Hochzeitsglück auf Gracewood Hall - Sandra Rehle - E-Book

Hochzeitsglück auf Gracewood Hall E-Book

Sandra Rehle

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Beschreibung

Monatelang hat Mindy Miller ihre Hochzeit mit dem attraktiven und reichen Andrew Crawfield bis ins letzte Detail geplant. Doch ein Aufenthalt in den Schweizer Bergen stellt alles auf den Kopf. Dort stellt sich für Mindy die Frage, nach welchen Vorstellungen möchte sie ihr Leben gestalten? Was ist für sie wirklich wichtig? Und was wird Andrew zu all diesen Fragen sagen? Wird es ihnen gelingen, ihre Traumhochzeit zu retten?

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Sandra Rehle

Hochzeitsglück

auf

Gracewood Hall

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Buch

Monatelang hat Mindy Miller ihre Hochzeit mit dem attraktiven und reichen Andrew Crawfield bis ins letzte Detail geplant. Doch ein Aufenthalt in den Schweizer Bergen stellt alles auf den Kopf.

Dort stellt sich für Mindy die Frage, nach welchen Vorstellungen möchte sie ihr Leben gestalten? Was ist für sie wirklich wichtig? Und was wird Andrew zu all diesen Fragen sagen?

Wird es ihnen gelingen, ihre Traumhochzeit zu retten?

 

Die Autorin

Die Liebe zu Büchern zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben von Sandra Rehle. Daher war es ganz natürlich, dass sie alles über Bücher und Geschichten lernen wollte. Nach vielen Jahren als Verlagskauffrau und Historikerin ist es jetzt an der Zeit eigene Romane zu schreiben.

"Hochzeitsglück auf Gracewood Hall" ist der vierte Band ihrer Gracewood Hall“-Reihe. Alle Teile können unabhängig voneinander gelesen werden.

Sie lebt und liebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern im schönen Hamburg.

Sandra Rehle

Hochzeitsglück

auf

Gracewood Hall

 

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet unter dnb.dnb.de abrufbar.

 

© 2019 Sandra Rehle, [email protected]

Herstellung und Verlag: BoD - Books on Demand, Norderstedt

Covergestaltung: Sandra Rehle, Hamburg

Covermotiv: © Shutterstock.deISBN: 9783751923286

 

Personenverzeichnis

 

Die Hauptpersonen

Melinda Miller, genannt Mindy, will auf Gracewood Hall heiraten und treibt Nigel an den Rand des Wahnsinns

Andrew Crawfield, Melindas Verlobter, der ihren wahren Kern erkennt, bevor sie sich dessen bewusst wird

Henry und Laetizia Crawfield, seine Eltern

Lauren Miller, Melindas geduldige und einfühlsame Mutter

Michael Miller, Melindas Vater

Mabel Miller, Melindas brave Cousine

Candice Cliffton, die Trauzeugin und beste Freundin mit nicht so besten Absichten

Montgomery Cliffton, ihr schrecklicher Ehemann

Marie Grassner, Hotelinhaberin und Inspiration für Melinda

Anna, fröhliche Hotelangestellte

Dr. Nara, Ayurvedaärztin, die viel sieht 

Die Familie, ihre Freunde und Angestellten

Richard Bedford, Oberhaupt der Familie mit Wikingergenen

Vivien Bedford, seine Frau, erfolgreiche Künstlerin aus Louisiana mit ganz eigenen Vorstellungen von Traditionen und Kindererziehung

Nigel Bedford, ältester Sohn mit roten Haaren und einem eigenwilligen Kleidungsstil

Arthur Hayes, Nigels große Liebe, kümmert sich um die Besitzungen der Familie

Mrs. Mildred Cuthbert, Haushälterin, Köchin und gute Seele des Hauses

Maxwell Thompson, Nigels Schulfreund aus Internatszeiten, ist praktisch auf Gracewood Hall aufgewachsen und will von Liebe nichts mehr wissen

Liz Sommer, lebhafte Bloggerin aus Deutschland, wirbelt Max´ Weihnachtsfest auf Gracewood Hall gehörig durcheinander

Matthew (Matt) Gardner, Stallbursche und „Mädchen“ für alles, der für die Liebe seines Lebens nahezu alles tun würde

Annie Taylor, Matheass, alleinerziehende Mum von Poppy, arbeitet aushilfsweise auf Gracewood Hall 

die Kinder

Lilly Thompson, Tochter von Maxwell und Diana, eine kleine dunkelhaarige Elfe, 6 Jahre alt

Poppy Taylor, uneheliche Tochter von Annie und Edward, hat Annies dunkle Haare geerbt, 2 Jahre alt 

weitere Personen

Rosemary Davis, die Blumenkünstlerin des Ortes

Edward Dunbar, Poppys treuloser Vater, der sich ändern möchte

Rebecca Hunter, umwerfende Brünette mit wenig Glück in der Liebe

Prolog

 

Es war ein herrlicher Sommertag, die Sonne schien, ein laues Lüftchen bewegte die ausladenden Baumkronen am Rande der großen Rasenfläche von Gracewood Hall sachte hin und her. Das klassizistische Herrenhaus strahlte eine ruhige Erhabenheit aus und bildete die perfekte Kulisse für die Menschen, die sich überall tummelten. Aus der Ferne betrachtet wirkten sie in ihren hellen Anzügen und herrlichen Kleidern wie dahin getupfte Pusteblumen.

Aber als die Band die ersten Takte zu spielen begann und der Bassist mit seiner samtigen Stimme einsetzte, hatten alle nur Augen für das Paar, das sich jetzt auf der eigens gebauten Tanzfläche zusammenfand.

 

„Wise men say, only fools rush in…”

 

Die Braut sah zauberhaft aus in ihrem spitzenbesetzten Kleid mit dem lila Satinband, welches um die schmale Taille gebunden war. Ihr Haar hatte sie kunstvoll aufstecken lassen, den langen Schleier mittlerweile abgelegt. Strahlend und voller Vertrauen legte sie ihre Hand in die ihres frischangetrauten Ehemanns, in dessen Augen man selbst aus der Entfernung den Stolz und die Liebe sehen konnte.

„Ach Junge, das hast du gut hinbekommen“, schniefte Mrs. Cuthbert und tätschelte Nigel an der Schulter, der neben ihr stand. Gemeinsam gönnten sie sich eine Minute Pause von der Arbeit in der Küche und sahen dem ersten Tanz vom Küchenfenster aus zu.

„Ja“, seufzte auch die sonst eher nüchterne Annie. „Es ist wie ein Märchen!“

„Besser hätte es sich Jane Austen auch nicht ausmalen können. Sie ist jung und hübsch, er reich und stattlich…“, bemerkte Arthur mit einer kaum wahrnehmbaren Ironie.

„Ich freue mich wirklich sehr, dass euch die Feier und auch das Paar gefallen, aber das war ich nicht allein!“, bemerkte Nigel. „Und darf ich euch daran erinnern, wie…“

„…groß der Anteil von Mrs. Cuthberts Kuchen an der Planung war?!“, unterbrach ihn Arthur und strich liebevoll über Nigels rundes Bäuchlein, dass er sich in den letzten Monaten angefuttert hatte.

Nigel schnappte nach Luft und trat automatisch einen Schritt zur Seite. Bevor er allerdings etwas erwidern konnte, bemerkte Mrs. Cuthbert energisch: „Wir erinnern uns alle sehr gut. Deswegen genießen wir diesen wundervollen Tag umso mehr!“ Sie zog Arthur vom Fenster weg und schob ihn Richtung Tür. „Jetzt geh und steh den Kellnern nicht im Weg.“

„Ich gehe ja schon. Ich muss sowieso noch Abrechnungen machen“, gab Arthur zu und lief mit schnellen Schritten durch die Halle und die Treppe hoch. Dabei fiel ihm ein, dass er noch Unterlagen aus Nigels Arbeitszimmer brauchte. Oben angekommen, die Türklinke noch in der Hand, blieb er verdutzt stehen. Max stand mit seiner Tochter Lilly im Arm am Fenster und beobachtete die Hochzeitsgesellschaft. Die Sechsjährige bemerkte ihn als Erste.

„Willst du dir auch die Braut ansehen?“, fragte sie mit leuchtenden Augen.

Arthur schüttelte lächelnd den Kopf. „Nein Süße, ich wollte nur etwas holen.“ Er trat neben die Zwei und gab Lillys Nase einen kleinen Stups. „Außerdem habe ich schon aus dem Küchenfenster gespäht.“ Er schenkte ihr ein verschwörerisches Grinsen, das Lilly bereitwillig erwiderte. Dann wandte sie sich wieder dem Geschehen auf der Wiese zu.

„Liz wird auf unserer Hochzeit mindestens genauso schön aussehen, nicht wahr Dad?“, erkundigte sie sich.

„Ich bin mir sicher, dass weißt du eher als ich!“, gab Max munter zurück.

Lilly sah ihren Vater mit großen Augen an. „Wirklich?“

„Sicher! Sie hat mir schon verraten, dass sie sich nichts Schöneres vorstellen kann, als mit dir gemeinsam eure Kleider auszusuchen!“

„Oh! Wie schön! Das muss ich gleich Mrs. Cuthbert erzählen!“, rief sie, hüpfte von seinem Arm und rannte voller Vorfreude aus dem Zimmer.

„Es ist so schön, sie so glücklich zu sehen, euch beide“, bemerkte Arthur, dem Max Strahlen nicht entgangen war.

„Wie könnten wir nicht beinahe platzen vor Glück?! Du kennst doch Liz!“, antwortete Max und wandte unwillkürlich seinen Blick dem Geschehen im Garten zu. Liz machte die offiziellen Hochzeitsfotos des Paares.

„Habt ihr mittlerweile einen Termin festgelegt?“, erkundigte sich Arthur und verdrehte die Augen, als er Max schuldbewussten Blick sah. „Ihr Zwei!“ Kopfschüttelnd, aber mit einem Lächeln auf den Lippen, verließ er den Raum.

Ein Freitag im Juli

Zwei Wochen zuvor

Kapitel 1

 

Zum wiederholten Mal knallte ihr Kopf gegen die Kopfstütze und Melinda seufzte. Laut und deutlich, damit der Volltrottel von Fahrer auch mitbekam, was sie von ihm hielt. Wenn sie nicht bald ankämen, würde sie mehr als nur ein paar Tage Wellness brauchen, um sich in die strahlend schöne Braut zu verwandeln, die sie sich so oft in ihren Gedanken ausgemalt hatte. Wieder seufzte sie, leise diesmal. Wenn es nur schon endlich so weit wäre! Mitten in ihre Gedanken hinein piepste ihr Smartphone und das nicht nur einmal, sondern gleich fünfmal hintereinander.

Ergeben nahm sie es zur Hand, nur um im selben Moment laut „OMG!“ zu quieken. Erschrocken bremste der Fahrer scharf und sah sich hektisch um, denn sie musste ja wohl den Bären, der seit Wochen hier in der Gegend lebte, gesehen haben. Dass sein Fahrgast beinahe aus dem Sitz flog und das trotz des Sicherheitsgurtes, bekam er gar nicht mit.

„Können Sie nicht aufpassen!“, fuhr sie ihn an. Warum bremste dieser Idiot auf einer vollkommen leeren Straße? Womit hatte sie das nur verdient? Erschöpft und genervt ließ sie sich zurücksinken. Seine Entschuldigung, die er mit knallrotem Kopf und in seinem von Swytzerdütch gefärbten Englisch, von dem sie so gut wie nichts verstand, stammelte, nervte sie nur. Stattdessen widmete sie ihre Aufmerksamkeit wieder ihrem Smartphone. Ihre beste Freundin und Brautjungfer Candice hatte ihr Bilder geschickt, so wie sie es seit Monaten tat. Melinda zoomte sie beinahe bis zur Unkenntlichkeit heran, als das Gerät erneut piepste. Es war eine Sprachnachricht von Candice.

„Mindy-Darling!“, zwitscherte es, „Hast du die Bilder gesehen? Als ich die hier in Singapur gesehen habe, musste ich sofort an dich denken! Weiße Seidenzelte sind genau das, was du noch für deine perfekte Hochzeit brauchst. Wenn Georgina die sieht, fällt sie vor Neid tot um!“ Ganz deutlich war der hämische Unterton zu hören, den Melinda nur zu gut kannte. Ihr Herz begann wie wild zu schlagen und ihre Atmung wurde flacher.

Als Candice weitersprach, troff ihre Stimme vor Spott. „Du wirst es nicht glauben, aber sie hat tatsächlich eine Cinderella-Kutsche aufgetrieben. Sie wird jetzt in einem Kürbis zur Kirche fahren! Das musst du dir mal …“ Es wurde kurz still, dann war Candice wieder zuhören. „Darling, ich muss los, Montgomery wartet auf mich.“ Im Hintergrund knallte eine Tür und Candice flötete noch ein „Ich liebe dich!“, bevor die Nachricht abrupt endete.

Kaum war Candice Stimme verklungen, brach in Melinda Hektik aus. Sie musste sofort mit ihrem Hochzeitsplaner sprechen. Fahrig tippte sie auf ihrem Handy herum, aber es ertönte tatsächlich ein Besetztzeichen. Verdammt! Jetzt musste sie auch noch die Festnetznummer von Gracewood Hall raussuchen. Wieso telefonierte er? Sie musste wirklich augenblicklich mit Nigel sprechen, denn sie brauchte diese Zelte unbedingt!

Gerade als sie die Nummer gefunden hatte, klingelte das Handy erneut. Es war Andrew, ihr Verlobter. Mit einem Lächeln auf den Lippen gab sie sich kurz der Vorstellung hin, dass er hier wäre und sie ihren Kopf an seine starke Schulter lehnen könnte.

„Du hast es dir anders überlegt!“, rief sie ins Handy und ließ deutlich ihre Freude hören.

„Babe, bist du gut angekommen? Sorry, dass ich mich jetzt erst melde. Das Meeting dauerte länger als gedacht“, drang Andrews Stimme aus dem Lautsprecher.

„Kein Problem, wenn du dann hier bist, haben wir genug Zeit!“, versicherte Melinda ihm und sah dabei entspannt aus dem Fenster auf die Straße, die sich mittlerweile in Serpentinen den Berg hinaufwand.

Andrew atmete tief ein. „Babe, das hatten wir doch schon. Ich kann hier wirklich nicht weg.“

Melinda setzte sich auf. „Schatz, du brauchst ein paar Tage Ruhe genauso sehr wie ich, wenn nicht sogar dringender.“

„Mel, Babe, ich weiß.“ Andrews Stimme nahm einen sanften Klang an und Melinda rann ein wohliger Schauer über den Rücken, wie immer wenn er sie Mel nannte. Außer ihm tat das keiner. Für ihre Eltern und all ihre Freunde war sie seit dem Kindergarten Mindy. Trotzdem war sie enttäuscht, sie hatte sich so sehr auf die gemeinsame Zeit gefreut. In den letzten Wochen hatten sie sich kaum gesehen. Andrew war entweder im Büro oder beim Sport, um sich von der Arbeit zu erholen und sie selbst hatte mit der Hochzeit alle Hände voll zu tun, denn ständig tauchte ein neues Problem auf, das gelöst werden musste.

„Ich wünschte, es wäre anders. Aber wir haben ja unsere Flitterwochen!“, fügte er tröstend hinzu.

„Ich freu mich drauf!“ Sie merkte selbst, dass sie sich kindisch benahm, aber der Frust war zu groß. Sollte das jetzt den Rest ihres gemeinsamen Lebens so gehen, dass er nie an ihrer Seite war, weil er immer irgendeine Deadline einzuhalten hatte? Sie hatte wirklich gehofft, dass er es sich anders überlegen würde.

„Mel, sei nicht sauer. Ich arbeite doch jetzt nur so viel, damit wir in den drei Wochen wirklich ungestört sind.“

„Ich weiß. Ich vermisse dich nur so sehr!“, seufzte sie und schaute wieder hinaus.

„Du fehlst mir auch!“

„Andrew, können wir später sprechen? Ich muss noch Nigel erreichen.“

„Was ist passiert? Ich dachte, die Hochzeit sei fertig geplant?“ Sie vernahm deutlich die Mischung aus Besorgnis und Anspannung in Andrews Stimme.

„Ach nur eine Kleinigkeit, Candice hat weiße Seidenzelte gesehen, die sich hervorragend auf dem Rasen machen würden“, gab Melinda betont gelassen zurück, dabei spürte sie, wie sich ihr Herzschlag wieder beschleunigte. Es waren nur noch zwei Wochen bis zur Hochzeit, ihnen lief die Zeit davon.

„Mel…“, wollte er einwenden, aber sie ließ ihn nicht ausreden.

„Die sind wirklich wichtig, sie werden der Feier erst den stilvollen Rahmen geben, den sie verdient hat, den wir verdient haben. Es wird sein wie in ‚der große Gatsby'. Willst du nicht auch…?“

„Ich will dich heiraten, Melinda. Weil ich mein Leben mit dir verbringen will. Ich brauche dafür weder Seidenzelte, noch eine sechsstöckige Torte mit Blattgold.“

„Aber Candice…“, versuchte Melinda einzuwenden, aber diesmal unterbrach Andrew sie.

„Candice hatte ihre eigene Hochzeit, Mel.“

„Und genau deswegen kennt sie sich ja auch so gut aus“, erwiderte sie leicht genervt. In den letzten Monaten hatten sie schon öfter darüber gesprochen. Auch Andrew seufzte. Bei ihm im Hintergrund wurde es lauter und beiden war klar, dass ihr Telefonat in den nächsten Minuten beendet sein würde.

„Babe“, begann er und seine Stimme klang deutlich weicher. „Ich liebe dich. Plane die Hochzeit, wie du es willst. Wenn du glücklich bist, bin ich es auch. Egal wofür du dich entscheidest, ich bin der, der am Altar auf dich wartet.“

Melindas Groll schmolz augenblicklich dahin. Gott, wie sehr sie diesen Mann liebte! Er würde sie noch in schlammigen Gummistiefeln heiraten, wenn sie das wollen würde. Nicht dass es jemals dazu käme!

„Ich liebe dich auch! Du wirst sehen, es wird fabelhaft!“, versicherte sie ihm mit mehr Selbstvertrauen, als sie verspürte. Sie hatte keine Ahnung, ob es wirklich alles so werden würde, wie sie es sich vorgestellt hatte.

„Selbstverständlich wird es das!“, lachte Andrew und ihr Körper vibrierte. „Schatz, erhol dich gut. Ich muss jetzt los. Ich melde mich heute Abend. Ich liebe dich, meine zukünftige Frau!“

„Ich liebe dich auch! Bis nachher! Ich…“, setzte Melinda an, doch dann war das Gespräch auf einmal unterbrochen. Ungläubig stellt sie fest, dass der Empfang zusammengebrochen ist. Noch bevor sie sich darüber ärgern konnte, war er wieder da und Mindy beeilte sich Nigel anzurufen.

„Gracewood Hall, Nigel Bedford, hallo!“

„Ich brauche Seidenzelte.“ Wie immer hielt sich Melinda nicht mit langen Vorreden auf. Er sollte schließlich ihre Stimme erkennen. Sie hatten in den letzten Wochen wahrlich oft genug miteinander gesprochen. „Weiße. Für den Empfang auf dem Rasen.“

„Ähm, Miss Miller?“, fragte Nigel verwundert nach.

Sie verdrehte genervt die Augen. Was sollte die Frage? Er wird ja wohl ihre Nummer auf seinem Display gesehen haben. „Wer sonst? Jesus Christus vielleicht?!“, gab sie schnippisch zurück, redete aber gleich weiter. „Ich will weiße Seidenzelte für den Empfang. Ich schicke Ihnen Bilder.“

„Miss Miller, es sind nur noch zwei Wochen bis zur Hochzeit. Ich weiß nicht…“, versuchte Nigel höflich einzuwenden. Aber sie hörte dennoch, dass er nicht erfreut war über ihren erneuten Anruf. Ärger stieg in ihr auf, schließlich war er der Dienstleister und sie die Kundin. Und außerdem zahlte ihr Vater ein Vermögen für diese Hochzeit, da konnte er sich ruhig ein bisschen mehr anstrengen. Bevor sie Nigel daran erinnern konnte, wurde sie auf einmal auf ihrem Sitzplatz vor und zurück geworfen, weil dieser unfähige Fahrer eine Vollbremsung hinlegen musste. Der Sicherheitsgurt tat seinen Dienst, straffte sich augenblicklich und Melinda war festgeschnürt.

„Aaah! Sind Sie eigentlich völlig unfähig?“, rief sie empört aus.

„Wie bitte?“, entrüstete sich Nigel.

„Nicht Sie! Er!“ Melinda zeigte mit dem Finger auf den Fahrer, bevor ihr bewusst wurde, wie unsinnig diese Geste war. „Unwichtig!“ Sie schüttelte kurz den Kopf, während sie hektisch an dem Gurt zerrte, in dem vergeblichen Versuch ihn zu lockern.

„Ich kenne den Termin, danke!“, entgegnete sie und warf diesem Fahranfänger einen mörderischen Blick zu. Am liebsten würde sie ihm eins überbraten, aber leider bekam sie nicht einmal genügend Luft, um Nigel ausreichend zu antworten.

„Ich sehe sie mir sehr gern an und melde mich dann nochmal bei Ihnen“, antwortete derweil Nigel, deutlich um Geduld bemüht, was ihre gereizte Stimmung nur noch verschlimmerte. „Die anderen Änderungswünsche habe ich umgesetzt. Alles läuft nach Plan. Ich habe Ihnen gerade eine Email geschickt.“

Da der Gurt sich immer noch keinen Millimeter lösen ließ, schnallte Melinda sich kurzerhand ab und bekam endlich wieder ausreichend Luft.

„Großartig! Dann ist ja hoffentlich alles geklärt“, erklärte sie bestimmt und beendete kurzerhand das Gespräch. Sie seufzte laut. Diese Telefonate strengten sie jedes Mal ungemein an. Wer immer behauptet hatte eine Hochzeit zu planen würde Spaß machen, hat schlichtweg gelogen.1

Völlig erledigt ließ sie sich zurück ins Polster sinken und schnallte sich, mit geschlossenen Augen, wieder an. Es war ihr leider nur eine kurze Pause vergönnt, denn in diesem Moment klingelte das Smartphone erneut. Melinda öffnete die Augen nur einen spaltbreit, um zu sehen, wer denn jetzt etwas von ihr wollte. Es war ihre Cousine Mabel. Ihre Mutter hatte sie gezwungen sie ebenfalls zur Brautjungfer zu machen, dabei konnte Melinda sie überhaupt nicht leiden. Wenn die mal nicht ihre Nase in irgendwelche Bücher hielt, blickte sie wie ein verwundetes Reh durch die Welt, als wüsste sie nicht, wie sie hierhergekommen war. Die ganze Familie vergötterte sie, weil sie so freundlich war und immer ein offenes Ohr für alle hatte. Insgeheim hielt Melinda das für eine besonders miese Masche von Mabel ihren Willen durchzusetzen. Auch wenn sie nicht wollte, sie musste das Gespräch annehmen. Denn wenn sie es nicht tat, würde sich Mabel bestimmt wieder bei irgendwem die Augen ausheulen und im Endeffekt wäre dann Melinda die Gelackmeierte.

„Mabel! Was für eine Überraschung! Was kann ich für dich tun?“, flötete sie also in ihr Handy und zog dabei eine Grimasse.

„Mindy, wie gut, dass ich dich noch erreiche. Ich weiß ja, du bist auf dem Weg in die Schweiz. Es ist nur so, ich weiß nicht, ob du schon mit deiner Mutter gesprochen hast, …“ Mabel ließ den Satz offen, wie sie es so oft tat. Es trieb Melinda in den Wahnsinn, als wenn Mabel es nicht über sich bringen konnte, die Wahrheit auszusprechen. So schwer war das doch nicht!

„Wieso? Ist was passiert?“, hakte sie daher nach, immer in der Hoffnung schnell auf den Punkt zu kommen.

„Naja, so könnte man es auch nennen. Wobei, eigentlich…“ Wieder verlor sich Mabels Stimme und Mindy allmählich ihre Geduld.

„Mabel, was ist los? Weswegen rufst du mich an?“ Melinda begann ungeduldig mit den Fingerspitzen auf ihrem Knie zu trommeln und spürte wie sich ein diffuser Kopfschmerz in ihr breit machte und von innen auf die Augen drückte.

„Die Brautjungfernkleider sind gekommen“, antwortete Mabel schließlich.

„Ja und? Das sollten sie doch! Endlich mal etwas, das geklappt hat.“ Kaum hatte sie es ausgesprochen, machte sich in Melinda eine seltsame Ahnung breit.

„Jaja, natürlich. Sie sind auch wunderschön! Wirklich! Es ist nur ...“ Mabel holte tief Luft, wie um sich zu rüsten. Dennoch kam nur ein Flüstern raus. „Sie sind lila.“

Melinda erstarrte. Was hatte ihre Cousine gesagt?!Lila? Lila?? LILA???

„Deswegen rufe ich an, ich wollte wissen, ob du dich für andere Farben entschieden hast?“, sprach Mabel weiter, aber Melinda war so vor den Kopf geschlagen, dass sie Mühe hatte die Information zu verarbeiten. „Lila?“, wiederholte sie tonlos und mehr für sich. Es war eine Katastrophe! Candice hasste Lila, sie hielt es für ordinär. Melinda glaubte, schon ihre Stimme zu hören. ‚Nie im Leben würde ich so etwas tragen.'

„Naja, ja. So ein wunderschönes Frühlingsflieder und ein zartes Lavendelblau“, antwortete Mabel dennoch und Melinda erwachte aus ihrer Starre.

„Wie bitte? Es sind mehrere Farben? Haben etwa alle Kleider eine andere Farbe? Oder meinst du einen Farbverlauf?“, hakte sie nach, doch statt einer Antwort von ihrer Cousine begann es auf einmal in der Leitung zu knarren.

„Mabel? Bist du noch dran?“ Fassungslos starrte sie auf das Display. Hier war kaum Empfang. „Mabel? Hörst du mich? Schick mir ein Foto! Ja?“

„Mindy? Hallo?“, knarzte es zurück.

„Ich bin dran! Ein Foto, Mabel! Schick mir ein Foto von den Kleidern!“ Sie schrie beinahe, aber die Leitung war tot. Sinnlos wedelte sie damit am Autofenster rum, aber leider verabschiedete sich auch der letzte Balken auf ihrem Smartphone und mit einem wütenden „Fuck!“ landete das nutzlose Gerät in ihrer Handtasche. Eigentlich fluchte Melinda nie. Sie war sehr stolz darauf auch in herausfordernden Situationen ihre Eloquenz behalten zu können, aber heute war ein wirklich mieser Tag. Erst der beinahe Streit mit Andrew und nun das. „Bloody hell!“ Warum konnte bei dieser Hochzeit nicht wenigstens eine Sache so laufen wie von Anfang an geplant? Wie schwer war es bitte nougatgoldene Brautjungfern-kleider zu schneidern?

„Wir sind gleich da!“, informierte sie der Fahrer mitfühlend und auf einmal stieg in ihr ein Anflug von Entsetzen auf. Sie hasste es, wenn das Personal wusste worüber sie sprach, aber anders herum sie keine Ahnung hatte, wovon sie sprachen. Vielleicht hätte sie eine russische Prinzessin werden sollen, dann würde sie niemand verstehen. Wer sprach schon russisch?! Außerdem war es ja wohl mehr als unangebracht, sie zu trösten. Schließlich hatte er seinen Teil dazu beigetragen, dass sie sich nur noch ins Bett wünschte. Bestimmt hatte sie überall blaue Flecken, so wie sie auf dieser Fahrt durchgeschüttelt worden war.

„Wurde auch Zeit“, antwortete sie daher kurz und mit so viel Kälte in ihrer Stimme, dass sie sich wunderte, warum keine Eisblumen an der Scheibe erschienen. Sie nahm sich vor, nie wieder in einen so kleinen Wagen zu steigen, der nicht einmal eine Trennscheibe besaß. Demonstrativ setzte sie die Sonnenbrille auf und wandte sich ab. Vorsichtig versuchte sie die Schultern zu kreisen. Es war ein sinnloses Unterfangen. Sie war steif wie ein Brett. So mussten sich Achtzigjährige fühlen. Es schmerzte so sehr, dass ihr die Tränen in die Augen schossen. Also ließ sie es sein. Sollten sich die Masseure darum kümmern, wofür hatte sie schließlich diesen Urlaub gebucht.

 

***

 

Andrew Crawfield saß zwar in diesem Konferenzraum in Mayfair, aber er war nur körperlich anwesend. Er wusste, wenn er jetzt nicht aufpasste, musste er sich die Berichte über die letzten Klickzahlen und Page Impressions noch einmal ansehen, bevor er die fälligen Entscheidungen bezüglich des Unternehmens traf. Aber er konnte nichts dagegen tun, dass seine Gedanken immer wieder zu seiner Verlobten und die bevorstehende Hochzeit abschweiften. Die Situation wurde immer schlimmer, selbst der Umzug nach London hatte nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Mel wusste nichts davon, aber es war seine Idee gewesen, die USA zu verlassen, um sich um die europäischen Märkte des Verlagsimperiums seiner Familie zu kümmern. Er hatte gehofft, wenn er Mel aus ihrem gewohnten Umfeld zöge, würde sie das nötige Selbstvertrauen aufbauen, um sich von Candice allgegenwärtigem Einfluss zu befreien. Aber so wie es jetzt aussah, hatte er damit kläglich versagt. Seine Braut war unglücklich, allein und vollkommen erschöpft. Auch wenn sie versuchte, es vor ihm zu verbergen, er sah es dennoch. Außerdem kannte er Candice schon seit Ewigkeiten. Er wusste, was sie alles tat um ihren Willen durchzusetzen und auch wenn Melinda sich bemühte zu Candice elitärem Kreis hochnäsiger Ziegen dazuzugehören, wusste er doch, dass sie im Grunde ihres Herzens ganz anders war. Das hatte er nicht nur vom allerersten Moment gespürt, sondern auch jedes Mal gesehen, wenn sie allein gewesen waren. Er würde sie so gern bei der Planung der Hochzeit unterstützen und sich einbringen, aber er hatte dieses riesige Projekt am Bein. Jeden Tag hatte er sich vorgenommen, sich heute einen schönen Tag mit ihr zu machen und dann war doch wieder etwas dazwischen gekommen. Er hatte ein schlechtes Gewissen und je mehr Zeit verstrich, desto größer wurde es.

 

***

 

„Können wir jetzt endlich los?“, fragte Montgomery Cliffton, als seine Ehefrau Candice zu ihm trat.

„Selbstverständlich Schatz! Ich freue mich schon…“, flötete sie, bemüht die eisige Stimmung ihres Mannes zumindest ein wenig zu verbessern, aber wie so oft unterbrach er sie.

„Wir kommen zu spät!“, bemerkte er und trat aus der Suite. Energisch schritt er auf den Lift zu. „Du weißt, dass die Asiaten einen ausgesprochenen Sinn für Etikette haben, also streng dich ein bisschen an.“ Er wandte sich zu ihr um und musterte sie von oben bis unten. Candice bemühte sich kein Anzeichen von Schwäche zu zeigen, aber er hatte schon wieder das Interesse an ihr verloren und starrte stur geradeaus. Sie wusste, sie sah umwerfend aus und vor allem dem Anlass angemessen. Stilvoll, klassisch und nicht zu sexy. Nicht, dass es ihn interessieren würde, ob sie sexy aussah oder nicht. Seit der Hochzeitsnacht hatte er sie nicht mehr angerührt. Das war jetzt über ein Jahr her und als wäre das nicht schlimm genug, bemerkte sie natürlich die Blicke, die ihr auf der Upper East Side auf Schritt und Tritt folgten und ihren Bauch begutachteten. Vor allem ihre Schwiegermutter beobachtete sie immer wieder. Sie kam sich vor wie eine Zuchtstute. Es war erniedrigend. Einmal hatte Candice versucht mit ihrer Mutter darüber zu sprechen, aber die hatte ihr eindeutig zu verstehen gegeben, dass sie sich einfach etwas anstrengen musste. Schließlich würden sich Männer auf alles stürzen, was nur irgendwie ansprechend sei und damit würde es ganz klar an Candice liegen, ihre Ehe in die richtige Richtung zu lenken. Seither hatte sie ein Vermögen für Dessous ausgegeben. Sie hatte sogar Reizwäsche im Internet bestellt, sich aber dann doch nicht getraut, sich ihm so zu präsentieren.

Mit Andrew als Ehemann wäre das nicht nötig, da war sie sicher. Er tat zwar immer so rechtschaffen, aber sie war sich sicher, dass er im Schlafzimmer zum Tier wurde. Allein der Gedanke an seinen Traumkörper, ließ sie innerlich schaudern. Oh ja, ihr letzter Sex war viel zu lange her. Sie unterdrückte ein Stöhnen und warf einen verstohlenen Blick auf ihren Ehemann. Wenn er sie doch nur einmal so ansehen würde, wie Andrew Mindy ansah! Der alt bekannte Groll kam in Candice hoch. Immer fiel Mindy alles in den Schoß und die merkte es nicht einmal! Es war ihr unverständlich, wie Andrew sich für sie hatte entscheiden können. Sie würde immer die Tochter von Emporkömmlingen sein, egal wie sehr sie sich anstrengte. Und dieser Umzug nach London, war ja wohl der beste Beweis für den bevorstehenden Abstieg der Crawfields. Mit ihr an seiner Seite, wäre Andrew das nicht passiert. Bei dem Gedanken, wie er sie auf der Hochzeit der Abernathys abgewiesen hatte, wurde ihr Mund ein einziger Strich.

In diesem Moment machte es pling und der Fahrstuhl kam zum Stehen. Auf einmal lief der heutige Abend, wie ein Film vor ihrem inneren Auge ab und sie wurde unendlich müde. Sie würden mit Montgomerys Geschäftspartnern und deren Ehefrauen ein endloses Dinner absolvieren, in denen die Frauen die ganze Zeit schwiegen und sie würde ihre gesamte Willenskraft aufbringen müssen, nicht vor Langeweile zu viel zu essen oder zu trinken. Dann, nach endlosen zwei oder drei Stunden, würden die Männer sich entschuldigen, um in irgendwelche illegalen Nachtclubs zu verschwinden, wo sie weiß Gott was trieben und die braven Ehefrauen müssten sich ins traute Heim verabschieden. Candice schwankte in diesen Nächten immer zwischen der Angst und der Hoffnung, er würde sich irgendeine fiese Krankheit zuziehen. Sie biss die Zähne zusammen. Sie hatte gehofft, die Ehe mit ihm würde sie endlich vom allgegenwärtigen Erfolgsdruck ihrer Eltern befreien. Sie hatte ja keine Ahnung gehabt.

Kapitel 2

 

Marie Grassner saß an ihrem absoluten Lieblingsplatz am großen Panoramafenster, vor sich eine Tasse frischen Minztee, der trotz der herrschenden Sommertemperaturen den Körper auf beinahe magische Weise kühlte. Sie liebte diese Zeit des Tages, wenn die neuen Gäste voller Vorfreude anreisten und sie sie in ihre Obhut nehmen konnte. Zufrieden beobachtete sie, wie Peter einem älteren Ehepaar die Zimmerkarten überreichte. Eigentlich sollte sie die Personalplanung für die nächsten Monate überprüfen, die Bestellungen absegnen und sich auf den neuesten Stand zum Ayurveda Event bringen, aber sie war seit fünf Uhr auf den Beinen und hatte sich ein Pause verdient.

Draußen hielt eine schwarze Limousine mit quietschenden Bremsen vor dem Hoteleingang. Der Wagen kam so plötzlich zum Stehen, dass es selbst ihr wie ein Ruck durch den Körper fuhr. Sie war zwar seit Jahren nicht mehr Autoscooter gefahren, aber sie wusste noch genau wie sich das anfühlte.

Eine hübsche, junge Frau sprang beinahe aus dem Auto und hielt ihr Smartphone in die Höhe. Augenblicklich durchflutete Mitgefühl Marie. Diese jungen Leute meinten, dass sie immer und überall erreichbar sein mussten. Sie hatten keine Ahnung, wie befreiend es sein konnte, einmal ganz auf sich selbst gestellt zu sein. Gut, auch sie nutzte natürlich die technischen Errungenschaften gern, aber sie wusste, dass sie auch ohne leben konnte und tat es auch regelmäßig.

Die junge Frau suchte anscheinend immer noch nach einem guten Empfang ins Mobilfunknetz. Den Blick konzentriert auf das Smartphone gerichtet kam sie herein und blieb in einigem Abstand vor dem Empfangstresen stehen. Marie fiel auf, das sie sehr jung war, Anfang Zwanzig, schätzungsweise und sehr hübsch, wenn auch viel zu dünn. Ihre langen blonden Haare fielen ihr wie bei einer Schauspielerin in perfekten Wellen über die Schulter. Marie ließ den Blick schweifen und bemerkte, dass Peter reglos dastand und nicht den Blick von ihr abwenden konnte. Marie räusperte sich diskret und wie erhofft, kam Leben in ihren Mitarbeiter.

„Guten Tag! Willkommen im Hotel Sonnenblick“, eröffnete er endlich das Gespräch.

Sichtlich genervt hob die junge Frau den Blick und stellte sich nun doch vor ihn. „Melinda Miller“, antwortete sie kurz und begann kurz darauf wild auf ihr Handy zu tippen.

Peter zuckte unmerklich mit den Schultern, scheinbar hatte er etwas mehr Konversation erwartet, und begann mit seiner Arbeit.

„Wie ist das Passwort?“, fragte sie unvermittelt.

Peter sah verwirrt hoch. „Entschuldigung? Wie meinen Sie?“

Melinda verdrehte die Augen, ob seiner offensichtlichen Begriffsstutzigkeit.

„Wifi. Passwort.“ Sie wedelte ungeduldig mit der Hand, wie um den Prozess zu beschleunigen.

Peter straffte seine Haltung, als rüste er sich für das, was nun unweigerlich kam. „Es tut mir leid, aber aus Gründen der Regeneration und Erholung unserer Gäste haben wir kein Wlan in unserem Haus.“

Wie eingefroren starrte Melinda ihn an. Das hatte sie doch jetzt nicht wirklich gehört?!

„Wie bitte?“ Sie spürte regelrecht, wie sich ihr ganzer Körper in Alarmbereitschaft setzte.

Peter wollte seinen Satz wiederholen, aber sie unterbrach ihn scharf.

„Ich bin sehr wohl in der Lage zu hören, was sie gesagt haben. Ich habe eine Hochzeit zu planen“, teilte sie ihm mit, als wäre damit alles gesagt und Marie bemerkte, dass sie nicht die Einzige war, die den Schlagabtausch der Beiden verfolgte. Auch die anderen Gäste, die in der Lobby saßen, reckten die Köpfe.

„Es tut mir sehr leid, aber um unseren Gästen Entspannung zu ermöglichen, verzichten wir auf jegliche elektromagnetische Strahlung“, erklärte Peter gerade, aber Melina seufzte nur und wiederholte extra langsam und laut: „ICH MUSS EINE HOCHZEIT PLANEN.“

Abwartend, ob er sie wirklich verstanden hatte, sah sie ihn an. „Also ist es unabdingbar, dass ich erreichbar bin.“

„Aber wir sind ein Ayurveda Resort“, versuchte er es erneut. Sie musste doch verstehen, dass er nichts machen konnte.

„Hören Sie,…“ Melinda lehnte sich über den Tresen. „Sie werden doch selbst auch ins Internet müssen. Und da wäre es doch eine Kleinigkeit für Sie, mich daran teilhaben zu lassen.“ Sie lächelte ihn an und Marie wusste instinktiv, dass dieses Lächeln noch nie seine Wirkung verfehlt hatte. Auch Peter schien nicht dagegen gefeit.

„Ich würde ja, aber leider..“, begann er und bemerkte im selben Moment Maries Blick. Er verstummte und versuchte ein Lächeln auf sein Gesicht zu zaubern.

Doch es erreichte Melinda nicht. Sie richtete sich zu ihrer vollen Große auf und fragte überheblich: „Haben Sie nicht verstanden?“ Sie seufzte genervt und sah sich suchend um. „Spricht denn hier niemand meine Sprache?“ Langsam und überdeutlich wiederholt sie. „ICH BRAUCHE EINEN INTERNETZUGANG. ICH WERDE HEIRATEN.“

In diesem Moment erwachte Marie aus ihrer Faszination und stand entschlossen auf, bevor die Situation eskalierte. Peter zuckte nur noch hilflos mit den Achseln. Er war ebenso jung wie Melinda und hatte noch nicht so viel Erfahrung mit schwierigen Gästen. Meistens kamen die Leute zu ihnen ins Resort, um sich eine ganz besondere Zeit schenken zu lassen.

Als Marie näher kam, sah sie die Erschöpfung in Melindas Augen und nahm auch ihre unnatürlich steife Haltung wahr. Die Schatten hatte sie abgedeckt, aber Marie hatte schon zu viele Menschen gesehen, die nicht im Einklang mit ihren wahren Bedürfnissen lebten, um nicht zu erkennen, dass Melinda Miller dringend eine Auszeit brauchte.

„Hallo, meine Name ist Marie Grassner. Darf ich Sie zu einem Tee einladen? In der Zwischenzeit wird sich Peter um alles kümmern.“ Mit einem verbindlichen Lächeln trat Marie an Melinda heran und berührte sie sacht am Arm.

„Ah, endlich ein vernünftiger Mensch!“ Melinda wusste sofort, dass das Problem nun endlich gelöst werden würde. „Haben Sie gehört, mir wird hier ein Internetzugang verwehrt.“

„Ich bin mir sicher, es wird sich alles regeln lassen“, gab Marie verständnisvoll zur Antwort und dirigierte Melinda dabei sacht in das angrenzende Kaminzimmer. „Lassen Sie uns erst einmal einen Tee trinken.“ Im Laufe der Jahre hatte sie festgestellt, dass das Resort zwei Arten von Gästen anzog, die einen die sich gut im Ayurveda auskannten und diejenigen, die irgendwie per Zufall, auch wenn Marie nicht an Zufälle glaubte, hierher kamen. Diese brauchten immer guten Zuspruch und viel Liebe, um sich auf das einlassen, was sie ihnen bieten konnten. Und diejenigen, die sie erreichten, kamen immer wieder. Und irgendetwas sagte ihr, dass diese junge Frau weniger verschlossen war, als es momentan den Anschein hatte.

Das Kaminzimmer war unglaublich gemütlich. Die Wände zierten Regale mit mehr Büchern als so manche Buchhandlung ihr Eigen nannte. Verschiedene Sessel und Sofas luden zum Entspannen ein und ein gewaltiger Kamin sorgte an kühlen Tagen für Behaglichkeit. Aber es war die Aussicht aus dem großen Fenster, welche Melindas Blick anzog. Sie hatte zwar schon einiges von Europa gesehen, aber in den Bergen war sie noch nie gewesen. Das Alpenpanorama hatte seinen ganz eigenen Charme.

---ENDE DER LESEPROBE---