduldet wurde.“

„Hat dich das überhaupt jemand fühlen lassen, Rose? Waren meine Eltern und meine Schwester nicht gut zu dir?“

Sie strich sich hastig über die Stirn. „Doch, doch! Rita ist immer gut, sehr gut zu mir, und deinen Eltern bin ich so viel Dank schuldig. Das Gefühl, eine Schuld abtragen zu müssen, spornt immer wieder an, all meine Kräfte einzusetzen. Ich habe ja nichts als diese Kräfte, womit ich es tun kann. So war mein unbedachter Ausruf vorhin gemeint. Ich bitte dich, ihn zu vergessen und mir darum nicht zu zürnen.“

Noch immer sah er sie forschend an. Es rührte ihn etwas in ihrer Art. Rasch fasste er mit warmem Griff ihre Hand. „So stolz bist du, Rose?“

„Nennst du das stolz?“

Er antwortete ihr nicht und sah sie an, als sähe er sie zum ersten Mal. „Ich weiß wenig von dir und deiner Wesensart. Ich gestehe zu meiner Schande, dass ich noch wenig über deine Stellung hier im Hause nachgedacht habe. Ich verstehe dich. Und doch tut es mir sehr, sehr Leid, dass du dich hier nicht heimisch fühlst, dass du das Empfinden hast, als müsstest du dir erst ein Heimatrecht verdienen. Meinen Eltern bist du längst unentbehrlich geworden, und Rita hat dich sehr lieb.“

„Glaube doch nicht, dass ich mich beklagen will, Hasso. Aber wie ich nun einmal geartet bin, ist es mir eine Notwendigkeit, immer etwas zu tun, um diesen Dank abzutragen, sonst – sonst ertrüge ich diese Wohltaten nicht.“

Mit einem warmen Druck gab er ihre Hand frei. „Wer hätte hinter der stillen, bescheidenen Rose diesen herben Stolz gesucht?“

„Es ist der Stolz der Armut, Hasso – Bettelstolz“, erwiderte sie mit einem bitteren Lächeln.

„Mir scheint, ich muss dich in Zukunft mit anderen Augen betrachten als bisher.“

„Du wirst dazu auch in Zukunft wenig Zeit haben. Interessantes ist an mir auch nicht zu entdecken“, suchte sie zu scherzen.

„Nun, wer weiß. Ich habe ja jetzt einige Urlaubswochen vor mir.“

„Wirst du nicht arbeiten – an deiner neuen Erfindung?“, fragte sie hastig.

Er sah sie überrascht an. Seine Augen blitzten scharf und forschend in die ihren. „Was weißt du davon?“, fragte er fast schroff.

„Du sprachst mir einmal davon bei deinem letzten Hiersein. Ich sollte dein Zimmer stets abschließen und niemanden eintreten lassen, weil du an Zeichnungen für eine neue Erfindung arbeitetest und diese nicht immer fortschließen konntest.“

„Ach so – ja, ich erinnere mich, und soweit ich darf, will ich dich auch ins Vertrauen ziehen. Meine Erfindung, die hauptsächlich von größter Wichtigkeit im Falle eines Krieges ist, wird in aller Stille an allen Flugzeugen unserer Luftflotte angebracht werden. Aus gewissen Gründen soll sie nur dem Militärflugwesen zustatten kommen, sie muss streng geheim gehalten werden. Mehr darf ich dir darüber nicht sagen.“

„Darf ich dir Glück wünschen zu diesem Erfolg?“

„Das darfst du gewiss, Rose, und da ich noch an weiteren, geheimen Verbesserungen meiner Erfindung arbeiten will, bitte ich dich, auch jetzt während meines Aufenthaltes niemanden mein Arbeitszimmer betreten zu lassen.“

„Darauf kannst du dich verlassen. Wir haben ja zwei Schlüssel zu deinem Zimmer, den einen benutzest du, den anderen ich, wenn ich bei dir Ordnung schaffen muss.“

„Ja, Rose – und ich danke dir für deine Bereitwilligkeit. Nun nehme ich deine Dienste auch noch in Anspruch. Aber ich kann mir nicht anders helfen.“

„Ich tue es so gern und freue mich, wenn ich dir nützlich sein kann. Es muss herrlich sein für dich, dass du in deinem interessanten Beruf so Hervorragendes leisten kannst.“

„Wahrlich, liebe Rose, deine Zuversicht ist mir eine Wohltat. Ich wollte, meine Eltern und Schwester dächten wie du. Vielleicht kannst du ihnen etwas von deiner Zuversicht einflößen.“

„Ich habe nur wenig Einfluss auf sie, Hasso, aber was ich tun kann, will ich gern tun, um ihnen ihre Angst zu nehmen.“

„Vielen Dank, Rose. Ich werde in Zukunft in dir eine Art Verbündete sehen. Schade – ich hätte gern noch über dies Thema mit dir geplaudert. Du scheinst über den Flugsport nachgedacht und dir ein klares Urteil darüber gebildet zu haben. Jedenfalls bist du hier die einzige, die ihm nicht ablehnend gegenübersteht.“

„Vielleicht weil ich viel darüber gelesen und mich damit so weit vertraut gemacht habe, wie das einem Laien möglich ist.“

„Du bereitest mir heute lauter Überraschungen, Rose. Nun, wir sprechen vielleicht noch darüber. Bei Tisch auf Wiedersehn!“

Damit trennte sich Hasso von Rose.

Sie ging in die Küche, die im Erdgeschoss lag, und erledigte dann vor Tisch noch allerlei. Mit einem gehobenen, freudigen Gefühl ging sie ihren Geschäften nach. Die Unterhaltung mit Hasso war ihr ein Ereignis von großer Bedeutung. So ein gehend hatte er sich noch nie mit ihr beschäftigt, mit ihr noch nicht so viel über seinen Beruf gesprochen.

Auch Hasso von Falkenried musste, während er sich umkleidete, noch eine Weile über dies Gespräch nachdenken. Rose war ihm heute in einem ganz anderen Licht erschienen als bisher.

Sobald er sich umgekleidet hatte, verließ er sein Zimmer und begab sich hinunter in den Speisesaal, einen mit gediegener Pracht ausgestatteten Raum.

Gleich darauf wurde die Suppe aufgetragen. Während Hasso Rose gegenübersaß, nahm er sich vor, über sie gelegentlich mit seinen Eltern zu sprechen. Diesen Vorsatz führte er auch während seiner Urlaubszeit aus. Aber er fand zunächst sehr wenig Verständnis.

„Was willst du nur, Hasso? Rose wird doch von uns gehalten, als sei sie das Kind vom Hause. Du hast doch wirklich keine Veranlassung, uns da gewissermaßen einen Vorwurf zu machen“, sagte seine Mutter ein wenig gekränkt.

„Nein, Mama, so musst du das nicht auffassen, ein Vorwurf soll das nicht sein. Ich meine nur, ihr müsstet Rose ein wenig mehr zeigen, dass sie es nicht nötig hat, dankbar zu sein. Im Grunde sind wir es doch, die einen Dank abzutragen haben an Rose.“

„Aber, Hasso, du stellst ja ganz sonderbare Behauptungen auf. Das heißt doch, die Dinge auf den Kopf stellen“, erwiderte ihm der Vater.

„Nein, nein, überlegt euch das nur einmal in Ruhe und bildet euch selbst ein klares Urteil über das, was Rose leistet – und was wir ihr dafür geben. Ihr werdet dann gleich mir auf das Resultat kommen, dass wir viel mehr Roses Schuldner sind als umgekehrt.“

Hier mischte sich Rita ins Gespräch. Sie sah den Bruder an. „Du hast, glaube ich, Recht, Hasso. Es ist mir nur noch nicht zum Bewusstsein gekommen, weil ich nie darüber nachgedacht habe.“

„Nun bitte ich euch, Kinder, was habt ihr nur? Können wir denn mehr für Rose tun, als wenn wir sie wie ein Kind halten?“

„Tust du das wirklich, Mama? Ich habe immer bemerkt, so oft ich zu Hause war, dass Rose stets abseits steht, dass wir ihr immer nur Pflichten aufbürden, ohne ihre Rechte anzuerkennen. Ihre Familienzugehörigkeit reicht kaum weiter, als dass sie mit an unserem Tisch isst. Sie hat alle Pflichten einer Haushälterin und eines Verwalters zu erfüllen, leistet fast so viel wie sonst zwei Menschen und hat von früh bis spät nicht Rast noch Ruhe. Sie ersetzt uns zwei tüchtige Angestellte, ohne die Rechte zu genießen, die jedem Angestellten zukommen.“

„Aber ich bitte dich, Hasso, wir können Rose doch nicht etwa Gehalt zahlen und ihr in Zwischenräumen einen freien Sonntag geben. Dadurch stempelten wir sie ja direkt zur Dienerin“, sagte Herr von Falkenried ganz ärgerlich, vielleicht gerade weil er einsah, dass Hasso nicht ganz Unrecht hatte.

„Oder vielleicht auch zu einem freien Menschen, Papa“, erwiderte Hasso ein wenig erregt; „sie hätte dann doch wenigstens den ihr zu kommenden Lohn, den sie nicht als Gnadengeschenk ansehen müsste. Ich plädiere selbstverständlich nicht dafür, dass Rose ein Gehalt ausbezahlt bekommt. Das müsste sie kränken. Aber ich meine, ihr müsstet nicht all ihre Dienste so selbstverständlich hinnehmen, müsstet ihr zuweilen ein Wort der Anerkennung sagen. Das ist meine Ansicht.“

„Ja, Hasso, dieser Ansicht muss ich mich, nun ich mir das überlegt habe, unbedingt anschließen. Ich werde jedenfalls deine Meinung beherzigen und versuchen, Rose in Zukunft noch schwesterlicher als bisher zu begegnen, Rose Wohltaten zu erweisen. Du hast mir die Augen geöffnet. Ich werde mich bemühen, gutzumachen, was ich bisher versäumt habe.“

„Bist ein Prachtmädchen, meine kleine Rita.“

Von Rose sprach man nun nicht mehr. Hasso wusste, dass seine Eltern sich seine Worte bedenken und dann nach ihrem Ermessen handeln würden. Und das geschah auch, wie er richtig vermutet hatte. Man kam Rose wärmer und herzlicher entgegen und sagte ihr zuweilen ein Wort der Anerkennung.

Rita zeigte sich besonders herzlich gegen Rose. Gleich am folgenden Abend nach der Unterredung mit Hasso war sie in Roses Zimmer getreten, ehe sie schlafen ging.

Rose saß noch über den Wirtschaftsbüchern und sah verwundert auf. „Du bist noch wach, Rita?“

„Ja, Rose. Ich wollte dir, ehe ich schlafen gehe, eine Freude machen. Sieh, dies Armband mit den Saphiren und Perlen, das dir immer so gut gefiel, möchte ich dir schenken.“

Rose sah sie erstaunt und beklommen an. „Ich sagte dir allerdings einmal, dass ich dies Armband sehr schön finde. Aber wie könnte ich so ein kostbares Geschenk von dir annehmen? Darüber würde Tante Helene zanken.“

„Nein, nein, Mama erlaubt es, Rose.“

Nun stieg Rose das Blut in die Wangen, und ihre Augen bekamen einen stolzen abwehrenden Ausdruck. „Liebe Rita, bitte, sei mir nicht böse“, sagte sie hastig, „aber ich muss dies Geschenk zurückweisen, weil ich dir auf solch ein kostbares Geschenk die Revanche schuldig bleiben müsste.“

„Aber Rose, wer spricht von Revanche?“

Groß und ernst sah Rose in Ritas Augen. „Ich, Rita. Sieh, ich muss schon ohnedies so viel Wohltaten von euch allen annehmen, dass ich nicht weiß, wie ich sie ertragen soll. Dies Geschenk von dir würde mich mehr niederdrücken als erfreuen.“

„Ich wollte dir zeigen, dass ich dich im Herzen wie eine liebe Schwester halte, und nun weisest du es zurück.“

Rose legte den Federhalter, mit dem sie Zahlen in das vor ihr liegende Buch eingetragen hatte, nieder und sah Rita freudig überrascht an. „So hast du es gemeint?“

„Ja, Rose, weil ich dich lieb habe und dir eine Freude machen wollte. Sei doch lieb, nimm dies Geschenk von mir an, als Zeichen, dass auch du mich mit schwesterlicher Liebe in dein Herz geschlossen hast.“

Da zog Rose in überquellender Herzlichkeit das reizende, in ein duftiges Spitzengewand gekleidete Geschöpf in ihre Arme. „Liebe Rita, liebe gute Rita, du weißt ja nicht, wie lieb ich dich habe und wie froh ich bin, dass du mir so herzlich entgegenkommst. Das ist mir ein viel kostbareres Geschenk als dies Armband. Ich danke dir herzlich dafür, aber noch mehr dafür, dass du mir heute so entgegenkommst.“

„Habe ich das nicht schon immer getan?“

Ein wenig zögerte Rose mit der Antwort. Sie sah ernst in Ritas Augen. „Gut warst du immer zu mir, Rita, aber …“

„Sage nichts mehr – ich weiß schon, was du sagen willst –, und ich schäme mich. Ja, ich schäme mich wirklich, weil ich so gedankenlos mich gar nicht ein bisschen in dich hineindachte. Nun soll das aber anders werden. Weißt du, wer mir die Augen geöffnet hat, mir und auch den Eltern?“

„Nein, Rita, das weiß ich nicht.“

„Hasso hat es getan.“

„Hasso?“

„Ja, er hat uns gesagt, dass wir dir nicht genug Liebe entgegenbringen oder sie dir wenigstens nicht genug zeigen, dass wir meinen, wir tun dir Wunder wie viel Wohltaten, dass du in Falkenried sein darfst, und dass wir dabei gar nicht bedenken, was du alles für uns tust. Hasso hat Recht. Sobald ich darüber nachdachte, wusste ich es. Und die Eltern wurden auch ganz nachdenklich. So, und nun lass mich dir das Armband umlegen als Zeichen meiner Besserung und meiner herzlichen Liebe.“

Rose saß reglos, und ihre Hand zitterte ein wenig, als ihr Rita das Armband befestigte.

Und alles, was ihr nun in Zukunft von Hassos Angehörigen Gutes und Liebes geschah, setzte sie auf seine Rechnung und nahm es hin als ein Geschenk von ihm.

Sie sollte in Zukunft noch oft Gelegenheit haben zu spüren, dass seine Worte bei seinen Angehörigen nachwirkten. Man kam ihr jetzt entschieden wärmer und herzlicher entgegen. Sie suchten gutzumachen, was sie versäumt hatten.

***

Als Hasso nach Ablauf seines Urlaubs nach Berlin zurückkehrte, rüstete sich Rita auch zu ihrer Abreise nach Wien zum Besuch ihrer Freundin.

Hasso vertiefte sich, nach Berlin zurückgekehrt, gleich wieder in seine Pläne und Arbeiten.

Eines Tages besuchte ihn sein bester, intimster Freund, Hans von Axemberg.

Im Arbeitszimmer, das sehr zweckmäßig eingerichtet war, empfing Hasso die wenigen Besuche, die er bekam und die meist mit seinem Beruf im Zusammenhang standen. Sein Freund Hans von Axemberg hatte hier freien Eintritt und saß jetzt neben Hassos Schreibtisch, der durch Ausziehen einer großen Platte in einen Zeichentisch verwandelt werden konnte. Durch einen sinnreichen Mechanismus konnte diese Platte mit einem einzigen Druck auf einen Knopf in ein darunter liegendes Fach versenkt werden mit allem, was darauf stand. Dann konnte dies Fach verschlossen werden. War Hasso bei der Arbeit, wenn ein Besuch kam, dann genügte ein Druck auf den Mechanismus, und seine Zeichnungen und Entwürfe verschwanden. In nichts unterschied sich dann sein Schreibtisch von anderen Diplomatenschreibtischen, höchstens durch seine etwas ungewöhnliche Größe.