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Das Buch soll die Auseinandersetzung eines Humantherapeuten dokumentieren - über einen Zeitraum von rund 30 Jahren. Es ist Ausdruck eines interdisziplinären Zugangs zur therapeutischen Herangehensweise, die nicht nur als notwendig erachtet, sondern auch als ethischer Imperativ verstanden werden will und soll. Nur so kann aus der Sicht des Autors der leidende Mensch in seiner Ganzheit gewürdigt, erkannt, erfahren und verantwortungsbewusst begleitet werden. Lebensphilosophische, tiefenpsychologische, systemphänomenologische und letztlich seelsorgerisch-spirituelle Zugänge müssen daher zur Anwendung gebracht werden.
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Seitenzahl: 134
Veröffentlichungsjahr: 2021
Heinz Rataj
HintergrundstrahlungLogbuch eines Therapeuten
Aufzeichnungen Texte Reflexionen
Copyright: © 2021: Heinz Rataj
Umschlag & Satz: Erik Kinting, buchlektorat.net
Titelbild: Heinz Rataj
Verlag und Druck:
tredition GmbH
Halenreie 40-44
22359 Hamburg
978-3-347-39576-3 (Paperback)
978-3-347-39577-0 (Hardcover)
978-3-347-39578-7 (e-Book)
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
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Für meine Frau Dorothée.«Ohne dich bin ich nichts!»
«Nimm dein Kreuz und geh »
«Der verlorene Posten ist keine topographische, sondern moralische Angabe. Denn wer eine Tat auf verlorenen Posten begeht, macht den Sinn dieser Tat nicht von ihrem Gelingen abhängig, sondern von ihrem Wert. Er strebt nicht nach Ruhm, sondern handelt aus innerem Antrieb.»
(W. M. Fues)
Inhalt
1. Einleitung
2. Theoretischer Hintergrund einer dimensional-integrativen Lebensheilkunde
3. Denk und Fühlbewegungen aus den Jahren – Teil 1
4. Reflexionen über die Beziehung von Mann und Frau
Die Beziehung / Der Dialog / Das Paar / Die Gemeinschaft / Die Liebe / Die Ehe
5. »Wesens – Heilung»
«Impulse zur Selbstannahme und Selbstliebe»
6. Denk – und Fühlbewegungen – Teil 2
7. Zeitnahe Reflexionen und Standpunkte zu einer «Krisen–Jahreswende 20/21»
8. Von den hellen und dunklen Seiten des Seins
9. Sinn – Sinne – Sinnlichkeit des Lebens
10. Das tiefe Spiel der offenherzigen Erfahrung
Eine kleine Philosophie der Freundschaft unter Männern
11. Erinnern & Dank
12. LIEBESGEBET
Entwerden und Wiedererinnern
13. Ausklang
1. Einleitung
«Die Menschheit teilt sich in die, die nur die Konsequenzen der Tat würdigen, und jene, die vor allem ihre Qualität schätzen.»
(N.G. Davila)
I.
Ich fasse es als unglaubliches Privileg auf, dass ich über 35 Jahre nicht einen Beruf ausgeübt, geschweige denn einen Job gemacht habe, sondern wirklich meiner Berufung folgen durfte. Mir ist bewusst, dass ich dies auch zu einem guten Teil dieser Zeit, in der ich lebe, zu verdanken habe und vielen glücklichen Umständen und Gaben, die mir die «richtigen» Menschen zur rechten Zeit in mein Leben brachten.
Nach Ausbildungsversuchen auf universitärer Ebene zog es mich doch mehr in eine praktische Richtung der heilhelfenden Begleitung, die in Wien begann und über München letztlich in die Schweiz führte.
Dazwischen lagen Jahre der unterschiedlichsten Ausbildungen und Studien, aber vor allem viele Begegnungen mit Heilsuchenden und Patienten. Diese waren und sind meine besten Lehrer und herausforderndsten Begegnungen immer gewesen – und als solche auch immer geblieben.
II.
Neben den lebensphilosophischen, psychotherapeutischen und naturheilkundlichen Ansätzen habe ich besonders die Homöopathie, die prozessorientierte Psychologie, die systemische Aufstellungsarbeit, die energetische Heiltätigkeit und vor allem die spirituelle Begleitung, als besonders bedeutsam und wirksam in meinem täglichen Tun erlebt und erfahren.
Therapeutische Begleitung, ohne den spirituellen Aspekt zu berücksichtigen, kam mir immer schon vor- wie «Knochen ohne Fleisch».1
Wirkliche Heilung ist aus meiner Sicht nur möglich, wenn die Wesenhaftigkeit des Menschen miteinbezogen wird, welche naturgemäß – geistig ist. Diese Wesenhaftigkeit entspricht der geistigen Essenz, dem geistigen Kern des menschlichen Seins, in seiner Einzigartigkeit. Wird dieser Kern, oder diese Essenz, im Heilakt nicht berührt und angesprochen, so können wir nicht von Heilung, sondern höchstens von Genesung und Symptombeseitigung sprechen.
Spiritualität2 möchte ich in diesem Kontext so verstehen, dass nicht nur der prärationale (unbewusste) und rationale (bewusste), sondern auch der transrationale (transpersonal – überbewusste) Anteil des menschlichen Daseins, in den Heilprozess miteinbezogen werden muss, um wirkliche Heilung zu ermöglichen.
Anders ausgedrückt muss der Heilsuchende mehrdimensional betrachtet und auch gewürdigt werden. Dies ist nur möglich, wenn wir nicht nur die Biologie mit ihren physiologischen Gesetzen, die Psyche mit ihren transgenerationalen und entwicklungspsychologischen Impulsen und Entwicklungen, sondern wenn wir diese außen- und veräußerlichten Dimensionen, notwendigerweise auch mit der Komplexität einer Wirklichkeit konfrontieren, die über den weltlichen Bezugsrahmen hinausweist.
Es geht also bei der Berücksichtigung des spirituellen Kontextes um einen Mehrwert, im Sinne einer Überwindung der Subjekt-Objekt-Trennung und um eine Komplexitätssteigerung, damit der Mensch auch in seiner Transpersonalität erfasst werden kann.
Es geht also nicht darum, den Menschen quasi durch naturwissenschaftliche Reduktion auf die «hard facts» zusammenzuschrumpfen, um ihn dann besser «vermessen», diagnostizieren und einordnen zu können, sondern ihn in seiner ganzen geistseelischen Wirklichkeit anzuerkennen und in seiner Einzigartigkeit zu würdigen.
Diese transpersonale Sichtweise – und die daran anknüpfende therapeutische und heilerische Herangehensweise, kann einen Menschen bis in die tiefste Tiefe seines existentiellen Daseins wandeln – und bei guter Prozessbereitschaft auch wirklich heilsam begleiten.
Mehrheitlich – sind die Texte in diesem Buch dahingehend auch Ausdruck und Reflexion der Entwicklung von unterschiedlichsten Prozessformaten, die ich im Laufe der Jahre – in den unterschiedlichsten Bereichen (Einzelsetting, Paarsetting und Gruppensetting, Seminar und Ausbildungssetting) – entwickeln durfte.
III.
Aus meiner Sicht muss jeder seriöse Therapeut sich ständig Rechenschaft über sein Tun – «mit – und vor sich selbst» geben.
Wird die heilhelfende und begleitende Tätigkeit mehr als Berufung als als Beruf ausgeübt, besteht diese Berufung in einem ständigen Prozess der inneren Rechtfertigung und Auseinandersetzung unterschiedlichster Denkpositionen und Handlungsoptionen.
Die Tiefe und Höhe dieser Positionen müssen in einem ständigen Austausch mit der Außen- wie Innenwelt (Praxis) ausgelotet, überprüft, verifiziert, aber möglicherweise auch falsifiziert werden. Tiefe meint hier: Selbsterforschung und ernsthafte Innenschau, sowie fundierte Selbstformung durch «Verfolgung von Erkenntnisspuren».
Höhe meint: Ausgerichtetheit auf die maßgebenden – anthropologischen, psychologischen, philosophischen und spirituellen Referenzen, die sich im menschenbegleitenden Heilkontext als erwiesenes und wirkungsvolles Heilmedium auszeichnen.3
Dieser vorliegende Text, soll einen Ausschnitt über die Jahre eines solchen selbstreflexiven Prozesses geben, der die Themenkreise behandelt, die in meiner interdisziplinär – therapeutischen Tätigkeit als Heilpraktiker (HP), prozessorientierter Heiler und Aufstellungsleiter, Lebensberater, Seminarentwickler und Lehrer, an mich über die Jahre herangetragen wurden – und zur Auseinandersetzung aufforderten. Die Texte wurden meist spontan verfasst und in gedrungener sprachlicher Verdichtung – also einer minimalistischen Textsorte, oder auch einem mehr tagebuchartigen Charakter Ausdruck fanden, wie auch als Kurztexte verfasst, die sich im Reflexionsprozess entfaltet haben (also «Nach-Denk-Würdiges»). Oder einfach entstandene Denkbilder – mit mehr poetologischen Inhalt, die meist intuitiv – kontemplativen Charakter aufweisen.
Weiters setzen sich Kurzessays (Reflexionen) mit aktuellen Themen wie z.B.: der Haltung des Heilers / Therapeuten / Begleiter, oder mit der «Mann / Frau Polarität» auseinander, welche den aus meiner Sicht wichtigste Themenkreis in der Begleitung von Menschen darstellt – und als solchen sprachlich umkreisen und dimensional verdichten möchten.
Es wurden auch immer wieder Bilder und/oder Zitatreferenzen begleitend beigefügt, um aus einer anderen Perspektive den jeweils vorliegenden Text schmackhafter, vielleicht auch deutlicher und leichter verdaulich zu machen.
Ich hoffe, Sie haben Freude daran, sich mit mir auf eine «Denk- und Fühlreise» zu begeben.
«All of you are perfekt just as you are, and you can use a little improvement »
(Shunryu Suzuki Roshi)
1 Diese Einsicht führte zu Veröffentlichung meiner Bücher: «Das Urphänomen Heilung» (2009) und «Inkarnation – Von der Heilwirkung leiblicher Erscheinung» (2015).
2 Im therapeutischen Kontext, verstehe ich unter Spiritualität die «subjektive Seite» von Religion, die aus Übungen, alltäglicher Praxis, dialogischer Begegnung, herausfordernder Seelenforschung, einer achtsamen Lebensgestaltung usw. besteht. Die spirituelle Haltung zeichnet sich im Gegensatz zu rational-materialistischen, magisch-ritualisierten und dogmatisch – oder fundamentalistisch aufgeladenen Wegen dadurch aus, dass sie keine besonderen Bewusstseinszustände anstrebt, noch außergewöhnliche Erfahrungen sucht. Im Gegenteil, diese genannten Wege, werden von mir als kontraproduktiv, unwesentlich oder in extremis – als abwegig erachtet.
3 Durch diese Ausgerichtetheit wird deutlich, dass der Therapeut und Heiler auf seinem Gebiet ein wirklicher Könner, nicht ein Techniker oder Experte sein soll. Als Könner will ich denjenigen Heilhelfer verstehen, der nicht nur nach gelernten Techniken, Theorien, oder Modellen arbeitet (und diese immer wieder reproduziert), sondern durch seine praktische Tätigkeit und Erfahrung, mit einem entsprechenden Entdeckergeist und einer schöpferischen Gabe ausgestattet, eingefahrene Wege auch verlassen möchte und kann, (angepasst an die jeweilige Situation) um der Vielfalt und Komplexität des menschlichen Seins gerecht zu werden.
3. Denk und Fühlbewegungen aus den Jahren – Teil 1
I.
Lebendige Praxis:
Aufgelesenes – Auftauchendes.
Versuchtes – Erdachtes.
Intimes – Gesandtes.
Gesammeltes – Wiedergefundenes – Wiedererkanntes.
Fluktuierendes – Festfreudiges.
Kraftvolles – Immerwährendes.
Gescheitertes – Willkommenes.
Unverhofftes – Wunderbares.
Sinnliches – Wirksames.
Eingesickertes – Erweckendes.
Nachdenkliches – Gärendes.
Trauriges – Wiederholendes.
Strömendes – Erlöstes .
DA – SEIN!
«Es ist eine große Torheit zu verlangen, dass die Menschen zu uns harmonieren sollen, ich habe es nie getan. Dadurch habe ich es dahingebracht, mit jedem Menschen umgehen zu können, und dadurch allein entsteht die Kenntnis menschlicher Charaktere, sowie die nötige Gewandtheit im Leben. Denn gerade bei den widerstrebenden Naturen muss man sich zusammennehmen, um mit ihnen durchzukommen…».
(Goethe an Eckermann)
II.
Was ist therapeutisches Können?
Was genau ist des «Kenners Können»?
Wohl am ehesten «Kunst – Heilkunst».
Besser: «Nichtgewusste Kunst».
Die Kunst, die sich während des Könnens vergisst.
Therapie wird dann zur Kunst, wenn die persönliche Geschichte, die persönlichen Vorzüge, Meinungen, Vorannahmen, alle Selbstzuschreibungen und Fremdbestimmungen weitgehendst (gemeinsam) «vergessen» werden.
«Kränkungen nicht auszuweichen, sondern die eigene Optik scharf zu stellen, sobald sich eine Kränkung von Format zeigt, ist die goldene Regel des operativen Narzissmus. Suche mögliche Kränkungen auf, bevor sie dich lähmen und dir unhaltbare oder unwürdige Rückzugspositionen aufzwingen. Das ist die Metanoia, die erforderlich ist, um einen sekundären in einen operativen Narzissmus zu verwandeln.»
(L. di Blasi)
III.
Die Höhe als Wagnis, die Tiefe als Erschütterung. Die Sonne als Elixier. Das Leben im Gesamten ein einzigartiger Trost, auch wenn so viele Ängste und Schmerzen seit Jahrtausenden in den Knochen von uns Menschen «hausen».
Das Leben als Einübung zu verstehen, nicht als Zweck, bedeutet nicht zu siegen, sondern «Mitsinnigkeit».
Nicht Opposition gegen das Unheil, sondern lebende «Medizin» zu sein, das bedeutet, liebender Teil im Gesamtorganismus der Welt zu werden, so wie in jedem Organismus es keine wirksame Interaktion gibt, ohne Wandlung aller Teile, wenn der gesamte Organismus gesunden soll.
IV.
40° Körpertemperatur gemessen – und erstaunt zur Kenntnis genommen. Delirium, Apathie, letztlich Hingabe an das Unvermeidliche.
Der «Henker» (eine Wandelkarte) aus dem Tarot taucht aus der Körperversunkenheit auf – und eine Erinnerung an Nietzsche, der einmal schrieb, dass im Körper viel mehr Klugheit und Weisheit wohnt als in unseren Gehirnen.
Wie recht er doch hat.
«Jeder Mensch ist so etwas wie eine russische Puppe. In ihm sind alle Alter, Erfahrungen, Redesorten ineinander verschachtelt. Besser ist, man deckt das auf und verdeckt es nicht.»
(A. Kluge)
V.
Es ist immer wieder eindrücklich, dass Menschen die scheinbar, oder auch wirklich Hilfe brauchen, in Wirklichkeit das schnelle Glück suchen. Dies gehört zu den schwierigsten therapeutischen Situationen und Interventionen, diesen suchenden und leidenden Wesen zu vermitteln, dass der leichte Beginn, das schnelle Glück, oder das «Instant Healing», das Leben hinterher und oft für lange Zeiträume, sehr schwer macht, oder sogar wirkliche Heilung verunmöglicht.
Besser – von Anfang an «tief schürfen».
«Da werden Menschen von den Narrenschiffen ihrer alten Elendsgemeinschaften befreit, sie gewinnen Abstand zu Familie, Clan, Stamm, Volk, sie lösen sich von den totalitären Rauschgemeinschaften und von den Zwangskollektiven, die im Zeichen der Verwandtschaft stehen und wo Geburt und Blut alles sind. Ich bezeichne dies als die Welt der Nabelschnüre…! Die Nabelschnur als die Mutter aller Ketten…!»
(P. Sloterdijk)
VI.
Die Dunkelheit der persönlichen Geschichte, ist für viele ein schrecklicher «Ort». Die meisten wollen die «Dämonen» ihres Schattenreiches vertreiben oder vergessen (verdrängen), in dem sie sich in alle möglichen Weltbezüge verstricken.
Wobei es doch viel naheliegender wäre, diese Schattenreiche durch die Gnade der geglückten Zeit zu durchströmen, oder diese seelische Finsternis mit liebenden Umarmungen zu durchfluten. Dann wird sich ein stiller Wandel vollziehen, welcher sich durch:
Entspannung anstatt Forderung;
Nähe anstatt Bedrängnis;
Zuwendung anstatt ängstlicher Flucht zeigt.
Oder biochemisch ausgedrückt:
Dopamin: «Fuß am Gas»;
Prolaktin: «Fuß auf der Bremse;
Oxytocin: «Entspannung»;
VII.
Es ist unendlich Schade, dass die heutige Zeit das Gebet nicht mehr kennt. Die heilsuchenden Menschen keine gelebte Gebetspraxis mehr kennen. Was gibt es Tieferes und Beglückenderes, als «mit seinem eigenen Willen, im ewigen Ursein zu wollen»! (Bô Yin Râ)
Durch diese «Willenspraxis», welches jedes wahre Gebet begleitet, zeigt sich die wahre menschliche Tiefe und Höhe. Die Tiefe zeigt uns die «freudvolle Lust», die Höhe führt uns ins «lichtene Sein».
Die Lust führt uns somit auf unserem Weg.
Der Weg – hält sich aber nirgendwo auf.
Das «Nirgendwo» ist die wahre Heimstatt des Menschen, nur diese ist gesegnet.