Heimat-Roman Treueband 32 - Rosi Wallner - E-Book

Heimat-Roman Treueband 32 E-Book

Rosi Wallner

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Beschreibung

Lesen, was glücklich macht. Und das zum Sparpreis!

Seit Jahrzehnten erfreut sich das Genre des Heimat-Bergromans sehr großer Beliebtheit. Je hektischer unser Alltag ist, umso größer wird unsere Sehnsucht nach dem einfachen Leben, wo nur das Plätschern des Brunnens und der Gesang der Amsel die Feierabendstille unterbrechen.
Zwischenmenschliche Konflikte sind ebenso Thema wie Tradition, Bauernstolz und romantische heimliche Abenteuer. Ob es die schöne Magd ist oder der erfolgreiche Großbauer - die Liebe dieser Menschen wird von unseren beliebtesten und erfolgreichsten Autoren mit Gefühl und viel dramatischem Empfinden in Szene gesetzt.

Alle Geschichten werden mit solcher Intensität erzählt, dass sie niemanden unberührt lassen. Reisen Sie mit unseren Helden und Heldinnen in eine herrliche Bergwelt, die sich ihren Zauber bewahrt hat.

Dieser Sammelband enthält die folgenden Romane:

Alpengold 190: Glück und Glas
Bergkristall 271: Was armen Mägden nicht erlaubt ist ...
Der Bergdoktor 1737: Liebe, Verführung und Verrat
Der Bergdoktor 1738: Wenn Sorgen zarte Schultern drücken
Das Berghotel 127: Unverhofftes Glück für zwei traurige Herzen

Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 320 Taschenbuchseiten.
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Seitenzahl: 617

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Impressum

BASTEI LÜBBE AG Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Für die Originalausgaben: Copyright © 2014/2015/2016 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv von © shutterstock: Jeanette Dietl | Romrodphoto ISBN 978-3-7517-2238-4 www.bastei.de www.luebbe.de www.lesejury.de

Rosi Wallner, Sissi Merz, Andreas Kufsteiner, Verena Kufsteiner

Heimat-Roman Treueband 32

Inhalt

Rosi WallnerAlpengold - Folge 190Ganz Hofstetten steht kopf, als an der Stelle, an der sich früher das gemütliche "Braustübel" befand, der glitzernde "Glaspalast" eröffnet. Und während die Alten granteln, die topmoderne Disco sei ein Schandfleck im Dorf, zieht es die Jugend aus dem ganzen Tal bald scharenweise dorthin. Nur Gero Harlacher und seine Familie beobachten das allabendliche Treiben mit Ablehnung und Angst, denn in ihrer Traditionswirtschaft "Krone" bleiben zunehmend die Gäste aus! Bald steht die seit Generationen wohlhabende und angesehene Familie vor dem finanziellen Ruin! Da beschließt Gero, sich einmal im "Feindesland" umzuschauen ... Dieser Ausflug in den "Glaspalast" soll ihm zum Verhängnis werden: Hals über Kopf, aber wider Willen verliebt er sich dort - ausgerechnet in die stolze Landegger-Luise, die Besitzerin des brandneuen Tanzlokals, seine Konkurrentin und Lieblingsfeindin ...Jetzt lesen
Sissi MerzBergkristall - Folge 271"Ich lass es net länger zu, dass du bei uns wie eine Magd lebst", flüstert der junge Talhuber-Stefan, als er seine Liebste in der einfallenden Dämmerung zärtlich an sich zieht. Vom ersten Moment an, als die hübsche Kathrin als Magd auf den Hof gekommen ist, ist ihr Stefans Herz zugeflogen - und es soll ihr für immer gehören! Denn für den Jungbauern steht fest, dass er Kathrin schon bald zu seiner Bäuerin machen will ... Die beiden Verliebten, die bei ihrem leidenschaftlichen Kuss die Welt um sich herum vergessen, ahnen nicht, dass sie aus hasserfüllten Augen beobachtet werden. Am Fenster der Wohnstube steht Georg Talhuber, Stefans Vater, dem Kathrin ein Dorn im Auge ist. "Na warte", brummt er außer sich vor Zorn, "dir werd ich's zeigen. Nie und nimmer werd ich es dulden, dass eine arme Magd Bäuerin auf dem Talhuber-Hof wird!"Jetzt lesen
Andreas KufsteinerDer Bergdoktor - Folge 1737Für die junge Magd Vera gibt es seit drei Jahren nur einen einzigen Mann auf der Welt und das ist Patrick Hofer. Dass seine Gefühle für sie längst abgekühlt sind, ignoriert sie hartnäckig, bis sie ihn eines Tages Hand in Hand mit einem anderen Madel sieht. Nein, nein, nein!, schreit alles in Vera. Er darf mich nicht verlassen! In ihrer Verzweiflung bittet sie Patrick unter Tränen um eine allerletzte Aussprache. Droben am Marterl am Hexenstein, wo sie sich zum ersten Mal geküsst haben! Weil er befürchtet, dass sich Vera etwas antut, gibt er schließlich nach und macht sich auf den Weg. Doch das Schicksal will es anders: Kurz vor dem Ziel verunglückt Patrick schwer. An diesem Abend wartet Vera vergeblich, aber als sie ihn das nächste Mal sieht, sitzt Patrick im Rollstuhl ...Jetzt lesen
Der Bergdoktor - Folge 1738Duftende Blumen und blühende Stauden zur Sommerszeit, buntes Laub, Kastanien und Hagebutten im Herbst, glitzernder Schnee auf Hecken, Sträuchern und den alten Steinfiguren im Winter - kein Anwesen weit und breit ist schöner als die Waldvilla der Kesslers. Kein Wunder, dass Mia dieses Paradies niemals aufgeben will! Doch wenn nicht ein Wunder geschieht, wird sie schon in wenigen Wochen ihr geliebtes Zuhause verlieren. Mia braucht dringend einen Verbündeten! Aber wem - außer Dr. Burger - darf sie vertrauen, wenn ihr gefährlichster Feind in der eigenen Familie ist?Jetzt lesen
Verena KufsteinerDas Berghotel - Folge 127Früher war das Leben von Rieke und ihrer Tochter Nele wunderschön und unbeschwert. Zusammen mit Neles Papa Erik hatten sie ein idyllisches Familienleben, in dem Geborgenheit, Lachen und Liebe ihren Alltag bestimmten. Doch diese Zeit ist vorbei, denn der geliebte Vater und Ehemann ist tot. Wie soll es nun weitergehen? Da Eriks Krankheit alle Ersparnisse aufgezehrt hat und Rieke die laufenden Kosten für ihr Haus nicht mehr aufbringen kann, muss sie ihr Zuhause schweren Herzens verkaufen und mit ihrer Tochter vorübergehend zu ihrer Schwester Wiebke ziehen. Als diese bei einem Preisausschreiben eine Reise ins Zillertal gewinnt, gibt sie den Gutschein für zwei Personen sofort an Rieke und Nele weiter. Wiebke weiß nur zu gut, wie dringend ihre Schwester und ihre Nichte ein wenig Aufmunterung gebrauchen können. Doch nicht einmal sie ahnt, wie sehr diese Reise das Leben von Rieke und Nele verändern wird ...Jetzt lesen

Glück und Glas

Vom Aufstieg und Fall einer stolzen Familie

Von Rosi Wallner

Ganz Hofstetten steht kopf, als an der Stelle, an der sich früher das gemütliche »Braustübel« befand, der glitzernde »Glaspalast« eröffnet. Und während die Alten granteln, die topmoderne Disco sei ein Schandfleck im Dorf, zieht es die Jugend aus dem ganzen Tal bald scharenweise dorthin. Nur Gero Harlacher und seine Familie beobachten das allabendliche Treiben mit Ablehnung und Angst, denn in ihrer Traditionswirtschaft »Krone« bleiben zunehmend die Gäste aus! Bald steht die seit Generationen wohlhabende und angesehene Familie vor dem finanziellen Ruin! Da beschließt Gero, sich einmal im »Feindesland« umzuschauen …

Dieser Ausflug in den »Glaspalast« soll ihm zum Verhängnis werden: Hals über Kopf, aber wider Willen verliebt er sich dort – ausgerechnet in die stolze Landegger-Luise, die Besitzerin des brandneuen Tanzlokals, seine Konkurrentin und Lieblingsfeindin …

Eigentlich konnte in dem kleinen Bergdorf Hofstetten niemand mehr genau sagen, wie es zu der Feindschaft zwischen den Harlachers und den Landeggers gekommen war. Es hatte nie einen Rechtsstreit oder eine offene Auseinandersetzung gegeben, und die Frauen waren vor der Ehe sogar miteinander befreundet gewesen.

Hubert Harlacher, den man nur den »Kronenwirt« nannte, besaß das größte Gasthaus am Ort. In dem altehrwürdigen Gebäude wurden, solange man zurückdenken konnte, alle Vereinstreffen und Familienfeiern von der Hochzeit bis zum Leichenschmaus abgehalten. In der »Krone« traf man sich zum Stammtisch, und die Jugend vergnügte sich im Festsaal beim wöchentlichen Tanz. Im Sommer verlockte der kleine Biergarten hinter dem Haus dazu, sich mit einem kühlen Weißen unter den schattigen Kastanien niederzulassen.

Die Landeggers betrieben dagegen das »Braustübel« in einer Seitengasse, das mehr eine kleine Kneipe mit einem festen Kundenstamm war. Eingeweihte wollten wissen, dass sie sich damit nur mühsam über Wasser hielten, doch das gaben die Landeggers nicht zu, sondern beschuldigten stattdessen die Harlachers, ihnen die Gäste zu entfremden.

Das Verhältnis zwischen Priska Harlacher und Irmi Landegger, die seit der Schulzeit miteinander befreundet gewesen waren, hatte sich schon vor der Heirat getrübt. Simon Landegger, genannt Simmerl, war in seiner Jugend der feschste Bursch im ganzen Tal gewesen, obendrein Schützenkönig und ein ziemlich bekannter Heimatsänger. Die Madeln himmelten ihn an und Priska und Irmi waren beide gleichermaßen in ihn verliebt.

Simmerl entschied sich für die hübsche Irmi, und wie böse Zungen wissen wollten, hauptsächlich deswegen, weil sie eine ordentliche Mitgift mit in die Ehe brachte. Priska, zutiefst verletzt, heiratete überstürzt den zukünftigen Kronenwirt, der sie schon lange verehrte. Hubert war ein dicklicher, linkischer junger Mann, der lange unter der Fuchtel einer herrschsüchtigen Mutter gestanden hatte.

Doch unter Priskas Einfluss veränderte er sich. Die Tatsache, dass er bald das Wirtshaus übernehmen und eigenständig wirtschaften konnte, trug zusätzlich dazu bei, dass er mehr Selbstbewusstsein entwickelte. Aus dem gehemmten Burschen wurde ein stattlicher, tatkräftiger Mann, der entschlossen auftrat.

Auch Priskas Gefühle wandelten sich, und die beiden gaben ein Paar ab, das einander schätzte und sich zugetan war. Die Geburt ihres Sohnes Gero festigte ihr Glück noch mehr, weiterer Kindersegen blieb ihnen dagegen verwehrt.

Irmi Landegger hingegen musste die Erfahrung machen, dass die Redensart, eine Frau sollte eher einen Mann heiraten, der sie mehr liebte als sie ihn, in ihrem Fall zutraf. Bald schon entdeckte sie, dass ihr Simmerl ein unverbesserlicher Schürzenjäger war, der glaubte, dass eheliche Treue nur für Frauen galt. Sein Stern als Heimatsänger sank, und im Dorfgeschehen wurde er von anderen, einem Jüngeren, verdrängt.

Schließlich übernahm er das »Braustübel« von seinen Eltern, die bald nacheinander starben. Irmi bemühte sich, alles zusammenzuhalten, doch Simmerl war sich nun einmal selbst der beste Wirt, und sie stand meistens übellaunig hinter der Theke.

Was sie beide jedoch verband, war ihre Tochter Luise, überall nur das Luiserl genannt. Simmerl war keineswegs erbaut davon gewesen, nach mehreren Ehejahren überraschend Vater zu werden, doch kaum hatte er seine kleine Tochter in den Armen gehalten, gewann sie sein Herz, und die gemeinsame Fürsorge für ihr Kind einte das Paar wieder.

Luiserl war nicht nur ein hübsches, sondern auch ein gewitztes kleines Mädchen, und so ermöglichten ihr die Eltern eine gute Ausbildung. Luiserl sollte es einmal besser haben als sie und ihr Leben nicht in einer heruntergekommenen Dorfkneipe vergeuden.

Doch dann sollte sich das Blatt wenden.

***

»Habt ihr schon gehört, was bei den Landeggers vor sich geht?«, sagte der Großbauer Korbinian Leitner, als er sich wie üblich mit seinen Spezis am Stammtisch in der »Krone« traf.

Sein Freund und Nachbar Urban Riedbacher zuckte die Schultern, nachdem er einen tiefen Schluck von seinem Weißbier genommen hatte.

»Das Haus neben ihrer Kneipe wird abgerissen. Aber was soll das mit ihnen zu tun haben? Es hat lang leer gestanden, niemand wollte das alte Geraffel haben, und die Erben hatten wohl keine rechte Lust, die teure Sanierung zu bezahlen.«

»Angeblich sollen die Landeggers das Haus gekauft haben und auch noch die Grundstücke daneben und dahinter«, ließ sich Korbinian wieder vernehmen.

»Woher willst du denn das wissen? War deine Frau wieder einmal beim Kaffeekränzchen vom Landfrauenverein?«, spottete der Apotheker.

»Du wirst es net glauben, aber dort weiß man manchmal noch früher Bescheid über bestimmte Sachen als der Bürgermeister und das Amtsblattl zusammen«, erwiderte Korbinian ohne jeden Spott.

»Doch, das glaub ich schon. Besonders, weil deine …«

»Aber was wirklich alle wundert, ist doch, woher die Landeggers das viele Geld herhaben sollten«, fiel der Kronenwirt dem Apotheker schnell ins Wort, ehe sich zwischen ihm und Korbinian wieder einmal eine Auseinandersetzung über die Klatschsucht der Leitner-Bäuerin anbahnen konnte.

Der Kronenwirt hatte sich einen Stuhl an den Stammtisch gerückt und sich darauf niedergelassen, denn wenn es um die Landeggers ging, dann war er immer ganz Ohr.

Hubert hegte einen noch viel tieferen Groll gegen den feschen Simmerl, als irgendjemand ahnte, denn er hatte damals sehr wohl gewusst, dass seine Priska nicht in ihn, sondern in diesen Hallodri verliebt war. Auch wenn sich inzwischen alles zum Guten gewendet hatte und es für ihn keinen Grund mehr gab, an Priskas Zuneigung zu zweifeln, so vergaß er doch nie, dass er einst nur als Notnagel hergehalten hatte.

»Es soll sich wohl um eine Erbschaft handeln«, ließ sich Josef Moser vernehmen, der auf dem Bürgermeisteramt tätig war.

Er war ein ältlicher, gekrümmt wirkender Mann, der nur selten den Mund auftat. Der Stammtisch war sein Zufluchtsort vor einer zänkischen Ehefrau, und erst kurz vor Mitternacht kehrte er gewöhnlich nach Hause zurück, um sich wieder den vorwurfsvollen Tiraden seiner Angetrauten zu stellen.

»Du musst es ja wissen«, meinte der Kronenwirt, und das traf zu, denn Josef hatte Kraft seines Amtes Einblick in fast alles, was im Dorf vor sich ging.

»Eine verwitwete kinderlose Großtante von der Irmi«, sagte Josef nur.

Dann verstummte er, und damit war klargestellt, dass er kein weiteres Wort darüber mehr von sich geben würde.

»Die Irmi hat doch schon einen ordentlichen Batzen Geld mit in die Ehe gebracht«, meinte Urban, »sie stammt ja net aus einer armen Familie.«

»Aber der Simmerl hat trotzdem alles in Grund und Boden gewirtschaftet. Vielleicht bringt er das wieder fertig«, wandte Korbinian ein.

Der Kronenwirt wiegte nachdenklich den Kopf. Das soeben Gehörte hatte ihm einen Schlag versetzt, den er erst verarbeiten musste.

»Da wird jetzt wohl die Irmi die Hand drauf halten, schon wegen ihrer Tochter«, meinte er schließlich. Im Geiste sah er schon vor sich, wie die Landeggers das »Braustübel« in etwas umbauten, das nicht in das Dorf hineinpasste. Und schlimmer noch – dass ihm dadurch eine ernst zu nehmende Konkurrenz entstand.

Und damit sollte er nicht unrecht haben.

»Was ist eigentlich mit dem Luiserl? Studiert sie immer noch?«, wollte einer der Großbauern wissen.

»Ja. Sie soll sogar schon den Bachelor haben, in Touristik und Event-Management«, gab der Apotheker zur Antwort, der keine Gelegenheit versäumte, seine Weltläufigkeit unter Beweis zu stellen.

»Ach geh! Ich versteh net, was damit gemeint ist und wozu das gut sein soll. Grad für ein Madel«, warf Urban ein.

»Was meinst du jetzt damit?«, sagte Priska, die sich zu ihnen gesellt hatte, und funkelte Urban aufgebracht an.

»Die Luise war schon immer schlauer, als für ein Madel gut ist …«

»Kannst mir das mal genauer erklären?«, wollte Priska mit kriegerischer Miene von ihm wissen und stemmte die Arme in die Hüften.

»Die Mannsleut wollen halt keine Frau haben, die alles besser weiß«, kam ihm Korbinian zu Hilfe.

»Aber die Madeln sollen sich mit depperten Mannsbildern abfinden, oder hab ich das falsch verstanden?«, gab Priska giftig zurück.

»Herzerl«, sagte ihr Mann milde, und Priska verstummte, weil sie den Bogen nicht überspannen wollte.

»Events in der schäbigen Kneipe, die die Luise mal erben wird«, höhnte Urban und leerte sein Seidl.

»Aber jetzt sieht das wohl anders aus«, gab der Apotheker zu bedenken.

»Man kann sich auch verspekulieren«, meinte Urban düster.

»Und was macht eigentlich euer Gero? Kommt er überhaupt noch in sein Heimatdorf zurück?«, lenkte der Apotheker das Gespräch in eine andere Richtung.

Priskas eben noch finstere Miene hellte sich auf.

»Nächstes Jahr ist er fertig und kommt dann hierher zurück. Heimweh hat er, der Bub.«

»War er net auf der Hotelfachschule, oder hat er auch so etwas Großkopfertes gemacht wie die Luise?«, fragte Urban.

»Er war erst auf der Hotelfachschule, das stimmt, und dann hat er noch Betriebswirtschaft studiert. Heutzutage kann man sich nimmer so einfach hinter den Schanktisch stellen«, erklärte der Kronenwirt geduldig.

»Hauptsache, das Weiße schmeckt noch genauso wie früher«, rief der alte Himmelshuber dazwischen und lachte meckernd.

»Das wenigstens kann ich dir versprechen«, sagte der Kronenwirt. »Und jetzt gibt es eine Runde auf das Haus, die letzte nämlich für heut.«

Das stieß natürlich auf allgemeine Zustimmung, und alle fanden, dass es eben beim Kronenwirt am schönsten war, auch ohne Event-Management. Denn für die Unterhaltung sorgten sie schon selber, da machte ihnen keiner was vor.

Später, als alle Gäste gegangen waren und der Kronenwirt die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, stand seine Frau nachdenklich hinter der Theke und polierte ein Glas.

»Was hast, Schatzerl?«

Sie sah ihn aus ihren schönen braunen Augen an, und Hubert spürte, dass er sie noch immer so liebte wie damals als junger Mann. Vielleicht sogar noch mehr, denn die vergangenen Jahre hatten sie noch enger miteinander verbunden.

»Das mit der Erbschaft der Landeggers gefällt mir gar net«, sagte sie leise. »Ich hab ein ganz ungutes Gefühl dabei.«

»Warten wir’s halt erst mal ab«, meinte er, obwohl er ihre Bedenken teilte. »Der Simmerl hat noch nie gut wirtschaften können.«

»Das hast recht«, erwiderte sie, aber es klang nicht sehr überzeugt.

Hubert legte den Arm um seine Frau, eine tröstende Geste, die auch jetzt ihre Wirkung nicht verfehlte.

»Ich bin froh, wenn unser Gero wieder daheim ist«, erwiderte sie und lehnte sich an die breite Schulter ihres Mannes.

»Ja,«, erwiderte Hubert voller Wärme.

Im Gastraum wurde das Licht gelöscht, und die Harlachers gingen in ihre Wohnung, die sich im rückwärtigen Anbau des Wirtshauses befand. Hier konnte sich ihr Familienleben ungestört entfalten, worauf gerade Priska großen Wert legte.

In dem kleinen Bergdorf herrschte nun nächtliche Ruhe. Die Dorfstraße wurde nur schwach vom trüben Licht der alten Laternen erhellt, hin und wieder bellte ein Hund, und der Nachtwind fuhr durch die Kronen der Kastanien im Biergarten.

***

»Ja, Bub! Dass du endlich wieder daheim bist«, rief Priska Harlacher aus und konnte gar nicht mehr von ihrem Sohn Gero ablassen.

Auch der junge Harlacher war sehr gerührt, versuchte aber, es zu überspielen. Anfangs hatte er die Studienzeit, die er jetzt erfolgreich abgeschlossen hatte, genossen, aber dann hatte sich doch das Heimweh nach seiner Bergheimat eingeschlichen.

In dem Gasthaus »Zur Krone« war er aufgewachsen, und die Wirtsstube war von Kind an sein Zuhause gewesen. Er hatte als kleiner Junge zwischen den Tischen und Stühlen gespielt, war von den Mittagsgästen gehätschelt worden, und als er dann zur Schule ging, hatte er an einem Ecktisch unter den wachsamen Augen seiner Mutter Hausaufgaben gemacht.

Später, als Heranwachsender, war er seinen Eltern zur Hand gegangen und hatte oft schon ganz selbstverständlich hinter dem Tresen gestanden. Gero konnte sich gar nichts anderes vorstellen, als irgendwann einmal die Nachfolge seines Vaters anzutreten und selbst Kronenwirt zu werden. Seine Zukunft schien vorherbestimmt.

Gero war wirklich ein Sohn, auf den die Harlachers stolz sein konnten. Er war nicht nur tüchtig, sodass er das Gasthaus einmal gut führen würde, sondern er war auch ein ausnehmend gut aussehender junger Mann. Er hatte die warmen braunen Augen seiner Mutter und ihre schlanke Gestalt geerbt, seine Züge waren markant und regelmäßig.

Das dunkle Haar, das ihm lockig in die Stirn fiel, war ein Erbteil seines Vaters, auch seine umgängliche Art, die ihm sofort Sympathien einbrachte. Doch er wusste sich auch energisch Respekt zu verschaffen und war daher wie geschaffen dafür, einmal das Dorfwirtshaus zu übernehmen.

»Ich hab dir dein Lieblingsessen gekocht, auch wenn es schon ein bisserl zu spät ist, um Mittag zu halten. Gebratene Semmelknödelscheiben, Schweinsbraten und Kraut«, verkündete die Wirtin.

»Das ist mir zu jeder Zeit recht. Wie ich das vermisst habe! Das Essen in der Mensa war ja auch net schlecht, aber kein Vergleich zu dem, was du kochst, Mutterl.«

»Schmeicheln kannst ja, Bub«, lachte seine Mutter, doch es war unschwer zu erkennen, wie sehr sie sich über das Lob ihres Sohns freute.

Während sie in die Küche eilte, ging Gero in seine Kammer im hinteren Anbau, um dort sein Gepäck abzulegen. Alles war noch so, wie er es bei seinem letzten Besuch hinterlassen hatte, und das wunderbare Gefühl, für immer zu Hause zu sein, erfüllte ihn. Der Wind fuhr durch die breitkronigen Kastanien des Biergartens, wie oft hatte ihn ihr sanftes Rauschen in den Schlaf begleitet.

Als er zu seinem bevorzugten Platz in der Gaststube trat, dem Ecktisch, an dem er immer als Kind gesessen hatte, fand er ihn schon appetitlich gedeckt vor. Gero musste sich dazu zwingen, das köstliche Essen seiner Mutter nicht herunterzuschlingen, so gut schmeckte es ihm.

Dann lehnte er sich gesättigt zurück und sah sich um.

Um diese Zeit war es leer in der Gaststube, die Mittagsgäste waren bereits gegangen, und die Stammtischbrüder würden sich erst viel später versammeln. Mit seiner balkendurchzogenen Decke, der rustikalen Einrichtung und dem Wandschmuck, der teils aus Jagdtrophäen, teils aus Fotografien aus dem letzten Jahrhundert bestand, wirkte die ländliche Gaststube ursprünglich und anheimelnd.

Man fühlte sich wie in eine andere Zeit zurückversetzt, und gerade das machte die »Krone« für die älteren Dorfbewohner zu einem wichtigen Ort. Was für andere Stillstand bedeuten mochte, war für sie eine Zufluchtsstätte. Und es gab nicht wenige, die sich dort wohler fühlten als in ihrem eigentlichen Zuhause, vor allem jene Männer, die einschichtig waren oder nicht mit ihren Frauen auskamen.

Zur Feier des Tages hatte Hubert einen guten Traminer aus dem Keller geholt, den es nur bei besonderen Anlässen gab, denn die Harlachers waren mäßige Leute. Nun saßen sie, nachdem Gero seine Mahlzeit beendet und sie wortreich gewürdigt hatte, am Ecktisch zusammen und stießen auf seine Rückkehr an.

»Auf dich, mein Sohn! Und auf den zukünftigen Kronenwirt!«, sagte Hubert feierlich und prostete Gero zu.

»Und darauf, dass du bald ein hübsches, tüchtiges Madel findest, mit dem du glücklich wirst!«, ergänzte seine Mutter.

Gero lachte. »Und ich wünsch euch, dass ihr noch lange hinter dem Tresen steht, denn ohne euch wär das Wirtshaus nimmer dasselbe. Und mit dem Heiraten hat es auch noch Zeit, ich bin noch viel zu jung dazu.«

Hubert wiegte zweifelnd den Kopf. »Deine Mutter und ich haben auch früh geheiratet und haben es net bereut. Obwohl manches net grad leicht war.«

Sein Vater ließ sich nicht darüber aus, was nicht leicht gewesen war. Dieses Eingeständnis verwunderte Gero, denn ihm war es immer so vorgekommen, als wäre die Ehe der Eltern ungemein harmonisch verlaufen. Doch er hütete sich, neugierige Fragen zu stellen, das stand ihm nicht zu.

»Der Vater hat ganz recht. Je älter man wird, desto größere Ansprüche stellt man, und man ist auch nimmer so willens, sich an einen anderen Menschen anzupassen«, stimmte seine Mutter zu und legte ihre Hand auf den Arm ihres Mannes.

Es war eine verhaltene, aber auch sehr zärtliche Geste, die Gero beinahe die Tränen in die Augen trieb.

»Und gibt es etwas Neues im Dorf?«, fragte er schnell, um dem Gespräch eine andere Wendung zu geben.

Seine Eltern tauschten einen raschen Blick aus, sagten aber nichts.

»Es kommt mir ja so vor, als wär hier überhaupt nichts geschehen. Ein verwunschener Ort, unser Hofstetten«, meinte Gero mit leichtem Spott.

»Ganz so tät ich das net sagen …«, ließ sich Hubert zögernd vernehmen.

»Ach so?« Gero beugte sich gespannt vor.

»Du kennst doch die Landeggers hier am Ort«, sagte seine Mutter und drehte geistesabwesend ihr Glas in der Hand.

»Du meinst doch die vom ›Braustübel‹?«, vergewisserte sich Gero und verzog abschätzig das Gesicht.

Hubert nickte. »Die haben eine große Erbschaft gemacht, das heißt, die Irmi, die ja reiche Verwandte hat. Und nun haben sie das ›Braustübel‹ abgerissen und einen richtigen ›Glaspalast‹ zwischen den ganzen bäuerlichen Häusern gebaut …«

»Ach geh«, wurde er von Gero ungläubig unterbrochen.

»Wenn ich dir’s sag. Das ist nun ein ganz modernes Haus mit Wintergarten und einem großen Saal für Veranstaltungen aller Art.«

»Sogar eine Gourmet-Ecke haben sie, ganz wie bei den Großkopferten«, fügte seine Mutter düster hinzu.

»Und an den Wochenenden treten Bands auf, die so sakrisch laut sind, dass in der Umgebung niemand mehr schlafen kann.«

»Aber den jungen Leut gefällt das halt. Keiner von denen will noch den Dorftanz mit der Trachtenkapelle, wenn es dort eine Art Disco gibt«, fuhr Priska fort und presste verbittert die Lippen zusammen.

Gero schüttelte den Kopf. »Das kann ich kaum glauben. Auf wessen Mist ist denn das gewachsen? Die Landeggers kamen mir doch immer sehr bodenständig vor, trotz allem, was man gegen sie sagen kann, und das ist net wenig.«

»Aber die haben noch eine Tochter, wenn du dich erinnern kannst«, sagte Priska in schlecht verhohlenem Groll.

»Die Luise! Die hab ich schon ewig nimmer gesehen!«

»Die war auch ewig in der Stadt, um so Sachen wie Event-Management zu studieren. Sie hat ja immer schon einen Drang zum Höheren gehabte, und der haben wir das Ganze auch zu verdanken«, erklärte Hubert grimmig.

»Das Luiserl«, sagte Gero versonnen. Das Bild eines linkischen jungen Mädchens stieg vor seinen Augen auf. Rotblonde Haare hatte sie gehabt, zu lächerlich abstehenden Zöpfen geflochten, und ihre hellen Augen hatten immer angriffslustig gefunkelt.

»Ja, die Luise. Die führt jetzt dort das Regiment und macht sich über unser Wirtshaus lustig. Weißt, wie sie die ›Krone‹ genannt hat? Einen ›verschimmelten Brutkasten für Hinterwäldler‹! Als ob ihr Glaskasten auf die Dauer …«

Priska versagte vor Entrüstung die Stimme.

Gero wusste nicht, ob er lachen oder gekränkt sein sollte. »Das Luiserl hat schon immer eine scharfe Zunge gehabt«, sagte er zuletzt nur mit unbewegter Miene.

»Aber das geht wirklich zu weit«, wetterte sein Vater, »der tät ich gern mal so richtig Bescheid sagen.«

»Besser net. Wir beachten das einfach net, und irgendwann wird sich der ganze Aufruhr von allein legen«, riet ihnen Gero.

Das war ein kluger Ratschlag, das wussten seine Eltern, und daher schwiegen sie. Und so erfuhr Gero auch nicht, welche Sorgen seine Eltern plagten. Denn seit der »Glaspalast«, wie das neue Gasthaus allgemein genannt wurde, seine Pforten geöffnet hatte, war es bei den Harlachers zu einem besorgniserregenden Einbruch gekommen. Besonders die Jugend fühlte sich von den Rockkonzerten angezogen, und wer im Dorf auf sich hielt, aß in der Gourmet-Ecke oder saß bei einer Tasse Kaffee im Wintergarten.

Natürlich waren die Stammtischbrüder der »Krone« treu geblieben, und die kleineren Vereine trafen sich nach wie vor im Hinterzimmer, aber sonst war die Besucherzahl in kurzer Zeit erschreckend zurückgegangen. Sogar der Dorftanz, der eine lange Tradition hatte, fand seit Neuestem nicht mehr statt.

All das kam nicht zur Sprache, denn die Harlachers wollten diese festliche Stunde mit ihrem Sohn nicht verderben.

Schließlich, nach einem Blick auf die Uhr, erhoben sich seine Eltern, denn sie mussten die Vorbereitungen für den Abend treffen. Gero räumte seine Sachen in seiner Kammer ein, dann kehrte er in die Gaststube zurück und ging seinen Eltern zur Hand.

Alles war so, wie es früher gewesen war und wie er es sich erträumt hatte, als ihn in der Stadt immer mehr das Heimweh überkommen hatte. Sogar der angenehme Geruch nach gutem Essen und den heimischen Getränken, der durch die Gaststube zog, war gleich geblieben. So, als wäre er nie weg gewesen.

Aber zu seiner Verwunderung verspürte er gleichzeitig so etwas wie eine ungute Vorahnung.

***

Inzwischen verlief das Leben in der »Krone« in geregelten Bahnen. Die Familie hatte die Aufgaben unter sich aufgeteilt, was für Geros Eltern eine große Erleichterung bedeutete. Priska schwang nach wie vor das Zepter in der Küche und bereitete ihre vorzüglichen Gerichte zu, die dem Gasthaus eine Reihe von Stammgästen verschafft hatte.

Sein Vater stand nach wie vor hinter der Theke – es gab schließlich nur einen Kronenwirt. Die Biergartenzeit hatte begonnen, die Tische und Stühle unter den Kastanien wurden aufgestellt, und dort war nun Geros Wirkungsbereich. Außerdem organisierte er die Vermietung der Gästezimmer und übernahm die Bestellungen von Lebensmitteln und Getränken, was seinem Vater nur recht war.

Allerdings verweigerte Hubert Gero den Einblick in die Finanzen, was Geros eigentliches Metier gewesen wäre. Wenn sein Sohn diesbezügliche Fragen stellte, winkte Landegger nur ab und behauptete, dass alles in bester Ordnung sei. Gero wollte den Vater nicht bedrängen und gab sich damit zufrieden. Schließlich hatten die Landeggers immer gut gewirtschaftet und waren von jeher wohlhabend gewesen.

Und wenn ihm auch auffiel, dass immer mehr Gäste ausblieben, so schob er das auf die frühe Jahreszeit und maß dem nicht allzu viel Bedeutung bei. Und dass die meisten Gästezimmer leer standen, war auch nicht ungewöhnlich, denn viele der Touristen wollten erst im Frühherbst zu ihren Wandertouren aufbrechen.

Gero Landegger genoss diese erste Zeit seiner Rückkehr. Dabei sah er nicht, dass seine Eltern immer schweigsamer und ihre Mienen immer sorgenvoller wurden.

Bei einem Gang durch das Dorf traf er auf Rufus Birnbaumer, früher einer seiner engsten Spezln.

»Ja, sag mal, Rufus, du lässt dich ja nimmer in der ›Krone‹ blicken. Und die anderen Spezln auch kaum, soweit sie noch im Dorf sind«, sagte Gero, nachdem er dem Freund herzhaft auf die Schultern geklopft hatte.

Auf Rufus Birnbaumers frischem, wenngleich auch etwas derben Zügen malte sich tiefe Verlegenheit. »Ja, weißt, des ist halt so. Die Dorfjugend trifft sich inzwischen anderswo«, sagte er schließlich stockend.

»In einem Discoschuppen außerhalb?«, fragte Gero ungläubig.

»Aber nein, aus dem Alter sind wir schließlich heraus. Nichts gegen die ›Krone‹, aber das ist halt was für die eingefleischten Stammtischbrüder, die immer das große Wort führen. Das ist eben nichts für die jungen Leut. Und fesche Madeln zum Kennenlernen gibt’s dort auch keine. Im ›Glaspalast‹ dagegen …«

»Dort geht ihr jetzt hin?«

»Hast dir das noch net angesehen? Das war früher das ›Braustübel‹ der Landeggers, das weißt ja. Du kannst dir gar net vorstellen, wie das jetzt alles ausschaut! Die ganze Vorderfront ist aus Glas, deswegen wird das halt ›Glaspalast‹ genannt. Und dort ist auch was los! Die Luise versteht ihr Geschäft, schließlich hat sie ja auch lang genug in der Stadt studiert«, schloss er, und es war ihm anzumerken, wie sehr ihm die junge Frau imponierte.

»So, so, das Luiserl«, sagte Gero düster, der das soeben Gesagte erst einmal richtig verarbeiten musste.

»So ein sauberes Madel, das Luiserl, dabei blitzgescheit«, schwärmte Rufus, und ein verklärter Ausdruck trat in seine blassblauen Augen.

»Kannst ihr ja einen Antrag machen«, schlug Gero bissig vor.

Rufus, stolzer Besitzer von 32 Milchkühen, winkte betrübt ab. »Das Luiserl tät nie einen Fuß in meinen Stall mit den Kühen setzen. Oder kannst du dir das vorstellen?«

Trotz seiner Verstimmung musste Gero unwillkürlich lachen.

»Gewiss net. Wenigstens machst du dir keine Illusionen.«

»Trotzdem ist’s schad drum. Komm doch auch mal mit! Am Wochenende tritt eine bekannte Gruppe im ›Glaspalast‹ auf, dann geht richtig die Post ab«, meinte Rufus, ehe er sich verabschiedete.

»Vielleicht, wenn ich Zeit hab«, erwiderte Gero unbestimmt und rang sich mühsam ein Lächeln ab.

»Jesses, welche Laus ist denn dir über die Leber gelaufen?«, wurde er von seiner Mutter begrüßt, als er mit finster zusammengezogenen Brauen die Gaststube betrat.

Sie deckte gerade für das Mittagessen ein, obwohl sich wahrscheinlich nur wenige Gäste einfinden würden. Früher waren immer die Madeln aus dem Rathaus gekommen und saßen schwatzend und kichernd an einem Tisch, manchmal auch der Bauamtsleiter und seine Mitarbeiter und hin und wieder sogar der Bürgermeister.

Diese Zeiten waren vorbei.

Dennoch lagen auf den Tischen gestärkte Leinendecken, und die Stoffservietten waren sorgfältig gefaltet. Vasen mit kleinen Blumensträußen vervollständigten das ansprechende Bild. Die Wirtsleute hielten auf Ordnung; alles war blitzblank, die Vorhänge waren frisch gewaschen, die Dielenbretter ordentlich gefegt. Appetitanregende Düfte zogen von der Küche in den Gastraum, sodass Gero unwillkürlich Hunger verspürte.

Die »Krone« war ein Dorfgasthaus, wie es sein sollte, und doch schien es unaufhaltsam dem Niedergang entgegenzusteuern. Und das erfüllte Gero nicht nur mit Wehmut, sondern auch mit Zorn. Sollten die lebenslangen Bemühungen seiner Eltern umsonst gewesen sein und sie das Wirtshaus zu guter Letzt aufgeben müssen? Und das würde auch bedeuten, dass er seine Existenzgrundlage einbüßen würde.

»Ich hab eben einen meiner Spezln getroffen, und wir haben uns über den ›Glaspalast‹ unterhalten«, beantwortete Gero schließlich die Frage seiner Mutter.

Priska ließ sich auf einen der Stühle sinken und saß dann da, als drückte eine schwere Last sie nieder. So hatte Gero seine tatkräftige Mutter noch nie gesehen, und er setzte sich zu ihr und fasste nach ihrer Hand.

»Du weißt gar net, wie furchtbar alles ist. Seitdem die Landeggers Oberwasser haben und dieser ›Glaspalast‹ mitten in unserem schönen Dorf steht, geht es mit der ›Krone‹ bergab. Alle jüngeren Leut haben sie uns abgeworben …« Priskas Stimme schwankte einen Augenblick, ehe sie fortfuhr. »Sogar im Biergarten, wo sonst immer schon mittags Hochbetrieb herrscht, stehen die Tische leer.«

Dem konnte Gero nicht widersprechen, und so hielt er nur stumm die Hand seiner Mutter.

»Weißt was? Am Wochenende gehe ich in diesen ›Glaspalast‹ und schau mir den ganzen Zauber einmal an«, durchbrach Gero plötzlich das Schweigen.

Priska fuhr zusammen und starrte ihn ungläubig an.

»Das kannst net tun, Bub! Die werden im Dorf alle denken, dass jetzt auch der Sohn vom Kronenwirt sein Vergnügen dort sucht.«

»Das ist mir gleich. Aber schließlich muss ich die Konkurrenz kennenlernen, damit ich weiß, wie ich dagegen angehen kann«, erwiderte er entschlossen.

»Ausspionieren willst die Harlachers? So etwas haben wir noch nie nötig gehabt«, hielt seine Mutter dagegen.

»Ach was. Ich mach mir mit meinen Spezln einen schönen Abend. Es soll ja eine bekannte Gruppe auftreten.«

»Da kommt natürlich unser Heimatabend nimmer mit«, sagte Priska bitter und erhob sich mit einem Ruck.

»Aber geh, Mutterl …«

»Dann grüß mir das Luiserl schön. Die soll ja im Gegensatz zu ihren Eltern eine ganz Forsche geworden sein«, sagte seine Mutter bissig und entschwand ohne ein weiteres Wort in die Küche, wo sie laut vernehmbar herumhantierte.

Gero seufzte und ging hinaus in den Biergarten. Er wirkte noch verödeter als gewöhnlich, nur ein älterer Mann, kein Einheimischer, saß an einem versteckten Tisch und hatte Landkarten und Wegbeschreibungen vor sich.

»Wird man hier eigentlich nicht bedient? Ich warte schon geraume Zeit«, murrte er unwillig und musterte den gut aussehenden jungen Mann abschätzig.

Gero zwang sich zu einem höflichen Lächeln. »Es tut mir leid, dass Sie warten mussten. Das Mittagessen ist gleich fertig, ich kann Ihnen eine Spezialität des Hauses anbieten …«

»Ein Mineralwasser genügt. Ich stopf mich doch nicht mit dem fetten, ungesunden Wirtshausfraß voll, bevor ich eine Bergtour mache. Nein, ich bin bestens versorgt, Vollwertkost natürlich«, erwiderte er und deutete auf einen umfangreichen Rucksack, den er auf dem Stuhl gegenüber abgelegt hatte.

»Wenn das so ist«, gab Gero gleichmütig zur Antwort und ging ins Haus, um das Gewünschte zu holen.

»Das geht aufs Haus, weil sie warten mussten. Den Ausgang finden sie ja alleine«, sagte Gero, als er das Wasser vor dem Gast absetzte.

»Bazi, ausg’schamter«, murmelte Gero vor sich hin und machte sich an den Bierkisten zu schaffen, dass es nur so klirrte und rasselte. So steigerte man nicht gerade seine Beliebtheit als Gastwirt, doch Gero fand, dass das einfach hatte sein müssen.

***

Seit seiner Rückkehr hatte Gero die Seitenstraße gemieden, in der sich das frühere »Braustübel« befunden hatte. Das allseits gepriesene Luiserl hatte noch vor ihm sein Studium abgeschlossen, obwohl sie ein paar Jahre jünger als er war. Aber sie war früher eingeschult worden und hatte zwei Klassen übersprungen. Zudem hatte sie einen kürzeren Studiengang gewählt als er.

Das neidete er ihr nicht.

Dennoch konnte er sie nicht leiden, denn sie war schon als Heranwachsende ungemein scharfzüngig gewesen, und irgendwie hatte sie es immer auf ihn abgesehen gehabt. Vielleicht war auch die Feindseligkeit der beiden Elternpaare, die gegeneinander gerichtet war, auf die Kinder übergegangen.

Sie hatte sich nie gescheut, ihn auch in aller Öffentlichkeit anzugehen, und er erinnerte sich schaudernd an mehrere Gelegenheiten, bei denen er ihrem gnadenlosen Spott zum Opfer gefallen war. Als er einmal nach dem Schützenfest etwas zu viel getrunken hatte, war ihr das sofort aufgefallen, und sie hatte gehöhnt, dass man als zukünftiger Kronenwirt wohl dauernd einen in der »Krone« haben müsse. Und das war wie ein geflügeltes Wort gewesen, und es hatte lange gedauert, bis es wieder in Vergessenheit geraten war.

Gedankenvoll bog Gero von der Hauptstraße ab, aber kaum war er ein paar Schritte gegangen, als sein Schritt stockte. Das einstige »Braustübel« war verschwunden, als hätte es nie existiert, stattdessen erhob sich dort und auf dem Grundstück des ebenfalls abgerissenen Nebenhauses ein gewaltiger Neubau. Und nun erkannte Gero auch, wie zutreffend die Bezeichnung »Glaspalast« war, denn die Vorderseite war völlig transparent, sodass man von der Straße aus einen ungehinderten Einblick in die vorderen Räumlichkeiten hatte.

Fast wie eine riesige Puppenstube, fand Gero, und obwohl das Bauwerk sehr imponierend war, missfiel es ihm. Denn es passte nicht in das Umfeld. In einer städtischen Umgebung hätte es seine Wirkung voll entfaltet, doch hier war es fehl am Platz. In seiner Modernität zerstörte es die gewachsene Einheitlichkeit des Ortskerns, ließ, da es alles überragte, die anderen Häuser dürftig erscheinen.

»Was hat sich die Luise dabei nur gedacht? Aber sie wollt ja schon immer hoch hinaus«, murmelte er vor sich hin und schüttelte den Kopf.

Schließlich betrat er zögernd das Gebäude, wo ihn sofort Stimmengewirr und Gelächter umfingen. Tatsächlich war fast die ganze Dorfjugend versammelt, er erspähte auch einige seiner Spezln, was ihn mit Groll erfüllte.

Da man ihm zunächst keine Aufmerksamkeit schenkte, konnte er sich schnell von Raum zu Raum bewegen und alles in Augenschein nehmen. Im Erdgeschoss befand sich ein rechteckiger Festsaal, wo auf der Längsseite auch eine Bühne aufgebaut war, davor bot eine große Fläche viel Platz zum Tanzen. Kleinere Räumlichkeiten waren angegliedert, unter anderem die Gourmet-Ecke, die mit einem reichhaltigen Angebot an Delikatessen lockte, auf Gero jedoch zu kühl und künstlich wirkte.

Im hinteren Bereich befand sich ein weitläufiger Wintergarten, der wohl die älteren Besucher ansprechen sollte, von da aus gelangte man in eine Art Gartencafé, das terrassenförmig angelegt war.

Einen richtigen Biergarten haben sie halt doch net, so ohne Kastanien, dachte Gero nicht ohne Genugtuung und kehrte in den großen Saal zurück. Dort entdeckte ihn Rufus und winkte ihm zu, und Gero gesellte sich zu seinen Spezln.

»Schön, dass du gekommen bist. Die Gruppe hat sich etwas verspätet, wie das halt so ist«, sagte Rufus gut gelaunt.

Gero wurde von allen anderen ebenfalls erfreut begrüßt, und keiner schien sich darüber zu wundern, dass er, der zukünftige Kronenwirt, sich hier aufhielt.

So, als wäre die »Krone« schon als ein Ort zum Feiern so abgeschrieben, dass sogar die Wirtsleute woanders hingingen, dachte Gero erbittert, aber nach außen hin wahrte er eine gleichmütige Miene. Bald unterhielt er sich angeregt mit seinen Freunden, was er lange vermisst hatte, und die gute Stimmung, die hier herrschte, schien sich auch ihm mitzuteilen. Alle waren voll des Lobes über den »Glaspalast« der Landeggers.

»Endlich ein Ort, wo man tanzen und feiern kann, auch wenn man aus dem Alter für Scheunendiscos heraus ist. Da können die anderen Dörfer net mithalten. Na, die meisten jungen Leut aus der Nachbarschaft sind ja eh da, wenn ich mich so umschau«, ließ sich ein Großbauernsohn vernehmen.

»Aber architektonisch gesehen ist der ›Glaspalast‹ …«, begann Gero, doch sein Einwand wurde unmutig beiseite gewischt.

»Ich weiß, was du meinst, aber man kann halt net alles haben. Vielleicht sollten wir das Dorf insgesamt sanieren.«

»Vielleicht sogar ganz abreißen und im Stil des ›Glaspalasts‹ wieder aufbauen?«, schlug Gero bissig vor, aber das hatte nur Gelächter zur Folge.

Bevor sich die Diskussion ausweiten konnte, geschah jedoch etwas, das alle zum Verstummen brachte.

Luise Landegger durchquerte den Saal und blieb vor den jungen Männern stehen. Sie trug, was nicht überraschend war, ein langes Dirndlkleid mit engem, tief ausgeschnittenem Mieder, denn die Gruppe, auf die alle warteten, trat gewöhnlich auch in ländlicher Tracht auf. Ihre wilden, temperamentvollen Melodien allerdings erinnerten trotz der heimischen Blasinstrumente eher an moldavische Musik.

Gero, der sie lange nicht gesehen hatte, stellte staunend fest, wie schön sie geworden war. Ihr ebenmäßiger Wuchs, betont durch das dunkelgrüne Kleid, die rotblonden Haare, die das schmale Gesicht wie eine leuchtende Wolke umgaben, und die helle Haut ergaben ein Gesamtbild, das jeden Mann in Verzückung versetzten musste.

Dann erblickte Luise Gero Harlacher, und ihre grünen Augen blitzten auf.

Gero spürte, wie sein Herz einen Schlag aussetzte, und alles, was er im Fall einer Begegnung hatte sagen wollen, war völlig aus seinem Gedächtnis entschwunden. Wie schön das Luiserl geworden war!

Luise war dafür umso gesprächiger. »Bist gekommen, um uns auszuspionieren?«

Gero bemühte sich um Fassung und vermied es, sie direkt anzublicken.

»Was du gleich wieder denkst! Das hier kann man doch nicht mit einer Traditionswirtschaft wie der ›Krone‹ vergleichen. Das ›Braustübel‹ war wenigstens kein Fremdkörper im Ortskern wie euer ›Glaspalast‹«, gab er zurück.

Eine feurige Lohe flog über Luises Gesicht. »Aber den jungen Leuten gefällt es, wie du siehst. Bei euch hocken doch nur noch die alten Krauterer am Stammtisch …«

»Wer spioniert hier wen aus?«, warf Gero ein.

»Und wenn dir das hier net gefällt, dann geh doch zurück in deine Traditionswirtschaft, wo eh nur noch betreutes Trinken stattfindet«, fuhr sie voller Hohn fort.

Gero hätte sie am liebsten geschüttelt. »Weißt, Luise, ich …«

Die Gruppe, die sich verspätet hatte, war inzwischen eingetroffen und hatte nach nur wenigen Begrüßungsworten zu spielen begonnen – und zwar so laut, dass der Rest von Geros Satz einfach unterging.

»Wisst’s was? Tanzt doch einfach miteinander, anstatt zu streiten und die Stimmung zu verderben«, rief ihnen Rufus mit erhobener Stimme zu.

»Recht hat er!«

Und aus einem unerklärlichen Impuls heraus fasste Gero Luise um die schlanke Taille und zog sie auf die Tanzfläche. Das Mädchen war zu überrascht, um zu reagieren, dann entschloss sie sich aber, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Eng hielt er sie an sich gepresst und nahm wahr, wie herrlich sie sich anfühlte, und auch Luise erschauerte, als sie seinen kraftvollen Körper spürte.

Rufus und zwei Spezln standen am Rand der Tanzfläche und beobachteten neugierig das Geschehen.

»Net zu fassen«, sagte Quirin Hochreiter, der sanfte, anschmiegsame weibliche Wesen schätzte, so, wie seiner Meinung nach Frauen sein mussten.

Anfangs hätte man die beiden noch für ein Liebespaar halten können, so eng tanzten sie, doch dann löste sich Luise aus Geros Griff, und sie setzten ihre Auseinandersetzung in unverminderter Heftigkeit auf der Tanzfläche fort. Einmal stieß sie ihn sogar fest vor die Brust, was Gero zum Anlass nahm, sie wieder heftig an sich zu ziehen.

»Das sieht ja schon nach einer schlagenden Verbindung aus«, gab Rufus von sich und schüttelte den Kopf.

Endlich setzten die Musiker zu einer Zwischenankündigung an, und Luise entfernte sich geradezu fluchtartig von der Tanzfläche. Sie verschwand in den hinteren Räumlichkeiten, wo sie ungestört war, und rang um Fassung.

Musste Gero ausgerechnet heute hier auftauchen, sodass es zu diesem unliebsamen Auftritt gekommen war? Die Harlachers hatten schon ihre Eltern mit ihrer Rachsucht verfolgt, so jedenfalls war es ihr von ihnen vermittelt worden, und Gero schien noch schlimmer zu sein als die ganze Sippe.

Es war ihr aber, als läge sie noch immer in seinen Armen, und fiebrige Schauer durchliefen sie. Und das brachte sie noch mehr auf, dass er sie in eine derartige Verwirrung gestürzt hatte, dass ihr anscheinend jede Vernunft abhandengekommen war.

Wie sehr sie Gero hasste! Und doch …

Sie wartete, bis sie sich beruhigt hatte, dann überprüfte sie ihr Äußeres und schritt wieder zu den Feiernden, als wäre nichts geschehen. In der Pause unterhielt sie sich mit den Bandmitgliedern und fand lobende Worte für ihre mitreißende Musik, sie sah in der Gourmet-Ecke nach dem Rechten und gab sich gewandt und gut gelaunt.

Gero, der von seinen Freunden umgeben war, würdigte sie keines Blickes, und auch er ignorierte sie.

»Was läuft denn da zwischen dir und der Luise? Das war doch reinweg abgefahren vorhin«, fragte Quirin.

Gero zuckte die Schultern. »Die Luise war doch schon immer ein bisserl anders als die Madeln im Dorf.«

»Ach so. Und deswegen läuft halt alles auch ein bisserl anders zwischen euch«, erwiderte Quirin spöttisch.

»Zwischen uns läuft überhaupt nichts, so ist das.«

Mit dieser Behauptung erntete Gero höhnisches Gelächter, und er zog es vor, erneut einen Rundgang durch den »Glaspalast« zu unternehmen. Er erspähte Luises Vater, der auf die Musiker einredete, anscheinend wollte er sie zu einem gemeinsamen Auftritt bewegen. Gero schauderte es bei dieser Vorstellung, denn Simmerls Heimatlieder, die er immer schmachtend vorgetragen hatte und die mit echter Volkskunst nichts zu tun hatten, würden bei dem jüngeren Publikum höchstens Lachstürme erregen.

Es fiel ihm auf, das Irmi Landegger, die einst so energische Wirtin des »Braustübels«, sich völlig zurücknahm. Ob das auf Betreiben der Tochter hin geschah oder ob Irmi sich so verhielt, weil sie sich in dieser aufgeladenen Atmosphäre des »Glaspalasts« nicht wohlfühlte, blieb im Verborgenen. Aber Gero nahm an, dass beides eine Rolle spielte, außerdem wirkte Irmi wie eine Frau, die von schweren Sorgen gequält wurde. Fast empfand Gero Mitleid mit ihr, wie sie da ziemlich verloren hinter der Theke in der Gourmet-Ecke stand.

Konnte es sein, dass sich die Landeggers mit dem Umbau doch übernommen hatten, wie mancherorts gemunkelt wurde? Aber andererseits hatten sie so viel geerbt, dass es wohl doch nur die üble Nachrede der Neider war.

Gero forderte kein anderes Mädchen mehr zum Tanz auf, es war, als hätte die Begegnung mit Luise alle Kraft aus ihm gesogen. Unstet bewegte er sich durch den Saal und versuchte immer wieder, verstohlen einen Blick auf sie zu erhaschen. Seine Freunde hatten entweder Mädchen gefunden, mit denen sie tanzten, oder sie waren schon so angeheitert, dass sie ihm keine Beachtung mehr schenkten.

Es war unschwer zu erkennen, dass Luise zwar allen sehr freundlich begegnete, aber jeder Vertraulichkeit geschickt auswich. Das bereitete Gero eine seltsame Genugtuung; offensichtlich war das Mädchen nicht darauf erpicht, vorschnell eine Beziehung einzugehen oder sich gar für immer zu binden.

Sie war ehrgeizig und wohl auch berechnend, aber dennoch hatte er nicht das Empfinden, dass Luise kalt und gefühlsarm war. Sie kam ihm eher wie jemand vor, der seine Gefühle vor anderen verbarg, um sich zu schützen.

Das schöne Luiserl war nicht so leicht zu durchschauen.

Noch vor Mitternacht entschloss sich Gero, nach Hause zurückzukehren. Unbemerkt verließ er den »Glaspalast« und schritt durch die spärlich erhellten Straßen. Das Dröhnen der Musik war weithin zu hören, und Gero bedauerte die Nachbarn, die in unmittelbarer Nähe des »Glaspalastes« wohnten.

In der »Krone« ging es dagegen umso ruhiger zu. Ein paar Ältere saßen am Stammtisch und schwiegen vor sich hin, ihr Bierseidel vor sich. Gero war noch seinen Eltern bei den Aufräumarbeiten behilflich, dann ging er in seine Kammer im Nebengebäude. Er fühlte sich gleichzeitig erschöpft als auch ruhelos, die Begegnung mit Luise Landegger hatte ihn zutiefst aufgewühlt.

Als er im Bett lag, konnte er nicht schlafen, weil er ständig daran denken musste, wie er Luise in seinen Armen gehalten hatte. Wilde Fantasien bemächtigten sich seiner, und er stand wieder auf und öffnete das Fenster, um die kühle Nachtluft hereinzulassen. Schließlich kehrte er ins Bett zurück, doch erst im Morgengrauen verfiel er in einen unruhigen Schlaf.

***

»Nun, wie war es denn gestern im ›Glaspalast‹?«, fragte ihn seine Mutter am nächsten Morgen neugierig.

Gero zuckte die Schultern. Er hatte starke Kopfschmerzen und fühlte sich nicht in der Stimmung, ausführlich darüber zu berichten.

»Das lässt sich einfach net vergleichen, die ›Krone‹ und der ›Glaspalast‹. Aber eins kann ich sagen – irgendwie passt das einfach net ins Dorf, was die Luise sich da ausgedacht hat«, sagte Gero unwillig.

»Aber die jungen Leut sind net deiner Meinung. Sonst täten sie ja net alle dorthin gehen.«

»Vielleicht sollten wir auch ein bisserl modernisieren. Den ganzen alten Kram an den Wänden entfernen …«

»Was meinst du mit dem ›alten Kram‹ an den Wänden?«, fragte sein Vater, der vom Hof hereingekommen war und den letzten Teil der Unterhaltung mitbekommen hatte.

»Nun ja, ihr müsst doch zugeben, dass es hier sehr altfränkisch ausschaut. Immer noch dieselbe rustikale Einrichtung und die Wandtäfelung …«

»Alles hier ist handgeschnitzt. Net so eine billige Plastikverkleidung, die nur ein paar Jahre hält«, fiel ihm der Kronenwirt ins Wort. »Das ist noch von meinem Großvater, der auch gleichzeitig Bürgermeister war, ein geachteter Mann.«

»Die jungen Leut mögen das Handgeschnitzte halt nimmer so. Und das Althergebrachte auch net.«

Huberts Stirn rötete sich bedenklich.

»Weil die jungen Leut keinen Sinn mehr für Tradition haben. Oberflächlich und schnelllebig sind sie, haben keine Achtung mehr vor dem, was einmal war. Da, Gero, schau dir das nur an!«, forderte er seinen Sohn auf und deutete auf die Bilder, die eine sepiabraune Tönung angenommen hatten.

»So hat die Dorfstraße früher ausgeschaut, und das hier ist die ›Krone‹, schon damals ein ehrwürdiger Bau mit einem schmiedeeisernen Schild. Und da sieht man die Grundsteinlegung für die neue Volksschule, wie das damals hieß. Und siehst du hier bei den Sängerinnen des Cäcilien-Chors dieses schöne junge Madel? Das ist ein Ahndl von dir, später als Kronenwirtin weit und breit bekannt.«

Gero konnte nicht umhin, diese Bilder, die er früher nie beachtet hatte, mit erwachendem Interesse zu betrachten.

»Und bei jedem Dorfereignis ist mindestens einer deiner Vorfahren dabei, wie hier beim Schützenfest dein Großonkel Damian, ein schmucker, begabter Bursch, der im Krieg geblieben ist. Das hat das Herz seiner Mutter gebrochen, danach wollt sie nimmer. Ein großer Verlust für die Familie. Und wenn du genauer hinschaust, dann siehst du, dass du ihm ähnlich bist.«

Ein Schauder überlief Gero, und er trat einen Schritt zurück, was sein Vater als Ablehnung missdeutete.

»Wenn dir das zuwider ist, dann bist aus der Art geschlagen und hast es net verdient, Kronenwirt zu werden«, stieß sein Vater, der sonst immer so beherrscht und besonnen war, wutentbrannt hervor.

»Aber Vater, so hab ich das doch net gemeint.«

»Dann geh doch gleich zu den Landeggers und heirate dort ein, dort passt du besser hin!«

So außer sich hatte Gero den Vater noch nie gesehen, und er versuchte vergebens, ihn zu begütigen. Er wollte ihn umfassen, doch Hubert versetzte ihm unvermittelt einen Stoß, dass er zurücktaumelte.

»Du wirst alles ruinieren, was deine Vorfahren aufgebaut und in Ehren gehalten haben! Wie bin ich nur zu so einen Sohn gekommen«, kam es bitter von Huberts Lippen, und das Atmen schien ihm Schwierigkeiten zu bereiten.

»Hubert«, rief seine Frau erschrocken aus, »du darfst dich net so aufregen. Der Gero ist net so, beruhige dich doch.«

Da sein Vater bei seinem Anblick immer mehr in Erregung geriet, verließ Gero die Gaststube, und sah im Biergarten nach dem Rechten. Es bedrückte ihn, dass es zu dieser Auseinandersetzung gekommen war, denn er liebte seinen Vater, und es war ihm nie etwas anderes in den Sinn gekommen, als sein Erbe anzutreten. Aber andererseits hatte er auch etwas dagegen, sich nur rückwärtsgewandt der Vergangenheit verpflichtet zu fühlen, und das konnte sein Vater nicht begreifen.

Hubert, dessen Gesicht immer noch eine ungesunde Färbung aufwies, war auf einen Stuhl gesunken, Priska stand hinter ihm und streichelte seine Schultern.

»Es war wohl ein Fehler, den Bub in die Stadt zu schicken«, sagte er schließlich, als sich sein Atem wieder beruhigt hatte.

»Das stimmt net, Manderl, der Gero hat schon das Herz auf dem rechten Fleck. Und dass er tüchtig mitarbeitet, das kannst du net abstreiten. Du machst dir zu viele Sorgen«, sagte Priska beschwichtigend.

»Vielleicht hast recht. Aber dass diese Landeggers mit ihrem ›Glaspalast‹ net nur unser Wirtshaus herunterbringen, sondern auch noch den Buben verblenden, das ist zu viel!«

Jetzt rang auch Priska um Fassung.

»Nun bringen sie auch noch Unfrieden in die Familie«, schluchzte sie auf, denn noch nie war es zwischen Vater und Sohn zu einem derartigen Wortwechsel gekommen.

»Aber das soll ihnen net gelingen. Ich sprech mich mit dem Gero aus«, entschied Hubert und fasste nach der Hand seiner Frau.

»Ja, Manderl, jetzt kenn ich dich wieder. Lass net zu, dass ein Keil zwischen uns getrieben wird«, sagte Priska erleichtert.

Vater und Sohn versöhnten sich noch am selben Tag, aber trotzdem war nicht mehr alles so wie zuvor. Gero brachte seine Änderungswünsche nicht mehr zur Sprache, sondern hatte sich im Geheimen vorgenommen, die »Krone« erst dann umzugestalten, wenn er sie eines Tages übernommen hatte.

Aber etwas anderes beunruhigte ihn zunehmend. Als Betriebswirt konnte er sich ausrechnen, dass die Eltern immer mehr mit Verlust wirtschafteten, denn die »Krone« war an manchen Tagen völlig verödet. Dennoch wurden alle Rechnungen pünktlich bezahlt, und Gero machte sich Gedanken darüber, woher die Geldmittel stammten. Hatten die Eltern mittlerweile bereits die Rücklagen angegriffen?

Doch all das wurde von den Empfindungen überlagert, die Luise Landegger in ihm ausgelöst hatte. Er lehnte ihren ganzen Lebensstil und auch ihre Art, wie sie sich gegenüber anderen verhielt, ab, und dennoch konnte er nicht aufhören, an sie zu denken. Manchmal suchte sie ihn sogar in seinen Träumen heim, er tanzte mit ihr und sie lächelte ihn an, sodass ein überwältigendes Glücksgefühl in ihm emporstieg. Doch wenn er aufwachte und wieder in die Wirklichkeit zurückfand, war er jäh ernüchtert und wünschte inständig, sie niemals wiedergesehen zu haben.

Einmal jedoch folgte er seinem sehnsüchtigen Verlangen und suchte heimlich den »Glaspalast« auf. Es fand gerade wieder eine Musikveranstaltung statt, und die jungen Leute drängten sich in dem Festsaal, sodass es leicht für ihn war, unentdeckt zu bleiben. Endlich erblickte er sie, sie war im Gespräch mit dem Bürgermeister, was ziemlich vertraulich wirkte. Ein scharfer Schmerz durchschnitt seine Brust, und er ballte die Hände zu Fäusten.

Dann aber zwang er sich zur Ruhe. Er würde doch nicht auf einen Mann eifersüchtig sein, der fast Luises Vater hätte sein können! Nachdenklich ließ er seine Augen auf der jungen Frau ruhen, sie schien ihm verändert. Nicht mehr so übersprühend wie zuvor, sie schien auch abgenommen zu haben.

Luise spürte offenbar seinen eindringlichen Blick, und sie sah in seine Richtung. Doch Gero wandte sich schnell ab und verließ den Festsaal, um eine Begegnung mit seinen Freunden zu vermeiden.

Was mochte Luise so verändert haben? Ob sie sich nicht genug Ruhe gönnte? Denn so wie er ihren Vater kannte, war ihr Simmerl keine große Hilfe.

Diese Gedanken bewegten ihn, als er nach Hause zurückkehrte. Dieses Mal verschwieg er seinen Besuch im »Glaspalast«, um seinen Vater nicht aufzubringen. Denn bei den Harlachers herrschte eine niedergedrückte Stimmung, die er nicht noch verschlimmern wollte.

***

Irmi Landegger traf ihren Mann dabei an, wie er in der Küche ein Schreiben rasch unter der Zeitung verschwinden lassen wollte.

»Was ist das? Zeig her!«, forderte sie ihn unwirsch auf, und schließlich gab er nach und schob ihr das Kuvert zu.

Simmerl war sehr blass und mied ihren Blick, sodass Irmi von bösen Vorahnungen ergriffen wurde.

Als sie die Mitteilung überflogen hatte, fiel ihr das Schreiben aus der Hand und sie sank auf einen der Küchenstühle. »Dann hast du es also wieder geschafft! Net nur meine Mitgift hast durchgebracht, sondern anscheinend auch noch das ganze Erbe …« Dann brach sie in ein schrilles Gelächter aus, das Simmerl noch mehr beunruhigte, als hätte sie geschrien und gewütet.

»Das hat alles die Luise in die Wege geleitet. Mit den Finanzen hab ich überhaupt nichts zu tun gehabt«, beeilte er sich zu versichern, obwohl er sonst immer Partei für seine geliebte Tochter ergriff.

»Der Apfel fällt net weit vom Stamm. Immer hoch hinaus, auch wenn das Fundament schon morsch ist. Womit hab ich das verdient.«

Irmi brach in Tränen aus und wehrte unwillig ihren Mann ab, der sie trösten wollte.

»Das bringt sie sicher wieder in Ordnung. Sie ist doch so tüchtig, unsere Tochter«, sagte Simmerl beschwörend.

»Das konnt ja net gut gehen! Die Gourmet-Ecke zahlt sich net aus, und die Übernachtungsgäste bleiben auch weg, weil es alleweil zu laut ist mit dem ganzen Discolärm. Die Musiker verlangen auch ordentliche Honorare, und wir brauchen viel zu viel Personal. Ach, ich könnt noch viel mehr aufzählen …«

»Du siehst alleweil zu schwarz, Irmi«, unterbrach er sie und faltete das Schreiben, das mittlerweile zerknittert war, zusammen.

»Und du und die Luise – ihr habt einfach die Bodenhaftung verloren. Am End stehen wir wieder mit leeren Händen da und haben noch Schulden obendrein«, schleuderte ihm Irmi mit fleckig gerötetem Gesicht entgegen.

Luise hatte die laute Stimme ihrer Mutter gehört und betrat die Küche. Mit den Zankereien ihrer Eltern war sie von frühester Kindheit an vertraut, aber dieses Mal klang es ganz anders als gewöhnlich. »Was gibt es denn jetzt schon wieder?«, fragte sie in einem Tonfall, der nur zu deutlich ihren Überdruss verriet.

Simmerl hatte die Zeitung über das Schreiben gelegt und lächelte seine Tochter mit gespielter Harmlosigkeit an. »Ach, nur eine kleine Reiberei«, gab er zur Antwort.

»Aber du kannst ruhig Anteil nehmen, Luise«, sagte ihre Mutter giftig und zog mit einem raschen Griff die Mitteilung hervor und reichte sie ihrer Tochter.

Wenn ihre Mutter sie Luise statt Luiserl nannte, dann musste wirklich etwas Besorgniserregendes geschehen sein.

Luise las das Schreiben, und ihre Eltern sahen, wie sie erblasste und unwillkürlich Halt suchend nach einem Stuhl tastete.

»Das hört sich natürlich net gut an. Aber das ist nur ein kleiner Engpass, für den sich mit Sicherheit eine Überbrückung finden lässt. Ich treff mich heute mit dem Bürgermeister, dann soll er ein Wörterl mit dem Bankleiter reden«, sagte sie.

Doch der gehetzte Ausdruck, der in ihre Augen getreten war, strafte ihre Worte Lügen. Luise war von tiefer Angst ergriffen. Sie steckte das Schreiben ganz nebenbei in ihre Jackentasche und murmelte irgendetwas von einer längst fälligen Bestellung, ehe sie beinahe fluchtartig die Küche verließ.

»Ich lass mir doch von euch nichts vormachen! Kleiner Engpass – dass ich net lach!«, wütete Irmi. »Der Gerichtsvollzieher wird bald vor der Tür stehen, wenn die Schulden net bezahlt sind. Und ich kann mir net vorstellen, woher die Luise das Geld nehmen sollt. Wie konnte es überhaupt so weit kommen?«

»Manchmal kann man die Außenstände net so genau überblicken«, versuchte sich Simmerl herauszuwinden.

»Ja, ihr zwei habt anscheinend völlig den Überblick verloren. Bei dir wundert mich das net, denn du blickst ja am liebsten in dein Bierseidel. Aber dass es mit der Luise auch so weit gekommen ist, das ist allein deine Schuld. Immer ist sie deine kleine Prinzessin gewesen, du hast sie so verwöhnt, dass sie sich einbildet, dass ihr alles zufliegen tät …«

Simmerl warf unwillig die Zeitung hin und stand auf. »Das hör ich mir nimmer an!«

»An dich ist auch jedes Wort verschwendet. Ich wünscht, ich könnt alles rückgängig machen, du hast mir nichts als Unglück gebracht.«

Das traf Simmerl hart, denn im Grunde seines unsteten Herzens war Irmi immer sein sicherer Halt gewesen. »So etwas darfst net sagen, Irmi«, meinte er leise und ließ sich wieder ihr gegenüber nieder, um nach ihrer Hand zu greifen. »Ich weiß, dass ich net viel taug, aber wir haben doch auch schöne Stunden miteinander gehabt.«

Irmi seufzte. »Es macht mir auch Kummer, dass die Luise so um den Bürgermeister herumscharwenzelt«, sagte sie dann in gemäßigtem Ton.

»Nun, er ist Witwer und stellt was dar. Dazu ist er ein stattlicher, gut aussehender Mann«, meinte Simmerl.

»Das kann doch net dein Ernst sein! Er ist doch so viel älter als sie, dass er ihr Vater sein könnt«, hielt sie ihm vor.

»Viele Frauen fahren gut mit einem älteren Mann. Und vielleicht tät es der Luise halt passen, die Frau vom Bürgermeister zu werden. Du weißt doch, wie ehrgeizig sie ist. Und außerdem müssten wir uns wegen der Schulden keine Gedanken mehr machen, denn er ist auch sehr reich und kann der Luise jeden Wunsch von den Augen ablesen.«

Irmi stieß einen verächtlichen Laut aus. »So einer ist mir als Hochzeiter net willkommen, auch wenn er reich und Bürgermeister ist. Oder ist dir noch net aufgefallen, dass er als Schwiegersohn ungefähr im gleichen Alter wär wie wir?«, fragte sie herausfordernd.

Das schien nun auch Simmerl zu Bewusstsein zu kommen, aber er meinte nur: »Das muss am End halt die Luise entscheiden.«

»Wenn sie es überhaupt ist, die etwas zu entscheiden hat. Denn es ist doch sonderbar, dass der Bürgermeister schon so lange Witwer ist. Keinem Madel ist es bisher gelungen, ihn einzufangen. Er wollt halt seinen Kindern keine Stiefmutter geben, hat es immer geheißen. Vielleicht fängt er nur ein Gspusi mit ihr an und lässt die Luise dann genauso sitzen wie die anderen«, sagte Irmi grimmig.

»Ich glaub, die Luise ist schon schlau genug, um zu erkennen, woran sie mit ihm ist«, meinte Simmerl, obwohl sich seine Stirn umwölkt hatte.

»Selbst schlaue Madeln haben oft keine glückliche Hand, was Liebesdinge angeht. Dafür bin ich das beste Beispiel«, erwiderte Irmi bissig.

»Darauf brauch ich einen Enzian«, war alles, was Simmerl dazu noch zu sagen hatte, und er verließ die Küche.

»Das wird eh vielleicht dein einziger Trost«, rief ihm Irmi nach, doch diese Drohung hörte er schon nicht mehr, so eilig hatte er es, von ihr wegzukommen.

Irmi saß noch lange still und bewegungslos am Tisch, Tränen liefen ihr die Wangen hinunter, denn sie hatte das Empfinden, ihr Leben, das einst so verheißungsvoll begonnen hatte, restlos vertan zu haben.

***

Da sich die Harlachers keine Beiköchin mehr leisten konnten, half an Wochenenden oder bei Familienfeiern ein junges Mädchen aus, das sich während ihrer Ausbildung gerne noch etwas dazuverdiente. Sie erwies sich als freundlich und anstellig, und sie ging Priska nicht nur in der Küche zur Hand, sondern sie bediente auch in der Gaststube.

Gero war überrascht, als er sie zum ersten Mal sah. Sie kam ihm etwas altmodisch vor mit den blonden Flechten, die sie hochgesteckt trug und der selbst gestrickten Trachtenweste über dem schlichten Dirndlkleid. Aber ihre Züge waren sanft und lieblich, und trotz ihrer schlanken, zierlichen Figur konnte sie unermüdlich arbeiten.

Am besten an ihr gefiel ihm jedoch ihr Wesen.

Vreni Moser, so hieß sie, war ein Mensch von unerschütterlicher Heiterkeit. Sie wirkte offen und aufrichtig, manchmal war sie ein wenig schwatzhaft, und sie lachte gern. Oft sang sie beim Arbeiten vor sich hin, mit einer hellen Stimme, die zwar nicht kraftvoll, aber doch wohlklingend war.

Sie war wie ein Lichtstrahl in dem Familienleben der Harlachers, das sich immer mehr zu verdüstern schien.

Gero gefiel ihr offensichtlich, denn ihr reizendes Gesicht leuchtete auf, wenn sie ihn erblickte. Doch sie machte keinen Versuch, ihm näherzukommen, vermied es sogar, mit ihm allein zu sein. Sie errötete, wenn er sie ansprach, fasste sich aber schnell wieder und behielt einen sachlichen Ton bei.

In Geros Augen besaß sie alle Eigenschaften, die er an einer Frau schätzte. Sie war freundlich und sicher auch anschmiegsam, gefühlsbetont, und jeder Spott lag ihr fern. Er war überzeugt, dass sie dem Mann, den sie einmal heiratete, den Himmel auf Erden bereiten würde.

Sie war das völlige Gegenteil von Luise Landegger.

Er freute sich, wenn Vreni wieder in der »Krone« erschien, denn ihre Gegenwart munterte ihn so auf, dass er vorübergehend vergessen konnte, dass seine fest gefügte Welt zu wanken begann. Seine Eltern wirkten immer bedrückter, und einmal kam er dazu, als sein Vater schmerzhafte Herzbeschwerden hatte.