Heinrich Winkelmann - Günter Brakelmann - E-Book

Heinrich Winkelmann E-Book

Günter Brakelmann

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Beschreibung

Die hier von Günter Brakelmann veröffentlichten von Heinrich Winkelmann in den Jahren 1940 bis 1944 an seine Brüder im Glauben im Zweiten Weltkrieg geschriebenen zwölf Soldatenbriefe sowie die Sonntagsbriefe an seine Kinder zeigen eine Frömmigkeit, die gerade im pietistischen Lager des kirchlichen Protestantismus viele Anhänger gehabt hat. Dabei sind die Ähnlichkeiten zwischen der hier dargestellten Frömmigkeit im damaligen Bochumer CVJM im Zweiten Weltkrieg und der von mir erlebten pietistischen Frömmigkeit in der Zeit nach dem Krieg im Siegerland frappierend. Es ist Günter Brakelmann zu verdanken, hier eine außergewöhnliche Studie vorzulegen, die exemplarisch tiefe Einblicke in dieses religiöse und politische Denken einer Gruppe von Christen gibt, die durch den CVJM ihre besondere Prägung erhalten hatte. Für sie war das Zentrum des christlichen Glaubens die Erlösung durch Jesus Christus durch seinen Tod und seine Auferstehung. Heinrich Winkelmann hat zu dieser entschiedenen Glaubenshaltung irgendwann in der Zeit zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg gefunden, durch wen, wann genau und wie, erfahren wir nicht. Was uns heute erstaunen und unverständlich vorkommen mag, ist die Tatsache, dass für Heinrich Winkelmann, so sehr wie die Nachfolge Jesu Christi im Zentrum seines Glaubens- und Lebensverständnisses stand, gleichzeitig seine politische Parteinahme dem Führer Adolf Hitler galt. Christusnachfolge und Führertreue konnte er ohne Probleme miteinander verschränken. Für viele Christen war diese Verbindung in dieser Zeit durchaus üblich. Die aus der Kaiserzeit stammende Erziehung zum absoluten Gehorsam gegenüber Autoritäten, die unverbrüchliche Treue zu einem einmal geleisteten Eid, verbunden mit einer geradezu inbrünstigen Liebe zu Deutschland als dem Vaterland und einer ebenso herzlichen Liebe zu Jesus Christus, dem Heiland, verbunden mit der Erwartung einer ewigen Heimat bei ihm waren die Kennzeichen dieser Frömmigkeit. So haben Heinrich Winkelmann und seine Frau auch ihre Kinder erzogen und unhinterfragt eine entsprechende Haltung und einen ebensolchen Glauben von ihnen erwartet. Es war der Ausdruck ihrer Liebe zu ihnen. Obwohl Heinrich Winkelmann Parteimitglied war, finden wir trotz seiner Führertreue gleichzeitig eine Zurückhaltung gegenüber der Ideologie des Nationalsozialismus. Darüber erfahren wir von Winkelmann kein Wort. Er schweigt ebenso über die uns heute bekannten Kriegsverbrechen der Wehrmacht und der SS.

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Evangelische Perspektiven

Schriftenreihe der Evangelischen Kirche in Bochum in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Stadtakademie Bochum

Weitere Informationen im Internet unter

www.stadtakademie.de/publikationen/ev-perspektiven.html

Heft 18:

Günter Brakelmann

Heinrich Winkelmann

Ein deutsches und christliches Leben

1892 – 1944

Herausgegeben von Arno Lohmann

ISBN 9783751958349

Evangelische Kirche in Bochum

Westring 26a, D -44787 Bochum

Telefon 0234 - 962 904-0

http://www.kirchenkreis-bochum.de

Das vorliegende Heft ist zu beziehen bei:

Evangelische Stadtakademie Bochum

Westring 26a, D -44787 Bochum

Telefon 0234 - 962904-661

[email protected]

http://www.stadtakademie.de

Inhalt

Vorwort von Arno Lohmann

Einführung

Als Soldat im Ersten Weltkrieg

In der Kriegszeit 1939 bis 1944

Einblicke in die „Soldatenbriefe“

Soldatenbrief vom 8. August 1940

Soldatenbrief vom 19. Juli 1941

Soldatenbrief vom 21. August 1941: Brief von Winkelmann an einen Freund

Soldatenbrief vom 25. September 1941

Soldatenbrief vom 24. April 1942

Soldatenbrief vom 7. Juni 1942

Soldatenbrief vom 30. Juli 1942

Soldatenbrief vom 17. September 1942

Soldatenbrief vom 22. November 1942

Soldatenbrief vom 7. August 1943

Soldatenbrief vom 30. September 1943

Soldatenbrief vom 26. Januar 1944

Soldatenbrief vom 12. März 1944

Soldatenbrief vom 21. Mai 1944

Der letzte Soldatenbrief vom 22. November 1944

Sonntagsbriefe an die Kinder

Der Tod und die Beerdigung des Heinrich Winkelmann

Ein Nachwort mit einer Rundfunkpredigt von Pfarrer Erich Brühmann vom 13. März 1966

Literatur

Vorwort

Kurz vor dem 8. Mai 2020, dem in Deutschland immer noch ambivalent gesehenen Gedenktag zwischen Niederlage und zum Glück mehr und mehr als Tag der Befreiung von der Nazidiktatur vor 75 Jahren, schickte mir Günter Brakelmann ein Manuskript zu mit der Frage nach einer möglichen Veröffentlichung. Er portraitiert hier Heinrich Winkelmann (1892 bis 1944), den in seiner Jugend hochdekorierten Soldaten im Ersten Weltkrieg, den Kaufmännischen Angestellten im damaligen Bochumer Verein, den CVJM-Vorsitzenden, Presbyter und Familienvater mit vier Kindern, als einen Deutschen und entschiedenen Christen, mit dem besonderen Blick auf sein Christsein und die Bedeutung, die sein entschiedener Glaube an Jesus Christus in der Zeit des Zweiten Weltkriegs für ihn gehabt hat – und welche nicht.

Diese exemplarische religionssoziologische Untersuchung dürfte in dieser Art einzigartig sein. Sie hat mich, 1954 in Siegen geboren und – wie Heinrich Winkelmann – von einem strengen Pietismus geprägt und im dortigen CVJM religiös sozialisiert, tief berührt. Günter Brakelmann schrieb: „Ich habe mich mit einem Mann beschäftigt, der von 1934 – 1944 in Bochum gelebt hat und am 4. November 1944 beim Bombenangriff (auf Bochum) umgekommen ist. Er war ein CVJMer und hat ‚Soldatenbriefe‘ herausgegeben, die mir zugekommen sind. Es ist die Darstellung über einen Deutschen und Christen, der in ähnlicher Form die Mehrheit im kirchlichen Protestantismus repräsentieren dürfte.“

Die hier von Günter Brakelmann veröffentlichten von Heinrich Winkelmann in den Jahren 1940 bis 1944 an seine „Brüder im Glauben“ im Zweiten Weltkrieg geschriebenen zwölf „Soldatenbriefe“ sowie die Sonntagsbriefe an seine Kinder zeigen eine Frömmigkeit, die gerade im pietistischen Lager des kirchlichen Protestantismus viele Anhänger gehabt hat. Dabei sind die Ähnlichkeiten zwischen der hier dargestellten Frömmigkeit im damaligen Bochumer CVJM im Zweiten Weltkrieg und der von mir erlebten pietistischen Frömmigkeit in der Zeit nach dem Krieg im Siegerland frappierend.

Es ist Günter Brakelmann zu verdanken, hier eine außergewöhnliche Studie vorzulegen, die exemplarisch tiefe Einblicke in dieses religiöse und politische Denken einer Gruppe von Christen gibt, die durch den CVJM ihre besondere Prägung erhalten hatte. Für sie war das Zentrum des christlichen Glaubens die Erlösung durch Jesus Christus durch seinen Tod und seine Auferstehung.

Heinrich Winkelmann hat zu dieser entschiedenen Glaubenshaltung irgendwann in der Zeit zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg gefunden, durch wen, wann genau und wie, erfahren wir nicht.

Was uns heute erstaunen und unverständlich vorkommen mag, ist die Tatsache, dass für Heinrich Winkelmann, so sehr wie die Nachfolge Jesu Christi im Zentrum seines Glaubens- und Lebensverständnisses stand, gleichzeitig seine politische Parteinahme dem Führer Adolf Hitler galt. Christusnachfolge und Führertreue konnte er ohne Probleme miteinander verschränken. Für viele Christen war diese Verbindung in dieser Zeit durchaus üblich. Die aus der Kaiserzeit stammende Erziehung zum absoluten Gehorsam gegenüber Autoritäten, die unverbrüchliche Treue zu einem einmal geleisteten Eid, verbunden mit einer geradezu inbrünstigen Liebe zu Deutschland als dem Vaterland und einer ebenso herzlichen Liebe zu Jesus Christus, dem Heiland, verbunden mit der Erwartung einer „ewigen Heimat bei ihm“ waren die Kennzeichen dieser Frömmigkeit. So haben Heinrich Winkelmann und seine Frau auch ihre Kinder erzogen und unhinterfragt eine entsprechende Haltung und einen ebensolchen Glauben von ihnen erwartet. Es war der Ausdruck ihrer Liebe zu ihnen.

Obwohl Heinrich Winkelmann Parteimitglied war, finden wir trotz seiner Führertreue gleichzeitig eine Zurückhaltung gegenüber der Ideologie des Nationalsozialismus. Darüber erfahren wir von Winkelmann kein Wort. Er schweigt ebenso über die uns heute bekannten Kriegsverbrechen der Wehrmacht und der SS. Ein Schuldbewusstsein als Soldat ist ihm völlig fremd. Er schweigt über die Ermordungen der Verfolgten des Nationalsozialismus –, und obwohl er mit jüdischen Familien bekannt war, findet sich kein Wort zum Holocaust an den Juden.

Es steht außer Frage, dass Winkelmann in der Zeit des Zweiten Weltkriegs mit seiner auf Jesus Christus bezogenen Frömmigkeit vielen Gemeindegliedern und Freunden im CVJM geholfen hat, die Wirren der Zeit seelisch zu bewältigen. Der Glaube diente aber ausschließlich der eigenen Erbauung, der Orientierung an Jesus Christus für sich und andere, nicht aber für die politische Existenz. – Auch mit Schweigen kann Glaube die Ermöglichung des Unrechts sein.

Es ist Günter Brakelmann zu verdanken diese Frömmigkeit zeithistorisch exemplarisch darzustellen, ohne zu verurteilen, ohne nachträgliche Überheblichkeit und auch ohne die reflexartige Abwehrhaltung, die oft bei vielen anzutreffen ist, die unter einer allzu strengen Frömmigkeit gelitten haben.

Der hier vorliegende Band verdient aus mehreren Gründen eine Veröffentlichung: Er stellt über die zeithistorische Darstellung eines prägenden Teils protestantischer Frömmigkeit hinaus, die Kirche, Gemeinden, CVJMs, wie auch einzelne Christen vor die doppelte Aufgabe: Einerseits anhaltend nach den biblisch-theologischen Grundlagen des eigenen Bekenntnisses und Glaubens zu fragen und andererseits – über die in diesem Band dargestellte Frömmigkeit hinaus –, heute, die sich aus dem Glauben ergebenden politischen und sozialethischen Konsequenzen bewusst zu machen. Wir kommen nach der Katastrophe des Nationalsozialismus und seiner menschenverachtenden Ideologie an Dietrich Bonhoeffers Forderung nicht mehr vorbei: „Nur wer für die Juden schreit, darf gregorianisch singen.“ Das gilt für alle Bereiche unseres Christseins in der Welt. Ein apolitisches Christsein ist ausgeschlossen.

Ich empfehle dieses Buch allen, die mit offenem Interesse an der Geschichte Deutschlands, zu der eben nicht unwesentlich auch die Kirchen- und Glaubensgeschichte gehört hat und gehört, nach der historischen Entwicklung der Glaubensprofile der Kirche fragen. In Erinnerung an Heinrich Winkelmann ist dieser Band aber gleichzeitig auch die Einladung, die Kraft der Verheißungen des Evangeliums von Jesus Christus heute im eigenen Leben Gestalt werden zu lassen und mit einem Christsein in Verantwortung zu verbinden.

Zu danken ist der Kirchengemeinde Wiemelhausen, in deren Bezirk Melanchthonkirche Heinrich Winkelmann bis 1944 Presbyter war, für ihre Beteiligung an den Druckkosten dieses Bandes.

Bochum, Pfingsten 2020

Arno Lohmann

Einführung

Es gibt über Bischöfe und Präsides, über Männer und Frauen in kirchenleitenden Ämtern und über Theologieprofessoren viel Literatur. Seltener sind schon Biographien von Gemeindepfarrern, Vikarinnen oder Gemeindeschwestern und kaum gibt es eine Erinnerungsliteratur über Gemeindeglieder und Presbyter.

Hier wird der Versuch gemacht, das Leben eines Mannes darzustellen, der als Gemeindemitglied und als Presbyter am kirchlichen Leben und zugleich am nationalen Leben leidenschaftlich teilgenommen hat. Mich interessierte, wie ein nichtakademischer Laientheologe sein Leben in seiner Zeit interpretiert hat. Ich will ihn verstehen und darstellen als ein Mensch, der sich als Preuße, Deutscher und Protestant verstanden hat, als Frontsoldat am Ersten Weltkrieg teilgenommen und im Zweiten Weltkrieg in engstem Kontakt zu älteren Freunden und zu jüngeren Soldaten aus dem CVJM Bochum gestanden hat. Jedes schnelle Urteil oder gar seine Verurteilung aus heutiger Sicht liegt mir fern. Es geht um eine verstehende Geschichtsschreibung, die die problematischen Seiten seines Denkens aber nicht verschweigt.

Möglich war dieses Unterfangen nur, weil ich den vorhandenen Nachlass des Heinrich Winkelmann von seiner Tochter Edith und ihrem Mann Horst Bartel einsehen konnte. Sie beide hatten vor Jahren für sich und ihre Familien Material über den Vater und Schwiegervater zusammengetragen und auch eine kurze biographische Abhandlung über die Familie Winkelmann geschrieben. Im engen Kontakt zu ihnen habe ich mich bemüht, diesen Mann in die Mitte einer kleinen Studie zu stellen.

Ich bedanke mich bei dem mit mir seit Jahrzehnten befreundeten Ehepaar Edith und Horst Bartel für die freundschaftliche Begleitung bei der Erstellung dieser kleinen zeitgeschichtlichen Studie.

Wenn viel zitiert wird, so ist das Absicht. Das Denken und Fühlen, die Ängste und das Leiden der Zeitgenossen wie ihr Glauben und ihre Hoffnung werden uns zur Begegnung mit ihnen, wenn wir auf sie selbst in ihren schriftlichen Äußerungen genau und einfühlsam hören.

Bochum im Frühjahr 2020

Günter Brakelmann

Heinrich Winkelmann (1892 – 1944)

Als Soldat im Ersten Weltkrieg

Heinrich Winkelmanns Heimat war der kleine Ort Homberg-Hochheide am linken Niederrhein, der zur Kreisstadt Moers gehörte. Am 14. März 1892 kam er hier als Sohn der Eheleute Dietrich (1855-1941) und Helene Winkelmann (1855-1926) zur Welt. Der Vater war Magazinarbeiter. In dem Arbeiterhaushalt ist er zusammen mit den beiden Schwestern Dina und Katharina groß geworden. Er besuchte die Volksschule bis 1906 und ging dann in eine Kaufmännische Berufsausbildung. Vorher nahm er zwei Jahre am Konfirmandenunterricht teil. Ob er damals besondere kirchliche Bindungen gehabt hat, ist nicht mehr auszumachen. Über seine Lehrzeit und seine anschließende Berufstätigkeit wissen wir auch wenig. Welchen geistigen und pädagogischen Einflüssen war er ausgesetzt, und war er vielleicht in der Jugendarbeit der evangelischen Gemeinde?

Der erste größere Einschnitt in seinem jungen Leben war die Einberufung zum Militär. Vom 15. Oktober 1912 an, also mit 20 Jahren, diente er beim 2. Garde-Feldartillerie-Regiment in Potsdam. Hier erhielt er in der Kaserne und auf dem bekannten Truppenübungsplatz Döberitz seine Ausbildung als Artillerist. Von der Potsdamer Kaserne aus fuhr man sechsspännig zum Übungsplatz, um das Schießen zu lernen. Auch der Umgang mit Pferden, die die Geschütze zogen, wurde geübt wie das Reiten. Eine Batterie bestand aus einem Trupp von Soldaten unter dem Befehl des Batteriechefs, aus einem Beobachtungsoffizier und einer Gruppe, die für den Betrieb der Fernsprechanlagen sorgte. Es war technologisch mit der Handhabung eines modernen Geschützes eine anspruchsvolle Ausbildung mit mathematischen und guten Landkarten- und Geländekenntnissen.

Über seine Ausbildungszeit erfahren wir aus zwei Briefen vom 10./11. Dezember und vom 29.4.1913 an die sechs Jahre jüngere Schwester Katharina (Käthe). Ihr berichtet er Anfang Dezember über den harten Kasernendienst, der ihm aber wegen seiner Turnfähigkeiten nicht schwerfalle. Eine angenehme Unterbrechung war der Besuch bei Onkel Peter und dessen Sohn, mit denen zusammen er sich die Sehenswürdigkeiten von Potsdam ansah. Wird das ein Erlebnis gewesen sein: ein rheinischer Junge im Zentrum Preußens und seiner Geschichte. Gesehen hat er auch die Prinzessin Viktoria Luise und vor allem hat er bei der Vereidigung den König und Kaiser selbst gesehen, für einen jungen Preußen, in der Schule und im Beruf zum gehorsamen Untertanen in einem protestantischen Milieu erzogen, ein unvergessliches Erlebnis. Aber er schränkt auch ein, wenn er schreibt:

„Das ist so einiges von dem Guten, was hier ist, leider ist das nur sehr wenig, was hier zu nennen ist. Oft denke ich noch daran, wie gut es doch zu Hause ist, wo Menschen sind, die einen lieb haben. Hier muss man jedem nach den Augen gucken.“

Natürlich hat er erlebt, wie anders die Welten zu Hause und beim Militär sind. Selbstverständlich sagt er ja zur Notwendigkeit einer harten militärischen Ausbildung, aber wie fast jeder Soldat sehnt er sich nach der Geborgenheit in der Familie und zum gewohnten sozialen Umfeld zurück. Winkelmann ist zeit seines Lebens bis zu seinem Tode ein „Familienmensch“ gewesen. Aus den liebevollen Briefen an seine sechs Jahre jüngere Schwester, die bald eine Lehre in einem Konsum in Moers machte, erfahren wir, dass der Bruder

die „freie Natur“ sucht,

dass er von der Residenzstadt Potsdam mit ihren historischen Bauten und mit ihrer Kunst begeistert ist,

dass der Tag mit Exerzieren verbracht wird,

dass man mit großem Pferdegespann nach Döberitz fährt.

Seine seelische Lage: „Im übrigen gefällt es mir hier ganz gut, wenn es einem hier überhaupt gut gefallen kann.“ Sein psychologischer Zwiespalt wird überdeutlich.

Als das Deutsche Reich am 1. August 1914 Russland den Krieg erklärte, am 3. August die Kriegerklärung an Frankreich und am 4. August die britische Kriegserklärung an Deutschland kam, war Winkelmann Gefreiter und Geschützführer. Als Feldartillerie war man dem Reserve-Feldartillerie Regiment 63 innerhalb der 79. Reserve-Division zugeordnet worden. Hin und wieder wurde man auch dem 1. Reserve-Infanterie-Regiment 261 einverleibt.

– Über dies Regiment gibt es eine Kriegsgeschichte, geschrieben von C. von Schwerin und Karl Schmidt aus dem Jahre 1923. In ihr wird sehr genau der Einsatz dieses Regimentes beschrieben. Im Februar 1915 wurde es nach Ostpreußen versetzt, nahm teil an der Winterschlacht in den Masuren, nahm von Ende Februar bis Mitte April und im Sommer 1915 an den Kämpfen in Kurland und in Litauen teil. Es nahm Teil vom 8. bis 18. August an den Kämpfen um Kowno, vom 19. August bis 8. September an der Njemenschlacht und vom 9. bis 25. September an der Schlacht von Wilna und an den Kämpfen um Smorgon, bevor der Bewegungskrieg vom 11. Dezember 1915 bis 18. August 1916 in den Stellungskrieg bei Myssa überging.

Anschließend ging es mit der Bahn über Wilna, Schaulen, Mitau und Tukkum zu einem Einsatz in Kurland vom 19. August bis 2. Dezember 1916. Den längsten Transport erlebt das Regiment dann vom 11. bis 31. Dezember 1916, als es über Warschau, Kalisch, Lissa, Sagan, Halle, Sangershausen, Elberfeld, Aachen, Brüssel nach Ascq, 10 km entfernt von Lille, geht. –

Über die Zeit auf dem östlichen Kriegsschauplatz erfahren wir aus Briefen von Winkelmann sehr wenig. Aus einem Brief vom 28.5.1915 aus Janow an sein „Schwesterchen“ Käthe erfahren wir, dass er bei Kalwarya, südwestlich von Kowno, liegt. Er berichtet ganz nüchtern von ihrer Feuerstellung an einem See, den die Soldaten zum vergnüglichen Badeleben benutzen. Sehr genau beschreibt er in allen Einzelheiten seinen Unterstand. Es dürfte verständlich sein, dass er seiner jungen Schwester nicht Kampfszenen beschreibt. Das gehört zum üblichen Briefeschreiben von Soldaten, die in der Regel ihren Briefempfängern nicht die Brutalität des Krieges vermitteln wollen. Als Beispiel für einen zumutbaren Brief an die Eltern, Geschwister und den Schwager (Mann der Schwester Diana) kann der vom 21.6.1915 gelten:

„Über die Gefechtslage wäre ja manches zu berichten. Lebhafte Artillerie-Tätigkeit schon seit langer Zeit. Vorgestern Abend wurde die russische Stellung einige Hundertmeter breit gestürmt und zwar vorgestoßen bis zur 4. Linie. Eine ungeheure Artillerievorbereitung ging der ganzen Sache voraus. Wir verschossen mit drei Schützen 1000 Schuss, ein wahnsinniges Geknalle. Die Verluste unserer Infanterie waren 14 Tote und etwa 50 Verwundete. Die Russen verloren ca. 150 Gefangene, einige Minenwerfer und Maschinengewehre und viele Tote und Verwundete. Nach vollbrachtem Sturm kehrte unsere Infanterie in ihre alten Gräben zurück…“

Im September 1915 bekommt Käthchen einen Brief ihres Bruders aus dem Kriegslazarett Mariampol bei Gumbinnen / Ostpreußen. Warum er dort gelegen hat, wird nicht deutlich. Wahrscheinlich waren es Darmprobleme, mit denen er häufig seine Last hatte. Auf den ersehnten Erholungsurlaub werde er wohl verzichten müssen. Sein Kommentar:

„Man braucht Soldaten an der Front, wie man das jetzt ja auch wohl verstehen kann, und da gehöre ich ja auch eigentlich hin.“

Aber im Herbst 1916 bekam er doch Urlaub, wie aus einem Brief an die Familie vom 10. Oktober hervorgeht. Er war zu Hause und dann noch zu einem Besuch in Berlin, bevor er mit dem Zug nach Soly (Ungarn) fuhr, wo er von den Kameraden herzlich empfangen wurde. Die Rückkehr eines Urlaubers bringt immer neuen Gesprächsstoff in die Runde, abgesehen von der Freude, die gute Mitbringsel auslösen.

Am nächsten Tag schreibt er einen weiteren Brief an seine Schwester. Es heißt hier über Berlin nach einem „wunderbaren Geburtstagskaffee in einer jüdischen Familie“:

„Eine Kiste Liebesgaben, bestehend aus Büchern aus der Hausbibliothek des Kaisers für die Batterie nahm ich als Passagiergut mit mir.“

Aus dem Alltag dessen, der wieder in der „Schützengraben-Beobachtungsstelle“ ist und manchmal Langeweile hat, berichtet er von einem Zeitvertreib im Unterstand, nämlich Mäuse zu fangen: „Das ist interessant“. Zwischen den Kämpfen gibt es Pausen, die in engsten Unterständen verbracht werden müssen und von den Insassen Disziplin und Kameradschaftlichkeit verlangen.

Der nächste Brief an die Familie kommt nun aus Nordfrankreich in der Nähe von Lille. Die Einheit war zunächst in der Etappe, bevor es an die Front ging. Der Sohn berichtet von Darmbeschwerden, die zu einer kurzen Unterbrechung des Dienstes geführt hatten. Beinahe hätte er einen Mannschaftstransport nach Zossen bei Berlin führen und auf dem Rückweg kurz zu Hause reinschauen können. Aber es kam anders.

Der Brief schließt mit den Sätzen:

„Weihnachten werde ich vermutlich still und friedlich feiern. Die Batteriefeier wird auch wohl nicht so besonders werden, Liebesgaben sind auch so gut wie keine da. Das heißt unsere Feier im engeren Kreis der Kameraden wird deswegen doch sicherlich sehr gemütlich und sehr schön werden.“

Den Weihnachtsfeiern mit einem kleinen Tannenbaum und Kerzen galt die besondere Liebe in allen Militäreinheiten. Der gegenseitige Briefverkehr und das Schicken von Päckchen erreichten den Jahreshöhepunkt. Die Post und Feldpost vollbrachte außergewöhnliche Leistungen. Für die Frontkämpfer war das größte Weihnachtsgeschenk, über die Weihnachtstage in der Etappe zu sein und die Ruhe im frischen Stroh und den süßen Kuchen aus der Heimat zu genießen. Am Neujahrstag 1917 schreibt Winkelmann diesen Brief an Schwester Käte:

„…Die ruhige, friedliche, kampflose Zeit geht leider mit dem heutigen Tage zu Ende. Wenn auch der Kampf die rechte Lust des Soldaten sein soll, so freut sich der Soldat doch, wenn er mal für einige Zeit abseits jeglicher Gefahr steht, insbesondere, wenn es in dieser Zeit gilt, liebe alte Feste zu feiern. Weihnachten das Fest der Freude und des Friedens ging vorüber und mit ihm die vielen Friedensnoten, die durch die Welt geflogen sind, und als Resultat stellen wir fest, dass nach wie vor weiter gekämpft wird. Aber die eine Gewissheit, das ist wohl nicht zu viel gesagt, haben wir nun doch, nämlich das Jahr 1917 wird uns