Herrschaftszeiten - Johann-Philipp Spiegelfeld - E-Book

Herrschaftszeiten E-Book

Johann-Philipp Spiegelfeld

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Beschreibung

»Der Graf ist immer im Dienst!« Johannes Waldburg-Zeil, Schloss Rohrau Die TV-Serie »Herrschaftszeiten – Johann-Philipps Schlossbesuche« hat sich schlagartig in den Olymp der österreichischen Fernsehlandschaft katapultiert. Ein Quotenerfolg jagte den nächsten, und so ist es Moderator Johann-Philipp Spiegelfeld sowie Erfinder und Regisseur Martin S. Pusch ein Herzensanliegen, nun auch die Spitze der Bestsellerlisten zu erklimmen. Als Nachlese der ersten drei Staffeln darf dieses künftige Standardwerk der österreichischen Schlösserkunde in keiner Schloss- oder Privatbibliothek fehlen. Von Niederösterreich bis Tirol erfahren Sie Wissenswertes über alle bisher porträtieren 17 Schlösser, deren Bewohnerinnen und Bewohner, lustige Anekdoten, Hoppalas vom Dreh sowie die besten Sager und Sprüche aus der Sendung.

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Seitenzahl: 316

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Aufgezeichnet vonJohann-Philipp Spiegelfeld & Martin S. Pusch

Mit 102 Abbildungen

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Das Buch zur Serie »Herrschaftszeiten – Johann-Philipps Schlossbesuche«, ausgestrahlt auf ORF2, produziert von Interspot Film

© 2024 by Amalthea Signum Verlag GmbH, Wien

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung und Satz: Anna Haerdtl und Barbara Reiter, Bureau A/O

Lektorat: Madeleine Pichler

ISBN 978-3-99050-271-6

eISBN 978-3-903441-30-9

INHALT

Prolog

ERSTE STAFFEL

Schloss Tratzberg

Burg Bernstein

Schloss Kornberg

Riegersburg

Schloss Greillenstein

Schloss Grafenegg

Burg Clam

ZWEITE STAFFEL

Schloss Rohrau

Schloss Neudau

Schloss Altenhof

Kaiservilla Bad Ischl

Schloss Scharnstein

DRITTE STAFFEL

Schloss Litschau

Schloss Hollenburg

Schloss Birkenstein

Schloss Kapfenstein

Schloss Schenna

Epilog

Bildnachweis

Anmerkungen

Die Autoren

PROLOG

Hallo und herzlich willkommen zu Herrschaftszeiten. Ich bin Johann-Philipp Spiegelfeld, und vor Ihnen liegt das Buch zur Serie.

Serienschöpfer und Regisseur Martin S. Pusch und ich wollen Sie mitnehmen auf eine rasante Reise durch die Vergangenheit bis in die Gegenwart von einigen der schönsten Schlösser und Burgen Österreichs.

Unzählige Sagen ranken sich um die Schlösser, Burgen und sonstigen Herrschaftssitze unseres Landes. Und wahrscheinlich ebenso viele Vorurteile existieren über die Menschen, die den steinernen Bauwerken Leben einhauchen. Sie seien abgehoben, leben in einer anderen Zeit und noch vieles mehr. Wir wollen nichts vorwegnehmen, und schon gar nicht wollen wir irgendjemanden in Schutz nehmen, aber wir können Sie beruhigen: Es sind ganz normale Menschen. Sie haben die gleichen Probleme wie wir, nur dass diese oft – proportional zu den zu erhaltenden Quadratmetern und den fußballfeldgroßen Dachflächen – deutlich größer sind.

Viele der Gebäude und Familien existieren seit Jahrhunderten und können auf eine lange Geschichte zurückblicken. Und so richtig hautnah lässt sich diese Geschichte beim Besuch der prächtigen Schlösser und Burgen erleben: Die steinernen Zeugen einer längst vergangenen Zeit sind einzigartige Meisterwerke und wurden von den besten Architekten und Künstlern ihrer Zeit entworfen. Bewohnt hat diese »Kunstwerke« einst der Adel. »Adel« ist nach wie vor ein Synonym für finanziellen Wohlstand und Luxus. Aber es gab und gibt auch Schattenseiten.

Wer sind diese Menschen, die einer ausgestorbenen Spezies angehören, die in steinernen Trutzburgen leben, und was sind ihre Sorgen? Hinter den majestätischen Fassaden verbirgt sich oft eine andere Realität – nämlich die alltäglichen Herausforderungen des Schlosslebens. Wie heizt man eine Burg? Wie putzt man Hunderte Fenster eines großen Schlosses? Wie lange hält das Dach noch? Wer hat das Hausrecht, die Mäuse oder die Schlossleute?

All diese Themen und Fragestellungen waren der Beginn unserer Reise, die in der Fernsehserie Herrschaftszeiten – Johann-Philipps Schlossbesuche ihren Niederschlag gefunden hat.

Und nun ist es hier, das Buch zur Serie.

Wir möchten Ihnen auf den folgenden Seiten die Schlösser, die wir bisher, in den ersten drei Staffeln, besucht haben, noch einmal präsentieren. Wir tauchen mit ihnen ein wenig tiefer in die Geschichte der Schlösser und Familien ein. Mithilfe der jeweiligen Familien haben wir deren Hauschroniken aufgearbeitet und die interessantesten Details für Sie ausfindig gemacht. Oft sind wir in verschiedenen Quellen auf unterschiedliche Jahreszahlen zu ein und demselben Ereignis gestoßen, in solchen Fällen haben wir uns entschieden, die Informationen der Schlossleute zu übernehmen.

Natürlich wollen wir Ihnen auch einen kleinen Blick hinter die Kulissen der Dreharbeiten gewähren, damit Sie sehen, wer die Menschen sind, die diese tolle Sendung schaffen.

Lassen Sie uns eintauchen in die Geschichte und die Geschichten von einigen der schönsten Schlösser und Burgen Österreichs.

Wir wünschen Ihnen eine unterhaltsame Lektüre.

Johann-Philipp Spiegelfeld & Martin S. Pusch

Schloss

TRATZBERG

Liegt 5 km südwestlich von Jenbach/Tirol

Wurde 1296 erstmals urkundlich erwähnt

Hat 90 Zimmer auf 6600 m2

Seit 1847 im Besitz der Familie Enzenberg

Führungen/Events

schloss-tratzberg.at

Wer schon einmal mit dem Auto nach Innsbruck gefahren ist, der kennt es: Schloss Tratzberg. Majestätisch thront es an den steilen Hängen des Inntals, eines der schönsten Schlösser der Region, wenn nicht auch über die Grenzen des Inntals hinaus. In voller Pracht steht dieses Juwel hoch über dem Talboden. Kaum vorstellbar, dass sich vor 500 Jahren an der Stelle lediglich eine kleine Trutzburg befand.

Schloss Tratzberg kann auf eine mehr als bewegte Geschichte zurückblicken. Heute ist Tratzberg noch immer in Privatbesitz und wird von seinem Eigentümer Ulrich Goëss-Enzenberg und seiner Familie auch bewohnt.

Erstmals wurde Tratzberg Ende des 13. Jahrhunderts urkundlich erwähnt. Als Grenzfeste hatte es die Aufgabe, das Inntal gegen Bayern abzusichern. In den folgenden knapp 200 Jahren wechselte Tratzberg oft die Besitzer. Auch Kaiser Maximilian I. reihte sich in die Liste der Eigentümer ein. Die Burg soll um das Jahr 1492 völlig abgebrannt sein. Anstatt Tratzberg wieder aufzubauen, tauschte er es gegen ein anderes Schloss, sodass Tratzberg in den Besitz der schwerreichen Silberbergwerksbesitzer Tänzel kam.

Veit-Jakob und Simon Tänzel ließen ab 1500 einen spätgotischen Trakt errichten, welcher besonders prunkvoll ausgestaltet wurde. In der Mitte des 16. Jahrhunderts sollen sie leichtfüßig in finanzielle Schwierigkeiten getänzelt sein. Über einen engen Vertrauten König Ferdinands I., Mathias Manlich, ging Tratzberg schließlich an den wohlhabenden Augsburger Kaufmann Georg Ritter von Ilsung. Jener Kaufmann scheint ein wahres Talent in DKT gewesen zu sein, denn er war es, der Tratzberg den Geist der Renaissance einhauchte. Unter seiner Ägide bekam das Schloss den heutigen viereckigen Grundriss.

Im Erbgang gelangte Tratzberg anschließend an eine ebenfalls aus Augsburg stammende, ebenfalls nicht ganz arme, vor allem aber bis heute berühmte Kaufmannsfamilie: die Fugger. Bauarbeiten nahmen die Fugger nicht vor, dafür kauften sie sämtliche Einrichtungshäuser im Inntal leer, um das Schloss mit den schönsten Möbeln ausstatten zu lassen, die es zum Teil noch heute zieren. Auch der prachtvoll ausgemalte Innenhof ist den Fuggern zuzuschreiben.

Tratzberg ist unbestritten eines der prächtigsten Schlösser nördlich der Alpen, wobei besonders die Inneneinrichtung hervorsticht. Es wurde in der Übergangszeit von der Gotik zur Renaissance errichtet, wodurch man in seinem Inneren beide Baustile bewundern kann.

Nach mehreren Besitzerwechseln in der Folgezeit war Tratzberg über einen längeren Zeitraum unbewohnt. Oft nahm das Schloss auch Schaden, wie zum Beispiel durch Lawinen oder Beschädigungen durch diverse Kriege und Aufstände.

Schließlich erwarb im Jahr 1731 Josef Ignaz Reichsfreiherr von Tannenberg die Herrschaft Tratzberg. 1809 wüteten noch einmal die mit Napoleon verbündeten Bayern und Sachsen in Tratzberg, und es kam, wie kann es anders sein, wieder zu umfangreichen Schäden.

1847 gelangte das ziemlich devastierte Schloss schließlich in den Besitz der Grafen Enzenberg, als Franz III. Graf Enzenberg Gräfin Ottilia von Tannenberg ehelichte. Er ließ Tratzberg bis 1879 wieder aufbauen, sodass es in seinem Glanz bis heute über dem Inntal erstrahlen kann. Franz’ Nachkommen besitzen und bewohnen das Schloss seit dieser Zeit. Der aktuelle Besitzer Ulrich Goëss-Enzenberg trägt den Namen von zwei historisch sehr bedeutenden Familien: Das ursprünglich aus Portugal stammende Geschlecht der Grafen Goëss bekleidete früher wichtige politische Ämter. Dies war dessen enger Verbundenheit mit dem Kaiserhaus geschuldet. So war es zum Beispiel Johann Graf Goëss, der als enger Berater Kaiser Leopolds I. den Friedensvertrag von Konstantinopel aushandelte. Drei weitere Grafen Goëss wirkten unter anderem als Landeshauptmänner von Kärnten.

Die Grafen Enzenberg waren eine ebenso einflussreiche Familie ihrer Zeit. Franz Enzenberg, ein Patensohn und Vertrauter von Kaiserin Maria Theresia, schaffte es zum Beispiel im Jahre 1797 in Verhandlungen mit Napoleon Bonaparte, die Zerstörung und Plünderung Kärntens zu verhindern.

Ulrich Goëss-Enzenberg ist durch seine Großmutter, Gräfin Marie von Meran, selbst Nachkomme von Maria Theresia. Ulrichs Mutter war eine geborene Enzenberg, und so kam es, dass er von seinem Onkel Georg Enzenberg und dessen Frau Elisabeth Prinzessin Esterházy Tratzberg übertragen bekam.

Nun ist es aber an der Zeit, den Lokalaugenschein zu beginnen. Nach einem durchaus alpinen Anstieg nähere ich mich dem Schloss. Und schon von außen erkennt man, dass es sich hier um einen wirklich prachtvollen Vierkanthof handelt.

Ulrich Goëss-Enzenberg empfängt mich stilecht im Trachtenjanker. Der Weg zu meinem Zimmer führt uns als Erstes durch den nahezu quadratischen, prachtvoll ausgestalteten Innenhof. Die aufwendigen Wandmalereien stammen ungefähr aus dem Jahr 1600 und wurden in den Jahren 1969 bis 1973 grundlegend restauriert. Glückspilz, der ich bin, komme ich auch jetzt gerade während einer Renovierungsphase hierher. Ulrich meint beiläufig, dass Tratzberg seit 150 Jahren durchgehend renoviert wird. Das ist wohl ein Schicksal, das alle Schlossbesitzer eint.

Der prachtvolle Innenhof mit den wundervollen Malereien

Andere wären wahrscheinlich enttäuscht, den Innenhof nicht ohne Gerüst in seiner ganzen Pracht zu sehen, aber ich denke wie immer einen Schritt voraus. Wann hat man denn schon die Möglichkeit, ein Gerüst zu besteigen und die Malereien aus der Nähe zu betrachten? Und da der Restaurator, Johannes Duda, gerade bei der Arbeit ist, ergreife ich sogleich die Gelegenheit, ihm ein paar Fragen zu stellen.

Johannes hat in seiner Heimat Bayern den Beruf des Kirchenmalers erlernt. Diese Ausbildung gibt es nach seiner Aussage nur noch in Bayern; aber auch in Tirol gibt es eine ähnliche. Man sieht also, dass in den katholischen Hochburgen noch die alten Techniken gelehrt werden, um solche historische Substanzen nach traditioneller Art und Weise renovieren zu können.

Johannes selbst ist eins mit seinem Handwerk. Er schätzt es sehr und ist jedes Mal aufs Neue von den alten Arbeiten fasziniert, die oft unter zentimeterdicken Verputzschichten auftauchen.

Die Malereien im Innenhof waren übermalt worden und wurden während der bereits erwähnten Renovierungsarbeiten wieder freigeklopft – so wurden sie praktisch wiederentdeckt. Anhand dieser wenigen Reste und Fragmente entschloss man sich dazu, den Innenhof wieder in seiner vollen Pracht erstrahlen zu lassen.

In der jetzigen Restaurierungsphase muss Johannes Duda mit seinen Kollegen zum Teil nur kleinere Schäden retuschieren, das heißt, es werden winzige Bereiche farblich ergänzt, ohne dass die Reparatur auffällt.

Bei der Restaurierung wird versucht, so originalgetreu wie möglich sämtliche Details wieder zum Leben zu erwecken. Aber ein wenig künstlerische Freiheit ist natürlich erlaubt, und so hat sich Ulrich gemeinsam mit seiner Frau Katrin in den Malereien verewigen lassen.

»Graffiti« von Kaiser Maximilian

Nächster Halt meiner Erkundungstour ist ein ganz besonderes Schlafgemach, ein Zimmer, in dem die Jahrhunderte förmlich zu riechen sind. Es ist das Zimmer von Kaiser Maximilian I. Es wurde gegen 1500 eingerichtet, um dem Kaiser eine adäquate Ruhestätte bieten zu können.

Nach dem Kaiser durfte nur noch Eduard Habsburg-Lothringen in diesem Bett schlafen. Er hat, viele Jahre bevor es unsere Sendung Herrschaftszeiten gegeben hat, das Sendungskonzept bereits kopiert, und im Rahmen seiner Dreharbeiten konnte er hier nächtigen. Ich habe es nicht geschafft, in der Kaisersuite Nachtquartier zu finden, ich bin ja auch kein Habsburger, wenn auch Ulrich mir zumindest eine optische Ähnlichkeit mit den Habsburgern attestiert. Stichwort: Nase.

Besonders eindrucksvoll in diesem Zimmer ist ein Schriftzug an einer getäfelten Wand, den Kaiser Maximilian selbst hinterlassen haben soll:

Leb, waiß nit wie lang

und stürb, waiß nit wann

mueß fahren, waiß nit wohin

Mich wundert, daß ich so frelich bin.

Wie Ulrich meint, ein absolut zeitgeistiger Spruch, und auch er lebt sein Leben nach diesem Motto, nur hat er andere Worte dafür gefunden: »Keep your schedule flexible to handle the unexpected.« Diesen Spruch will ihm seine Frau auch auf den Grabstein schreiben lassen.

Nach der ersten Geschichtsstunde kommen wir nun zu etwas komplett anderem. Ich treffe die beiden Töchter des Hauses, Vittoria und Philine, auf ein Glas Wein auf der Terrasse mit der in vielerlei Hinsicht schönsten Aussicht von ganz Tirol. Was viele nicht wissen, ist, dass ich, ähnlich wie Prof. Henry Higgins aus dem Musical My Fair Lady, einer Adaption von George Bernard Shaws Schauspiel Pygmalion, welches wiederum auf dem gleichnamigen Stoff von Ovid basiert, ein absoluter Fachmann für linguistische Feinheiten bin, aber auch für Kunst und Kultur, was ich Ihnen mit der Ahnentafel von My Fair Lady eindrucksvoll aufzeigen konnte. Im Gegensatz zu Herrn Higgins, der sich hauptsächlich auf den Londoner Regiolekt »Cockney« spezialisiert hat, bin ich in sämtlichen Dialekten Europas äußerst sattelfest.

Mit Ulrich Goëss-Enzenberg im Maximilian-Zimmer

Und so fällt mir gleich auf, dass die Sprache der beiden jungen Damen absolut frei von jeglichem tirolerischen Einfluss ist. Wie mir beide erzählen, haben sie sich den Dialekt nie wirklich angewöhnt. Geprägt durch ihre Mutter, eine gebürtige Münchnerin, und durch ihren Vater, der Kärntner Wurzeln hat, haben sich nur ein paar wenige Tiroler Wörter in ihren Wortschatz geschlichen. Vittoria meint, dass sie sich doch ab und an gewünscht hätte, ein wenig Dialekt sprechen zu können, um sich vielleicht ein bisschen heimischer zu fühlen. Philine hingegen erzählt, dass sie sich immer wieder im Dialektsprechen ausprobiert hätte, aber für diese mutigen Versuche in der Schule ausgelacht wurde. Somit hat ihr die Motivation für weitere Sprachversuche gefehlt.

Dass die beiden als Kinder etwas anders aufgewachsen sind als ihre Freunde im Kindergarten, ist klar, aber es hat sich mitunter ein wenig anders dargestellt, als man es erwarten würde. Vittoria kam eines Tages aus dem Kindergarten nach Hause und weinte fürchterlich. Ihre Mami erkundigte sich, warum sie denn so weine, und als Antwort kam lediglich: »Alle Kinder haben einen Balkon, nur ich nicht, ich hätte so gerne einen Balkon.« Nun ja, die schöne Terrasse, wenn man sie überhaupt als eine solche bezeichnen kann, ist schon ein annehmbarer Ersatz für einen Balkon.

Die Volksschule besuchten Vittoria und Philine in Schwaz in Tirol. Diese Zeit haben beide in besonders guter Erinnerung, zumal sie an einem speziellen Schulversuch teilnehmen konnten. In der Klasse wurden Kinder mit und ohne Behinderung zusammen unterrichtet, und so wurden Lesen, Schreiben und Rechnen spielerisch gelernt.

Dass die beiden Mädchen auf einem Schloss aufgewachsen sind, war ihnen nie wirklich bewusst. Für sie war es ganz einfach ihr Zuhause. Das Schlossthema kam erst auf, als sie von außen damit konfrontiert wurden. Philine kam, so erzählt mir Katrin später, eines Tages von der Schule und fragte, ob sie tatsächlich in einem Schloss wohnten. Das war dann doch eine überraschende Erkenntnis.

Aufgrund ihrer Herkunft waren Philine und Vittoria in den Augen ihrer Mitschüler anders, vor allem nachdem die Kinder herausgefunden hatten, dass die beiden oben im Schloss wohnten. Doch dieses Anderssein wussten die Schwestern zu überwinden, indem sie oft Mitschüler ins Schloss einluden, wo sie mit ihnen immer wieder Neues in den historischen Räumen entdecken konnten. Philine durfte einmal anlässlich eines Geburtstages von ihren Eltern aus zehn Kinder ins Schloss einladen. Da sie es aber nicht übers Herz brachte, den restlichen 20 Mitschülern keine Einladung auszusprechen, lud sie ganz einfach die ganze Klasse ein. So waren ihre Eltern sehr überrascht, als plötzlich 30 Kinder zur Geburtstagsfeier auftauchten.

Aber Besuche gehören für die Familie zum Alltag, da bringt man sie nicht so schnell aus der Ruhe. Nicht selten soll es passieren, dass jemand frühmorgens in Gedanken versunken im Pyjama durch das Schloss geht, um sich einen Kaffee zu holen, und dabei bereits auf die erste Touristengruppe trifft. Aber das kann man mit einem Lächeln gut überspielen.

Wie man an diesem Beispiel gut sehen kann, ist das Privatleben der Familie während der Öffnungszeiten des Schlosses durchaus eingeschränkt, aber so ist es eben, wenn Menschen aus der ganzen Welt sehen wollen, wie es bei einem daheim aussieht. Bei der innenarchitektonischen Planung der Privaträume hat Katrin alles wunderbar gemacht, so Ulrich. Man schafft es durchaus, sich im Haus zu bewegen, ohne Touristen über den Weg zu laufen. Aber so ein Schloss gehört belebt, setzt Ulrich fort. Er meint, dass es für viele Besucher interessanter ist, ein Schloss zu besuchen, das bewohnt wird, als ein reines Museum. Und ich denke, er hat recht. Seine Frau fügt etwas sehr Richtiges hinzu: Wenn man ein Schloss bewohnt, dann ist es das eigene Zuhause und nicht irgendein Kasten, den man erhalten muss.

Ein Gläschen Wein hoch über dem Inntal, gemeinsam mit den Töchtern des Hauses

Und damit ist das Stichwort gefallen. Mich interessiert natürlich, wie so ein Schloss erhalten werden kann. Zum einen ist Tratzberg als Touristenattraktion bekannt. Mit den Erlösen einer sehr guten Saison kann es vorkommen, dass die laufenden Kosten gedeckt werden können, aber die Regel ist das nicht. Und so ist man, wie alle Schlossbesitzer, auf kreative alternative Einnahmequellen angewiesen. Die zum Schloss gehörige Land- und Forstwirtschaft zum Beispiel ist teilweise verpachtet. Auch Nachhaltigkeit ist ein großes Thema. Ulrich hatte zum Zeitpunkt unseres Drehs ein Projekt vor Augen, das mittlerweile tatsächlich verwirklicht ist: einen großen Solarpark.

Mit dem Geld, das man durch andere Projekte einnimmt, muss man das Schloss finanzieren. Neben der Renovierung der Malereien im Innenhof wurde in Tratzberg unlängst ein weiteres spektakuläres Unternehmen abgeschlossen: Die gesamte Dachfläche wurde mit Lärchenschindeln gedeckt. Allein das Dach an der Südseite des Schlosses – das ist jene Seite, die man von der Autobahn aus sehen kann – ist mit über 54 000 solcher Schindeln gedeckt.

Solange diese Holzschindeln noch neu sind, sehen sie bei Sonnenlicht aus, als wären sie aus Gold. So kam es auch zum geflügelten Wort des »goldenen Dachls von Tratzberg«. Die alten Dachschindeln werden einer alternativen Verwertung zugeführt: Nach einem gemütlichen Abendessen sitzen wir im prachtvollen Privatsalon bei einem heimeligen Kaminfeuer. Und das, was im Kamin so gemütlich knistert, sind die alten Holzschindeln.

Was heute als riesiger Salon von der Familie genutzt wird, war früher die Rüstkammer, die Waffenkammer des Schlosses. Dass es nun hier so anders aussieht, ist Katrins Verdienst. Sie hat sich mit ihrem ästhetischen Blick und ihren Fähigkeiten als Innenarchitektin mehr als ausgetobt. Sie meint, dass es Ulrich absolut egal wäre, wenn er noch im ersten Stock mit Möbeln aus den 1950er-Jahren leben würde.

Kennengelernt haben sich Katrin und Ulrich über eine Studienkollegin in München. Mit einem besonders bedeutungsschweren Satz hat diese Freundin Ulrich vorgestellt, und sie hat recht behalten: »Ich muss dir einen Mann vorstellen. Ich glaube, den wirst du mal heiraten.« Viel wusste Katrin damals nicht von Ulrich, außer dass er Österreicher war und in Kärnten lebte. Sein besonderer Familienhintergrund war ihr nicht bewusst. Vielleicht ein halbes Jahr später fuhr sie gemeinsam mit Ulrich durch das Inntal, und als sie an Tratzberg vorbeikamen, meinte er, das da oben sei das Schloss, das er einmal übernehmen werde. Für Katrin war das, wie sie sagt, ein Aus-Kriterium. Ihr einziger Gedanke war: »Die arme Frau, die einmal da oben mit ihm sitzt!« Für sie selbst war das Leben auf einem Schloss zu Beginn völlig unvorstellbar.

HINTER DEN KULISSEN

Eine Sendung wie Herrschaftszeiten macht sich nicht von selbst. Das ist jetzt wahrlich kein Geheimnis, das ich Ihnen verrate. Viele, ja fast unzählige Menschen sind nötig, um so eine Fernsehsendung zu produzieren.

Da ist zunächst einmal ein Fernsehsender, zum Beispiel der ORF, der die Serie in sein Programm aufnimmt. Das passiert aber nicht mit einem Knopfdruck, erst prüft die Unterhaltungsabteilung, ob das gegenständliche TV-Format überhaupt den inhaltlichen Ansprüchen des Senders entspricht. Dann wird das Projekt intern an eine sendungsverantwortliche Redakteurin übergeben, in unserem Fall die großartige Ines Schwandner. Sie begleitet die Entstehung der Serie von A bis Z.

Das ganze Projekt wird anschließend an eine TV-Produktionsfirma, konkret die Interspot Film, übergeben. Dieser obliegt, wie der Name schon sagt, die Produktion der Sendung. Für den Inhalt ist in unserem Fall der Regisseur, Autor und Erfinder der Sendung, Martin S. Pusch, verantwortlich. Er sucht die Schlösser aus und stimmt den Aufbau der einzelnen Folgen mit der Sendungsverantwortlichen und der Produktionsfirma ab. Sobald alles eingetütet ist, geht es an die Planung und Organisation des Drehs. Hier kommt das Team rund um die Produktionsleiterin Isa Lesiak ins Spiel. Es wird die Reise geplant, das Drehteam gebucht, ebenso Zimmer für Übernachtungen, Drehgenehmigungen werden eingeholt und noch viele andere Sachen, von denen ich nichts weiß.

Zum Dreh treten wir dann in kleiner Kompaniestärke an: der Regisseur Martin Pusch, die beiden Kameramänner Carlo Hofmann und Matthias Bruckmüller, zwei Kameraassistenten, das variiert, aber am öftesten waren es Hans-Werner Hamberger, Martin Kaiblinger oder Philipp Pürcher, sowie ein Tonmeister, Andreas Hagemann, und meine Wenigkeit. Sieben Leute machen also die Schlösser unsicher.

Ist der Dreh zu Ende und wir alle todmüde, läuft das Werkl in der Produktionsfirma weiter. Zig Gigabyte an Film- und Tondaten müssen gesichert und in ein Computersystem geladen werden. Danach müssen sämtliche Bildaufnahmen und der Ton »synchronisiert« werden. Eine Heidenarbeit.

Ist dieser Arbeitsschritt fertig, geht es in den Schneideraum. Da werken unser Regisseur und unser Cutter, Alex Dimko, mehrere Tage und Nächte, um aus den Stunden an Material kurzweilige 45 Minuten zu schnippeln.

Ist auch das erledigt, erfolgt die Abnahme der Folge durch die sendungsverantwortliche Redakteurin. Sie stellt sicher, dass wir keinen Unsinn gemacht haben beziehungsweise nicht zu viel. Wenn dabei alles in Butter ist, geht es nach der Sprachaufnahme, also sobald ich in der Kabine die Zwischentexte eingesprochen habe, zur Tonmischung und zur Farbkorrektur. Sämtliche Musikstücke und Gespräche werden so ausgepegelt, dass alles gut verständlich ist. Die Farbkorrektur verleiht dem Bildmaterial noch das gewisse Etwas, eine Strahlkraft und schöne satte Farben.

Wer denkt, das war es jetzt, der täuscht sich. Das Ganze kommt dann noch einmal zurück zum ORF, wo die technische Abnahme die Folge als »technisch einwandfrei« zertifiziert. Inhaltlich ist das schon durch Ines Schwandner passiert. Erst dann darf eine neue Episode ausgestrahlt werden.

Und hier komme wieder ich ins Spiel: Ich darf die Werbetrommel rühren, mich in Talkshows setzen und Interviews für Printmedien geben. Also wie Sie sehen, alles andere als ein Spaziergang. Und dieses Prozedere ist für jede Folge einzeln durchzuführen.

Katrin war damals viel unterwegs. Geboren und aufgewachsen in München, ging es zum Studium nach Berlin. Für die Arbeit zog es sie noch weiter weg, zum Beispiel nach Paris oder Mailand. Auch wenn ihre Familie ein Wochenendhaus in den Bergen hatte, so war es für sie absolut undenkbar, jemals auf dem Land zu leben.

1991 ging Ulrich nach Tratzberg, um den Betrieb zu übernehmen. In dieser Zeit pendelte Katrin, aber es dauerte noch eine ganze Weile, bis sie mit dem Gedanken warm wurde, hier, oder wie sie sagt, »da oben am Berg«, zu leben. 1992 wurde, so wie es die gemeinsame Freundin prophezeit hatte, geheiratet. Dass sie sich hier auf dem Schloss so frei entfalten konnte, bezeichnet Katrin als großes Glück. Dafür ist sie auch Ulrichs Onkel, dem Vorbesitzer von Tratzberg, sehr dankbar. Er ließ ihr bei der Gestaltung der privaten Räume freie Hand. Und genau das hat ihr geholfen, sich relativ schnell zu Hause zu fühlen.

Durch ihre Heirat wurde Katrin Mitglied einer sehr, sehr großen Familie. Aufgewachsen ist Ulrich in Kärnten, genauer gesagt in Gradisch. Seine Großmutter väterlicherseits war eine Gräfin Meran, und somit direkt verwandt mit Erzherzog Johann und in weiterer Folge mit allen anderen Habsburgern wie zum Beispiel Maria Theresia oder dem bereits erwähnten Kaiser Maximilian I. Da Ulrichs Vater neun Geschwister hatte, hat er sage und schreibe 54 Cousins und Cousinen ersten Grades. Zweiten Grades sind es Hunderte. Sehr lustig sind demnach die Familienfeste der Nachkommen von Erzherzog Johann. Alle fünf Jahre trifft sich die gesamte Familie am Brandhof in der Steiermark, dem Lieblingsaufenthaltsort von Erzherzog Johann und seiner Frau Anna. Viele Hundert Menschen kommen zu diesen Festen zusammen, und allein durch farbige Fähnchen lässt sich erkennen, zu welchem Zweig der Familie diese oder jene Person gehört.

Nach dieser gründlichen Einführung in die Familiengeschichte sehe ich mir noch weitere Räume im Schloss an. Spektakulär ist der Jagdsaal im ersten Stock. Nicht nur, dass die Holzdecke aus dem Jahr 1510 stammt, hier stehen hölzerne Tiergruppen, die um 1850 gestaltet wurden – sie zeichnen sich durch eine besondere Detailgenauigkeit aus. Dass der Schöpfer dieser hölzernen Kunstwerke, Toni Steger, so ein guter Kenner der heimischen Fauna war, ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass er ein passionierter Wilderer war. Für sein nicht unbedingt legales Hobby saß er mehrere Jahre im Gefängnis, und genau dort entdeckte er angeblich seine kreative Ader. Dies erfuhr der damalige Besitzer von Tratzberg, Franz Enzenberg, und nahm ihn für mehrere Jahre in seine Dienste.

Der Habsburgersaal erzählt die Geschichte der Habsburger.

Auch in die sogenannte »Fuggerkammer« darf ich einen Blick werfen. In diesem Raum stehen ein spätgotischer Schrank aus dem Jahr 1510 sowie ein mit prachtvollem Schnitzwerk verziertes gotisches Himmelbett. Es ist einer der schönsten Räume des Schlosses. Besonders spannend: Von der Fuggerkammer aus führt ein Fluchtweg über eine als Wandschrank getarnte Tür, die den Raum mit den anderen Stockwerken verbindet.

Dass die berühmte Augsburger Familie Besitzer des Schlosses war, habe ich ja bereits erwähnt. Und Ulrich macht mich auf ein lustiges Detail aufmerksam: Ganz penible Kaufleute, wie sie nun einmal waren, fertigten die Fugger eine akribische Inventarliste aller Gegenstände und Möbelstücke im Schloss an. Mit dieser Liste könnte man heute noch durch das Museum hirschen und alle Gegenstände abhaken.

Die Geschichte dieser Kaufmannsfamilie aus Augsburg ist beeindruckend. Vor einigen Jahren habe ich einen Bericht1 gelesen, der sich mit Jakob Fugger (1459–1525) beschäftigt. In diesem Artikel wurde versucht, dessen Vermögen so darzustellen, wie es der heutigen Zeit entsprechen würde. Jakob Fugger soll laut diesem Artikel am Ende seines Lebens rund 2,1 Millionen Gulden besessen haben. Er ist damit nicht nur der erste dokumentierte Millionär der Geschichte, sondern auch der reichste Mensch überhaupt! Nach heutigen Geldwerten läge dieses Vermögen bei über 400 Milliarden Dollar. Das ist schier unvorstellbar.

Weiter geht es in den Habsburgersaal, der dem Andenken an Kaiser Maximilian gewidmet ist. Die Erbauer des Schlosses, die Familie Tänzel, wurden nach dessen Fertigstellung in den Adelsstand erhoben. Als Dank für diese große Ehre ließen sie den Stammbaum von Kaiser Maximilian an die Wände des Saales malen. Das alles soll um 1509 fertiggestellt worden sein. Es ist ein Schnelldurchlauf durch die Geschichte der Habsburger, angefangen bei den Auseinandersetzungen von Rudolf I. mit Ottokar von Böhmen 1276 bis 1278. Zu sehen ist hier auch der sogenannte Bindenschild, der Teil des Wappens der Habsburger und später auch die Fahne von Österreich werden sollte.

Das insgesamt 46 Meter lange Wandgemälde zeigt 148 Figuren, die den Stammbaum der Habsburger darstellen. Spannend ist dieses beeindruckende Wandbild nicht nur aus genealogischen Gründen, nein, es gibt auch einen guten Einblick in die Kleidermode des bald endenden Mittelalters. Interessant ist auch ein Detail, das sich auf die Äste des Stammbaums bezieht: Die männliche Erbfolge ist mit grünen Ästen gekennzeichnet, hingegen weisen braune Äste auf absterbende Glieder, auf weibliche Nachkommen, hin.

Ein wirklich beeindruckender Saal, und ein mehr als würdiger Abschluss für meinen Besuch in Tratzberg. Es ist großartig zu sehen, wie es Ulrich und seine Frau geschafft haben, mit viel Leidenschaft, Herzblut und Respekt vor der Geschichte, das Schloss aus seinem »Dornröschenschlaf« zu erwecken und für interessierte Besucher zu öffnen.

Ich kann Ihnen nur raten, bald die Reise ins heilige Land Tirol anzutreten und Tratzberg zu besuchen. Und vielleicht begegnen Sie ja einem der Familienmitglieder im Pyjama am Gang. In diesem Fall richten Sie bitte herzliche Grüße von mir aus.

PLAYLIST

INTERPRET

TITEL

The Baltimore Consort

Watkin’s Ale

Bon Iver

re: stacks

Tamara Coha-Mandic, Croatian Chamber Orchestra

Concerto for Flute, Harp and Orchestra in C major (Wolfgang Amadeus Mozart)

Coro della Radiotelevisione della Svizzera Italiana, Philippe Jaroussky

Dance of the Blessed Spirits (Christoph Willibald Gluck)

Czech State Philharmonic

Hebridean Symphony (Granville Bantock)

Pete Dello

I’m a Gambler

Philip Glass

Opening

James Harries

Superstition

Jagdhornakademie Österreich

In signo Sancti Huberti

The Maytals

Bam Bam

Günter Mokesch

Il Mane Cinque

Queen

It’s A Beautiful Day

Tiroler Tanzgeiger

Zupfer Landler

Weezer

Island in the Sun

https://open.spotify.com/playlist/51whevJQ6LQon7hl2rX6T?si=GzntnalbRUO0iw6Ej-v4wgπ=e-KXQkwjyETruQ

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Playlists können variieren in Abhängigkeit der Verfügbarkeit der Titel auf Spotify.

Burg

BERNSTEIN

Liegt 11 km nördlich von Bad Tatzmannsdorf/Burgenland

Wurde 1236 erstmals urkundlich erwähnt

Hat 40 Zimmer auf 8000 m2

Seit 1892 im Besitz der Familie Almásy

Führungen/Events/Hotelbetrieb

burgbernstein.at

Und auf geht’s ins Burgenland zur sagenumwobenen Burg Bernstein. Nicht nur zahlreiche Touristen besuchen die Burg, die als Hotel Gäste aus aller Welt beherbergt, auch Experten für Parapsychologie finden sich hier ein. Denn hier soll es spuken. Und zwar gewaltig. Bevor ich mich aber auf die Suche nach den Geistern mache, möchte ich ein wenig in die Geschichte der Burg und der jetzigen Besitzer, der Familie Almásy, eintauchen.

Was die Errichtung der Burg Bernstein angeht, so ist keine genaue Jahreszahl nennbar. Um 1199 gehörte Bernstein zu Ungarn und diente als Grenzfestung gegen Österreich. Das Österreichische Burgenlexikon von Georg Clam Martinic benennt einen Zeitraum um den Beginn des 13. Jahrhunderts als mögliches Datum für den Baubeginn.

Im 13. und 14. Jahrhundert ist es hier in Bernstein ziemlich rundgegangen. Jeder, der in der Gegend etwas zu sagen hatte, oder es zumindest glaubte, hat die Burg entweder besetzt oder versucht sie zu besetzen. Die genauen Jahreszahlen und Namen der Protagonisten erspare ich Ihnen, wir wollen ja kein Geschichtsstudium absolvieren.

Im 14. Jahrhundert begann die Feste mangels Pflege langsam zu verfallen. Sigismund von Luxemburg gab Bernstein 1388 als Pfandbesitz an einen gewissen Johann Kanizsay von Chorna, Erzbischof von Gran und königlichen Kanzler. Er begann umgehend mit dem gotischen Ausbau der alten Feste.

Erlauben Sie mir bitte einen kleinen Exkurs. Jener Sigismund war von 1378 bis 1388 Kurfürst von Brandenburg. Darüber hinaus war er nicht nur König von Ungarn, sondern auch von Kroatien. Und zwar seit 1387. Ab 1411 war er zusätzlich römisch-deutscher König und von 1419 bis zu seinem Tod römisch-deutscher Kaiser. Neben mir und Sigismund hat in meinen Augen nur noch Harald Mahrer so viele Jobs inne.

Doch zurück zur Burg. Neben den Wehrmauern wurden auch ein Zwinger und ein Bergfried errichtet sowie die steinernen Wohngebäude um einen Stock erhöht. Das vom König gegebene Pfand steigerte sich durch diese ausgedehnten Bauvorhaben dermaßen im Wert, dass Sigismund die Burg nicht mehr zurücknahm.

Gegen Ende des 15. Jahrhunderts wurde die Burg von Pflegern verwaltet. Ein Pfleger war im Mittelalter so etwas wie ein Burggraf, der für die Verwaltung, aber auch für die Verteidigung verantwortlich war. So eine Art Edelhausmeister, würde ich sagen. Kaiser Maximilian I. übergab 1517 die Burg als Herrschaft an die Familie von Königsberg.

Da man einen Einfall der Türken fürchtete, begann man mit der Errichtung eines mächtigen äußeren Befestigungsringes. Es kam wie befürchtet, jedoch waren die Grenzburgen Schlaining, Güssing und Bernstein die einzigen Festungen, die dem Türkensturm standhielten. Zwischen 1529 und 1532 belagerten die Türken erfolglos die Burg.

Ehrenreich von Königsberg erneuerte Bernstein und ließ gewaltige Basteien errichten, mit bis zu 36 Meter hohen Mauern. Wehrtechnisch befand sich die Burg damals in bester Verfassung. Als die Heiducken sie 1605 einnehmen wollten, mussten sie unverrichteter Dinge wieder abziehen.

Schließlich beschädigte eine Explosion im Pulverturm, verursacht durch einen Blitzschlag, das Innere der Burg schwer. Und so baute Ludwig von Königsberg sie in den Jahren 1625 bis 1627 wieder auf und barockisierte sie. Der Burgfried wurde abgetragen.

Das Pascha-Zimmer

1635 kaufte Ehrenreich Christoph von Königsberg Bernstein, das er zuvor als Pfand erhalten hatte. Aufgrund hoher Schulden musste er die Burg jedoch bald an Adam I. Graf Batthyány verkaufen.

1864 wiederum verkaufte Gustav Graf Batthyány die Herrschaft seinem Verwalter, dem aus Irland stammenden Edward O’Egan. Von dessen Erben erwarb Eduard Almásy Graf von Zsadány und Törökszentmiklós im Jahr 1892 den Besitz.

Er war ein bedeutender Asienforscher, mehrere ausgedehnte Reisen brachten ihm Anerkennung. Neben zoologischen Beobachtungen waren seine anschaulichen ethnografischen Beschreibungen des täglichen Lebens in den von ihm besuchten Gebieten besonders wertvoll. Die Nachkommen seiner Familie richteten 1953 in Teilen des Gebäudes ein kleines Hotel ein. Bis heute ist die Burg in Familienbesitz.

Der Ursprung der Familie Almásy ist nicht ganz eindeutig. Über die Herkunft des Namens gibt es mehrere Thesen. Zum einen sollen sie sich nach dem Ort Almás in Slawonien, heute in Kroatien gelegen, benannt haben. Eine andere Erzählung nennt die Gemeinde Mereni, früher Almaş genannt, in der Region Siebenbürgen in Rumänien als Ursprung des Familiennamens.

Weder nach Kroatien noch nach Siebenbürgen muss ich, um Erasmus Almásy zu treffen, sondern ins Grenzland von Niederösterreich, der Steiermark und dem Burgenland. Ob ich jetzt Schloss oder Burg Bernstein besuche, ist gleich die erste Frage, mit der ich Erasmus konfrontiere. Ursprünglich war Bernstein natürlich eine Burg, aber nach dem bereits erwähnten Blitzschlag und der daraus resultierenden Barockisierung wurde es zu einem Schloss. Wir einigen uns auf die Bezeichnung Burgschloss. Damit kann ich leben, Sie hoffentlich auch.

Auf dem Weg zu meinem Zimmer schreiten wir über unzählige Stufen und lange Gänge, vorbei an zahllosen Ahnenporträts und interessanten Ausstellungsstücken, die in kleinen Vitrinen auf ihre Betrachter warten. Im ersten Moment vergesse ich völlig, dass hier auch ein Hotel betrieben wird. Alles erinnert eher an ein Museum. Erasmus meint, dass es tatsächlich mehr wie ein Museum ist, in dem zufälligerweise auch Betten stehen. Unterwegs zu meiner Bettstatt gehen wir an den Zimmern vorbei, in denen die Gäste übernachten können. Interessante Namen haben die einzelnen Räume: Gottgetröst, Tantalouis, Kisebb oder Lori. Dazu ein wenig später.

Krummsäbel und ein Porträt jenes als Pascha dargestellten Almásy, der dem Zimmer seinen Namen gab: Pascha-Zimmer

Mein Bett steht im sogenannten Pascha-Zimmer, einer sehr schönen Suite. Früher wurden die Räume von János Almásy, dem Bruder des berühmten englischen Patienten bewohnt. Zu ihm komme ich ebenfalls später. Kurios ist das Bild über dem Sofa, dem das Zimmer seinen Namen verdankt. Ein Almásy – den genauen Namen habe ich mir nicht gemerkt – war dereinst Botschafter in Konstantinopel in der Zeit, als Österreich mit den Osmanen im Krieg war. Und so ließ er sich in osmanischer Tracht als »Pascha« malen. Übrigens eine Urform der heute viel diskutierten kulturellen Aneignung.

Im Salon meiner Suite stehen ein schöner, großer Schreibtisch und ihm gegenüber eine schwarze Statue, die Mephisto darstellt. Wenn also jemand ins Zimmer trat und Erasmus’ Urgroßvater am Schreibtisch saß, so hatte die Person den Teufel im Rücken.

In meinem Schlafzimmer nehme ich schließlich all meinen Mut zusammen und frage Erasmus nach dem Gerücht, dass es im Schloss spuken soll. Es handelt sich um die Weiße Frau, die ich in der Nacht, wenn ich Glück oder vielleicht eher Pech habe, treffen werde, so Erasmus. Über eine Weiße Frau von Bernstein wird seit dem 19. Jahrhundert regelmäßig berichtet. 1859 soll sie das erste Mal gesehen worden sein. Im Jahr 1912 soll sie sich sogar dem Schlossherrn und zahlreichen Dorfbewohnern bei einem Fackelzug gezeigt haben. Sie wird beschrieben als zierliche Frauengestalt mit wallendem Haar, die ihre gefalteten Hände an die linke Wange schmiegt. Es heißt, sie verdeckt mit ihren Armen eine Wunde am Hals. Jene, die sie sehen, fordert sie mit Gesten auf, ihr zu folgen. Angeblich taucht sie an verschiedenen Stellen des Schlosses auf, schwebt die Treppen hinab und gelangt am Ende ihrer Reise in die Kapelle, wo sie vor dem Altar niederkniet und verschwindet.

Diese geisterhafte Erscheinung geht auf einen Burgherrn von Bernstein aus dem 16. Jahrhundert zurück. Er soll eine Italienerin zur Frau gehabt und sie bei einem Seitensprung mit einem italienischen Geliebten aus ihrer Jugendzeit erwischt haben. Letzteren habe er mit einem Dolch erledigt, seine Frau soll er in den Brunnen der Burg geworfen haben. Erasmus hingegen erzählt mir von einer anderen Variante, wie der gute Herr seine Frau beseitigt haben soll, und zwar indem er sie eingemauert hat. Auch nicht übel. Im Volksmund um Bernstein wird sie die »Böse Kathl« genannt.

Anton von Gyömörey berichtet in dem Buch Schloss Bernstein im Burgenland unter seinem Pseudonym W. Erwemweig von einigen Sichtungen der Weißen Frau. Hier gibt er einen Bericht einer nicht näher genannten Baronin R. H. wieder, die am 16. Juni 1912 die Weiße Frau gesehen haben will:2 »Das Licht war stark gelb und vollkommen ruhig. Das Steingeländer des Mitteltraktes war beleuchtet und die Wand bis hoch hinauf sehr hell. Nach einigen Sekunden entstand in diesem Lichte eine Gestalt. Ich glaubte, es sei ein Scherz, um mich zu schrecken. Bis dahin hatte ich ganz ruhig hingesehen, doch während ich die Gestalt betrachtete und sie ganz deutlich langsam von Stufe zu Stufe steigen sah, kam ganz plötzlich, wie von außen, eine Lähmung über mich und das furchtbare Gefühl, etwas Übernatürliches zu sehen. […] Die Gestalt war nicht groß und machte den Eindruck eines jungen, schlanken, anmutigen Wesens; sie war deutlich und plastisch, aber doch duftiger und ihr Gang schwebender als bei einer wirklichen Person.« Nun gut, wenn es eine Baronin sagt, dann wird es schon stimmen.

Wir machen uns nun auf den Weg durch das Schloss. Es ist zwar noch nicht dunkel, aber vielleicht kommt die gute Kathl ja bei uns vorbei. In einem Stiegenaufgang lenkt Erasmus meinen Blick auf die Decke. Zu sehen sind dort drei Einschusslöcher, die noch aus der Besatzungszeit der Russen stammen. Die kamen in die Burg und ballerten herum, aber nicht, weil sie in irgendeine Kampfhandlung verstrickt waren, sondern aus reinem Übermut.

Apropos Kampfhandlungen. Erasmus erzählt mir von einem Vorfall, der sich im 18. Jahrhundert ereignet hat. Seine Vorfahren hatten sich einem Aufstand gegen die Habsburger angeschlossen, gegen sie gekämpft und verloren. Sie wurden vor die Wahl gestellt: Titel verlieren und Kopf behalten oder umgekehrt. Seine Vorfahren entschieden sich für die einzige und richtige Möglichkeit: Sie verloren den Titel. Einen großen Vorteil hätte die ganze Angelegenheit aber gebracht, meint Erasmus. Durch diesen Eklat hatten seine Ahnen plötzlich viel mehr Freiheiten. Sie waren nicht mehr an den Hof gebunden und konnten sich mehr oder weniger ungezwungen in der Welt bewegen. Also wer weiß. Gäbe es den englischen Patienten, wenn das alles nicht passiert wäre?

Zur Belohnung – ich weiß gar nicht wofür – nimmt mich Erasmus mit in den Weinkeller. Die Almásys haben hier in Bernstein zwar kein Weingut, aber dennoch köstlichen Wein. Ganz im Andenken an die großen Abenteurer in der Familie folgen sie diesem Pioniergeist und machen sich auf die Suche nach unentdeckten Weinschätzen. In Weingütern in Zentral- und Osteuropa stöbern sie nach spannenden Raritäten, Weinen aus unbekannten Trauben. Und diese kommen dann in einer eigenen Kollektion, der Almásy-Kollektion, heraus.