Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier - Henry Picker - E-Book
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Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier E-Book

Henry Picker

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Beschreibung

Der Spiegel nennt Henry Pickers Aufzeichnungen von Hitlers Tischgesprächen im Führerhauptquartier »Wolfsschanze« eine »publizistische Weltsensation«. Bis heute gelten sie als einzigartiges zeitgeschichtliches Ereignis: 1942 wird der 30jährige Henry Picker als Jurist ins Hauptquartier nach Wolfsschanze berufen – und von Hitler zu seinem »ständigen Tischgast« bestimmt. Henry Pickers Dokumentation von Hitlers Tischgesprächen im Kreise seiner wichtigsten Mitarbeiter bietet authentische Einblicke in dessen Persönlichkeit, Gedankenwelt, Politik und Kriegsführung auf dem Höhepunkt von Hitlers Macht – immer mit der Unbestechlichkeit des historisch politisch und juristisch geschulten Beobachters. Gerhard Ritter, Prof. der Geschichte an der Universität Freiburg, schrieb dazu in seiner Einführung: »Dieses Buch ist ein geschichtliches Dokument, der Zweck seiner Veröffentlichung ist nur: zu zeigen, ›wie es eigentlich gewesen ist‹. Jenseits von Anklage und Verteidigung, von Verdammnis und Verherrlichung gibt es die nüchterne Pflicht des Erkennens, ohne das kein Verstehen und somit kein Urteilen möglich ist. Diese Publikation ist darum wichtig, weil sie die Wahrheit, oder doch ein wesentliches Stück von ihr, an den Tag bringen hilft.«

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Seitenzahl: 1160

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Henry Picker

Hitlers Tischgespräche

im Führerhauptquartier

Technische Erläuterungen zur Neuausgabe

Kurze ergänzende Hinweise zur Verdeutlichung der Tischgespräche (z. B. Daten, Orte, Dienstgrade, Dienststellungen usw.) wurden jeweils hinter dem Bezugswort in Klammern eingefügt.

Anmerkungen, die zum Verständnis und zur Erläuterung von Personen, Ereignissen usw. erforderlich waren, wurden als Fußnoten unten auf die zugehörige Seite gestellt und im gesamten Buch durchlaufend nummeriert. Auf eine Kommentierung in den Anmerkungen wurde bewusst verzichtet. In diesem Zusammenhang wird auf die wissenschaftlichen Wertungen und die Literaturverweise in den von Professor Dr. Andreas Hillgruber verfassten Anmerkungen der vorangegangenen Ausgaben verwiesen.

Ausführliche Erläuterungen zum besseren Verständnis der Tischgespräche insbesondere für den Leser, der diese Zeit nicht erlebt hat, sowie Ergänzungen, die auf der Kenntnis des Autors von bisher unbekannten Quellen, auf den Archivalien des Hitler-Nachlasses und auf Augenzeugenberichten beruhen, sind innerhalb der Tischgespräche jeweils als Absatz eingeschoben und durch Kursivschrift kenntlich gemacht worden. Wo in solchen Einschüben Zitate vorkommen, befinden sich die Belege hierzu im Archiv des Autors.

Der Zusatz F. d. R. bei den Tischgesprächen Nr. 1 bis 36 (Auszüge aus den Originalstenogrammen des Ministerialrats Heim) bedeutet, dass der Autor die Verantwortung für die Richtigkeit übernimmt.

Zur Einführung: Die Persönlichkeit und Politik Adolf Hitlers Entstehungsgeschichte Der »Tischgespräche« im Führerhauptquartier

Nicht zu rechtfertigen oder zu verurteilen, ist der Sinn dieser Dokumentensammlung. Um Phänomene wie Hitler in ihren geschichtlichen Auswirkungen beurteilen zu können, braucht es viel Zeit und Abstand.

Aufgabe der zeitgenössischen Geschichtswissenschaft, insbesondere in einer so welterschütternden Epoche wie der Hitlers, kann es nur sein, für die Nachwelt die einwandfreien Unterlagen zu sichern und so zu überliefern, »wie es wirklich gewesen« ist. Denn am Gewesenen versucht der denkende Mensch das Geschehnis seiner Zeit zu analysieren. Im Rückblick auf das, was vor ihm war, betrachtet er das historische Gelände, aus dem die Ereignisse seiner Gegenwart keimen und existent werden. So ergründet er die Gesetzmäßigkeiten des menschlichen Lebens in den Gemeinschaften und im Zusammenwirken der Völker und Nationen unseres Planeten, gewinnt Vergleichsmaterial für die – in ihrem Ablauf immer wieder einmaligen – geschichtlichen Entwicklungen und erhält Maßstäbe für die Gestaltung der noch in Dunkel gehüllten Zukunft. Er muss sich nur hüten, als »Geschichte« lediglich die sichtbaren Ereignisse zu begreifen, die uns auf der Wanderbühne des irdischen Geschehens vor Augen treten, sondern vor allem jene inneren Antriebe aufspüren, die aus der Sphäre des Geistigen stammen und aus einem schlichten Normalbürger einen Weltveränderer wie Hitler formen, der da meint: »Die Erde ist wie ein Wanderpokal. Sie hat das Bestreben, immer in die Hand des Stärksten zu kommen« (Tischgespräch Nr. 106).

Gibt es bessere Unterlagen hierfür als die intimsten Unterhaltungen eines Diktators wie Hitler, zumal, wenn sie zu einer Zeit aufgezeichnet wurden, als er als Herrscher Europas vom Nordkap bis zur Sahara und vom Atlantik bis zum Kaukasus über 6,85 Millionen qkm mit 112,5 Millionen Deutschen und 250 Millionen Ausländern regierte und mit seinem Krieg, dem II. Weltkrieg, ein Siebtel der Erdoberfläche überzog?[1] Hinzu kommt, dass Hitlers Tischgespräche von mir nicht erst Jahre später und aus der Erinnerung zu Papier gebracht wurden wie diverse Hitler-Memoiren und die sonst publizierten »Gespräche mit Hitler« zumeist, sondern sofort. Bei jenen drei besonders langen Tischgesprächsaufzeichnungen von mir, die Hitler selbst gelesen hat, hat er zudem anerkannt, dass sie seine Gedanken und Darlegungen absolut präzis und einwandfrei wiedergäben.

Noch nie in der Weltgeschichte ist – wie der die Veröffentlichung dieser Dokumentensammlung 1951 erstmals ermöglichende Bundespräsident, Professor Theodor Heuss, erklärte – die Schaffung eines solchen, in seiner Art einmaligen Werkes der Geschichtswissenschaft gelungen und von einem Welterschütterer wie Hitler literarisch ein gleichsam »historisches Foto« eingefangen worden. Und es wird auch kaum ein zweites Mal möglich werden, derartiges Material der Nachwelt zu überliefern, da jeder Staatsmann von Weltgeltung bei Kenntnis dieser Sammlung Selbstenthüllungen von ähnlicher Originalität, Vorbehaltslosigkeit und Vollständigkeit sorgfältigst vermeiden wird. Denn diese Niederschriften halten mit der Unbestechlichkeit des historisch, politisch und juristisch geschulten Beobachters fest, wie Hitler sich im Kreise seiner etwa 26 Mitarbeiter im Führerhauptquartier gab, seine Auffassungen, Entscheidungen und Maßnahmen interpretierte und sich zu den Problemen des Lebens und des Glaubens, des Volkes und der Staatsverwaltung, der Kultur und der Sozialgerechtigkeit, des Krieges und des Friedens stellte. Wenn die Weltpresse dieses Werk daher als »eine unersetzliche Primärquelle« und als »a scientific document of the highest order« bezeichnete, dann sicher deshalb, weil Primärquellen auch bei Hitler Mangelware sind. Sein eigenes programmatisches Werk »Mein Kampf« diente bewusst dem Zweck, seine Person und seine Ideen zu propagieren. »Hitlers Zweites Buch«, 1928 verfasst, 1961 vom Deutschen Institut für Zeitgeschichte publiziert, war bereits 1929/1930 durch die politische Entwicklung derart überholt, dass Hitler dem Parteiverlag Eher die Veröffentlichung verbot und auf die Reinschrift-Korrektur des Manuskripts verzichtete.

Hitlers öffentliche Reden offenbarten von seinen Gedanken und Zielen jeweils nur so viel beziehungsweise so wenig, wie es die aktuellen Gegebenheiten erforderten; nur der Eingeweihte kann bei ihnen die Spreu vom Weizen trennen. Was Mitarbeiter-Biografien, Tagebuch-Memoiren, Historiker-Interpretationen, Erinnerungsprotokolle und überlieferte Gesprächsbruchstücke über Hitler aussagen, ist jeweils von der Sicht des Autors her subjektiv gefiltert. Ähnliches gilt von den Stenogrammen der Hitlerschen Lagebesprechungen, die – da von Zivil-Stenografen getätigt – von Militärs überarbeitet werden mussten. Mir dagegen ging es bei dieser Dokumentensammlung von vornherein nicht um meine Sicht der Probleme, sondern darum, planmäßig ein ausführliches Selbstzeugnis Hitlers über seine Person, seine Ideen und Ziele zu überliefern.

Da Hitlers eigene Memoiren-Unterlagen bei einem Flugzeugabschuss angeblich am 21. April 1945 verbrannten, sei klargestellt:

Das »Führerhauptquartier« war im II. Weltkrieg nicht nur der Name der obersten militärischen Befehlsstelle Deutschlands, sondern darüber hinaus – nicht zuletzt im Hinblick auf Hitlers zivile Funktionen als Staatsoberhaupt, Kanzler und Parteichef – die allgemeine Bezeichnung für Hitlers Aufenthaltsort, ganz gleich, ob es sich dabei um die vom Oberkommando der Wehrmacht betreuten Hauptquartiere »Wolfsschanze« (bei Rastenburg in Ostpreußen), »Werwolf« (bei Winniza in der Ukraine), »Felsennest« (bei Münstereifel), »Wolfsschlucht« (in Bruly de Pèche), »Tannenberg« (am Kniebis im Schwarzwald), »Adlerhorst« (auf dem Ziegenberg im Taunus) und »Wolfsschlucht II« (bei Soissons) handelte oder um Hitlers sogenannten »Führersonderzug« (z. B. im Polen-, Jugoslawien- und Griechenlandfeldzug), um Hitlers »Berghof« auf dem Obersalzberg, um den »Führerbau« in München oder um die Reichskanzlei in Berlin.

Das Führerhauptquartier war bei der Totalität der Kriegführung im II. Weltkrieg, die das Politische ebenso wie das Militärische, das Wirtschaftliche ebenso wie das Wissenschaftlich-Technische umfasste, weder sachlich noch örtlich eine ausschließlich militärische Einrichtung. Es gehörten ihm eine Reihe echter Zivilisten an wie Hitlers Sekretär und Partei-Kanzlei-Leiter (d. h. Stellvertreter in der Parteileitung) Martin Bormann, die persönlichen Adjutanten Julius Schaub und Albert Bormann, der Verbindungsmann des Ostministeriums Dr. Werner Koeppen, der Autor dieses Buches als Repräsentant der Allgemeinen und Inneren Verwaltung und Oberregierungsrat des bäuerlich-demokratischen Landes Oldenburg, der Hauptschriftleiter Heinz Lorenz vom Deutschen Nachrichtenbüro, Hitlers Ärzte Dr. Theodor Morell und Dr. Karl Brandt und andere. Hitler selbst trug dem zivilen Einschlag des Führerhauptquartiers dadurch Rechnung, dass er zur Vermeidung von bürokratischen Auseinandersetzungen mit dem Rechnungshof des Deutschen Reiches alle durch diesen besonderen Charakter des Führerhauptquartiers bedingten zusätzlichen Kosten – etwa für seine Teeabende, seine Privattafel, seinen Autopark von rund 120 Fahrzeugen und seine Flugzeugstaffel von 30 bis zu 60 Maschinen – aus seiner Privatschatulle bezahlte (Tischgespräch Nr. 167, Mitte). Geld genug hatte er u. a. aus seinem bereits erwähnten Bestseller »Mein Kampf«, dessen Auflage bis 1943 in deutscher Sprache fast schon die 10-Millionengrenze erreichte (genau: 9,34 Millionen) und außerdem in Englisch, Amerikanisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Dänisch, Holländisch, Schwedisch, Norwegisch, Finnisch, Ungarisch, Japanisch, Chinesisch usw. tantiemeträchtig erschien.

Im Führerhauptquartier unterschieden wir zwischen Hitlers offizieller »Führertafel«, der er als Staatsoberhaupt, Kanzler oder Oberkommandierender der Wehrmacht präsidierte, und seiner normalen mittäglichen beziehungsweise abendlichen »Privattafel«. Während Hitler an der dienstlichen »Führertafel« mit Rücksicht auf die anwesenden in- und ausländischen Staatsmänner, Militärbefehlshaber und eventuellen Protokollanten jedes Wort und jede Geste auf die Goldwaage legen musste, war seine »Privattafel« sein Privatissimum, vergleichbar dem Tabakskollegium der Preußen-Könige Friedrich Wilhelm I. und Friedrich der Große. Diese Privattafel mit seinen engsten Mitarbeitern – seiner »famiglia pontificia« – und seinen Gästen (in München und auf dem Berghof gehörten auch Damen seines Bekanntenkreises, insbesondere seine spätere Frau, Eva Braun, dazu) entsprang seinem persönlichsten Menschentum, seinem Bedürfnis nach Entspannung durch Geselligkeit und Unterhaltung in außerdienstlicher, privater Atmosphäre! Er selbst bekannte hierzu (Tischgespräch Nr. 35, Schluss), dass er im Gegensatz zu seiner Jugend, wo er ein für sich gehender Sonderling gewesen sei, jetzt gar nicht mehr allein sein könne, geradezu Gesellschaft brauche und lieber in Begleitung – etwa in einer Gaststätte – esse als allein zu Hause.

Aus diesem Grunde nahm Hitler an Tagen ohne dienstliche »Führertafel« sein Mittagessen und sein Abendessen von Mitte 1941 bis zum Spätsommer 1942 nicht allein in seinem Wohn- und Arbeitsraum ein, sondern an einer 20-Personen-Tafel im Hauptraum des FHQu-Kasinos, und lud sich dazu die ihm erwünschten Tischgäste ein. Dabei lag ihm das persönliche Moment dieser Einladung zu seiner Privattafel so sehr am Herzen, dass er selbst seine engsten Mitarbeiter wie seinen OKW-Chef (also quasi Kriegsminister) Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, seinen strategischen Führungsgehilfen Generaloberst Alfred Jodl, seinen Sekretär Reichsleiter Martin Bormann und seinen Reichspressechef Dr. Otto Dietrich jedes Mal durch seine persönliche Adjutantur telefonisch ausdrücklich bitten ließ und die Zu- oder Absage ganz in das Belieben der Gebetenen stellte. Dass er auch mich regelmäßig zu seiner Privattafel laden ließ, hatte seinen Grund darin, dass ich – wie er durch Adjutant Schaub erfuhr – der Sohn des seit 1929 von ihm hochgeschätzten Wirtschafts-Senators Daniel Picker aus Wilhelmshaven war. An seine Friedensversicherungen glaubend, hatte mein Vater Hitler schon Jahre vor der Machtübernahme bei der Deutschen Kriegsmarine eingeführt. Die mehrfach vor dem II. Weltkrieg von Hitler in meinem Elternhause genossene Gastfreundschaft veranlasste ihn, mich zu seinem ständigen Tischgast zu bestimmen und mich auch bei seinen Aufenthalten auf dem Berghof, in München und in Berlin an seine Tafel bitten zu lassen, selbst wenn Eva Braun oder sonstige Damen und Herren seines engsten Bekanntenkreises teilnahmen.

Wer war nun dieser Adolf Hitler, mit dem ich während meiner Abkommandierung zum Führerhauptquartier rund um die Uhr auf engstem Raum zusammenlebte und den ich – über die dienstliche Zusammenarbeit hinaus – mittags und abends bei Tisch eingehend zu seiner Person und zu seinen Problemen Stellung nehmen hörte? In Stichworten sei dazu Folgendes vermerkt:

Der Name »Hitler« bedeutet »Salz-Hütter« (= Salz-Verwahrer). Im österreichischen Braunau am Inn wurde Hitler am 20. April 1889 als Sohn eines k. u. k. Zollamtsoberoffizials, also eines Zivilbeamten im Majorsrang, geboren. Er stammte väterlicher- und mütterlicherseits von Kleinbauern ab, besuchte die Realschule in Linz und in Steyr bis zur »mittleren Reife«. Er verlor am 3. Januar 1903 den Vater und am 21. Dezember 1907 die Mutter. Um Künstler zu werden, ging er mit seiner elterlichen Erbschaft und seiner Waisenrente als Beamtenkind nach Wien. Zweimal fiel er bei der Aufnahmeprüfung der »Malschule« der Wiener »Akademie der Bildenden Künste« durch. Zur Aufnahme in die »Architekturschule« der Akademie wurde er mangels Abitur nicht zugelassen. Bis zum 24. Mai 1913 lebte er als Kunstmaler und Architekturzeichner in Wien, anschließend bis zum Ausbruch des I. Weltkriegs in München. Für Bilderrahmenhändler, zur Schaufensterdekoration und für den Souvenir-Verkauf zeichnete beziehungsweise aquarellierte er im Schnellverfahren gefällige Städteansichten, für die er fünf bis 30 Kronen erzielte. In seiner Freizeit bildete er sich autodidaktisch weiter, und zwar in Fragen der Politik, der Wirtschaft, der Geschichte, der Geografie, der Kriegskunst, der Wehrtechnik, der Religion, der Wissenschaften und der Kunst.

Seine ganze Liebe galt der Architektur. Seine Architekturskizzen bezeichnete er uns gegenüber deshalb als seinen kostbarsten Besitz, sein Gehirneigentum, auf das er später seine vielen Um- und Neubaupläne als »Führer und Kanzler« des Deutschen Reiches gründete. Dass er allerdings in seiner architektonischen Zielsetzung ab 1930 vom Barock zur Neu-Klassik überwechselte, war das Werk seines architektonischen Mentors in München, des königlich-bayerischen Architektur-Professors Paul Ludwig Troost. Der Entwurf Professor Troosts für den »Führerbau« und den »Verwaltungsbau« am Königlichen Platz in München hing – als Federzeichnung von Christian Hacker – zeitlebens hinter Hitlers Schreibtisch in seinem Arbeitszimmer in seiner Berliner Reichskanzlei-Privatwohnung.

Im I. Weltkrieg war Hitler ab 16. August 1914 Soldat. Als Gefreiter des Bayerischen Reserve-Infanterie-Regiments Nr. 16 (List) nahm er an insgesamt 48 Schlachten in Belgien und Frankreich teil, wurde zweimal verwundet und erwarb als Gefechts-Meldegänger das Eiserne Kreuz I. Klasse (4.8.1918) und II. Klasse (2.12.1914), das nur »für außergewöhnliche Verdienste« verliehene Bayerische Militärverdienstkreuz III. Klasse mit Schwertern (17.9.1917) und die Dienstauszeichnung II. Klasse (25.8.1918), das Verwundeten-Abzeichen in Schwarz (18.5.1918) und bei Fontaine am 9.5.1918 das Regimentsdiplom für hervorragende Tapferkeit. In der »Großen Armee« der Frontsoldaten erlebte und empfand er, der Früh-Vollwaise, so etwas wie einen Familienersatz: die später von ihm immer wieder berufene »Volksgemeinschaft«.

Der Zusammenbruch des Deutschen Kaiserreichs und die nachfolgende kommunistische Räteherrschaft in München bedeuteten für Hitler die Zäsur seines Lebens. Als Reichswehr-Vertrauensmann zur Beobachtung der neu sich bildenden politischen Parteien Münchens trat er im September 1919 der »Deutschen Arbeiterpartei (DAP)« bei, wurde ihr Hauptversammlungsredner und ihr Propagandaleiter, benannte sie in »Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei« (NSDAP) um und verkündete am 24. Februar 1920 ihr Parteiprogramm. Zu ihrem Symbol erhob er das Hakenkreuz. Es war ihm aus seiner Grundschulzeit im Kloster Lambach (1896–1898) vertraut, zierte es doch Wappen, Ring und Kanzel des von ihm hochverehrten Benediktiner-Abtes. Als Symbol der Sonne, des Guten und des Glücks existierte es schon Jahrtausende vor Christi Geburt. Seine Verbreitung war weltweit (Indien, China, Japan, Persien, Russland, Amerika). Bei den Germanen war es seit der Bronzezeit bis hin zum Mittelalter vorherrschendes Heilszeichen; nur bei den Semiten war es unbekannt. Das bewog Hitler, das Hakenkreuz für die NSDAP zum Kult-Zeichen eines wiedererweckten Germanentums und zum Abwehr-Symbol gegen alles Jüdische zu kreieren.

Nach seiner Entlassung aus der Reichswehr (31. März 1920) organisierte Hitler Einzel- und Massenversammlungen, vaterländische Kundgebungen und paramilitärische Aufmärsche. Er wurde am 29. Juli 1921 von den Parteimitgliedern zum Ersten Parteivorsitzenden der NSDAP mit unbeschränkten Vollmachten gewählt. Im »Völkischen Beobachter« schuf er sich sein Presse-Sprachrohr. Als Basis eines Marsches auf Berlin zur Eroberung der »Weimarer Republik« versuchte er am 8./9. November 1923 in München den Staatsstreich. Der Putsch wurde von der Regierung vereitelt und Hitler zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt.

Bereits am 20. Dezember 1924 vorzeitig aus der Haft entlassen, ließ er ab 26. Februar 1925 wieder den »Völkischen Beobachter« erscheinen und gründete am 27. Februar 1925 die NSDAP neu. Im Dezember 1928 hatte er die ersten 100 000 Parteimitglieder beisammen und kommandierte ab 2. September 1930 die größte Privat-Armee der Welt mit rund 100 000 SA- und SS-Leuten (1934 waren es bereits vier Millionen). Er errang durch Wahlreisen kreuz und quer durch Deutschland per Auto und per Flugzeug am 14. September 1930 von 577 Sitzen 107 Reichstagssitze, am 31. Juli 1932 sogar 230 von 608 Reichstagsmandaten.

Am 30.4.1925 auf eigenen Antrag aus der österreichischen Staatsbürgerschaft entlassen, wurde er – zwischenzeitlich staatenlos – erst am 25.2.1932 durch Berufung zum Beamten an der Vertretung Braunschweigs in Berlin »Deutscher Staatsbürger«; bei der Reichspräsidentenwahl vom 10.4.1932 errang er bereits 13,4 Millionen Stimmen, d. h. 36,8 Prozent.

Von dem – damals mit 19,4 Millionen Stimmen wiedergewählten –Reichspräsidenten Generalfeldmarschall Paul von Beneckendorff und von Hindenburg am 30. Januar 1933 zum Deutschen Reichskanzler ernannt, knüpfte Hitler in seiner Politik an die deutschen Geschichtstraditionen an, verkörpert in Karl dem Großen, König Heinrich I., Kaiser Otto I., dem Großen, Friedrich dem Großen, Bismarck und Hindenburg, sowie an den überlieferten autoritären Obrigkeitsstaat mit der Berufsbürokratie und der Wehrmacht als staatstragenden Säulen und an die Glaubenswilligkeit der deutschen Menschen (Motto: »Du bist nichts, Dein Volk ist alles!«).

Hitlers Aufstieg und legale Machtübernahme wären undenkbar gewesen ohne das – den I. Weltkrieg beendende – Friedensdiktat von Versailles vom 28.6.1919 mit seinen Gebietswegnahmen (Saargebiet, Elsass-Lothringen, Posen, Westpreußen, Danzig, Memelland, Teile Oberschlesiens, Hultschiner Ländchen, Nordschleswig und sämtliche Kolonien), der Besetzung des Rheinlandes (später auch des Ruhrgebietes), der De-Militarisierung Restdeutschlands (erlaubt blieben nur ein 100 000-Mann-Berufsheer ohne Flugzeuge und schwere Waffen und eine 15 000-Mann-Marine), der Demontage der deutschen Wirtschaft (Beschlagnahme der deutschen Handelsflotte und aller modernen deutschen Industrie-Ausrüstungen, Enteignung des deutschen Auslandsvermögens) und den – Deutschland völlig auspowernden – Reparationen von 132 Milliarden Goldmark. Die Folgen waren Hungerrevolten und Straßenkämpfe, Verproletarisierung von Mittelstand und Akademikertum, Superverschuldung der Landwirtschaft und der Industrie und vor allem: 6,047 Millionen Arbeitslose mit durchschnittlich mindestens drei weiteren, von ihnen versorgungsmäßig abhängenden Familienangehörigen, sowie fast ebenso viele Kurzarbeiter und Sozialhilfeempfänger. Die Inflation 1919 bis 1923 verringerte den Wert der deutschen Währung auf den billionsten Teil ihrer früheren Kaufkraft und ruinierte damit die deutschen Sparer. Die von den USA ausgehende Weltwirtschaftskrise 1929/1931 brachte der in puncto Rohstoffen, Kapital und Absatz völlig vom Ausland abhängigen deutschen Wirtschaft eine wahre Lawine von Konkursen, Selbstmorden und Zwangsversteigerungen. Und die deutschen Regierungen erwiesen sich bei all diesem Desaster als unfähig, die Weimarer Republik und ihre weitgehenden Freiheiten wirkungsvoll gegen die erklärten »Feinde der Demokratie« zu verteidigen. Das war – politisch gesehen – der Boden, der Hitlers Aufstieg und Machtübernahme erst möglich machte.

Der Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 gab Hitler die Handhabe zur Ausschaltung seines schärfsten weltanschaulichen Gegners, der Kommunisten (KPD). Das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 autorisierte ihn zum Aufbau seines Führerstaates, der alle Parteien mit Ausnahme der NSDAP liquidierte, das Parlament entmachtete, die NSDAP als Einheitspartei mit der Regierungskontrolle des Staates und des gesamten öffentlichen Lebens beauftragte und den »Gehorsam von unten nach oben, sowie das verantwortliche Befehlen von oben nach unten« zum neuen Staatsprinzip erhob. Die deutschen Länder verloren ihre Souveränität. Die deutschen Gewerkschaften wurden von Hitlers NSDAP-Reichsorganisationsleiter Dr. Robert Ley zu einer NS-Organisation, der »Deutschen Arbeitsfront«, gleichgeschaltet. Alle Jugendbünde wurden von Hitlers Reichsjugendführer Baldur v. Schirach mit der NS-Jugendbewegung, der Hitlerjugend, gleichgeschaltet. Hitler gab der NS-Jugendbewegung den Kollektiv-Namen »Hitlerjugend« (HJ), da er bewusst zeitlebens auf eigene Kinder verzichtete.

Nur die Wehrmacht bewahrte Hitler auf Hindenburgs ausdrücklichen Befehl hin vor dieser »Gleichschaltung«. Als der SA-Stabschef, Oberstleutnant a. D. Ernst Röhm, sie trotz mehrfacher Warnung versuchte, wurde er erschossen (30. Juni 1934). Alle Beamten und leitenden Angestellten von Staat und Wirtschaft mussten ihre politische Zuverlässigkeit durch Zugehörigkeit zu NS-Organisationen nachweisen; ausgenommen waren nur Geistliche sowie Berufsoffiziere und Berufsunteroffiziere der Wehrmacht. Durch Vierjahrespläne von 1933 und 1936 beseitigte Hitler die Arbeitslosigkeit, entschuldete die deutsche Landwirtschaft, modernisierte die deutsche Industrie und schaffte eine weitgehende Autarkie Deutschlands: auf dem Ernährungssektor durch Kultivierungsarbeiten des neu errichteten Reichsarbeitsdienstes (RAD), durch Saatzucht, Ankurbelung des Viehbestandes und landwirtschaftliche Anbauberatung sowie auf dem Rohstoffsektor durch Ersatzstoffe (Synthetik-, Kohlen-, Benzinkunststoffe aller Art, Ersatzmetalle und Ersatzgummi wie z. B. Buna). Um das Auto zum »Zivilisationsgeschenk für jedermann« zu machen, aktivierte er besonders die Autoindustrie (Steuerfreiheit für Neuwagen), baute Autostraßen und legte am 26. Mai 1938 den Grundstein zum Volkswagen-Werk. Bei langsam steigenden Löhnen stabilisierte er die Preise durch Preiskommissare.

Am 16. März 1935 führte Hitler die durch das Diktat von Versailles verbotene »Allgemeine Wehrpflicht« wieder ein, besetzte – entgegen den Versailler Bestimmungen – am 7. März 1936 mit deutschen Soldaten die sogenannte entmilitarisierte Rheinlandzone und rüstete seit 1935 auf (Schaffung einer Luftwaffe und einer Fallschirmjägertruppe, Bau von schweren Geschützen, Panzern und gepanzerten Fahrzeugen, Jagdflugzeugen, Bombenflugzeugen, Raketen, U-Booten usw.). Nach Hindenburgs Tod (2. August 1934) übernahm Hitler außerdem als Deutschlands »Führer und Reichskanzler« mit der gesamten Staatsführung de jure den Oberbefehl über die Deutsche Wehrmacht. Am 4. Februar 1938 erlangte er diesen Oberbefehl durch die Ausschaltung des Generalfeldmarschalls Werner v. Blomberg und des Generalobersten Freiherr v. Fritsch auch de facto. Zusätzlich wurde er nach dem Rücktritt des Generalfeldmarschalls Walther v. Brauchitsch am 19. Dezember 1941 noch sein eigener Oberbefehlshaber des Heeres.

Außenpolitisch proklamierte Hitler als sein Ziel die Rückgewinnung der durch Versailles verlorenen deutschen Gebiete. Durch die Saarabstimmung (90,76 Prozent der Stimmen für Deutschland) erreichte er am 13. Januar 1935 die Rückkehr der Saar. Durch den Einmarsch in Österreich vom 12. März 1938 gelang ihm der durch Versailles verbotene Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich und somit die Schaffung des »Großdeutschen Reichs« (10. April 1938; österreichische Ja-Stimmen: 99,73 Prozent). Ab 1. Oktober 1938 besetzte er mit Genehmigung Großbritanniens, Frankreichs und Italiens (Münchener Abkommen vom 30. September 1938) die sudetendeutschen Gebiete der Tschechoslowakei und gliederte sie dem Reich ein. Durch Vereinbarung mit Litauen erlangte er am 23. März 1939 auch das Memelland auf friedlichem Wege zurück.

Im Übrigen war Hitlers Außenpolitik aber ein Vabanque-Spiel mit einem horrenden Kriegsrisiko. Zwar hatte er durch die XI. Olympiade in Berlin ein unvorstellbares internationales Ansehen gewonnen. Rund 5000 Ehrenbürgerbriefe aus aller Welt und sonstige Ehrendiplome in seinem Berghofarchiv kündeten davon.

Hitler verspielte dieses Ansehen aber weltweit durch seinen Rassismus, d. h. durch seinen Glauben an eine schicksalhafte Bestimmung der menschlichen »Rasse« im Zusammenleben der Völker und Nationen. Sein Antisemitismus war typisch osteuropäisch und fand in der breiten Masse des deutschen Volkes nie rechte Zustimmung (Tischgespräch Nr. 118, Schluss). Hitlers Antisemitismus ging auf seine Erfahrungen im k. u. k.

Vorkriegs-Wien zurück, das der Volksmund »Neu-Jerusalem« nannte, weil seine »gehobene Bourgeoisie« – Ärzte, Notare, Bankiers, Rechtsanwälte, Journalisten, Künstler, Gewerkschaftsleute, sozialdemokratische Parteiführer usw. –überwiegend aus Juden bestand. Auch Hitlers einzige in Wien lebende Vollschwester Paula war mit einem Juden verlobt und weigerte sich zu seinem größten Ärger, einen anderen Mann zu ehelichen. Für Hitler war das Judentum deshalb eine Gefahr für Deutschland und Europa, weil es seiner Meinung nach »rassisch härter« als die einheimische deutsche und europäische Rassenmischung war und deshalb oft schon in der zweiten Generation nach der Einwanderung aus dem Osten im »Gastvolk« führende Positionen der Sozialpyramide eroberte.

Außerdem brachen nach Hitlers Meinung Kulturen und Reiche zusammen, wenn ihre Träger – wie z. B. die Römer – sich mit völlig andersartigen Rassen – z. B. den afrikanischen Negern – mischten. Zwar ging er nicht so weit wie sein Reichsbauernführer und Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft (1933 bis 1942) Walther Darré, der dem einzelnen Menschen nicht mehr den Rang eines »einmaligen geistig-sittlichen Wesens« einräumen, sondern die Erfahrungen der Viehzucht auf die menschliche Fortpflanzung übertragen wollte. Aber Hitler sah in der Blutvermischung zwischen völlig verschiedenen Rassen »die wahre Erbsünde dieser Welt« und begründete dies damit, dass die »Art-Erhaltung« der verschiedenen menschlichen Rassen das Lebensgesetz sei, nach dem wir angetreten seien. Wie dem Tier und der Pflanze habe die Natur – so meinte Hitler – auch dem Menschen dieses Lebensgesetz als »unabdingbar« mit auf den Weg gegeben, sodass mit seiner Missachtung und dem entsprechenden Verlust der Rassereinheit die Widerstandskraft der Menschen und Völker im ewigen Daseinskampf schwinde.

Mit seinen »Nürnberger Gesetzen« vom 15. September 1935 verbot Hitler deshalb allen Deutschen, Juden zu heiraten, schaltete die Juden aus dem deutschen Staats-, Wirtschafts- und Kulturleben aus und suchte sie durch kollektive Partei- und Behördenschikanen zur »freiwilligen« Auswanderung zu zwingen. Mit der – ohne sein Wissen, ja aus außenpolitischen Gründen zu seinem größten Verdruss – von seinen Mitarbeitern Dr. Goebbels und Heinrich Himmler inszenierten »Reichskristallnacht« vom 9. November 1938, der Zerstörung jüdischer Synagogen, Geschäfte und Wohnungen, machte er sich das organisierte Weltjudentum mit seinem einzigartigen Einfluss in Staat, Wirtschaft und Presse der USA zum Feind Nr. 1. Die Folge davon war, dass dieses organisierte Weltjudentum ihm mit der Unterschrift des Zionistenführers Chaim Weizmann, des späteren ersten Präsidenten des Staates Israel, bereits am 5. September 1939 offiziell den Krieg erklärte (»Jewish Chronicle« vom 8. September 1939).

Wie Hitler daraufhin der »Nero des Judentums« wurde und ob er von dem 13-Millionenvolk der Juden entsprechend den amtlichen Angaben des Staates Israel rund sechs Millionen in seinen Konzentrationslagern (KZ) ermorden ließ, das erfuhren nur die unmittelbar Beteiligten: Himmler, seine (nach seinen eigenen Angaben) 89 Juden-Sachbearbeiter und jene – meist österreichischen und osteuropäischen – Antisemiten, die in SS-Uniform oder als litauische, polnische usw. »Sonderformationen« die (dem deutschen Volk insgesamt erst nach dem II. Weltkrieg bekannt gewordenen) Gräuel und Massenexekutionen durchführten. Selbst der Mehrzahl der FHQu. (Führerhauptquartier)-Mitarbeiter blieb dieses Massenmorden total verborgen. Ja – wie ich nach dem Krieg erfuhr –: Die KZ-Fotografen waren von Himmler sogar »bei ihrem Kopf« vereidigt worden, alles Gesehene und Fotografierte nicht nur uns, sondern sogar Hitler gegenüber absolut geheim zu halten. Ich frage mich diesbezüglich: Wollte Himmler Hitler nicht mit den Fakten der brutalen KZ-Wirklichkeit konfrontiert wissen? Oder wollte er ihm die Anonymität des – unserem technisch-industriellen Zeitalter entsprechenden – »Schreibtischmörders« erhalten? Oder was sonst? Fest steht historisch jedenfalls, dass das – seit dem Jahre 70 n. Chr. über die ganze Welt verstreute – Volk der Juden niemals in seiner geschichtlichen Heimat mit dem UNO-Konsens der Völker aus Ost und West wieder einen eigenen souveränen Staat, die Republik Israel, erhalten hätte, wenn nicht Hitlers Judenverfolgung die ganze Menschheit zutiefst erschüttert gehabt hätte.

Feind Nr. 2 waren die Briten. Die Briten, die Hitler für seine Außenpolitik der Sammlung aller europäischen Deutschen in einem einzigen »Großdeutschen Reich« und der eventuellen Erlangung »zusätzlichen Lebensraumes« im Osten als tolerierende »Freunde« suchte und die er mit dem Flottenabkommen vom 18. Juni 1935 und durch den Verzicht auf deutsche Übersee-Kolonien zu ködern hoffte, verfeindete er sich durch die vereinbarungswidrige Annexion der Tschechoslowakei (14. bis 16. März 1939). Mochte er von ihr auch nur die strategisch und rüstungsmäßig wichtigen Gebiete Böhmen und Mähren zu einem deutschen »Protektorat« machen und der Slowakei als deutschem Satellitenstaat die Selbstständigkeit geben, für die britische Führung war das eine – nicht mehr durch das international anerkannte »Selbstbestimmungsrecht der Völker« gedeckte – imperialistische »Störung des Europäischen Gleichgewichts«. Als Hitler daher ein halbes Jahr später, am 1. September 1939, Polen angriff, weil es Danzig und die für einen Korridor nach Ostpreußen benötigten Teile Posens und Westpreußens nicht freiwillig zurückgeben wollte, erklärte Großbritannien – und auf seine Interventionen hin auch Frankreich – Deutschland am 3. September 1939 den Krieg.

Hitler hatte Großbritanniens Politik des Europäischen Gleichgewichts gründlichst fehlinterpretiert. Dabei hatte Winston Churchill, Großbritanniens späterer Kriegspremier, in einer – Hitler bekannten – Unterhausrede vom März 1936 die Leitlinien dieser Politik offen dargelegt: »400 Jahre hat die auswärtige Politik Großbritanniens darin bestanden, der stärksten, der aggressivsten und der die Hegemonie Europas anstrebenden Macht des Kontinents sich entgegenzustellen … Zweifellos war stets die Versuchung groß, sich mit dem Starken zu verbünden und die Frucht seiner Eroberungen zu teilen. Wir jedoch schlugen immer den entgegengesetzten Weg ein. Wir verbündeten uns mit den Schwächeren, schufen eine Allianz unter ihnen und beseitigten so den kontinentalen Tyrannen, wer auch immer es war und welcher Nation auch immer er angehörte.«

Damit war der II. Weltkrieg am 1. September 1939 entbrannt. Großbritannien ließ sich in seiner Entscheidung, deren Vorankündigung Hitler für einen politischen Bluff gehalten hatte und deren Realisierung ihn deshalb wie ein Schock traf, weder durch Deutschlands Bündnisverträge mit Italien, Japan, Ungarn, Bulgarien, Rumänien und der Slowakei erschüttern, noch durch Hitlers Stalin-Pakt vom 23. August 1939/28. September 1939 irritieren, durch den Deutschland und die UdSSR sich Polen teilten, noch durch geheime Offerten Hitlers beeinflussen, die nicht deutschbesiedelten Teile Zentralpolens mit den Distrikten Warschau, Krakau, Lublin und Radom alsbald wieder zu einem selbstständigen polnischen Staat zu erheben. So ging nach der Niederwerfung Polens binnen 27 Tagen Hitlers Friedensangebot an die Westmächte vom 6. Oktober 1939 ins Leere. Ja, er schob sogar das missglückte Attentat auf ihn vom 8. November 1939 im Münchner Bürgerbräukeller auf das Konto der Alliierten.

In Blitzkriegen von wenigen Wochen besetzte Hitler daraufhin Dänemark und Norwegen ab 9. April 1940, die Niederlande, Belgien, Luxemburg und Frankreich ab 10. Mai 1940 (Waffenstillstand mit Frankreich am 22. Juni 1940), sowie Jugoslawien und Griechenland ab 6. April 1941. Da die Verständigung Hitlers mit dem sowjetischen Außenminister Wjatscheslaw M. Molotow über die Abgrenzung der Interessengebiete der UdSSR an der Ostsee (Kattegat/Skagerrak und Finnland), auf dem Balkan (Rumänien, Bulgarien, Dardanellen, Zugang zum Persischen Golf) und am Mittelmeer (Stützpunkte in Saloniki und in Jugoslawien) an Hitlers langfristigem Europa-Verständnis scheiterte, war die UdSSR plötzlich Feind Nr. 3. Da Hitler einem wohlvorbereiteten Kriegseintritt der UdSSR als »Festlandsdegen Großbritanniens« zuvorkommen wollte und da er die Sowjetunion im damaligen Stadium der Umorganisation und Umrüstung ihrer Roten Armee kurzfristig durch seine Blitzkrieg-Strategie niederzuringen hoffte, begann er den Krieg gegen die UdSSR am 22. Juni 1941 mit 153 Divisionen (etwa drei Millionen Soldaten), rund 2000 Flugzeugen, 3300 Panzern und mit mehr als 7200 Geschützen.

Mit Finnland, Rumänien und Italien als Verbündeten der »ersten« Stunde – später kamen noch Ungarn, die Slowakei, Kroatien und – begrenzt – Spanien hinzu – hoffte Hitler durch den Russlandkrieg ein neues Europa schaffen zu können, dem er den Namen »Germanisches Reich Deutscher Nation« gab. Für dieses »Germanische Reich«, ein Reich aller europäischen Nationen mit der deutschen als hegemonialem primus inter pares (Erster unter Gleichen), sollte das europäische Russland bis zum Ural, zumindest aber auf der ungefähren Linie Archangelsk/Astrachan bis zur Wolga und bis zum Kaukasus (einschließlich), nach dem Beispiel Indiens im seinerzeitigen Britischen Empire, als Lebensmittel-, Öl- und Rohstoffreservoir dienen. Hitler war zutiefst davon überzeugt, dass die »Einheit Europas« nicht durch das Einigungsbestreben einer Fülle von – schönen Reden haltenden – Staatsmännern zuwege gebracht werden könne, sondern nur mit Waffengewalt durch einen gemeinsamen Krieg als »Schmelztiegel« (Tischgespräch Nr. 159). Und er glaubte fest daran, dass Deutschland sich in der Auseinandersetzung mit der Sowjetunion und ihrem Bolschewismus als »Europas Wall gegen Asien« zu bewähren habe, weil – wie Mussolini ihm 1941 bestätigte – »der Untergang des Abendlandes« durch das Hereinbrausen der hochmotorisierten sowjetischen Militärwalze über Europa und aufgrund der aggressiven Intoleranz des von Moskau geleiteten Weltkommunismus angeblich unmittelbar bevorstand (Tischgespräche Nr. 7,19, 85 und 186).

Laut deutscher Luftaufklärung hatte Stalin an der deutsch-russischen Grenze im Juni 1941 bereits erheblich stärkere militärische Kräfte als Deutschland massiert. Ausgemacht wurden 246 sowjetische Divisionen mit 4,7 Millionen Soldaten, 6000 Flugzeugen, mindestens 6000 Panzern und ungefähr 12 000 Geschützen. Ihr Manko war, dass sie sich – wie die gesamte Rote Armee damals – noch im Stadium der Umorganisation und Umrüstung befanden und daher erst nach einem bis eineinhalb Jahren voll offensiv werden konnten.

Nach erfolgreichen Kesselschlachten in der West-UdSSR mit fast 2,2 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen und nach der Einschließung Leningrads stoppte der russische Winter mit seinem Schlamm, seinem Schnee und seiner Kälte im Dezember 1941 die Eroberung von Moskau und damit die erhoffte schnelle Entscheidung. Hitler konnte im Winter 1941/42 seine – weder waffenmäßig noch in puncto Ausrüstung und Verpflegung auf derartige Schwierigkeiten vorbereitete – Armee nur unter äußerstem Einsatz, hohen Verlusten und teilweisen Frontzurücknahmen stabilisieren. Mit seinen Frühjahrsoffensiven 1942 im Süden der UdSSR war Hitler dann jedoch wieder so erfolgreich, dass er Ende Juli 1942 den Doppelvorstoß Stalingrad/Kaukasus glaubte wagen und damit die wirtschaftlich bedeutsamsten Gebiete der Sowjetunion als europäisches Versorgungsreservoir erobern zu können.

Das ist der Zeitpunkt der hier aufgezeichneten Tischgespräche Hitlers im Führerhauptquartier 1941/42.

In der Auseinandersetzung mit Großbritannien hatte Hitler seinerzeit die im Sommer 1940 begonnene »Luftschlacht um England« zwar bereits erfolglos wieder abgebrochen, dafür aber die Versorgung der britischen Insel durch Versenkungen der Transportschiffe mit der U-Boot-Waffe usw. (8,6 Millionen BRT allein bis Mitte 1942) schwer angeschlagen.

In Nordafrika hatte Generalfeldmarschall Erwin Rommel mit seinem Deutschen Afrikakorps den Italienern gegen starke britische Kräfte ihre Kolonien erhalten und war mit ihnen zusammen über El Alamein im Juli 1942 bis nach Ägypten hinein vorgedrungen. Er stand bereits 100 km vor Alexandria.

Nur die USA waren damals in Hitlers Sicht noch eine kriegsentscheidende Bedrohung, da sie über eine mit europäischen Maßstäben kaum fassbare, von ihm – Hitler – aber unglaublich unterschätzte Rüstungskapazität und über eine hochtechnisierte Wehrmacht verfügten. Hitler frohlockte deshalb, als er die USA durch Japans Angriff auf die amerikanische Flotte in Pearl Harbor (Hawaii) vom 7. Dezember 1941 in einen Pazifikkrieg verwickelt sah und sie dadurch für eine zusätzliche Atlantik-Europa-Kriegführung hinreichend geschwächt wähnte.

Er erklärte den USA deshalb in seiner Reichstagsrede vom 11. Dezember 1941 als Feind Nr. 4 von Weltrang demonstrativ den Krieg, um künftig offensiv ihrer bisherigen »short of war-Politik« zu begegnen, d. h. ihrer Unterstützung der deutschen Kriegsgegner mit Rohstoffen, Nahrungsmitteln und Rüstungsgütern aufgrund des Leih- und Pachtgesetzes vom 11. März 1941, ihrer Beschlagnahme deutscher Handelsschiffe in USA-Häfen durch Gesetz vom 6. Juni 1941, der Konfiszierung aller deutschen Guthaben in den USA am 14. Juni 1941 und der Schließung aller deutschen Konsulate in den USA am 15. Juni 1941, dem Transporter-Geleitschutz der USA gegen deutsche Flugzeuge und Kriegsschiffe im Nordatlantik ab 12. August 1941, dem Schießbefehl an die USA-Flotte gegenüber allen deutschen Schiffen vom 11. September 1941, der Bewaffnung der amerikanischen Handelsschiffe zum Kampf gegen deutsche Schiffe ab 13. November 1941 und der Besetzung von Island als Stützpunkt gegen Deutschland im Juli 1941 usw. Insbesondere ging es Hitler darum, künftig die amerikanischen Rüstungsgeleitzüge und Lebensmittel- und Rohstoffkonvois auf der Fahrt nach Großbritannien und nach der UdSSR uneingeschränkt torpedieren zu können. Dafür nahm er sogar in Kauf, dass ihm 1942/1944 fast der ganze Rest der Welt den Krieg erklärte, soweit er nicht schon als britisches oder französisches Kolonialgebiet sowieso auf der Feindseite stand.

Die »short of war-Politik« der USA hätte für Hitler bei einer tüchtigen diplomatischen Vertretung in Washington voraussehbar sein können. Abgesehen von der für die USA gravierenden Judenfrage, war der eigentliche Kriegsgrund für ihre Führung die Hitlersche Störung einer funktionsfähigen Weltwirtschaft. Denn der »Aufstand der drei weltpolitischen Habenichtse: Hitler-Deutschland, Japan und Italien« gefährdete in Roosevelts Sicht den weltwirtschaftlichen Status quo und damit den US-amerikanischen Modus vivendi. Bei 13 Millionen Arbeitslosen und der Verelendung entsprechend vieler Familien sowie einer heute kaum mehr vorstellbaren Wirtschaftsflaute waren die USA auf ihren weltweiten Handel existentiell angewiesen.

Dadurch, dass das »faschistische« Hitler-Deutschland und das »faschistische« Japan die USA aus Europa und Asien zu verdrängen suchten (Motto: »Europa den Europäern«; »Asien den Asiaten«) und durch europäisch-asiatische Kooperation eine europäisch-asiatische Autarkie in Rohstoffen, Lebensmitteln und Industrieerzeugnissen aufbauten, gefährdeten sie lebenswichtigste USA-Belange. Dadurch, dass sie mit ihrem »Militarismus« die europäischen beziehungsweise südostasiatischen Nachbarländer unter ihre Hegemonie zwangen, machten sie die Dinge für die USA unhaltbar.

Das also ist in großen Umrissen der Stand der historischen Entwicklung zu der Zeit, als die hier überlieferten Tischgespräche Hitlers stattfanden. Hitlers bisherige politische und militärische Erfolge bewirkten, dass die Mehrheit des deutschen Volkes zu dieser Zeit noch fest an ihn und an seine »Mission« glaubte. Hinzu kam, dass er, dem Geld, Besitz, Alkohol, kulinarische Genüsse und sexuelle Ausschweifungen nichts bedeuteten, seine Parole »Gemeinnutz geht vor Eigennutz« weithin sichtbar persönlich vorlebte.

Seine Propaganda nutzte geschickt das Glaubens-Vakuum der Menschen, das aufgrund der neuen wissenschaftlich-technischen Industriekultur die Kirchen mit ihren alt-überlieferten, nicht mehr die Sprache unserer Zeit sprechenden Religionsinterpretationen nicht auszufüllen vermochten. Die Menschen vertrauten Hitler wie einem Idol, dass er seine – von keinem Parlament reell kontrollierte – Führergewalt nicht missbrauchen werde. Sie waren aufgrund seiner systematischen Gesundheitsfürsorge ab 1933 und aufgrund der intensiven Lebens- und Wehrertüchtigung in HJ, SA, SS, RAD, Politischem Leiterkorps, Technischem Notdienst, Luftschutz, NSKK und NSFK derart strapazierbar wie Menschen sonst kaum auf der Welt.

Hitler hatte mit seiner Uniformierung der ganzen Nation fast schon einen neuen Menschentyp geprägt, der den Willen über den Verstand und Härte und Glauben über den natürlichen Instinkt stellte. Während diese Menschen in gelenkter Aktion (durch Film, Theater, Konzerte, Rundfunk, Kraft-durch-Freude-Veranstaltungen, Kunstausstellungen, Staatsfeiertage, Partei-Demonstrationen) bald heroisch, bald unterhaltsam »verzaubert« wurden, schürte Hitlers Propagandaminister, Dr. Joseph Goebbels, in ihnen zugleich Angst und Hass gegen die Feinde: »die auf Deutschlands Vernichtung abzielenden Juden, gegen die barbarischen, ganz Kontinental-Europa beanspruchenden Sowjet-Bolschewisten und gegen die – Frauen und Kinder mit ihren ›Bombenangriffen auf offene Städte‹ mordenden – Flieger des ›britischen und amerikanischen Kapitalismus‹.« Durch kurze, prägnante Formulierungen und ständige Wiederholungen ließ Hitler seine Propaganda den jeweiligen aktuellen Gegebenheiten entsprechend in die Gemüter »eintrommeln« und mit Uniformen, Ehrungen, Rängen, Orden und Medaillen die kriegsnotwendige Gloire und jenen, die bürgerliche Moral und den individuellen Egoismus verdrängenden kritiklosen nationalen Idealismus erzeugen, der zu dem von aller Welt verfemten Supernationalismus ausartete. Der tief in der deutschen Seele verankerte Nibelungen-Mythos mit seinem Traum von Siegfried, dem Helden, hat – geschickt gefördert – zu seinem Teil dazu beigetragen. Sogar das Christentum wurde von der NS-Liturgie mit ihren Fahnen und Standarten, Feiern und Weihe-Riten kopiert.

Dabei wurden die beiden christlichen Kirchen in Deutschland, die römisch-katholische und die evangelische, quasi als 5. Feind von Weltgeltung attackiert. Mit der nationalsozialistischen Ersatz-Religiosität der angeblich »einzig wahren Unsterblichkeit«, der »Unsterblichkeit von Volk und Rasse« brachte Hitler den – den militanten Sowjet-Atheismus selbst bekämpfenden und überdies noch ausgesprochen deutschfreundlichen – Papst Pius XII. in schwerste Konflikte. Denn einerseits sollte die katholische Kirche ebenso wie die evangelische Kirche in Deutschland ihren Gläubigen im Kampf gegen den – den militanten Atheismus propagierenden – Sowjetbolschewismus nahe sein. Andererseits konnten die beiden Kirchen von ihrem Bibelverständnis aus ein »braunes Neu-Heidentum«, sei es auch nur in der Form eines »NS-Blut-und-Boden-Christentums«, ebenso wenig gutheißen wie den Atheismus der UdSSR. Und den Regime-Verfolgten, den Widerstandskämpfern und den asylsuchenden Juden musste die römisch-katholische Kirche aus Glaubensgründen ebenso helfen wie die »bekennende« evangelische Kirche in Deutschland und der (damals noch provisorische) Weltkirchenrat in Genf unter seinem Generalsekretär Dr. Visser’t Hooft. Allein über eine Million Juden konnten so gerettet werden. Die päpstlichen Hilfswerke Pius’ XII. betreuten zu Hitlers größtem Verdruss zeitweise 700 000 bis 860 000 Juden. Sein Pro-Staatssekretär Giovanni Battista Montini, später Papst Paul VI., sorgte dafür, dass die Verfolgung und Deportation italienischer Juden generell sabotiert wurde und dass den übrigen europäischen Juden Fluchtwege nach Spanien, Portugal und Latein-Amerika offenstanden.

Der katholischen und evangelischen Kirche Deutschlands gelang es sogar, im Herbst 1941 Hitlers Euthanasie-Programm zu stoppen. Wortführer war der Bischof von Münster, Clemens August Kardinal Graf von Galen. Im Rahmen seiner NS-Genetik betrieb Hitler nämlich seit 1935 nicht nur eine Selektion aller Nicht-Ehegesunden (Heiratsverbot für nachhaltig Kranke, Sterilisation für Erbkranke, Kastration für Gewalt- und Sittlichkeitsverbrecher). Er befahl darüber hinaus auch durch Erlass vom 1. September 1939 die staatliche »Einschläferung« der etwa 500 000 unheilbaren Schwerst-Geisteskranken. Er musste diese Aktion aber wieder einstellen, nachdem die Tötung der ersten 70 273 Schwerst-Geisteskranken ruchbar geworden war, da Bischof von Galen öffentlich Mordanzeige erstattete und Geistliche beider Konfessionen die Euthanasie von den Kanzeln herunter als »verbrecherisch« brandmarkten.

Ausgestattet mit der Kenntnis aller dieser Fakten, sitzt der Leser der »Tischgespräche« gleichsam selbst mit als sachverständiger Zeitgenosse an Hitlers Tafel. Und er erfährt Hitlers Auffassungen, Überlegungen und Eigenarten mit einer Unmittelbarkeit, Vielseitigkeit und Ungezwungenheit, wie sie sich nur in der ganz persönlichen Atmosphäre seiner privaten Tischgespräche offenbarten.

Denn den wirklichen Hitler zu überliefern, war das Ziel meiner Dokumentensammlung. Ich wollte jenen Hitler in seinem Auftreten, Denken und Fühlen literarisch einfangen, der bei all seinem politisch-weltanschaulichen Fanatismus in seinem Privatbereich geradezu bedürfnislos dahinlebte. Selbst seiner Lebensgefährtin und späteren Ehefrau Eva (Anna, Paula) Braun war sein Erscheinungsbild manchmal gar zu soldatisch schlicht und bescheiden.

Als Siebzehnjährige hatte sich Eva Braun 1929 in den 23 Jahre älteren Hitler verliebt; er war für sie der »Mann ihres Lebens«. Seit den letzten Tagen des Jahres 1932 intim mit ihm verbunden, blieb sie ihm in allen Höhen und Tiefen des Schicksals treu und schied ohne Furcht und Tränen gemeinsam mit ihm am 30. April 1945 aus dem Leben (allerdings nicht mit einem Pistolenschuss, sondern mit einer Zyankali-Phiole). Hitler liebte sie sehr, gelobte sich ihr 1936 durch einen wunderschönen, brillantenumrandeten Smaragdring auf Lebenszeit an und blieb ihr bis zum Tode uneingeschränkt treu. Hatte sie Magenbeschwerden oder erkrankte sie sonst wie, war er wie ein Primaner um sie besorgt, um sie mit seiner Pflege, seinen Zärtlichkeiten, Blumen und Leckereien schnell wieder hochzupäppeln. Viele Hitlersche Tischgespräche über Frauen- und Ehefragen kreisen daher im Grunde genommen nur um »seine Eva«.

Eva Braun war das, was man landläufig eine ausgesprochen schöne und attraktive Frau nennt. Sie war mittelgroß und hatte blonde Haare, blaugraue Augen, ein frisches, ovales Gesicht und eine grazile, durch und durch sportliche Figur. Das Dirndl stand ihr genauso gut wie das Hauskleid, das elegante Kostüm oder das Abendkleid. Sie war stets »wie aus dem Ei gepellt«, auch in ihren persönlichen Dingen peinlich sauber, pünktlich und akkurat. Ich empfand sie als das »menschlichste Element in Hitlers Lebenskreis«. Sie war Hitler gegenüber von verblüffender Aufrichtigkeit und leugnete im Gespräch mit ihm nicht einmal ihren regelmäßigen Besuch der katholischen Messe. Als Tochter eines Gewerbeoberlehrers meisterte sie die Wirtschaftsführung von Hitlers »Berghof« zu seiner vollsten Zufriedenheit. Dem Personal gegenüber war sie gleichmäßig höflich und korrekt. Da wir bei unserer ersten Begegnung unser gleiches Geburtsdatum feststellten (den 6. Februar 1912), war sie mir gegenüber ein wirklich guter Kamerad, immer freundlich, hilfsbereit und mich warnend, wenn mir Ärger von Hitlers Sekretär Martin Bormann drohte.

Durch eine unveränderte Wort-für-Wort Wiedergabe der Hitlerschen Tischäußerungen, also durch Mitstenografieren oder tonbandartiges Protokollieren, wäre mein Ziel nicht zu erreichen gewesen. Denn Hitlers Mittags-Tafel dauerte mindestens eine Stunde. Abends konnte sie sich bisweilen über mehr als zwei Stunden erstrecken. Die Stenogramme oder Protokolle hätten also Tausende und Abertausende von Seiten gefüllt und dem Leser nicht einen Gesamtüberblick vermittelt, sondern ihn mit ihrem Umfang und ihrer Unübersichtlichkeit erdrückt. Denn Hitler war ein Mensch rastloser Arbeit. Von seinem täglichen kurzen Spaziergang mit seiner Schäferhündin »Blondi« abgesehen, fand er nur in der privaten Unterhaltung an seiner Tafelrunde, also in dem Sich-Aussprechen in persönlicher, geselliger Atmosphäre, die notwendige geistig-seelische Entspannung.

Deshalb war es Hitler geradezu ein Bedürfnis, seine Überlegungen von allen Seiten zu beleuchten, sodass seine Ausführungen normalerweise lang wurden und eine Fülle von Nebenthemen mitbehandelten. Schon beim Zuhören musste ich daher eine Auswahl des Wiederzugebenden auf das Wesentliche treffen. Nach der negativen Seite hin musste alles das ausgesondert werden, was mit dem Verhallen von Hitlers gesprochenem Wort sowieso vergessen sein konnte, sowie das übliche Kasino-Tages-Kolloquium: allgemein Bekanntes, belanglos Nebensächliches und alles das, was z. B. Moritz Buschs Buch über »Graf Bismarck und seine Leute während des Krieges mit Frankreich« heute – 100 Jahre später – bereits so schwer lesbar macht. Zu verzichten war auch auf Themen von bloßer Augenblicksbedeutung, auf Wiederholungen, auf Nebenargumente und auf Darlegungen, die – wegen ihrer nur auf einzelne Tischgäste abgestellten Übersteigerung oder Abschwächung – nur Verwirrung beim späteren Leser gestiftet hätten. Nach der positiven Seite hin musste meine Auswahl der konkreten Zielsetzung einer historisch-psychologischen Studie über Hitler entsprechen, also nicht nur das dem Objekt nach historisch interessante Detail überliefern, sondern alles für Hitlers Wesen und Denken Typische: seine Reaktionen auf die aktuellen Geschehnisse der Zeit, sein Abtasten des noch in schicksalhaftes Dunkel gehüllten Zukünftigen, sein Zögern bei Ungewissem und seine Hemmungen vor »letzten Konsequenzen à la Stalin«. Selbst die intimen, unauffälligen, ja eventuell sogar lächerlichen Charakteristika habe ich mich bemüht festzuhalten. Denn wenn er sich selbst auch gern als »Proletarier« bezeichnete, der nicht verwinden könne, wie ihn die anglo-amerikanische Kapitalistenpresse unter jüdischem Einfluss seit 1933 als Kriminellen, Kriegstreiber, ja Massenmörder diskriminiert habe, so war sein Lebensstil doch eher kleinbürgerlich.

Selbst am 30. April 1945, also an jenem Tage, an dem er seinem Leben mit einem Pistolenschuss in die rechte Schläfe ein Ende setzte, rasierte er sich morgens – wie mir Adjutant Günsche berichtete – mit gleicher Sorgfalt wie sonst. Und er vollzog seinen Tageslauf einschließlich des Mittagessens und der Verabschiedung von seinen Mitarbeitern mit dem üblichen Gleichmaß. Hitler, der allen Schmuck für seine Person verabscheute, versäumte bis 1942/1943 nie, mit kleinbürgerlicher Pedanterie morgens bei der Toilette seine Erinnerungsstücke anzulegen: die Manschettenknöpfe mit dem Danziger Wappen; seine vom Vater ererbte silberne Remontoir-Taschenuhr, bei der er regelmäßig das Aufziehen vergaß; seine Brieftasche, in der er Fotos von seinem Vater, seiner Mutter, seiner Schwester und von sich (als Baby, und als Bub mit dem Vater) herumtrug; sein Eisernes Kreuz 1. Klasse und sein Verwundetenabzeichen aus dem I. Weltkrieg; sein Goldenes Parteiabzeichen und – wenn er Parteiuniform oder Zivil trug – sein echtgoldenes NSDAP-Hoheitsabzeichen, das er selbst entworfen hatte und dessen Trageberechtigung allein ihm Vorbehalten blieb.

Im täglichen Umgang begegnete einem demnach ein ganz anderer Hitler als der, den man aus Presse und Funk, Film und Parteipropaganda, aus seinem programmatischen Werk »Mein Kampf« oder aus Akten und Volksreden kannte: ein bei aller Selbstsicherheit sehr menschlicher Hitler, der sich ein- bis zweimal am Tage duschte, sich vor jedem Essen und vor jeder Besprechung mit »Odol« den Mund spülte und sich x-mal am Tage die Hände wusch. Ein Hitler, der seine Leibwäsche täglich wechselte, manchmal sogar halbtägig, der nachts in altmodischen, flatternden Nachthemden aus Leinen schlief und der sich selbst seinen Ärzten nur, wenn es absolut unvermeidlich war, unbekleidet zeigte.

Dieser Hitler machte in unserer Runde gar keinen Hehl daraus, dass er bei der Erziehung seines 19 Jahre jüngeren Mündels »Geli« (Angela Maria) Raubal, der Tochter seiner früh verwitweten Halbschwester Angelika Raubal (geborene Hitler), restlos am Generationenproblem gescheitert war. Wie er uns sagte, hatte er deshalb für seine Jugendbewegung, die Hitlerjugend, den Grundsatz geprägt: »Jugend muss von Jugend geführt werden.«

Am 18. September 1931 hatte Geli sich ein paar Stunden nach einem Streit mit dem Onkel erschossen, weil er sie mit seiner altväterlichen Fürsorglichkeit um jede persönliche, finanzielle und zeitliche Freiheit brachte. Natürlich war die strahlend hübsche, lebenslustige, brünette Linzerin mit ihrem Wiener Charme und einem schalkhaften Lachen in ihren großen rehbraunen Augen ständig von Verehrern umgeben und brachte Hitler zu seinem Ärger bald einen arbeitslosen Sänger, bald einen angehenden Kunstmaler, bald einen Uhrmacher-Anfänger und bald einen kleinen Parteifunktionär als Heiratskandidaten. Er dagegen wollte Geli, dieses »ewig verliebte Zeiserl«, in kleinbürgerlicher Betulichkeit als Hausfrau für eine finanziell gesicherte Ehe ausbilden lassen, überwachte ihr Musik- und Gesangsstudium auf Schritt und Tritt, »grantelte«, wenn sie sich ausgerechnet in jüdischen Modehäusern unter seiner Adresse ihre neuesten Kleider kaufte, und verlangte – wenn sie auf Reisen ging – x Ehrenwörter von ihr, dass sie sich nicht zu Intimitäten mit ihren Liebhabern hinreißen lassen werde.

Gerade, weil er seine bereits mit 19 Jahren zu ihm gekommene Mündel-Nichte wie ein eigenes Kind geliebt und umsorgt hatte, konnte er sich mit ihrem Tod zeitlebens nicht abfinden. Er weinte um sie, wie er nur beim Verlust von Vater und Mutter geweint hatte. Ihr seinerzeitiges möbliertes Zimmer auf der gleichen Etage bei einer Frau Reichert nahm er zu seiner Münchner Privatwohnung am Prinzregentenplatz 16 (zweite Etage) hinzu und ließ alles so, wie er es bei ihrem Tode vorgefunden hatte. In diesem für alle Dritten – also auch für uns – verschlossenen Raum meditierte er vor ihrer, von Professor Ferdinand Liebermann (München) geschaffenen, lebensnahen, ja fast wirklich lebenden Bronze-Büste viele Stunden. Hier verbrachte er, soweit es seine Partei- und Staatsverpflichtungen zuließen, auch 1931 bis 1938 seine Weihnachtsfreizeit. Wenn er, manchmal mit Tränen in den Augen und mit ihrem kleinen Hakenkreuz-Silbermedaillon (mit einem Kleinstfoto von ihr und einem von ihnen beiden) in den Händen, hier seinen Gedanken nachhing, durfte ihn niemand stören. Die einzige Ausnahme war seine Wirtschafterin, Frau Anny Winter-Brunner, die ihm die Fernschreiben und Depeschen hereinreichte, für die regelmäßige Erneuerung des Blumenschmucks sorgte und den Raum in Ordnung hielt.

Schon bei Beginn meines Aufenthalts im FHQu entdeckte ich zu meinem Leidwesen, dass sich niemand – außer auf ausdrücklichen Befehl Hitlers – von seinen Tischgesprächen Notizen fertigte. Dass Hitler das ausdrücklich verboten hatte, wusste ich nicht. Ich führte das darauf zurück, dass er sich an seiner Privattafel nach Art eines Hausvaters über seine Gedanken und Probleme ungeniert aussprechen wollte, ohne Kritik von außen befürchten zu müssen. Hinzu kam natürlich, dass seine ständigen Tischgäste auf Aufzeichnungen umso lieber verzichteten, als sie aufgrund ihres ständigen dienstlichen und privaten Umgangs mit ihm seine Ansichten längst »in- und auswendig« kannten.

Hitlers nach Art und Inhalt überliefernswerte Tischausführungen lediglich nachträglich – quasi aus der Erinnerung – wieder zusammenzubasteln und aufzuzeichnen, erschien mir als gelerntem Juristen und Historiker bedenklich. Die Authentizität wäre verloren gewesen. Deshalb beschloss ich, mir für ausführliche Stichwortnotizen bei Tisch eine Genehmigung zu verschaffen.

Hitlers Sekretär Martin Bormann dünkte mich hierfür der richtige Mann zu sein. Von meinem Vorgänger als FHQu-Jurist, dem Ministerialrat Heinrich Heim, hatte er – vor Hitlers ausdrücklichem Verbot – einzelne Stenogramme von Hitlers Tischgesprächen als Nachschlagematerial für sich und seine Parteikanzlei-Mitarbeiter gesammelt. Nach dem Schottlandflug von Hitlers Stellvertreter, Rudolf Heß, zur eigenmächtigen Friedensaktion mit Großbritannien am 10. Mai 1941 suchte sich Bormann zäh und zielsicher die Stellung eines zweiten »Stellvertreters des Führers« zu schaffen. Ausgestattet mit einer fast lückenlosen Kenntnis der Dinge und Personen auf der politischen Bühne des Großdeutschen Reichs, wohlinformiert über jede einschlägige Besprechung Hitlers (ausgenommen Wehrmacht, SS und Polizei), jeden Besuch, jede Planung, jede Ambition, ja jede Bewertung Hitlers bezüglich Ideen, Personen, Institutionen und Organisationen, erstrebte er ganz offensichtlich auch das weitestmögliche Monopol auf »Ohr und Mund« Hitlers.

Auf einem Spaziergang trug ich deshalb Bormann mein Anliegen vor. Bormann schilderte mir daraufhin, welchen Ärger er mit Heims stenografischen Niederschriften gehabt habe, von denen eine zum Thema »Kirche, Religion und Wissenschaft« (Tischgespräch Nr. 8) sogar wortwörtlich in der Auslandspresse erschienen sei. Hitler sei darüber so aufgebracht gewesen, dass er Heim auf Auslandsmission – und zwar als Kunst-Einkäufer nach Frankreich – entsandt habe. Er – Bormann – könne daher für meine beabsichtigten Stichwortnotizen nur insoweit die Verantwortung übernehmen, soweit er Hitlersche Tischäußerungen zu aktuellen Problemen der Politik beziehungsweise der Verwaltung oder in Eilsachen als Antwort auf ihm gestellte Fragen brauche. Wann das der Fall sei, werde er mir durch Kärtchen, Zeichen oder Ordonnanz mitteilen. Denn bei seinem Tischplatz genau gegenüber Hitler sei es ein Unding, wenn er plötzlich Schreibutensilien aus der Tasche hervorkramen und durch Notizen und Papiergeknister Hitlers Unterhaltung stören wollte. In etwa fünf bis zehn Fällen erhielt ich auf diese Weise von Bormann die Genehmigung zum stichwortartigen Mitschreiben. In meinen über 150 übrigen Aufzeichnungen konnte ich mir meine Stichworte daher natürlich nicht offen, sondern nur unauffällig – nach Art der Schulmogelei – auf einigen unter meinen Teller geschobenen Korrespondenzkarten machen. Dabei kam mir aber zustatten, dass ich meist außerhalb des unmittelbaren Blickfeldes Hitlers saß und dass der – mir ob der alten Bekanntschaft mit meinem Vater wohlgewogene – Schaub so tat, als ob er nicht wüsste, wann ich mir nun eigentlich »mit« und wann »ohne« Bormanns Genehmigung den Gang und Inhalt der Hitlerschen Tischausführungen notierte.

So fertigte ich mir monatelang Tag für Tag und Mahlzeit für Mahlzeit meine Tischgesprächsnotizen mit gleicher, gerade auch die Kleinigkeiten beachtender Systematik an. Dabei bemühte ich mich schon beim Notieren der Stichworte um die Kürzung und Straffung der Hitlerschen Darlegungen auf das wirklich Überliefernswerte, auf das für ihn persönlich in seinem Fühlen und Denken und in seiner politischen sowie menschlichen Schau Bezeichnende und damit auf das für das Erfassen eines Diktators und Weltveränderers von Hitlerschem Ausmaß tatsächlich Interessante.

Meine Freizeit benutzte ich dann, um Hitlers Tischgespräche anhand meiner Stichwortnotizen gewissenhaft und in Ruhe zu rekonstruieren, eine Arbeit, die Muße und Ungestörtsein erforderte. Denn ich wollte meinen schriftlichen Text unter Verwendung der besonders charakteristischen Redewendungen Hitlers so formen, dass er Hitlers Gedanken mit der Sorgfalt und Treue historischer, politischer und juristischer Schulung wiedergeben und dass er zugleich für kommende Generationen unkompliziert und verständlich sein sollte. Eine Vielzahl von Streichungen, Umstellungen und Verbesserungen in meinen Originalen künden von der Mühsal dieser Kleinarbeit. Dabei wählte ich als Wiedergabeform die indirekte Rede, um den falschen Eindruck zu vermeiden, als ob meine Aufzeichnungen nicht nur den Gedankeninhalt der Hitlerschen Tischgespräche, sondern auch – und zwar bis aufs i-Tüpfelchen genau – ihren Wortlaut überlieferten. Für den Leser, der auch den exakten Wortlaut Hitlerscher Tischgespräche kennenlernen will, habe ich anhand der Originalstenogramme Heims, die ich in meinem Schreibtisch im FHQu »Wolfsschanze« vorfand, im ersten Teil meiner Dokumentensammlung 36 dieser vollständigen Texte veröffentlicht. Bormann, dem ich gelegentlich Abschriften einiger meiner nicht genehmigten Aufzeichnungen gab und der mit der Zeit Gefallen an meiner Privatschriftstellerei fand, erklärte sich damals mit dieser späteren Handhabung einverstanden; ebenso Herr Heim. Dabei habe ich natürlich zur Vermeidung von Wiederholungen nur solche Stenogramme Heims ausgewählt, die meine Beobachtungen ergänzten oder inhaltlich abrundeten.

Um auch die Konturen der damaligen Zeit festzuhalten, habe ich meine Aufzeichnungen ebenso wie die Heim-Stenogramme schon während meiner FHQu-Tätigkeit mit Randüberschriften versehen, die Hitlers Sicht der Dinge entsprachen. Auch das geschah, um den Leser den Ablauf der Hitlerschen Tischgespräche und ihren Inhalt so miterleben zu lassen, als wenn er selber unmittelbar dabeisäße.

Denn es war schon makaber, wenn ein Staatsführer von Hitlerscher Herrschaftsmacht die Politik nicht als die »Kunst des Möglichen« verstand, sondern das »ewige Naturgesetz des Sieges des Stärkeren« im Lebenskampf von Mensch, Tier und Pflanze auch auf die Auseinandersetzung der Völker übertrug und dazu erklärte: »Ich bin auch hier eiskalt: Wenn das deutsche Volk nicht bereit ist, für seine Selbsterhaltung sich (bis zum letzten Blutstropfen) einzusetzen, gut dann soll es verschwinden!« (Tischgespräche Nr. 10,19 und 170.)

Bormann freute sich – wie er mir einmal sagte – über die genaue und manchmal anekdotenhafte Art, mit der ich alles, selbst intime Kleinigkeiten, bei Hitler registrierte. Mit meinem Hinweis auf Hitlers schwarze Uniformhose und ihren Sitz als sicherem »Stimmungsbarometer« errang er bei Hitler sogar einen Lacherfolg und damit günstiges Besprechungsklima, wobei Hitler spontan zugab, dass er in dieser Hinsicht mehr als eigen sei.

Bei meinem Ausscheiden aus dem Führerhauptquartier – die Gründe schildere ich später – bat ich deshalb auch Bormann, mir Hitlers Genehmigung zur Mitnahme meiner privaten Aufzeichnungen (drei dicke Schnellhefter und mehrere Notizbücher) zu erwirken. Dass Hitler mir dazu ohne Verzögerung sein Plazet gab, lag daran, dass er in drei Niederschriften, die er gelegentlich der Bormannschen Konzipierung entsprechender »Führerrichtlinien« persönlich durchgelesen hatte, seine Gedankengänge prägnant und einwandfrei wiedergegeben fand und dass ich nicht wörtlich mitstenografiert, sondern lediglich anhand von Stichwortnotizen die m. E. menschlich und historisch interessantesten Gesprächsteile festgehalten hatte. Hitler ermächtigte Bormann, die Kriminalbeamten seines Begleitkommandos, die mein Gepäck routinemäßig bei der Abfahrt zu überprüfen hatten, und den zuständigen Abteilungsleiter der Parteikanzlei, Heinrich Walkenhorst, entsprechend zu verständigen. Soweit ich Bormann Abschriften meiner Aufzeichnungen gegeben hatte, instruierte er Walkenhorst darüber hinaus, dass diese unter Beachtung ihres Pickerschen Privatcharakters ausschließlich als Nachschlagematerial zu verwahren seien. Die mitübersandten fünf bis zehn »dienstlichen« Niederschriften seien durch den Kopf der Skripten »Führerhauptquartier, den …« mit Datum und Diktatzeichen, durch die Überschrift »Betrifft: Führergespräch« und durch seine – Bormanns – Unterschrift ausdrücklich als »amtliche« Ausnahmen gekennzeichnet. Charakteristisch für diese »amtlichen« Skripten war, dass Bormann in ihnen mit Rücksicht auf seine eigenen politischen Überlegungen und Zielsetzungen ungeniert herumkorrigierte, sie teilweise im Sinne einer schärferen Formulierung umdiktierte und sie mitunter sogar mit eigenen Randbemerkungen versah, die seinen Mitarbeitern den von ihm gegenüber den Reichsministern, Reichsleitern, Reichsstatthaltern und Gauleitern gewünschten Kurs klarmachen sollten.

Man muss dazu wissen, dass selbst ein so mächtiger Mann wie der Reichspropagandaminister Dr. Goebbels ab 1942 wichtige Publikationen vor der Veröffentlichung Bormann vorzulegen hatte, damit dieser – wie er es nannte – »Hitlers Einverständnis herbeiführte«.

Für den Charakter der Tischgespräche ist wichtig, dass Hitler bei seinen Tischäußerungen selbst davon ausging, dass – unter grundsätzlicher Beachtung seines Mitschreibeverbots – nur in einzelnen wenigen, dienstlich bedingten Ausnahmefällen Aufzeichnungen getätigt und dass sie vor ihrer dienstlichen Verwendung ihm zur Billigung vorgelegt würden. Selbst Generalfeldmarschall Keitel lehnte es ab, dem Kriegsgeschichtler des OKW, Generalmajor Walther Scherff, seine Rückendeckung für Tischnotizen zu geben, da Hitlers private Sphäre unbedingt zu achten sei. Nach meinem Ausscheiden aus dem aktiven FHQu-Dienst sind in der Zeit vom 8. September 1942 bis zum 30. April 1945 auch nur mehr zehn Niederschriften über Hitlersche Tischäußerungen getätigt worden, und selbst diese lediglich als Erinnerungsprotokolle, und zwar zum Teil von meinem Nachfolger und zum Teil von Bormann selbst. Hinzu kam, dass Hitlers Privattafel seit September 1942 nur noch bei Aufenthalten in Berlin, München beziehungsweise am Obersalzberg stattfand. In den vom OKW betreuten Führerhauptquartieren »Wolfsschanze« und »Werwolf« hob Hitler seine private Tafelrunde brüsk auf, als die FHQu-Generalität ihm die Alleinverantwortung für den – von ihm am 23. Juli 1942 befohlenen, aufgrund der gegebenen personellen und waffenmäßigen Kräftelage besonders riskanten – Doppelvorstoß auf Stalingrad und zum Kaukasus (Einzelheiten siehe Tischgespräch Nr. 155, und zwar meine in das Tischgespräch eingeschobene Erläuterung) zuschieben wollte und die – angeblich sein Misslingen heraufbeschwörenden – Fehlentscheidungen der örtlichen Oberbefehlshaber als Folge »unabänderlicher örtlicher Gegebenheiten« zu entschuldigen versuchte. Aufgrund der räumlichen und zeitlichen Ausweitung des Krieges war es Hitlers Ziel, mit Stalingrad eines der wichtigsten sowjetischen Rüstungszentren lahmzulegen und dort zugleich an der Wolga die Weiterleitung der über Persien herantransportierten USA-Hilfslieferungen zu sperren. Der Vorstoß an den Kaukasus sollte ihm das dortige Erdölgebiet bringen und damit die Treibstoffvorräte seiner Wehrmacht bis Kriegsende sicherstellen.

Das Hitlersche Plazet zur Mitnahme meiner Aufzeichnungen hatte für mich noch das Gute, dass Bormann mir für meine anschließende Vertretung des leitenden Beamten des Münchener Führerbaus, des Ministerialdirigenten Dr. Kurt Hanssen, die Schlüssel für einen Panzerschrank aushändigen ließ, in dem sich Hitlersche Dienstkorrespondenz, Hitlersche Notizen und sonstige aufschlussreiche persönliche Unterlagen Hitlers befanden, anhand deren ich die Richtigkeit und sachliche Vollständigkeit meiner Gesprächswiedergaben, Überschriften, Zwischentexte und sonstigen Bemerkungen sorgfältigst überprüfen konnte.

Unter diesem Material befand sich auch Hitlers Geheimrede vor dem Politischen Führernachwuchs auf der Ordensburg Sonthofen im Allgäu vom 23. November 1937 über »Deutsche Geschichte und deutsches Schicksal«, von der ich mir von Hitlers Originalmanuskript eine Abschrift nehmen durfte. Diese Rede wurde von mir in diesem Buch aufgenommen, weil sie die idealste Einführung in Hitlers Gedankenwelt darstellt, die man sich denken kann. Wie diese Rede in verblüffender Einfachheit und Geschlossenheit der gedanklichen Diktion das »Germanische Reich Deutscher Nation« als die Erfüllung eines zweitausendjährigen Strebens der deutschen Geschichte herausarbeitet, die Nation mit einem neuen Glauben an die Zukunft erfüllt, das ganze Volksleben unter preußisch-militärische Disziplin stellt, die »Volksgemeinschaft« zu einer »Kampfgemeinschaft« umfunktioniert, in der jeder Mann von der Jugend bis ins hohe Alter Waffenträger ist, und wie sie an den Idealismus der Menschen appelliert, das zeigt geradezu einzigartig, auf welche Weise Hitler gute und böse Motive, Positives und Negatives, Edles und Kriminelles, Wahres und Lüge, echten Patriotismus und die üble Großsprecherei eines Herrenmenschen-Nationalismus zu mischen verstand unter der Parole: »Wir wollen unser Volk ganz nach vorne führen! Ob sie uns lieben, das ist uns einerlei, wenn sie uns nur fürchten!«

Nach meiner Rückkehr in den Außendienst der Inneren Verwaltung als Landrat in Norden (Ostfriesland) im September 1942 habe ich im Erstentwurf meine Schilderung »Ein Tag im Führerhauptquartier« erstellt, die dieser Einführung folgt. Zur Überprüfung der Zuverlässigkeit dieser meiner FHQu-Milieuschilderung schickte ich sie Hitlers Sekretär Martin Bormann mit der Bitte, mir mit Rücksicht auf die damals aktuell werdende anglo-amerikanische Invasion im Westen nicht nur das Kennenlernen aller früheren, sondern auch der in Frankreich neu aufzubauenden Hauptquartiere zu ermöglichen. Daraufhin erhielt ich den »Führerbefehl«, die Zivileinrichtungen für die späteren Führerhauptquartiere bei Tours und bei Soissons zu betreuen, mich um die Instandsetzung der alten Führerhauptquartiere im Westen zu kümmern, den Umbau der Zivileinrichtungen im FHQu »Wolfsschanze« zu überwachen und – last not least – mit Elektrofachleuten zusammen Hitlers persönliche Telefon- und Fernschreibleitungen von den Führerhauptquartieren nach Berlin, München und dem Obersalzberg abzusichern.

Dieser Auftrag Hitlers ging auf folgenden Vorgang zurück: In einer Arbeitspause hatte ich mir eines Vormittags die Wehrmachtstelefon-, Fernschreib- und Funkzentrale des FHQu angesehen. Der leitende Offizier, Major Sander, belohnte mein technisches Interesse damit, dass ich bei einem Telefonat Hitlers die Mithörmuschel des Unteroffiziers für kurze Zeit aufsetzen durfte, der das Gespräch nach Berlin durchzustöpseln hatte. So erfuhr ich, dass alle Telefonate und Fernschreiben Hitlers ebenso wie die der FHQu-Generalität mindestens durch zwei Zentralen liefen, wo sie von Unteroffizieren beziehungsweise Wehrmachtshelferinnen zwangsläufig mitgehört wurden: dem FHQu und der OKW-Zentralvermittlung in Berlin, Bendlerstraße. Als Hitler mich ausgerechnet beim Mittagessen dieses Tages als »Jurist« anfrotzelte und zum Gelächter aller wieder einmal die »Weltfremdheit« der Juristen glossierte, konterte ich mit der Erzählung meines Erlebnisses vom Vormittag und schloss: Ich kennte keinen Juristen, der Telefonate für »geheim« halte, wenn ein halbes Dutzend Menschen mithöre, nur »weil er vielleicht beim Telefonat flüstere«, und der Fernschreiben für »geheim« halte, obwohl ein halbes Dutzend Menschen sie bei der Weiterleitung lese, nur weil oben drüber »geheim« geschrieben stehe. Ich würde vorschlagen, dann doch gleich Stalin für unsere Funk-, Telefon- und Fernschreibzentralvermittlung in Berlin Bendlerstraße zu engagieren.

Die Wirkung meiner Erzählung war verblüffend: Die Opportunisten guckten ob meiner Kessheit betreten auf ihre Teller. Marschall Keitel wurde rot vor Ärger. Bormann konnte ein schadenfrohes Grinsen nur mit Mühe unterdrücken. Hitler – sagte nichts, aber begrüßte mich seitdem stets mit Handschlag.

Aufgrund meines auf diesen Vorfall zurückgehenden FHQu-Sonderauftrags blieb ich – obwohl zugleich Landrat in Ostfriesland – bis zum April 1943 dem Führerhauptquartier attachiert. Ich hatte dort Hitler, Keitel, Heeresadjutant Gerhard Engel, Schaub und Bormann regelmäßig über den Fortgang meiner Arbeit Bericht zu erstatten.

Auf diese Weise erlebte ich auch im Winter 1942/43 sozusagen am Rande die große Wende des II. Weltkriegs, die Katastrophe von Stalingrad, die Räumung des Kaukasus und den Rückzug des Afrikakorps nach Tunesien, in der Optik des FHQu mit. Während das deutsche Volk die erste Ahnung vom »Anfang eines bösen Endes« spürte, schimpfte Hitler, dass der Befehlshaber von Stalingrad, Generalfeldmarschall Friedrich Paulus, statt sich das Leben zu nehmen, sich in Gefangenschaft begeben hatte: »Was ist schon – ›das Leben‹, –! Das ›Leben‹, das ist das Volk. Der Einzelne muss ja sterben. Was über des Einzelnen Leben hinaus existent bleibt, ist das Volk, in das er hineingeboren ist … Der Mann hatte sich totzuschießen, so wie sich früher die Feldherrn in das Schwert stürzten, wenn sie sahen, dass die Sache verloren war!«