Heiteres aus dem Gemeindeleben ernstgenommen - Tobias Petzoldt - E-Book

Heiteres aus dem Gemeindeleben ernstgenommen E-Book

Tobias Petzoldt

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Beschreibung

Schmunzeln über Gott, die Welt und die Mitmenschen Warum schmeckt der Kaffee beim Kirchenfest nach Früchtetee? Darf im Posaunen-chor wirklich jeder mitmachen? Wieso heißen die Ankündigungen nach dem Got-tesdienst Abkündigung? Diakon und Kabarettist Tobias Petzoldt schaut in seinen Texten und Satiren voller Liebe und Humor auf die sonderbaren Gewohnheiten, die das Miteinander in der Kirchengemeinde prägen. Pastorale Phänomene und weltlich Wunderbares finden sich in seinen Kurzgeschichten, Gedichten und Gedanken genauso wie göttlich Glaubensstärkendes. - Erzählungen, Kirchenkabarett und geistliche Impulse von Tobias Petzoldt - Gelebter Glauben: Besinnliches und Heiteres über den Alltag als Christ - Eine liebevolle Einladung, den eigenen Standpunkt zu überdenken Die Quadratur des Stuhlkreises: Geschichten aus dem Gemeindeleben Tobias Petzold spricht regelmäßig beim MDR Hörfunk "Das Wort zum Tag". Für sein Buch hat er neue witzige, authentische und nachdenkliche Texte sowie Beiträge aus den Programmen seines Musikkabaretts "zwischenFall" zusammengestellt. Sie sind geprägt von einer kirchen-, glaubens- und menschenfreundlichen Sicht. Damit lädt er die Leserinnen und Leser ein, ihre eigene christliche Haltung und ihr Ver-hältnis zur Gemeinde liebevoll zu betrachten und mit gestärkten Glaubensfunda-menten aktiv am Gemeindeleben teilzunehmen!

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Tobias Petzoldt

Heiteresaus demGemeindelebenernst genommen

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

© 2022 by Evangelische Verlagsanstalt GmbH • Leipzig

Printed in Germany

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Das Buch wurde auf alterungsbeständigem Papier gedruckt.

Gesamtgestaltung: Evangelische Verlagsanstalt GmbH, Leipzig

Titelillustration: Thomas Plassman

Autorenfoto: Thomas Gärtner

Druck und Binden: CPI books GmbH

ISBN 978-3-374-07060-2 // eISBN (PDF) 978-3-374-07061-9

eISBN (E-Pub/Mobi) 978-3-374-07062-6

www.eva-leipzig.de

Inhalt

1.

Abkündigungen aus der gestalteten Gemeindemitte

2.

Vermeldungen von dieser Welt

3.

Botschaften aus Überzeugung

Tobias Petzoldt ist Diakon, Religionspädagoge und Kleinkünstler. Neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer im „Verband Evangelischer Diakonen-, Diakoninnen- und Diakonatsgemeinschaften in Deutschland“ schreibt er geistliche Texte für Arbeitsmaterialien und Onlinemedien, ist als Kolumnist u. a. für die Sächsische Zeitung und MDR Sachsen/MDR Kultur aktiv sowie mit eigenen Bühnenprogrammen unterwegs.

1.

Abkündigungenaus der gestaltetenGemeindemitte

Wir sind Christen

Wir haben immer gute Laune,

haben ein gutes Herz

und für alle ein gutes Wort.

Wir sind stets einer Meinung,

streiten uns nie

und haben uns ganz doll lieb.

Wir können über alles reden

und über alle auch,

solange die nicht da sind.

Wir schauen auf die Seele,

achten nicht auf Äußerlichkeiten

und sind auch ohne Schminke schön.

Wir trinken keinen Alkohol,

trinken viel Früchtetee

und vom Wasser des Lebens.

Wir haben ein Kreuz am Hals,

einen Fisch am Auto

und essen freitags Fisch.

Wir singen fromme Lieder,

hören ausschließlich Orgelmusik

und sofort auf, wenn es dich stört.

Denn ja, wir glauben schon.

Und finden das auch ganz gut so.

Doch was immer du über uns Christen denkst:

Eigentlich sind wir meistens

ganz normal.

Kirchliche Dienste

Es traf sich aber,

dass ein Pfarrer die Straße hinab zog,

den Kopf gefüllt mit allerlei Amtlichem.

Den Blick verantwortlich gerichtet

auf Grundsätzliches,

musste er weiter.

Desgleichen ging auch

ein Jugendreferent, die Sinne scharf

für Thema, Team und Tagesthesen.

Zwischen Meeting, Mentoring und Mission

war wenig Zeit

für Seitenblicke.

Ebenso kam

ein Kantor an die Stelle.

Angestellt zur Hälfte und verantwortlich

für 3 Gemeinden, 7 Orgeln und 12 Orte,

konnte er kaum Augen haben

für anderes.

Am Rande aber blieb links liegen der Nächste.

Er passte nicht in Amt, Struktur und Kalender.

Gemeindefest

Ich darf Sie recht herzlich begrüßen zu unserem kleinen Gemeindefest hier auf der Pfarrwiese. Mit selbstgebrachtem Humus und Fenchelfassbrause wollen wir gemeinsam fröhlich sein.

Wie jedes Jahr haben wir weder Kosten noch Mühen gehabt und alle eingeladen, die sich ins Gemeindeleben einbringen, in aller Vielfalt, von Pontius bis Pilates.

So hat der Tierschutzkreis „Faunafreunde“ seinen Infotisch direkt neben dem Grill vom Schützenverein „Ruhig Blut“ aufgestellt. Die anonymen Anti-Alkoholiker präsentieren ihren Kurzfilm „Jesus war ein Asket“ gegenüber dem Gemeindefaschingsverein mit dem Slogan „Jesus war ein Feierfreund“, der Bibelkreis „Allein das Wort“ diskutiert mit dem Diakoniekreis „Allein die Tat“ und in der Friedensinitiative „Aus.Gebomt“ verkünden ehemalige Jugendliche „Selig sind die Friedensstifter“ – und schauen dabei recht feindselig auf den Stand der Soldatenseelsorge, die meint: „Jesus war ein Kämpfer“.

Die Frauenfilzformation „Filz*Läuse“ verkauft allerhand Verfilztes für den Kindergarten, die Seniorenstrickmission „Fadenkreuz“ sammelt mit dem Verkauf von Topflappen für Lappland und der Stillkreis „Klapperstorch“ wirbt für das Lernen einer zweiten Fremdsprache bereits im Mutterleib.

Auf dem Podium rührt derweil das Kindermusical „Mose kriegt einen Korb“ die Zuschauer zu Tränen. Bevor das große Finale folgt mit dem Auftritt aller Gemeindemusikkreise, und zwar gleichzeitig. Dabei untermalt der Posaunenchor eindrucksvoll den Anspruch, dass hier wirklich jeder mitmachen kann, der Flötenhalbkreis „Palmwedel“ präsentiert sich als Duellduett Zweier, die flöten gehen, der Kantoreikantor hofft, dass der Herrscher des Himmels das Lallen erhören möge, während der Worship-Workshop „Lammlob“ ein Lobpreislambada mit bunten Fahnen tanzt und wir als gemeindeeigene Band „Samenkorn“ mit unserem Säuselsound zwischen Sakropop und Sakrotan eindrucksvoll beweisen, dass zwischen gut gedacht und gut gemacht mitunter erhebliche Schluchten schlummern.

Ganz am Ende spielen alle ein gemeinsames Lied und es ist ein bisschen schade, dass man vorher keinen Termin zum gemeinsamen Üben finden konnte.

Dafür spielen die Bläser umso lauter, die Geigencombo sieht dagegen schöner aus und in der Taizégruppe teilen sich vier Leute drei Akkorde.

Anschließend laden wir ganz herzlich ein: Zum Aufräumen, freuen uns über viele helfende Hände und danken schon jetzt dem Frauenkreis, Eine muss es ja machen, für ihre engagierte Arbeit.

Wir finden, es war eigentlich ganz schön.

Familiengottesdienst

Wir gehen in die Knie, wir malen eine Sonne, wir machen einen Hut. Wir drehen uns im Kreis, wir springen hoch und stampfen auf, dass die Kirchenbank kracht. Es ist laut, es ist bunt, es ist ein großes Durcheinander: Es ist Familiengottesdienst. Wir fassen uns an den Händen.

Die Kinder spielen mit Verkleidung, Pantomime und Handpuppe etwas vor, man kann es nicht hören, man kann es nicht sehen, man kann das nur ahnen. Die Kirche wird dabei zu einem Meer aus Handtelefonen und Kameras, denn jede Regung des kleinen Glückes wird mitgeschnitten, und zwar von allen. Derweil pfeift und fiept es aus den Lautsprechern, es kracht und kratzt, die Mikrofone sind konsequent – entweder viel zu leise oder richtig laut.

Die schiefe Leinwand, auf der eigentlich Bilder leuchten sollten, bleibt leider weiß, irgendwann erscheint der Hinweis: Systemfehler. Mit Flanell war eben nicht alles schlecht.

Es folgt die Verkündigung. Die Pfarrerin, mit Doppelnamen, wird dabei von Kleinstkindern umkrabbelt. Sie spricht betont langsam, laut, latent Kind gerecht. Den Kids aber ist’s langweilig, den Alten zu belehrend, die Jugend ist bei Insta, nur die Eltern sind froh, mal 25 Minuten abschalten zu können. Unterbrochen vom Beitrag eines Vorschulkindes, das seine bislang erworbenen katechetischen Grundkompetenzen anwendet und nach jedem Satz konsequent „Amen“ ruft. Wir fassen uns an den Händen.

Dann bekommen alle etwas mit was an die Predigt erinnern soll, es ist aus Papier und wird bei den meisten Kindern das nächste Lied nicht überleben. Es folgen die Fürbitten für alle Not und Leidenden und die zur Not Leitenden, die Ab-Lesekompetenzen der Vorbeterinnen sind dabei unterschiedlich ausgeprägt. Dann sammeln wir das Dankopfer ein, es ist bestimmt für die Schaffung von Plüschtüren für Bedürftige und für die Pflanzung eines Traumzauberbaumes in Bullerbü.

Am Ende ziehen wir gemeinsam aus, und hätte Erwin der Heide von hinten an die Schultern gefasst, wäre vielleicht sogar noch Stimmung aufgekommen. So aber gehen wir artig und in Zweierreihe der Frau mit der Holzgitarre hinterher. Wir hören weder Ton noch Rhythmus, dafür singen wir umso lauter, und zwar jeder für sich:

Ein 80-stimmiger Lobpreis hebt sich empor zum Auge Gottes über dem Altar. Und wir können nur hoffen, dass der Allmächtige mit Blick auf unseren heutigen Gottesdienst gnädig ein Auge zudrückt.

Sakralmuseum Sakristei

In nahezu jeder Kirche gibt es ein einzigartig stilles Örtchen mit Tresor und Traustühlen, in der die Zeit stillsteht und die Seele zur Ruhe kommt, und das heißt Sakristei. In diesem gottesdienstlichen Backstagebereich mit vergilbten Bildern, verstaubten Büchern und verblühten Pflanzen künden mondäne Möbel und morsche Kniebänke von seligen Zeiten örtlicher Kirchengeschichte.

Zwischen einer kaputten Holzkrippe vom vorletzten Krippenspiel, halbvollen Abendmahlsweinflaschen, einer Kerzenstumpensammlung und einem Kruzifix mit schiefem Heiland dran, hängen Fotos von Jubel-, Goldenen und sonstigen Konfirmanden mit seltsamen Brillen und einer Mode, die gewiss einmal wiederkommen wird. Daneben finden sich Bilder der Ortsgeistlichen seit Einführung der Reformation, alle sind männlich, schwarz/weiß und gucken dermaßen würdig und recht, dass man glauben mag, wer glaubt, hat nichts zu lachen.

Unter einem Kalender vom vorletzten Jahr, dem Plakat mit der Jahreslosung von 1997 und einem blind gewordenen Spiegel findet sich schließlich in einer verklemmten Schublade eine Stiftedose mit der bleichen Aufschrift „Trinkfix“. Dort haben Mengen nichtfunktionierender Kugel-, Filz- und Federschreiber ihre vorletzte Unruhe gefunden. Denn das besondere Phänomen von Gemeindestiften besteht nämlich darin, dass kaputte Exemplare niemals weggeworfen, sondern stets zurückgelegt werden, um den Nächsten Nutzer neu zur Verzweiflung zu bringen. Eine Demutsübung in Vergänglichkeit.

Je länger man sich in einer solchen Sakristei umsieht, umso größer wird das Verlangen, dass man hier mal gründlich renovieren und abtun sollte all den Müll der letzten Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte. Und stattdessen ins rechte Licht zu setzen, was diese Kirche ausmacht, was sie prägt und worauf man sich dankbar besinnen kann.

Doch auch, wenn es uns immer mal wieder in den Fingern juckt: Wir werden uns hüten, hier auszumisten.

Es wäre dann möglich, dass sich diese Maßnahme auf die ganze Kirche ausdehnen könnte.

Und wenn man da einmal anfängt …

Ehrenamt

Wissen Sie was?

Ich bin ein Ehrenmann.

Ich bin geehrt und das ist amtlich,

denn ich bin ehrenamtlich.

Ich bin gefragt worden.

Ob ich mal mitmachen kann.

Zur Ehre Gottes.

Kaffee kochen. Bänke putzen. Altar schmücken.

Und weil ich sowieso da bin, ob ich gleich die Lesung lese.

Und weil der Kantor krank ist, ob ich die Lieder begleite.

Und weil ich das so gut kann, ob ich beim Kindergottesdienst mitmache.

Und ob ich dann anschließend noch aufräumen,

die Glockenuhr für die neue Woche einstellen,

Kerzen, Lampen und Heizung ausmachen

und das Geschirr abwaschen könnte –

natürlich, es ist mir eine Ehre, ich habe den Kaffee

ja auch gekocht.

Den Kirchenschlüssel könne ich ja vielleicht auch

gleich mitnehmen, dann wissen alle wo der ist, wenn

nächste Woche mal jemand rein will.

Dabei bin ich gar nicht immer daheim:

Ich muss die Kirchennachrichten zustellen und

Geburtstagskarten verteilen, Bau- und Aufbauausschuss

und Posaunen- und Kirchenchor sind auch noch,

aber so viel Zeit muss sein, wir müssen das Ehrenamt

stärken, wir halten die Kirche mit Hoffnung in Ehren.

Letztens aber gab es Verwirrung.

Da kam ein hauptamtlicher Ehrenamtsverantwortlicher

zu uns. Der hat nach dem Bau der Friedhofsmauer einen

Stuhlkreis gemacht und uns gefragt, wie wir uns beim

mörteln, mauern und malern denn so gefühlt hätten.

Für den Kinderkirchenhelferinnenkreis hatte er als

Dank ein Bierfass mitgemacht, die Konfirmandenteamer

bekamen eine Einladung zum Klassikkonzert und

die helfenden Seniorinnen einen Gutschein für den

Kletterwald.

Wir haben uns trotzdem gefreut.

Der Dank allein ist aller Ehren wert.

Ehre, wem Ehre gebührt, sage ich immer,

mir aber eigentlich nicht.

Denn ich brauche keine Ehrungen.

Bei uns heißt es: Nicht gemeckert ist genug gelobt.

Habe die Ehre.

Hauptamtlich