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Ein neuer Job, ein mürrischer Partner – und jede Menge Chaos. Nachdem Detective Dexter J. Daley mit seiner Aussage vor Gericht seinen eigenen Kollegen hinter Gitter gebracht hat, ist sein Leben ein Trümmerfeld. Sein Ruf ist ruiniert, seine Beziehung zerbrochen, und plötzlich ist er das schwarze Schaf bei der Polizei. Doch statt gefeuert zu werden, landet er dank seines Adoptivvaters bei den THIRDS – einer Spezialeinheit, in der Mensch und Gestaltwandler, die Therianer, Seite an Seite kämpfen. Dex ist fest entschlossen, sich zu beweisen, doch sein Start verläuft … holprig. Sein neuer Partner, Teamleiter Sloane Brodie, ist alles andere als begeistert vom Neuzugang. Doch Dex wäre nicht Dex, wenn er sich davon unterkriegen ließe – mit Charme, Witz und einem unerschütterlichen Dickkopf wirbelt er die gesamte Einheit gehörig durcheinander. Als eine brutale Mordserie an Therianer-Aktivisten die Stadt erschüttert, wird klar: Die größte Herausforderung für Dex ist nicht, seinen Platz im Team zu finden – sondern zu überleben. Rasant, actiongeladen und voller Humor – der Auftakt einer unwiderstehlichen Urban-Fantasy-Reihe mit Spannung, Herz und jeder Menge schlagfertiger Sprüche!
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Seitenzahl: 557
Veröffentlichungsjahr: 2025
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CHARLIE COCHET
HELL & HIGH WATER
THIRDS 1
Aus dem Englischen von Kira Wolf-Marz
Über das Buch
Nachdem Detective Dexter J. Daley mit seiner Aussage vor Gericht seinen eigenen Kollegen hinter Gitter gebracht hat, ist sein Leben ein Trümmerfeld. Sein Ruf ist ruiniert, seine Beziehung zerbrochen, und plötzlich ist er das schwarze Schaf bei der Polizei. Doch statt gefeuert zu werden, landet er dank seines Adoptivvaters bei den THIRDS – einer Spezialeinheit, in der Mensch und Gestaltwandler, die Therianer, Seite an Seite kämpfen.
Dex ist fest entschlossen, sich zu beweisen, doch sein Start verläuft … holprig. Sein neuer Partner, Teamleiter Sloane Brodie, ist alles andere als begeistert vom Neuzugang. Doch Dex wäre nicht Dex, wenn er sich davon unterkriegen ließe – mit Charme, Witz und einem unerschütterlichen Dickkopf wirbelt er die gesamte Einheit gehörig durcheinander.
Als eine brutale Mordserie an Therianer-Aktivisten die Stadt erschüttert, wird klar: Die größte Herausforderung für Dex ist nicht, seinen Platz im Team zu finden – sondern zu überleben.
Über die Autorin
Charlie Cochet ist die Bestsellerautorin der international beliebten THIRDS-Serie, die Romantik, Humor und Spannung miteinander verbindet. In ihren Geschichten trifft kubanisches Temperament auf amerikanischen Charme – mit viel Herz und lebendigen Figuren.
Sie lebt in Zentralflorida und liebt Classic Rock und kubanischen Kaffee. An ihrer Seite: ein aufgeweckter Doxiepoo und ein ziemlich meinungsfreudiger Deutscher Schäferhund. Wenn sie nicht gerade schreibt, liest sie gern oder schaut Filme.
Charlies Geschichten laden dazu ein, dem Alltag zu entfliehen – unterhaltsam, gefühlvoll und mit einem Augenzwinkern.
Die englische Ausgabe erschien 2019 unter dem Titel »Hell & High Water«.
Deutsche Erstausgabe Juni 2025
© der Originalausgabe 2019: Charlie Cochet
© für die deutschsprachige Ausgabe 2025:
Second Chances Verlag, Inh. Jeannette Bauroth,
Hammergasse 7–9, 98587 Steinbach-Hallenberg
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lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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im Sinne von § 44b URHG ist ausdrücklich verboten.
Umschlaggestaltung: Juliana Fabula
Lektorat: Rieke Conzen
Satz & Layout: Judith Zimmer
Druck: Bookpress, Olsztyn, Polen
ISBN: 978-3-98906-080-7
ISBN E-Book: 978-3-98906-079-1
Auch als Hörbuch erhältlich!
www.second-chances-verlag.de
Titel
Über die Autorin
Impressum
Hinweis
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Protagonisten
Glossar
Am Ende dieses Buches findest du ein Personenverzeichnis und ein Glossar.
Während des Vietnamkriegs führte der Einsatz tödlicher biologischer Waffen zur Verbreitung des Melanoe-Virus. Weltweit wurden Millionen Menschen infiziert, Hunderttausende starben. Auch wenn kein Land die Verantwortung für die Freisetzung des Virus übernahm, taten sich die besten Wissenschaftler der Welt zusammen, um nach einem Heilmittel zu forschen.
Der Impfstoff namens Eppione.8 baute auf dem genetischen Material von Tieren auf, die sich als immun gegen das Virus erwiesen hatten. Doch ein Jahr nach Auslieferung des Impfstoffs kam es zu einer einschneidenden Veränderung in der Geschichte der Menschheit: Das Vakzin aktivierte eine bis dahin ruhende Mutation innerhalb des Virus und änderte dadurch die menschliche Genetik. Eine neue Spezies war geboren: die Therianer.
Als sich Ende der Siebzigerjahre die ersten Menschen wandelten, überlebten viele nicht. Ihre menschlichen Körper waren nicht auf eine so weitreichende Veränderung vorbereitet. Einige starben an Krebs oder erlagen aufgrund eines geschwächten Immunsystems Infektionen, andere verschwanden einfach. Es waren Gerüchte in Umlauf, wonach bestimmte Regierungen versuchten, hinter sich aufzuräumen.
Als offensichtlich wurde, dass das »Problem« nicht verschwinden würde, bemühte sich die US-Regierung, die Ausmaße der Mutation in den Griff zu bekommen. Sie erstellte eine Therianer-Datenbank und erließ hastig neue Gesetze, die alle überlebenden Therianer zwangen, sich zu registrieren und kennzeichnen zu lassen, scheinbar zu ihrer eigenen Sicherheit und zu der ihrer Mitmenschen.
Die Regierung sah in der ersten Welle Therianer einen Nebeneffekt des Kriegs und ging davon aus, dass diese Komplikation mit dem Tod der Betroffenen aus der Welt geschafft sein würde. Erst 1976 fanden Wissenschaftler heraus, wie weitreichend die Folgen waren: Eine neue Generation Therianer war zur Welt gekommen. Die Mutation hatte sich perfektioniert und war nun ein fester Bestandteil der DNA dieser Generation, die als FirstGen bezeichnet wurde. Plötzlich gab es eine fortschrittliche neue Spezies, deren Erscheinen zahlreiche Ängste auslöste.
Um die gesellschaftliche Ordnung wiederherzustellen, erließ die US-Regierung ein zweites Mal eine Reihe neuer Regeln und Gesetze, zudem wurde eine eigene Therianer-Abteilung innerhalb der Regierung gebildet. 1990 stellten menschliche und therianische Abgeordnete gemeinsam die »Therian Human Intelligence Recon Defense Squadron« in Dienst. Die THIRDS sind eine vom Militär finanzierte Behörde mit eigenen Eliteeinheiten, die sich zu gleichen Teilen aus menschlichen und therianischen Agents zusammensetzt und ohne Vorurteile sicherstellt, dass alle Bürger das Gesetz achten.
Solange die Menschheit die Fehler der Vergangenheit wiederholt, braucht es Organisationen wie die THIRDS, die die Zukunft der Menschen gewährleisten, selbst wenn sie auf dem Weg zu diesem Ziel manchmal ins Stolpern geraten.
Ich hasse mein Leben.
Dex schloss die Augen und wünschte sich verzweifelt, in einem ätzend lebhaften Traum gefangen zu sein. Dann könnte er einfach aufwachen, und alles wäre wieder beim Alten. Doch natürlich tat sich nichts, als er die Augen öffnete. Er spritzte sich noch mehr Wasser ins Gesicht, um die Anspannung abzuwaschen, aber es half nicht. Nicht, dass er es erwartet hatte.
Nachdem er sich das Gesicht abgewischt hatte, warf er grimmig einen Blick in den Spiegel. Der Mann, der ihm entgegenstarrte, sah beschissen aus. Blass und mit rotbraunen Ringen unter den Augen, dank denen er aussah, als hätte er geweint oder Crack geraucht. Auf jeden Fall hatten die verdammt vielen schlaflosen Nächte der letzten Zeit etwas damit zu tun. Der Typ im Spiegel gefiel Dex nicht. Was für ein Arschloch.
»Warten sie schon auf mich?« Er war heiser, als hätte er ewig nicht mehr geschlafen.
Jemand legte ihm die Hand auf die Schulter und drückte sie mitfühlend. »Ja. Weißt du noch, was wir besprochen haben? Sobald du die Nase voll hast, verschwinden wir.«
Dex schnaubte. Es war viel zu spät, um zu verschwinden – und das schon seit einem halben Jahr.
Er richtete sich auf und zog ein Papierhandtuch aus dem Automatikspender. Es kam ihm vor, als würde er sich mit einer Zeitung die Hände abtrocknen. Mit derselben Art Zeitung wie die, deren Seiten mit seinen Bildern zugekleistert waren. Fotos, die irgendeine Ratte von Grafiker durch Photoshop gejagt hatte, bis er darauf erst recht wie ein Drecksack aussah.
Er warf das Handtuch in den Mülleimer und blieb einfach stehen. Sich zu seinem Anwalt umzudrehen, fiel ihm schwer.
»He, schau mich mal an.« Littman trat zu ihm und tätschelte ihm die Wange. »Du hast das Richtige getan.«
Dex hob den Blick, verzweifelt auf der Suche nach etwas, das wenigstens für ein paar Sekunden den Schmerz vertreiben konnte. »Warum fühle ich mich dann so beschissen?«
»Weil er dein Freund war, Dex.«
»Ganz genau. Und ich habe ihn in die Scheiße geritten. Ein toller Freund bin ich.« Er kehrte ans Waschbecken zurück und umschloss die Porzellankante so fest, dass ihm die Finger wehtaten. »Verdammt noch mal!« Dieser Mistkerl!
Was zum Teufel hatte Walsh sich nur gedacht? Wahrscheinlich hatte er überhaupt nicht nachgedacht, denn sonst würde jetzt keiner von ihnen dermaßen in der Tinte sitzen. Oder noch schlimmer: Walsh hatte sehr wohl darüber nachgedacht. Vielleicht war er sich nur so sicher gewesen, dass Dex ihm den Rücken freihalten würde, dass er auf alles andere gepfiffen hatte.
Dex schloss die Augen und versuchte, Walshs Gesicht aus dem Kopf zu kriegen, doch er sah es immer noch vor sich. Auch in seinen Träumen würde es ihn noch lange verfolgen. Die ganze Welt, aber vor allem Dex, hatte die Mischung aus Wut und Kummer gesehen, die sich bei der Urteilsverkündung in Walshs Gesicht abzeichnete – Wut auf Dex und Kummer wegen dem, was er getan hatte.
»Nein«, widersprach Littman. »Er hat sich selbst in die Scheiße geritten. Du hast nur die Wahrheit gesagt.«
Die Wahrheit. Wie konnte man so viel Schaden anrichten, indem man das Richtige tat? Und war es überhaupt das Richtige gewesen? Ursprünglich war er davon überzeugt gewesen, aber jetzt war er sich nicht mehr sicher. Trotzdem, er konnte sich nicht ewig auf der Toilette verstecken.
»Bringen wir es hinter uns.« Er atmete noch ein paarmal tief durch, dann folgte er Littman hinaus auf den Flur.
Sobald er den Fuß vor die Tür setzte, fielen die Journalisten wie Heuschrecken über ihn her. Mikrofone knisterten, Aufnahmegeräte und Smartphones zeichneten auf, Blitzlichter zuckten ihm entgegen, die Kameras liefen, und von allen Seiten wurden ihm Fragen entgegengeschleudert.
Es kam ihm vor, als wäre er unter Wasser und könnte hören, wie um den Pool herum Menschen schrien, während er wie ein Stein auf den Boden des Beckens sank. Er konnte die einzelnen Worte nicht verstehen, nur gedämpfte Laute.
Littman trat neben Dex und legte ihm beruhigend die Hand auf den Rücken. Die andere hob er in dem fruchtlosen Versuch, etwas Ruhe ins Chaos zu bringen.
»Detective Daley wird sich bemühen, all Ihre Fragen zu beantworten, aber bitte einer nach dem anderen!«
Ein großer, grauhaariger Mann in einem teuren Anzug drängelte sich durch die versammelten Kollegen nach vorn. Er ignorierte deren verärgertes Grummeln und streckte Dex ein Mikrofon entgegen. Schnell schloss sich ihm ein halbes Dutzend Journalisten an.
»Detective Daley, was haben Sie den Menschen zu sagen, die der Meinung sind, dass Sie Ihresgleichen verraten haben?«
Zumindest auf diese Frage war er vorbereitet. Dex knöpfte sein Jackett zu. Dadurch blieben ihm ein paar Sekunden Zeit, um sich zu beruhigen und seine Gedanken zu sammeln. Nachdem er den Stoff glatt gestrichen hatte, sah er dem Journalisten in die Augen. »Ich bin in den Polizeidienst getreten, um etwas zu bewirken. Das bedeutet manchmal, dass man schwere Entscheidungen fällen muss. Ich habe mich entschieden, die Wahrheit zu sagen. Niemand steht über dem Gesetz, und es gehört zu meiner Arbeit, das Gesetz zu schützen.«
Schnell meldete sich eine blonde Frau in einem maßgeschneiderten marineblauen Hosenanzug zu Wort. »Hatte Ihre Entscheidung etwas damit zu tun, dass Ihr Bruder Therianer ist? Sind Sie ein Sympathisant von LiberTherian?«
Es war nicht das erste Mal, dass man ihm das unterstellte. Die Tatsache, dass sein Bruder Therianer war, war der einzige Grund, warum die HPF – die ›Human Police Force‹, eine ausschließlich mit Menschen besetzte Polizeiorganisation – vor zehn Jahren so lange gebraucht hatte, um über seine Bewerbung zu entscheiden. Eines war klar: Wenn sein Vater nicht ein weithin respektierter Detective gewesen wäre, hätte man seine Einstellung erst gar nicht in Erwägung gezogen, geschweige denn, ihn tatsächlich eingestellt.
Dass er wusste, was sie von seinem Bruder hielten, hätte eigentlich reichen sollen, um ihn vom Polizeiberuf Abstand nehmen zu lassen, aber genau dieser Schlag engstirniger Leute war es, den Dex unbedingt erreichen wollte. Deshalb war er zur HPF gegangen: um von innen heraus etwas zu verändern, exakt wie sein Dad vor ihm. Das hatte sich als wesentlich schwieriger erwiesen, als er erwartet hatte, aber letztendlich war er dadurch nur entschlossener geworden.
»Mein Bruder und ich teilen dieselben Ansichten, was Gerechtigkeit angeht. Unsere Väter haben uns beigebracht, Therianer und Menschen gleichzubehandeln. Ich mag liberale Ansichten vertreten, aber nur, weil ich an Gerechtigkeit für beide Spezies glaube, bin ich noch lange kein Sympathisant.«
Ein rothaariger Mann mit überheblichem Grinsen schob Dex sein Handy so dicht vors Gesicht, dass er es ihm beinahe gegen die Zähne gerammt hätte. Seine Miene ließ Dex ahnen, dass ihn das nicht sonderlich gestört hätte. Dex zog sich ruhig ein Stück zurück, spannte jedoch die Kiefermuskulatur an.
»Detective Daley, warum haben Sie sich nicht Ihrem Vater und Bruder bei den THIRDS angeschlossen? Waren Sie nicht qualifiziert genug?«
Dex erwiderte das Grinsen des Stinkstiefels. »Was immer Sie Ihrer Quelle bezahlt haben, es war zu viel. Ich habe mich nie bei den THIRDS beworben.«
»Aber Sie haben doch an ihrem Trainingsprogramm teilgenommen.«
»Man hat mir angeboten, an einem dreiwöchigen Trainingskurs teilzunehmen. Die Leiter der THIRDS haben gehofft, dass ich mich danach umentscheide und als Kandidat bewerbe. Ich habe mich darauf eingelassen, um meiner Familie einen Gefallen zu tun, und zugegebenermaßen auch, weil ich wissen wollte, ob ich der Herausforderung gewachsen bin.«
Und verdammt, es war wirklich eine Herausforderung gewesen. Drei Wochen intensives körperliches Training und zahlreiche Übungen, die seine Fähigkeiten weiter ausbauen sollten. Schnelles Abseilen, Zugangstaktiken, Durchsuchungen von Gebäuden, Nahkampf- und Schusswaffenausbildung. Dex musste an seine Grenzen gehen, und als er glaubte, am Ende zu sein, hatte man ihn gezwungen, das letzte bisschen Kraft zusammenzukratzen und noch mal zehn Prozent mehr zu geben.
Es waren die grauenvollsten, herausforderndsten und psychisch stressigsten drei Wochen seines Lebens gewesen. Nichts, was er je getan hatte, ließ sich auch nur ansatzweise damit vergleichen. Nicht einmal die Ausbildung an der HPF-Akademie.
Die Mitglieder der THIRDS waren die härtesten Hunde, die der Markt zu bieten hatte, und Dex wollte sich damals unbedingt beweisen, dass er mit ihnen mithalten konnte. Aber einer von ihnen werden? Das war ein ganz anderes Thema.
»Haben Sie bestanden?«
Dex konnte seinen Stolz nicht verbergen. »Als Bester im Kurs.«
»Werden Sie sich jetzt bei den THIRDS bewerben?«, wollte eine andere Journalistin wissen.
»Ich habe vor, weiter für die Polizei zu arbeiten.«
»Und wenn man Sie da nicht mehr haben will? Meinen Sie nicht, dass Sie das Vertrauen der HPF verspielt haben, als Sie einen guten Mann, einen Ihrer Kameraden, ins Gefängnis geschickt haben?«
Das war’s.
Dex wandte den Kopf und flüsterte Littmans Namen. Sein Anwalt lächelte breit und hob die Hand. »Vielen Dank, dass Sie hier waren. Ich fürchte, mehr Zeit kann Detective Daley nicht erübrigen. Bitte respektieren Sie in dieser schwierigen Zeit seine Privatsphäre und auch die seiner Familie.«
»Und was ist mit Detective Walsh und seiner Familie? Haben Sie schon mit ihr gesprochen? Wie steht seine Familie zu dem, was Sie getan haben?«
Dex bahnte sich einen Weg durch die toxische Masse an Presseleuten. Er weigerte sich, an die verletzenden, hasserfüllten Anrufe, Nachrichten und E-Mails der Walshs zu denken. Menschen, mit denen er früher beim Grillen zusammengesessen hatte und zu deren Little-League-Spielen er gegangen war. Er hatte nie vorgehabt, ihnen so viel Kummer zu bereiten und ihnen den Sohn, Ehemann und Vater wegzunehmen. Ihren Zorn abzubekommen, war das Mindeste, was Dex verdient hatte.
»Detective Daley! Detective!«
Er ignorierte den Schwall an Fragen, der über ihm zusammenbrach: was sein Freund von der ganzen Geschichte hielt, ob seine Karriere bei der HPF nicht inoffiziell schon vorbei war und alles dazwischen. Er wollte über nichts davon nachdenken. Er wollte nur noch nach Hause zu besagtem Freund und vielleicht ein bisschen weinen.
Dex lief so schnell und gleichzeitig ruhig, wie er konnte. Littman blieb an seiner Seite. Gemeinsam gingen sie auf direktem Weg zum Nordausgang des Nebengebäudes des Supreme Courts, in dem Kriminalfälle verhandelt wurden. Draußen versuchte eine Meute Journalisten, ihn einzukreisen, und ein paar Cops gaben ihr Bestes, um die zunehmend größer werdende Menschenmenge unter Kontrolle zu halten. Dabei erwiesen sich die Geländer rechts und links des Ausgangs als zusätzliches Ärgernis. Sie schränkten Dex’ Bewegungsfreiheit ein, als er versuchte, sich durch den Menschenauflauf zu drängen. Die Treppe war blockiert, daher nahm er Littman am Ellbogen und hastete mit ihm über eine provisorische Rampe auf den Bürgersteig. Zum Glück wartete dort bereits ein Auto auf sie.
Dex gab sich Mühe, nett zu den Journalisten zu sein. Er bat sie freundlich, zur Seite zu treten, damit er einsteigen konnte. Doch als ein paar zu sehr drängelten, blieb ihm keine andere Wahl. Er schnappte sich ihre Handys und warf sie hinter ihnen in die Menge.
»Das ersetzen Sie mir!«, schrie einer, als er seinem Smartphone hinterherhechtete.
»Schicken Sie mir die Rechnung!« Dex stieg ein und knallte die Tür hinter sich zu. Die Limousine fuhr los, und er sank mit einem lauten Seufzer auf dem blitzsauberen Ledersitz in sich zusammen. Endlich war es vorbei. Zumindest fürs Erste.
»Sicher, dass ich dich nicht zu Hause absetzen soll?« Littman wirkte fast genauso mitgenommen, wie Dex sich fühlte.
»Nee, am Parkhaus reicht. Ich muss ja noch den Mietwagen wegbringen.«
»Du weißt, dass ich dich auch zu Hause abgeholt und wieder hingebracht hätte.«
»Ja, ich weiß.« Dex starrte aus dem Fenster, während sie die Centre Street entlangfuhren, nach links in die White und schließlich auf die Lafayette abbogen. Als sie nach rechts auf die Worth schwenkten, weckte der Anblick des Starbucks an der Ecke eine verzweifelte Sehnsucht nach einem Eiskaffee in ihm. »Ich wollte vor der Verhandlung noch eine Weile rumfahren. Ein bisschen Musik hören und versuchen, mich zu entspannen.«
Er hatte darauf geachtet, das Auto mit den dunkelsten Scheiben und dem lautesten Soundsystem zu mieten, das er bekommen konnte.
Musik war wahrscheinlich das Einzige, was ihn während der ganzen Tortur davon abgehalten hatte, endgültig die Nerven zu verlieren. Besonders, da sein Freund so viel zu tun gehabt hatte. Es wäre schön gewesen, Lou an seiner Seite zu wissen, doch er konnte nachvollziehen, dass sein Partner nicht alles für ihn stehen und liegen lassen konnte. Die Arbeit verlangte ihnen beiden viel ab, und manchmal mussten sie Opfer bringen. Aber trotzdem …
»Ich verstehe. Am besten tauchst du eine Weile unter, bis sich die Aufregung gelegt hat. Es gibt Gerüchte, dass diese Erbin – die, die eine gar nicht so geheime Affäre mit ihrem therianischen Personal Trainer hatte – schwanger sein soll. Ihr Daddy ist wohl gar nicht glücklich darüber. Das sollte die Geier eine Weile beschäftigen. Ich schlage vor, du nimmst dir Urlaub. Überrasch Lou doch mit einer netten, kleinen Penthouse-Suite auf den Bahamas oder so.«
Kurz darauf hielt das Auto vor dem Feinkostladen neben dem Parkhaus. Dex brachte ein Lächeln zustande und streckte dem alten Freund seines Vaters die Hand entgegen. »Danke. Ich weiß wirklich zu schätzen, was du für mich getan hast.«
»Ich bin immer für dich da, wenn du mich brauchst.« Littman nahm seine Hand und tätschelte sie kurz. »Dex?«
»Ja?«
»Er wäre stolz auf dich.«
Dex hatte auf einmal einen Knoten im Hals. »Meinst du?«
Littman nickte. Er sprach so entschieden, dass es seine Wirkung nicht verfehlte. »Ich war jahrelang mit deinem Dad befreundet. Glaub mir, er wäre stolz auf dich. Und für Tony gilt dasselbe. Er hat mir bestimmt zehn Nachrichten hinterlassen und immer wieder gefragt, wie es dir geht. Und dein Bruder ist wahrscheinlich auch schon ganz krank vor Sorge.«
Dex entzog Littman die Hand, um sein Smartphone aus der Tasche zu holen. Angesichts der fünfzehn verpassten Anrufe seiner Familie lachte er leise auf. Er hielt das Handy hoch. »Meinst du wirklich?«
»Ruf sie lieber an, bevor Tony dich zur Fahndung ausschreibt.«
»Sobald ich drinnen bin, ruf ich die beiden zurück. Danke.«
Nachdem er sich von Littman verabschiedet hatte, bedankte er sich ein zweites Mal für dessen Hilfe. Ohne ihn hätte Dex diese Tortur sicher nicht durchgestanden. Dasselbe galt für das, was ihm noch bevorstand.
Anschließend machte er sich quer über die Parkebene auf den Weg zu seinem Mietwagen. Er hatte die kluge Entscheidung getroffen, nicht mit seinem kostbaren Baby zum Gericht zu fahren. In einem orangen Dodge Challenger war es schwierig, die Presse abzuhängen. Wenn sie auf dem Land gewesen wären, hätte er sie Staub schlucken lassen und wäre ihnen davongefahren, aber in der Stadt wäre er ihnen hilflos ausgeliefert gewesen.
Als er die Fahrerseite des Mietwagens erreichte, war er erst recht froh, nicht mit dem eigenen Auto hergefahren zu sein. Wütend war er trotzdem. Jemand hatte ihm den Hinterreifen aufgeschlitzt.
»Das ist ja wohl ein schlechter Witz.«
Er trat gegen den Reifen, als würde er sich dadurch auf magische Weise reparieren. Verdammt! Hätte er doch Littmans Angebot angenommen. Er wollte doch nur nach Hause, etwas essen und auf der Couch herumgammeln. Zum Glück gab es den Automobilclub. Er griff in die Tasche, um sein Handy hervorzuholen, als jemand quer über die Parkebene seinen Namen rief.
»Detective Daley!«
Instinktiv sah er auf. Den Bruchteil einer Sekunde später wurde ihm die Luft aus der Lunge getrieben, als ihn etwas Hartes zwischen seinen Schulterblättern traf. Er taumelte nach vorn. Ein heftiger Schlag gegen seinen Oberschenkel sorgte dafür, dass er mit einem schmerzerfüllten Knurren auf Hände und Knie sackte. Auf einmal war er von drei großen Menschen mit schwarzen Skimasken und gleichfarbigen Handschuhen umzingelt. Verdammt, wo waren die denn hergekommen?
Dex regte sich und machte Anstalten, sich aufzurichten, als ihn ein Tritt in den Magen traf und ihn erneut atemlos zurückließ. Er fiel hart auf die Seite und umklammerte seine schmerzenden Rippen und den Bauch. Mit knirschenden Zähnen sog er Luft durch die Nase.
»Du bist am Arsch, Daley. Du hättest nicht gegen deinen Partner aussagen sollen.«
»Ihr könnt mich mal«, entfuhr es Dex.
Ein weiterer Tritt ließ ihn wissen, dass die Angreifer seine große Klappe nicht zu schätzen wussten. Offensichtlich kannten sie ihn nicht. Stöhnend verlagerte er ein wenig das Gewicht, um einen Blick auf ihre auffallend gepflegte Erscheinung zu werfen. Vielleicht kannten sie ihn ja doch …
»Wer hat euch geschickt?« Er wollte es gar nicht wissen. Genau genommen war ihm die Antwort sogar vollkommen egal. Er brauchte nur etwas Zeit, um herauszufinden, wie er die Typen einzuschätzen hatte.
»Die menschliche Art«, fauchte einer von ihnen.
Dex lachte auf. Was für ein Arsch. Ein weiterer Blick auf die schwarzen Anzughosen und die glänzenden schwarzen Schuhe reichte, damit er sich alles zusammenreimen konnte. Fluchend rollte er sich auf den Bauch und drückte die Stirn gegen den Asphalt. Ihn überraschte nur, dass es nicht schon eher zu einem Zwischenfall dieser Art gekommen war. Wenigstens würden sie ihn nicht umbringen. Sie würden ihn nur bluten lassen.
»Alles klar, die Nachricht ist angekommen. Ihr könnt jetzt nach Hause gehen. Eure Pflicht ist erfüllt.« Das brachte ihm einen Schlag mit einem glänzenden Schlagstock aus Stahl ein, genau auf den Arm. Wahrscheinlich war es derselbe Gegenstand, mit dem seine Angreifer schon auf seinen Rücken eingeprügelt hatten. Oh Mann, er würde sich morgen wie der letzte Dreck fühlen.
Sie zerrten ihn auf die Beine. Zwei hielten jeweils einen seiner Arme fest, während der dritte vor ihn trat. Dex schloss die Augen und wappnete sich innerlich. Gedanklich schimpfte er sich einen Feigling.
Der Fausthieb landete direkt auf seinem Kinn, trieb ihm den Kopf zur Seite und ließ seine Lippe aufplatzen. Verdammt, das tat weh. Er leckte über die Zähne, um sich zu vergewissern, dass sich keiner gelockert hatte. Nichts zu spüren. Nur der strenge Geschmack seines eigenen Bluts legte sich auf seine Zunge.
»He! HPF! Hände dahin, wo ich sie sehen kann!«
Die Menschen ergriffen die Flucht, und Dex’ Knie gaben nach. Starke Hände fingen ihn auf und halfen ihm, auf den Beinen zu bleiben. Sein Rücken brannte, sein Arm, sein Oberschenkel und sein Gesicht pochten noch von den Schlägen, und bei dem Gedanken, dass er nichts getan hatte, um sich zu wehren, wurde ihm übel.
»Alles okay, Daley?«
Dex erkannte die Stimme. Überrascht sah er auf und stellte fest, dass sein Kollege Isaac Pearce vom Morddezernat vor ihm stand. Sorge zeichnete sich auf seinem Gesicht ab.
»Pearce?«
Pearce half ihm zum Mietwagen und lehnte ihn dagegen, bevor er ihn kurz untersuchte. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass Dex sich auf den Beinen halten konnte, sah er sich auf der Parkebene um, aber die Angreifer waren längst verschwunden.
Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder Dex zu. »Alles in Ordnung?«
»Ja. Ich wünschte nur, über meinen Anzug ließe sich dasselbe sagen.« Dex richtete sich auf und zuckte zusammen, als ein scharfer Schmerz durch seinen Körper schoss. »Was machst du hier?«
»Mal wieder eine Vorladung vor Gericht, aber der Typ ist nicht aufgetaucht. Schöner Mist! Ich habe heute einen guten Tag und dachte, ich erledige die Sache mit links. Doch jetzt bin ich froh, dass ich rechtzeitig da weggekommen bin.«
»Ja, ich auch.« Dex lachte gequält und zuckte zusammen, als es in seiner Lippe stach. Tony würde ihm fürchterlich die Meinung geigen.
»Weißt du, wer die waren?«, fragte Pearce besorgt.
Jepp. »Nein.« Dex schüttelte den Kopf und wischte sich die Hände an der Anzughose ab. »Nur ein paar angepisste Menschen.« Er hatte schon genug Ärger am Hals und wollte sich nicht noch mehr einhandeln. »Um ehrlich zu sein, will ich einfach nur nach Hause.«
»Das kann ich dir kaum vorwerfen.« Pearce zeigte auf den aufgeschlitzten Reifen. »Soll ich dich heimfahren?«
Er hatte garantiert nicht mehr die Kraft oder den Willen, den Reifen selbst zu wechseln. Rief er jetzt den Automobilclub, musste er allerdings warten, bis sie ihm Hilfe schickten und den Reifen austauschten, und dann den Mietwagen zum Anbieter zurückbringen. Oder er nahm Pearces Angebot an und kümmerte sich später um den Mietwagen.
»Dafür wäre ich dir echt dankbar.«
»Prima.« Pearce strahlte ihn an. »Ich steh gleich um die Ecke.«
Dex bedankte sich halblaut und begleitete Pearce zu dessen Auto, einem silbernen Lexus, der einem Mordermittler besser zu Gesicht stand als sein eigener Wagen. Dieser Meinung wäre zumindest sein ehemaliger Partner Walsh gewesen. Er hatte nie viel für Dex’ Geschmack übriggehabt.
Nun, da er darüber nachdachte, hatte Walsh schon immer gern bissige Bemerkungen über ihn gemacht und behauptet, dass Dex eine ziemliche Mimose wäre. Er hatte dem nie viel Aufmerksamkeit geschenkt, doch im Licht der jüngsten Ereignisse lief es wohl darauf hinaus, dass Walsh schlicht ein voreingenommener Mistkerl war. Hatte Dex sich am Ende die ganze Zeit etwas vorgemacht? Was, wenn er Walsh schon früher zur Rede gestellt hätte? Wäre ihnen dann der ganze Ärger erspart geblieben?
»Bist du okay?«, fragte Pearce erneut, nachdem Dex auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte.
»Ja, tut mir leid. Ich versuche immer noch, das alles zu begreifen.«
»Warum machst du nicht ein bisschen Musik an? Komm erst mal runter. Ich lass dich sogar den Sender aussuchen.«
Dex pfiff leise, während er sich anschnallte. »Du wirst es noch bereuen, mir so viel Macht gegeben zu haben.« Er schaltete das Radio an und arbeitete sich durch den Touchscreen, bis er auf Retro Radio stieß. Er grinste Pearce frech an und wackelte mit den Augenbrauen, als Billy Oceans »Get Outta My Dreams, Get Into My Car« durch die Lautsprecher dröhnte. Pearce starrte ihn an, als würde er an seinem gesunden Menschenverstand zweifeln. Dex lachte. »Ich hab dir gesagt, dass du es bereust.«
Leise lachend fuhr Pearce aus dem Parkhaus. »Wohin?«
»West Village, Barrow Street.«
Auch wenn Bobby McFerrin ihm ein paar Minuten später musikalisch den guten Rat gab, sich keine Sorgen zu machen und das Leben zu genießen, hatte Dex seine Probleme damit. Ich wünschte, das wäre so einfach, Bobby.
Die Fahrt über die Sixth Avenue verlief ruhig, größtenteils begleitet von Powerballaden und Electro-Popsongs aus einer Zeit, in der neonfarbenes Spandex, Schnauzbärte und Schulterpolster von der Flügelspannweite einer Boeing 747 der letzte Schrei gewesen waren. Dex wusste es zu schätzen, dass Pearce ihn seinen Gedanken überließ, statt es auf Small Talk anzulegen.
Irgendwie war es seltsam, bei Pearce im Auto zu sitzen. Sie hatten nie viel miteinander zu tun gehabt und sich im Büro meistens nur kurz gegrüßt, obwohl sie beide im Morddezernat im Sechsten Revier der HPF arbeiteten. Allerdings hatte Pearce sich nach dem Tod seines Bruders vor einem Jahr allgemein ziemlich zurückgezogen, was ihm niemand im Sechsten vorwarf. Dex hatte selbst einen jüngeren Bruder und konnte sich vorstellen, wie sehr der Verlust den armen Kerl getroffen haben musste.
Um diese Zeit war der Verkehr relativ erträglich, nur um den Tribeca Park und an ein paar Engstellen auf der Sixth Avenue kamen sie etwas langsamer voran. Keine zehn Minuten später erreichten sie die geschäftige Bleecker Street. Vielleicht konnte er Lou ja nachher überreden, ihm einen Burger und ein paar Pommes vom Five Guys an der Ecke zu holen. Es war gefährlich, einen solchen Laden in der Nähe zu haben.
Schließlich hielten sie vor dem eleganten Stadthaus, in dem Dex wohnte. Pearce wandte sich ihm lächelnd zu. »So, da wären wir.«
»Danke, dass du mich nicht schon unterwegs aus dem Auto geschmissen hast.« Dex schaltete das Radio aus.
»Ich muss zugeben, als Jefferson Starship lief, war ich kurz davor. Aber dann habe ich gesehen, dass du den Rhythmus mitklopfst, und du hattest dieses alberne Lächeln im Gesicht … Da habe ich es nicht übers Herz gebracht.« Dex schnaubte und lehnte sich im Sitz zurück. Er lächelte, als Pearce auflachte. »Du bist schon ein komischer Vogel.« Sein Lachen erstarb. Auf einmal wirkte er ein wenig verlegen. »Wollen wir irgendwann mal einen Kaffee trinken gehen?«
»Klar.« Dex gab sich Mühe, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen.
»Ich weiß, wir haben bisher kaum mehr als ein paar Worte miteinander geredet, aber du bist ein cooler Typ, Daley.« Er legte besorgt die Stirn in Falten. Dadurch wirkte er älter, als er tatsächlich war. Dex war nur wenige Jahre jünger als Pearce, doch in ihrem Job wurden die meisten vor der Zeit alt. »Sei vorsichtig. Ich fände …« Pearce brach die Stimme, und er räusperte sich. »Ich fände es furchtbar, wenn dir was passiert. Mein Bruder Gabe hat auch an das geglaubt, was er getan hat, und du weißt ja, was ihm das eingebracht hat.«
Dex runzelte die Stirn und versuchte, die Einzelheiten des Vorfalls zusammenzukriegen. Soweit er sich erinnerte, war es schlimm für Pearce gewesen, nicht selbst an dem Fall arbeiten zu dürfen. Aber da Gabe ein THIRDS-Agent gewesen war, lag er nicht in der Zuständigkeit der HPF.
»Ich dachte, der Typ, um den es damals ging, war ein menschlicher Informant?«
Pearce schüttelte den Kopf. »Er war zwar ein HPF-Informant, aber kein Mensch. Er war Therianer. Fast noch ein Kind.«
Mist. Pearces Bruder war von einem therianischen Informanten umgebracht worden, und dennoch hatte Pearce Dex geholfen. Obwohl er gegen seinen menschlichen Partner ausgesagt und sich damit auf die Seite eines jungen therianischen Mistkerls geschlagen hatte.
»Wie kommt es, dass du mir nicht die Fresse polierst?«
Tiefe Falten zeigten sich auf Pearces Gesicht. »Wenn dein Partner zugelassen hat, dass seine persönlichen Vorurteile sein Urteilsvermögen trüben, hat er bekommen, was er verdient hat. Ehrlich gesagt bewundere ich dich. Nicht jeder hätte die Eier gehabt, zu tun, was du getan hast. Was Gabe passiert ist … Das war was anderes.« Er seufzte. Die Sorge war ihm deutlich anzusehen. »Ich rate dir nur, auf dich aufzupassen. Da draußen sind eine Menge Fanatiker unterwegs, denen jede Ausrede recht ist, um Selbstjustiz zu verüben. Seit vor einigen Monaten der zweite HumaniTherian tot aufgefunden wurde, ist es noch schlimmer geworden. Ein paar Menschen wollen unbedingt Blut sehen.«
Da hatte Pearce durchaus recht. In den letzten sechs Monaten waren gleich zwei HumaniTherian-Aktivisten ermordet worden, und die Beweislage ließ einen therianischen Täter vermuten. Damit lag es bei den THIRDS, in dem Fall zu ermitteln. Obwohl die Behörde ihr Bestes gab, um die Bevölkerung zu beruhigen, braute sich ein Sturm zwischen Menschen und Therianern zusammen, der umso schlimmer ausfallen würde, wenn sie den Schuldigen nicht bald zu fassen bekamen. Dex’ Aussage gegen seinen Partner war zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt gekommen.
»Danke für die Warnung, Pearce.« Dex stieg aus und schlug die Tür hinter sich zu. Er machte einen Schritt zur Seite und winkte Pearce hinterher, als er davonfuhr.
Sobald er außer Sicht war, seufzte Dex erleichtert. Er liebte die ruhige, kleine, von Bäumen gesäumte Straße, in der sie lebten. Daher lag trotz der Schmerzen ein Lächeln auf seinem Gesicht, als er die Treppe zur Haustür hochstieg. Endlich zu Hause.
Er schob den Schlüssel ins Schloss, drehte ihn und stieß die Tür auf. Jedenfalls wollte er das, doch zu seiner Überraschung ertönte ein dumpfes Geräusch, und er konnte sie nur halb aufschieben. Was war denn jetzt wieder los?
Etwas Schweres stand vor der Tür. Mit einem frustrierten Grummeln stemmte er es beiseite und steckte vorsichtig den Kopf in den Flur. Er runzelte die Stirn, als er den großen, offenen Karton voller DVDs, CDs und anderer Gegenstände entdeckte, die sich eigentlich im Wohnzimmer befinden sollten. Im ersten Moment glaubte er schon an einen Einbruch, nur dass er noch nie von Dieben gehört hatte, die ihre Beute sorgsam in Luftpolsterfolie wickelten.
»Lou?« Dex zog die Tür hinter sich zu und ging hinüber ins Wohnzimmer. Ihm klappte der Mund auf. Es war praktisch leer. Überall auf dem Boden standen offene Kartons, manche voll, andere nur halb gefüllt. Von oben ertönte ein Knall, und Dex hastete immer zwei Stufen auf einmal nehmend in den ersten Stock.
»Babe?« Dex fand seinen Freund, mit dem er seit vier Jahren zusammen war, in ihrem Schlafzimmer, wo er gerade Schuhe in einen leeren Karton warf. »Was ist hier los?«
»Ich ziehe aus.«
Die Ankündigung traf Dex wie ein Fausthieb in den Magen. Ein Gefühl, das ihm in letzter Zeit allzu vertraut geworden war.
»Wie bitte?« Schnell bahnte er sich einen Weg durch den Hindernisparcours aus Kartons und herumliegenden Herrenhandtaschen, um seinen Freund an den Armen zu nehmen und zu sich umzudrehen. »Warte mal kurz, Schatz. Bitte, red mit mir.« Er machte Anstalten, Lou über die Wange zu streichen, doch der wandte den Kopf ab. Autsch. Noch ein Tiefschlag. Dex entschied, sich später mit dieser Zurückweisung auseinanderzusetzen, und konzentrierte sich darauf, herauszufinden, was los war. »Lou, bitte.«
»Die ewigen Anrufe, ständig klopfen Reporter an die Tür, und in den Nachrichten haben sie dich als Schande für deine Art bezeichnet. Ich kann das nicht mehr, Dex.«
Schuldgefühle erfassten Dex, und er ließ Lou los. Wie viele Opfer standen ihm noch ins Haus, nur weil er unbedingt »das Richtige« tun musste?
»Lass der Sache ein bisschen Zeit. Das vergeht auch wieder. Was, wenn wir eine Weile wegfahren, nur wir zwei, hm?«
Lou schüttelte den Kopf und machte sich erneut ans Packen. »Ich muss daran denken, wie es mit meinem Leben weitergehen soll. Ich habe jetzt schon ein halbes Dutzend Kunden verloren. Noch mehr kann ich mir nicht leisten.«
»Wir sind hier in New York, Lou. Wenn es hier an etwas nie fehlen wird, dann an Partys, die ein Catering brauchen. Wir haben fast September. Bevor du dich versiehst, ist Halloween, und du sitzt bis zu den Ohren in Gespenstern aus weißer Schokolade und Grabsteinen aus Eis und musst deinen Kunden erklären, warum es keine gute Idee ist, ihre Party auf einem echten Friedhof zu veranstalten.« Doch auch mit diesem leichtherzigen Vorstoß kam Dex nicht weiter. Die Lage war ernst.
Sicher, für die meisten Leute wären die vielen Kartons Hinweis genug gewesen. Aber Dex war nicht wie die meisten. Er weigerte sich, zu glauben, dass Lou ihn ausgerechnet dann verließ, wenn er ihn am dringendsten brauchte.
»Was ist mit mir? Bin ich nicht auch ein Teil deines Lebens?«
Zu Dex’ Bestürzung fiel Lou sofort über ihn her. Seine braungrünen Augen blitzten vor Wut. »Du hast deinen Partner ins Gefängnis geschickt!«
Unglaublich. Als wäre es nicht schlimm genug, dass er sich draußen von allen Seiten Vorwürfe anhören musste. Jetzt bekam er auch noch zu Hause Vorhaltungen gemacht? Dex hatte allmählich die Nase voll davon, wie ein Verbrecher behandelt zu werden.
»Nicht ich habe ihn ins Gefängnis geschickt, sondern die Beweise, die gegen ihn vorlagen. Er hat einem unbewaffneten Jugendlichen in den Rücken geschossen. Der Junge ist tot, verdammt noch mal! Und ich soll jetzt das Arschloch sein?« Er sah Lou in die Augen, suchte nach dem Mann, der ihn früher mitten in der Nacht aufgeweckt hatte, um ihm zu sagen, wie froh er war, bei ihm zu sein.
»Als würde der Typ dadurch wieder lebendig werden. Ganz zu schweigen von der Kleinigkeit, dass er ein Straftäter und ein Therianer war!«
Dex’ Ärger wurde von Entsetzen abgelöst. »Wow! Geht’s noch, Lou? Macht es das denn besser? Was ist mit Cael? Er ist auch Therianer. Mit ihm hast du doch auch nie ein Problem gehabt.«
Zumindest besaß Lou den Anstand, verlegen zu wirken. »Er gehört zur Familie. Da blieb mir ja keine Wahl.«
Das war Dex alles neu. Er liebte Cael und würde für nichts und niemanden je den Kontakt zu ihm abbrechen. Gleich zu Anfang ihrer Bekanntschaft hatte er Lou offen gesagt, dass sein Bruder ein Gepard-Therianer war, denn wenn ein Mann Cael nicht akzeptieren konnte, bedeutete das für ihn im Umkehrschluss, dass er auch Dex nicht akzeptierte.
»Wo kommt das denn auf einmal her? Seit wann hast du ein Problem mit Therianern?«
»Seitdem einer von ihnen mein Scheißleben ruiniert hat!« Lou warf so schwungvoll ein Paar Sneaker zu den anderen Schuhen, dass der Karton umkippte.
»Dein Leben?« Dieses Gespräch wurde mit jeder Sekunde verwirrender. Dex zeigte mit dem Finger auf sich selbst. »Hast du dir mal mein Gesicht angeschaut? Ich bin gerade im Parkhaus vermöbelt worden, danke für das Interesse. Wenn nicht zufällig ein Kollege vorbeigekommen wäre, läge ich jetzt vermutlich im Krankenhaus. Und weißt du, was das Schlimmste daran ist? Das waren keine x-beliebigen Schläger von der Straße. Das waren Cops, verdammt noch mal!« Dex hatte es sofort gewusst, sobald er ihre Aufmachung gesehen und die verräterische Ausbuchtung eines Knöchelholsters bei einem entdeckt hatte. Wahrscheinlich waren die Scheißkerle sogar bei der Verhandlung gewesen.
Lou warf frustriert die Arme hoch. »Nicht mal deine eigenen Kollegen wollen noch was mit dir zu tun haben, aber ich soll mich verhalten, als wäre nichts passiert? Dass ich alle ignoriere, die mich anstarren und sagen: ›Oh, guck mal, da ist der Freund von diesem Scheißkerl. Wohl auch so einer, der es mit LiberTherian hält.‹ Ich will keine Prügel beziehen, Dex.«
»Oh mein Gott, ist das dein Ernst?« Menschen liebten es, Begriffe wie »HumaniTherian« und »LiberTherian« als Beleidigungen einzusetzen. Nur weil er aus ganzem Herzen glaubte, dass Therianer und Menschen es verdienten, gleichbehandelt zu werden, stellte man ihn auf eine Stufe mit einem HumaniTherian-Aktivisten, auch wenn er nicht auf dem Rasen vor dem Weißen Haus herumhing, um zu demonstrieren. Damit konnte er leben. Aber deshalb war er noch lange kein Mitglied von LiberTherian. Er war schließlich kein Anarchist. Er arbeitete in der Strafverfolgung und hatte daher garantiert kein Problem mit Autorität, auch wenn er nicht gedankenlos jedem Befehl Folge leistete. Er hasste es, wenn man ihn in eine Schublade stecken und ihm ein entsprechendes Etikett an den Hintern kleben wollte. Als wäre die ganze Welt nur schwarz oder weiß.
Dex gab sein Bestes, um ruhig zu bleiben, obwohl sein Geduldsfaden kurz vorm Reißen war. Er nahm Lou an der Hand und zog ihn zu ihrem Kingsize-Bett. Lou ließ es zu, aber er weigerte sich, sich hinzusetzen oder ihm in die Augen zu sehen.
»Ist es dir wirklich so wichtig, was die Leute denken?«
Keine Antwort. Vermutlich konnte Dex es ihm nicht einmal vorwerfen. Die Situation war so verfahren, dass er selbst nicht mehr wusste, wo oben und unten war.
»Es geht nicht nur um den Prozess.«
Dex schluckte mühsam und fragte sich, welche Überraschungen Lou sonst noch für ihn in petto hatte. Sicher, sie stritten sich ab und zu, aber auch nicht häufiger als andere Paare. Wenn die Arbeit ihnen die Zeit ließ, hatten sie viel Spaß zusammen. Doch nun, da er darüber nachdachte, ging ihm auf, dass es schon eine Weile her war, dass sie einen gemeinsamen freien Tag gehabt hatten. Lou war beruflich genauso eingespannt gewesen wie Dex, aber keiner von ihnen hatte sich je darüber beklagt, dass sie nicht genug Zeit füreinander hatten. Vielleicht war das das Problem.
Aber dagegen konnte er etwas tun. Er könnte sich eine Weile freinehmen und mit Lou irgendwohin fahren, wo es schön war, vorzugsweise an einen Ort mit weißem Sandstrand und Cocktails. Zumindest glaubte er das, bevor er Lous Miene bemerkte.
Es war vorbei.
»Es tut mir leid. Ich kann das nicht mehr. Ich kann nicht immer zurückbleiben und hier bis Sonnenaufgang allein herumsitzen, während du dich bei jeder Gelegenheit in die erstbeste Schusslinie wirfst.« Lous Blick verriet, wie verletzt er war, und das befeuerte Dex’ Schuldgefühle.
»Das ist nun mal Teil meines Jobs«, erwiderte Dex leise. Der heutige Tag hatte ihn ausgelaugt. Wenn er ehrlich war, galt das gerade für sein gesamtes Leben.
»Es ist aber nicht dein Job, die ganze Welt zu retten. Du bist wie besessen. Und diese Besessenheit wird dich eines Tages umbringen. Du hast mir gesagt, dass du zur Polizei gegangen bist, weil du was verändern willst, genau wie dein Dad vor dir. Wenn du so weitermachst, wirst du allerdings genauso enden.«
In Dex’ Brust zog sich alles zusammen. »Sag das nicht.«
»Hast du vergessen, wofür HPF steht? Human Police Force! Deine Kollegen sind Menschen! Sie wollen die Dinge nicht sehen wie du. Okay, vielleicht ändert der eine oder andere seine Meinung, und wahrscheinlich denken ein paar auch jetzt schon wie du, aber nicht genug, um wirklich was zu bewegen. Was glaubst du wohl, warum die Regierung es für nötig gehalten hat, die THIRDS ins Leben zu rufen?«
»Was willst du von mir, Lou? Soll ich mich ändern? Geht es dir darum?« Flehend lehnte Dex sich nach vorn. »Das kann ich schaffen.«
Lou schüttelte den Kopf. »Du bist deine Arbeit, Dex. Ich kann nicht von dir erwarten, ein anderer zu sein. Aber ich möchte, dass du auf dich aufpasst. Und bitte, ruf mich nicht an, und tauch auch nicht bei mir auf der Arbeit auf.« Lou zog seine Hand zurück. Widerwillig ließ Dex sie los. »Morgen, während du Dienst hast, kommt ein Umzugsunternehmen vorbei und holt meine restlichen Sachen ab.«
»Was so ziemlich alles im Haus sein dürfte«, murmelte Dex und sah sich im nahezu leeren Zimmer um. Dabei war er sich relativ sicher, dass Lou ihm das eine oder andere dalassen würde, zum Beispiel das Bett.
»Was meinst du wohl, woran das liegt, Dex? Du warst ja nie da. Ich war derjenige, der ein Zuhause daraus gemacht hat.«
Die Worte brachen Dex das Herz. Tonlos fragte er: »War ich denn wirklich so furchtbar?«
Lou trat zu ihm und küsste ihn sanft auf die Wange. »Du bist ein toller Kerl, Dex. Wir hatten viel Spaß, und du warst gut zu mir, aber wir passen nicht zusammen. Wenn es nicht jetzt passiert wäre, dann irgendwann anders.« Er strich Dex durch die Haare. Die Geste war so zärtlich, dass sich ihm die Kehle zuschnürte.
Dex rückte nach vorn, schlang die Arme um Lous Taille und drückte ihn an sich. Seine Wange lag an Lous Brust. »Bitte, geh nicht.«
»Es tut mir leid«, gab Lou heiser zurück, bevor er sich ihm entzog. »Ich werfe den Schlüssel in den Briefkasten.«
Dex nickte und ließ sich rückwärts aufs Bett fallen. Sein Körper fühlte sich bleischwer an, und alles tat ihm weh, sowohl innerlich als auch äußerlich. Er war so erschöpft, dass er nichts anderes zustande brachte, als hier zu liegen und zu hoffen, dass das Bett ihn verschluckte.
»Es tut mir leid, Dex. Wirklich.«
»Mir auch«, murmelte Dex leise.
Ein paar Minuten später hörte er die Haustür zufallen. Er zuckte zusammen. Dann rieb er sich kurz die brennenden Augen, bevor er die Hand kraftlos wieder aufs Bett sinken ließ. Er sollte aufstehen und duschen. Stattdessen lag er reglos da und starrte an die weiße Decke. In seiner Tasche vibrierte das Handy. Er ignorierte es und schloss die Augen. Gleich darauf schrillte unten das Festnetztelefon und entlockte ihm ein leises Stöhnen. Wahrscheinlich sein Dad.
Der Anrufbeantworter sprang an, und eine zuckersüße Stimme, die eindeutig nicht seinem Dad gehörte, zirpte: »Mr Daley, wir möchten Sie höflich daran erinnern, dass Sie Ihren Mietwagen bis sechs Uhr zurückbringen sollten. Falls Sie das nicht schaffen, müssen wir Ihre Kreditkarte leider mit einer weiteren Tagesmiete belasten. Wir bedanken uns, dass Sie sich für Aisa Rentals entschieden haben, und wünschen Ihnen noch einen angenehmen Abend.«
Dex warf einen Blick auf die Armbanduhr.
Eine Minute vor sechs.
Ich hasse mein Leben.
***
Dex’ Woche war auf dem besten Weg, sich in eine einzige Katastrophe zu verwandeln. Dabei war er davon ausgegangen, dass es nicht mehr schlimmer werden konnte. Schließlich war der letzte Monat auch so schon ein ziemliches Brett gewesen, was Scheiß-die-Wand-an-Momente anging. Genau genommen war sein zweiwöchiger Urlaub so grässlich gewesen, dass er es nicht erwarten konnte, wieder zur Arbeit zu gehen.
Ach Dex, was bist du naiv.
Es konnte nur besser werden.
War es nicht genau das, was er sich heute Morgen gesagt hatte? Na ja, genau genommen war das eine Zeile des Songs, den er heute Morgen auf dem Weg zur Arbeit gehört hatte. Das war das letzte Mal, dass er sich von einem Achtzigerjahre-Song hatte aufmuntern lassen. Bei der nächsten Gelegenheit würde er Retro Radio aus der Senderliste werfen. Jedenfalls, falls er bis zum Ende seiner Schicht noch weit genug bei sich war, um die glänzenden, leuchtenden Knöpfe am Armaturenbrett seines Autos zu bedienen. Es geht doch nichts über einen guten, alten Tritt in den Hintern am ersten Morgen nach dem Urlaub.
Natürlich hatte Dex erwartet, dass ihm einiges an Ärger und Feindseligkeit entgegenschlagen würde. Die bösen Blicke, dass man ihm in der Umkleide oder an ähnlich vollen Orten einen Schubs mitgab, der Papierkram auf seinem Schreibtisch, der sich höher stapelte als das Toilettenpapier im Lager, die Hundespielzeuge und Gummimäuse, die sich auf einmal in seinen Schubladen wiederfanden – mit all dem hatte er gerechnet. Das machte es nicht weniger unangenehm, aber trotzdem. Doch damit, dass man ihn auf höchst freundliche Weise ab und zu zusammenschlug? Eher nicht.
»Taschentuch?«
Mit einem dankbaren Nicken nahm Dex das Papiertaschentuch entgegen, das Captain McGrier ihm angeboten hatte, und tupfte sich die aufgeplatzte Lippe ab. Er saß mit herabhängenden Schultern da und tastete mit der Zunge eine wunde Stelle in seinem Mund ab, auf die er sich nach dem ersten Schlag gebissen hatte. Ihm tat alles weh, und sein Kopf brachte ihn fast um, aber er war sich ziemlich sicher, dass er keine Gehirnerschütterung hatte.
»Wo haben sie Sie dieses Mal erwischt?« McGrier zog die buschigen weißen Augenbrauen auf eine Weise zusammen, die so gut wie alles bedeuten konnte. Angefangen bei Ich hoffe, Anne macht heute nicht schon wieder Hackbraten bis Ich denke ernsthaft darüber nach, dir selbst eine runterzuhauen. Als Mann, der nur einen einzigen Gesichtsausdruck hatte, war er wirklich schwer zu lesen.
»Beweismittelraum«, antwortete Dex. Da er genau wusste, was McGrier als Nächstes fragen würde, wartete er gar nicht erst ab, bevor er fortfuhr: »Und nein, ich habe nicht gesehen, wer es war.«
Peterson, Johnson, Malone, Rodriguez und der Typ aus der IT mit dem Iro und dem ganzen Metall im Gesicht. Wie heißt der noch? Nick? Ned? Ned. Ned, der Mistkerl.
Natürlich hatte er genau gesehen, wer alles dabei gewesen war, und sie wussten es beide. Aber Dex würde seine Kameraden nicht ans Messer liefern, auch wenn besagte Kameraden ihn erst vor ein paar Minuten in einem abgelegenen Beweismittelraum auf links gezogen hatten. Verdammt. Wie war er nur zum meistgehassten Kollegen auf dem Revier geworden? Selbst Bill – der Kerl, der den anderen immer das Mittagessen aus dem Kühlschrank stibitzte – war weniger unbeliebt als er.
McGrier seufzte schwer. Sein Stuhl kreischte protestierend, als er sich mit seinem ganzen Gewicht nach hinten lehnte. »Sie sind ein verflucht guter Detective, Daley. Aber das ändert nichts daran, dass es so nicht weitergehen kann.«
»Was Sie nicht sagen«, knurrte Dex. »Ich habe letzten Monat dreimal so viel für die chemische Reinigung ausgegeben wie sonst.«
»Sie sind der einzige Detective, den ich kenne, der bei der Arbeit rumläuft, als wäre er einem Modemagazin für Männer entsprungen. Was zum Teufel ist das für ein Zeug in Ihren Haaren?«
Automatisch tastete Dex nach seinen sorgsam zurechtgezupften Strähnen. »Styling-Gel.«
McGrier beugte sich nach vorn und schnüffelte. »Und was ist das für ein Geruch?«
»Zitronenminze«, murmelte Dex und lehnte sich nach hinten. »Nur zur Information: Was Sie da machen, ist gruselig.«
»Nur zur Information: Ihnen ist schon noch klar, dass Sie in der Mordermittlung arbeiten, oder?«
»Was wollen Sie damit sagen?« Nur weil er sich vollkommen überrollt fühlte, musste er ja nicht auch noch so aussehen. Aber wenn er sich im Büro des Captains umschaute, durfte er ziemlich sicher davon ausgehen, dass McGrier anderer Meinung war. Es war, als hätte sein Vorgesetzter eine Abneigung gegen jegliche Form von Ordnung. Wann immer McGrier ihn in sein Büro rief, versuchte Dex, in der Nähe der Tür zu bleiben und diesen Geburtsort allen Chaos nicht zu betreten. Der Raum war der schlimmste Albtraum eines jeden Reinlichkeitsfanatikers. Dex’ schlimmster Albtraum.
Die Blätter des Plastikfarns auf dem vollkommen überfüllten Regal sanken unter dem Gewicht der Staubschicht fast in sich zusammen. Überall ragten gefährlich schiefe Aktenstapel auf, aus denen einzelne Zettel herauslugten. Auf sämtlichen Oberflächen lagen lose Blätter. Zum Beispiel auf den Archivkartons an der Seitenwand und auf McGriers Schreibtisch unter den drei Kaffeetassen, die so verkrustet waren, dass man sie wahrscheinlich nur noch verbrennen konnte. Andererseits würden sie angesichts der dünnen, teerartigen Schicht, die der Kaffee ganz unten gebildet hatte, wahrscheinlich explodieren. Wie konnte man so arbeiten? Hier konnte eigentlich nur noch ein Tatortreiniger helfen.
»Sie essen an Ihrem Schreibtisch Käseflips«, merkte McGrier an.
Wie waren sie denn jetzt von Haargel zu Knabberkram gekommen? »He, nichts gegen meine Käseflips. Sie essen dafür immer Pistazien, was übrigens eine viel größere Schweinerei hinterlässt, und darüber beschwere ich mich auch nicht.« Dex deutete zu dem Schlachtfeld aus winzigen Schalen auf McGriers Schreibtisch.
»Käseflips sind was für Kinder. Erwachsene Männer stehen auf Nüsse.« Dex zog eine Augenbraue hoch und öffnete den Mund, doch McGrier zeigte mit dem Finger auf ihn. »Denken Sie nicht mal daran, zu sagen, was Sie gerade denken, Sie Klugscheißer.«
»Ich wollte nur sagen, dass auch erwachsene Männer durchaus Käseflips essen. Deswegen steht ja auch auf den Packungen, wie extrem käsig sie sind. Mit Feuer und Bomben dabei. Was ist schon männlicher als Explosionen?« McGrier presste die Lippen zusammen. Eine Geste, die Dex inzwischen als Missbilligung zu interpretieren verstand, daher wurde er lieber kurz ernst. »In Ordnung, Sir. Sie haben mich doch sicher nicht in Ihr Büro bestellt, um mit mir über meine Garderobe, Käseflips oder mein Verhältnis zu Nüssen zu reden.« Na gut, er hatte es versucht. McGriers düsterer Miene nach hatte er versagt. »Schon gut, tut mir leid. Sagen Sie mir einfach, worum es geht.«
»Ich glaube, das wissen Sie.«
Dex fiel nicht mal eine freche Entgegnung ein. »Ja, ich weiß. Um das, was ich hätte tun sollen, nehme ich an.« Darauf würde McGrier garantiert nicht antworten, aber Dex spielte dieses »Hätte, wäre, wenn«-Spiel gern ab und zu mit sich selbst.
»Sie haben getan, was Sie für richtig gehalten haben. Sie sollten aufhören, sich deshalb zu bestrafen.«
Wenn Dex nicht gewusst hätte, dass McGrier nicht den geringsten Sinn für Humor hatte, hätte er glatt gedacht, der Captain würde versuchen, witzig zu sein. »Warum sollte ich mich auch selbst bestrafen, wenn es so viele Leute gibt, die mir das gern abnehmen?«
McGrier war von seiner Antwort nicht begeistert, aber das war kaum eine Überraschung. »Ich weiß, dass Sie sich gerade ziemlich beschissen fühlen, und ich fürchte, was ich Ihnen zu sagen habe, wird es nicht besser machen.«
Damit hatte er Dex’ Aufmerksamkeit gewonnen. Er setzte sich auf. Übelkeit stieg in ihm hoch. Im Stillen hatte er auf diesen Moment gewartet, aber nun, da es so weit war, war er nicht so gut darauf vorbereitet wie erhofft. »Worum geht es?«
»Der Polizeichef ist nicht sehr glücklich darüber, dass die HPF in diesen Mist hineingezogen wurde, schon gar nicht, da die HumaniTherian-Morde immer noch nicht aufgeklärt sind. Man hat mich gebeten, Ihnen auszurichten, dass es für Sie Zeit ist, weiterzuziehen.«
»Weiterziehen? Wohin denn?« Die Bürohengste wollten ihn rausschmeißen? Dex sprang so hastig auf, dass sein Stuhl umkippte. »Darum geht es also? Um Wählerstimmen? Ich habe mir hier zehn Jahre lang den Arsch aufgerissen und der HPF alles gegeben, was ich hatte. Und jetzt nehmen die mir meinen verdammten Job weg?« Er knallte die Hände auf den Tisch, sodass die winzigen Pistazienschalen in sämtliche Richtungen davonflogen. »Das ist das Letzte, Cap!«
»Daley«, sagte McGrier gelassen. Er verzog die Augenbrauen zu einer geraden Linie, als hätte er keine Ahnung, warum Dex so aus der Hose sprang. Aber Dex war egal, was der Captain von seinem Benehmen hielt. Sie sprachen hier von seiner Karriere, die ein paar Bürokraten-Arschlöcher mal eben, ohne mit der Wimper zu zucken, über den Jordan schicken wollten, nur damit sie bei der nächsten Wahl besser dastanden.
»Das werde ich auf keinen Fall hinnehmen. Haben Sie mich verstanden? Ich habe hier ja schon ein paar abgefahrene Geschichten miterlebt, aber das …«
»Niemand nimmt Ihnen den Job weg. Man will Sie befördern. Quasi.«
»Ich … Was?« Dex blinzelte ein paarmal und versuchte, die Worte zu begreifen, die gerade zwischen McGriers Lippen herausgekommen waren. »Was soll das heißen, man will mich quasi befördern?« Jetzt war er endgültig verwirrt.
»Genau das, was ich gesagt habe. Warum setzen Sie sich nicht wieder hin und beruhigen sich, bevor Sie noch einen Schlaganfall bekommen oder so.«
Nachdem Dex seinen Stuhl wieder aufgerichtet hatte, nahm er Platz. Nicht, weil man es ihm befohlen hatte, sondern weil er Angst hatte, am Ende wirklich noch einen Schlaganfall zu bekommen. »Ich soll also befördert werden. Und zwar zum …?«
Hier bitte die richtige Antwort einfügen.
»Vielleicht sollte ich es lieber als Rekrutierung bezeichnen.« McGrier ließ ihn nicht aus den Augen.
Erwartete sein Captain wirklich eine Reaktion von ihm, die über »Hä?« hinausging?
»Hä?«
»Von diesem Nachmittag an sind Sie Agent bei den THIRDS.« McGrier verstummte.
Dex konnte nicht anders: Er erwartete halb, dass der Captain die Arme in die Luft warf, »Ta-da!« rief und dazu mit den Händen wedelte.
Was war hier los? Er hätte es verstanden, wenn man ihm mitgeteilt hätte, dass man ihn in ein anderes Revier versetzen wollte. Dasselbe galt für eine etwaige Zurückstufung. Oh Mann, er hätte es sogar verstanden, wenn man ihn rausgeworfen hätte, aber dass man ihn zu den THIRDS schickte? Nein. Das verstand er beim besten Willen nicht. Schon gar nicht, da er sich nie bei den THIRDS beworben hatte, was er in letzter Zeit mehr als einmal erklärt hatte.
»Aber … wie kann das sein? Und wieso? Können Sie mir das vielleicht erklären? Ich bin heute anscheinend ein bisschen langsam. Hab womöglich einen Tritt zu viel gegen den Kopf bekommen.«
McGrier stand auf und begann, im Raum auf und ab zu gehen. »Daley, was immer Sie auch glauben, ich mag Sie. Sie sind ein ehrlicher junger Mann mit einem klugen Kopf auf den Schultern. Sie waren ein verflucht guter Cop und hinterher ein noch besserer Detective. Vielleicht beruhigt sich die Lage hier vor Ort, vielleicht auch nicht. Aber ich denke, Ihre Fähigkeiten sind bei einer Organisation mit einer anderen Vorgehensweise besser aufgehoben. Wir wissen beide, wie der Hase läuft: Wenn man Sie feuert oder zurückstuft, verlieren die zuständigen Politiker die Stimmen der Therianer. Aber wenn man Sie befördert und an eine Behörde überstellt, die dafür bekannt ist, sowohl für die Menschen als auch die Therianer einzustehen, haben alle gewonnen.«
»Ja, wenn ich mich je bei den THIRDS beworben hätte, was ich aber nicht habe. Jetzt haben alle gewonnen, nur ich guck in die Röhre.«
McGrier ignorierte Dex’ Einwurf. »Ich habe mich während Ihres Urlaubs mit Lieutenant Sparks unterhalten. Sie hat eine freie Stelle in ihrem Team. Die Tatsache, dass Sie damals den Ausbildungskurs als Klassenbester abgeschlossen haben und dass Sergeant Maddock ein gutes Wort für Sie eingelegt hat, macht Sie zum perfekten Kandidaten. Sie wissen doch selbst, dass Maddock schon immer wollte, dass Sie mit ihm und Ihrem Bruder zusammenarbeiten. Und die THIRDS sind die einzige Organisation, die ich kenne, bei der es gestattet ist, dass Familienmitglieder in einem Team sind. Warum sollten Sie das nicht ausnutzen?«
Dex’ Mund bewegte sich, aber er brachte keinen Laut hervor. Daher schloss er ihn lieber wieder. Vielleicht hatte er ja doch eine Gehirnerschütterung. Vielleicht lag er im Krankenhaus, war bis zum Anschlag mit Medikamenten vollgepumpt und träumte nur davon, von der ›Therian Human Intelligence Recon Defense Squadron‹ rekrutiert zu werden. Gott, die Regierung hatte wirklich was für sperrige Namen und entsprechende Abkürzungen übrig. Wahrscheinlich hatte sich irgendein ihrer Bürohengste vor Freude in die Hose gemacht, als ihm dieser Titel eingefallen war.
Das Sechste Revier war in den vergangenen zehn Jahren Dex’ Zuhause gewesen. Sie waren hier wie eine Familie. Andererseits hatte seine »Familie« ihn im Laufe der letzten Monate praktisch enterbt.
Sollte er wirklich bleiben, obwohl man ihn hier nicht mehr haben wollte? Man hatte ihn schon zweimal zusammengeschlagen. Wenn das nicht hieß, dass er sich lieber verpissen sollte, wusste er es auch nicht.
McGrier hatte recht. Gut möglich, dass sich die Situation mit der Zeit beruhigte, aber vielleicht wurde es schlimmer. Derzeit reichte schon seine Anwesenheit, um für Unruhe im Revier zu sorgen, und die Mistkerle, die es auf ihn abgesehen hatten, zwangen alle Übrigen, sich für eine Seite zu entscheiden. Er könnte einer Menge toller Kollegen viel Ärger ersparen, wenn er sich auf die Beförderung einließ. Nicht, dass ihm groß eine andere Wahl blieb.
Letztendlich ging es nur noch darum, wie leise er seinen Abgang gestaltete. Er sollte dankbar dafür sein, dass man ihm eine solche Chance bot. Da draußen gab es Officers, die freiwillig die Toiletten schrubben würden, wenn sie im Gegenzug bei den THIRDS einen Fuß in die Tür bekommen würden. Außerdem konnte Dex so mit seiner echten Familie zusammenarbeiten. Aber deshalb fiel es ihm nicht leichter, seinen bisherigen Job hinter sich zu lassen. Er war das einzige Vertraute, das ihm geblieben war. Er war einer der besten Mordermittler des Sechsten Reviers – gewesen – und hatte wirklich hart gearbeitet, um an diesen Punkt zu gelangen. Natürlich war inzwischen ziemlich offensichtlich, dass seine Karriere Geschichte war. Schließlich saß er nicht umsonst mit einem Taschentuch an der blutenden Lippe bei McGrier im Büro.
Er seufzte resigniert. »Okay. Wann fange ich an?«
Sein Captain nickte grimmig und nahm wieder Platz. »Am 23. September. Ihre neuen Vorgesetzten geben Ihnen eine Woche, damit Sie sich mit den Spielregeln und Vorschriften vertraut machen können, bevor Sie loslegen.«
Es klopfte. Dex legte den Kopf in den Nacken, um den Detective mit den hellen Haaren an der Tür besser zu sehen. Oh, es war Pearce. Sein Ritter in glänzender Rüstung. Einer der wenigen, die es nicht für nötig gehalten hatten, ihre Meinung über Dex’ sogenannten Verrat kundzutun.
Als Pearce ihn bemerkte, lächelte er. »Hey, Daley.«
»Pearce.« Dex erwiderte das Lächeln. Zu schade, dass er ging. Er konnte sich gut vorstellen, mit Pearce abzuhängen, bei einem Stück Pizza zu quatschen und an einem freien Sonntagnachmittag ein paar Bier miteinander zu trinken.
»Sie wollten mich sprechen, Sir?«
»Ja. Daley verlässt uns. Die THIRDS haben ihn angefordert.«
Von einer Sekunde zur nächsten schien jeglicher Sauerstoff aus dem Raum verschwunden zu sein. Dex sah von Pearce zum Captain und wieder zurück. Immer in der Hoffnung auf einen Hinweis, warum sich die Atmosphäre urplötzlich verändert hatte.
»Welches Team?«, fragte Pearce leise.
McGrier rutschte tatsächlich auf seinem Stuhl herum, bevor er sich räusperte. »Destructive Delta.«
Pearce erstarrte und sein Kiefer war so angespannt, dass es aussah, als würde er sich jeden Moment einen Zahn ausbeißen. Auf einmal fiel Dex Pearces Bruder ein und er betete darum, nicht so viel Pech zu haben. Die THIRDS waren riesig. Wie wahrscheinlich war es da, dass er im ehemaligen Team von Agent Gabe Pearce landete?
Scheiße. Er sollte Gabe ersetzen, richtig?
Dex sah Pearce an. »Dasselbe Team?«
Pearce nickte kaum merklich. Seine Lippen bildeten eine schmale Linie.
Na toll, wenn das mal nicht unangenehm war. Niemand wollte derjenige sein, der ein totes Teammitglied ersetzte. Dex hasste Altlasten, und jetzt stand ihm eine Partnerschaft bevor, die genug davon mitbrachte, um ein ganzes Flughafenterminal zu füllen. Sein neuer Partner hatte wahrscheinlich tausend Erwartungen an ihn, dabei kannten sie sich noch nicht mal.
Howard Jones hatte in seinem Song gelogen. Es wurde überhaupt nichts besser. Eigentlich wurde alles immer nur schlimmer.
»Gratuliere.« Pearce schaffte es kaum, die Silben über die Lippen zu bringen.
»Danke«, murmelte Dex.
»Weißt du schon, wer dein neuer Partner sein wird?« Pearce klang viel gelassener, als er sich wahrscheinlich fühlte. Dex konnte ihm nicht vorwerfen, dass er sich bemühte, sich nichts anmerken zu lassen.
»Nein. Äh, das Ganze ist eine ziemliche Überraschung für mich.«
Pearce nickte und wandte sich wieder an den Captain.
»Pearce, Sie nehmen Dex’ Platz ein, bis wir alles neu sortiert haben. Warum bringen Sie ihn nicht raus zu seinem Auto? Dex, wir schicken Ihre Sachen zusammen mit dem Papierkram ins THIRDS-Hauptquartier.«
Mit anderen Worten: Der Captain wollte nicht, dass Dex noch mal verprügelt wurde, da er jetzt Teil einer angesehenen Eliteeinheit war. Und solange Pearce bei ihm war, standen die Chancen gut, dass Dex es in einem Stück aus dem Gebäude schaffte. Was für ein Glück.