Hummeldumm - Tommy Jaud - E-Book
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Tommy Jaud

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Beschreibung

»Sitzreihe 12 war die letzte, die zwischen Tortellini und Hühnchen wählen durfte. Ich saß in Reihe 13. Schon auf dem Hinflug hätte mir klar sein können, dass der Jahresurlaub zum Albtraum wird.« Wer an allem schuld ist, ist für Matze sowieso klar: seine Freundin Sina. Während er in endlosen Verhandlungen die neue Eigentumswohnung klargemacht hat, sollte sie einfach nur »irgendwas« buchen. Hat sie auch. Doch musste dieses »irgendwas« ausgerechnet eine zweiwöchige Gruppenreise durch Namibia sein, ein Land, in dem jede hüftkranke Schildkröte schneller ist als das Internet? Was hat er denn verbrochen, dass man ihn nun täglich in einen Kleinbus voller Bekloppter sperrt, um ihn dann zu österreichischen Schlagern über afrikanische Schotterpisten zu rütteln? Und warum stolpert er bei minus zwei Grad in einem albernen Wanderhut über die Dünen der Kalahari, statt auf Mallorca ein Bierchen zu schlürfen? Als Matze dann noch daran erinnert wird, dass die sicher geglaubte Wohnung an andere Käufer geht, wenn er nicht sofort die fünftausend Euro Reservierungsgebühr überweist, hat er gleich noch drei neue Probleme: Das nächste Internetcafé ist fünfhundert Kilometer entfernt, der Handyakku plattgedaddelt und das einzige Ladegerät fest in österreichischer Hand. »Ich drücke meine Nase ans Busfenster und blicke hinaus ins weite Land. Die Namibier winken uns und lachen. Klar lachen sie, sie sind ja frei. Wir nicht. Wir sind die in Blech gepackte Rache für die deutsche Kolonialzeit.«

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Tommy Jaud

Hummeldumm

Das Roman, ne

Roman

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Inhalt

[Widmung][Motto]1234567891011121314151617181920212223242526272829303132333435363738394041424344[Nachwort]Danke – thank you – okuhepa

Für Carlos (†)

»Wir sind alle überfordert.

Wir brauchen mehr Nachsicht miteinander.«

Henno Martin, Deutscher Geologe und Schriftsteller, 1942

»Reimen tuat ka Bahee und ka Huber,

des macht nur euer Pepi Gruber!«

Pepi Gruber, Tourist, 2009

»Ich war mir sicher:

Hinter der nächsten Düne kotzten

Springbock, Oryx und Gnu ihre Verzweiflung

in den roten Sand der Kalahari.«

Matze Klein, Tourist, 2009

1

Sitzreihe 12 war die letzte, die zwischen Tortellini und Hühnchen wählen durfte. Ich saß in Reihe 13. Schon auf dem Hinflug hätte ich also ahnen können, dass der Jahresurlaub zum Albtraum wird. Einen Scheiß ahnte ich. Im Gegenteil: Ich war so happy, dass es endlich in den Urlaub ging, dass ich sogar Sekt bestellte für meine Freundin und mich und harmonietrunkenen Unsinn faselte wie »Auf einen tollen Urlaub!«.

»Und auf die neue Wohnung!«, ergänzte Sina strahlend, und dann knirschten unsere Plastikbecher aneinander, was irgendwie erbärmlich klang, und doch waren wir glücklich in diesem Augenblick und ich sogar ein bisschen stolz: In letzter Minute war es mir nämlich gelungen, eine süße kleine Eigentumswohnung zu reservieren, die nahezu perfekt zu uns und unserem Leben passte und Sina so verzückt hatte, dass sie im Kopf seit Tagen Möbel schob, Farben aussuchte und Vorhänge.

Es ging mir so gut auf dem Hinflug, dass ich die Tritte des zappeligen Kleinkinds ebenso ertrug wie die einhundertsiebzigste Wiederholung von MrBean am Strand. Ja, nicht mal der grauhaarige Schnösel in seinem lächerlichen La-Martina-Düsseldorf-Polohemd ärgerte mich, als er mit süffisantem Grinsen und Champagnerglas in der Hand durch den Business-Class-Vorhang linste und sich prächtig darüber zu amüsieren schien, wie eng Air Namibia seine weniger betuchten Passagiere gesteckt hatte.

Ein aufgebrezelter Frauenkopf, ebenfalls mit Champagnerglas, kam durch den Vorhang. Er gehörte einer zierlichen Mittdreißigerin mit riesigem Mund, die ich von irgendwoher zu kennen glaubte. So erschrocken war sie vom Elend in der Economy, dass ihre Gesichtszüge erstarrten wie in einem Stummfilm. Fehlte nur das Klavier und der Untertitel: ›Ach du lieber Himmel!‹ Der Vorhang fiel ohne Applaus.

Sina hatte die beiden ohnehin nicht gesehen, sie war viel zu sehr damit beschäftigt, Eselsohren in ihren Ikea-Katalog zu knicken. Es mussten mindestens 100 Eselsohren sein mittlerweile, und ich fragte mich, ob sich die für unsere Wohnung in Frage kommenden Möbel nun auf den Seiten mit oder ohne Knick befanden.

Der Reiseprospekt in der Sitztasche vor mir hatte nur ein einziges Eselsohr, und das war gleich auf der ersten Seite, weiter hatte ich es nicht geschafft. Es gab ehrlich gesagt auch keinen Grund für mich weiterzulesen, denn die erste Seite war wirklich toll! Goldgelbe Köcherbäume wurden dort beschrieben, die sich gestochen scharf vom sattblauen Abendhimmel Namibias abheben, elegante Springböcke, die vom Straßenrand scheu in den Bus blinzeln. Von abenteuerlichen Pirschfahrten durch den Etosha Nationalpark war die Rede, auf denen man Elefanten, Zebras und mit etwas Glück sogar Leoparden und Löwen digital schießen konnte, um sie später im Büro stolz als Desktop-Hintergrund zu verwenden.

Nun, auf dem Hinflug wusste ich ja noch nicht, was alles passieren würde, und genau dieser Umstand erlaubte es uns, glücklich zu sein. Das ist wahrscheinlich der Trick des Glücks, dass es uns nie verrät, was noch kommt: Es hält uns auf Seite 1 des Reiseprospekts. Blättern wir um, haben wir verloren.

Rückblickend frage ich mich natürlich, wer an allem schuld war. Der Veranstalter? Nicht wirklich. Namibia? Schon gar nicht. Dieses stolze Land tut mir sogar leid, war es doch ungefragt Bühne für ein überaus jämmerliches Drama. Der Titel: »Menschliches Versagen«. Die Hauptdarsteller: neun Idioten in alberner Wanderkleidung.

Ich will es kurz machen: Schuld an allem war natürlich meine Freundin. Sie wollte schon immer nach Namibia. Sie fand, dass eine geführte Gruppenreise das Entspannendste für uns wäre. Ja …, es kann sein, dass ich in irgendeinem Telefonat zu ihr gesagt habe, sie solle einfach »irgendwas« buchen. Aber musste dieses »Irgendwas« ausgerechnet eine zweiwöchige Gruppenreise durch ein Land sein, in dem jede hüftkranke Schildkröte schneller ist als das Internet?

 

Ich schreibe diese Zeilen auf dem Rückflug von Windhoek nach Frankfurt. Wenn ich wieder zu Kräften gekommen bin, werde ich versuchen, mich an alles zu erinnern. Aber jetzt muss ich schlafen. Vielleicht noch eine Kleinigkeit: Es waren die schlimmsten zwei Wochen meines Lebens.

2

Die Einwanderungsprozedur der namibischen Behörden war weit weniger paranoid als die der USA: Sina und ich mussten lediglich unsere Namen auf ein Formular schreiben, was wir in Namibia so vorhatten und wie lange wir bleiben wollten, das war’s. Es gab keine Fingerabdrücke und keine Nachfragen, ob wir nicht vielleicht doch zufällig Mitglieder einer terroristischen Vereinigung waren oder irgendwie am Holocaust beteiligt.

Als wir mit unseren frisch gestempelten Visa auf das Kofferband zusteuerten, strahlte Sina wie ein Eichhörnchen: »Hey! Wir sind in Afrika!« Und auch ich lächelte. Immer mehr Touristen fluteten die Halle, die meisten trugen Freizeit- oder Wanderkleidung, fast alle waren alt. Vorsichtig räusperte ich mich.

»Sina?«

»Ja?«

»Gab’s denn irgendeine Info, wer noch so in unserer Gruppe ist?«

Sina machte ein recht unschuldiges Gesicht. »Die haben nur die Namen geschickt, sonst nix.«

Ich nickte, und dann rumpelte auch schon das Kofferband los, und die ersten Taschen und Rucksäcke tauchten auf. So richtig zufriedenstellend fand ich Sinas Antwort ja noch nicht. »Hast du nicht noch den ein oder anderen Namen im Kopf von dieser Liste?«, fragte ich vorsichtig.

»Kevin Schnabel!«, antwortete Sina wie aus der Pistole geschossen.

»Kevin Schnabel?«, fragte ich amüsiert. »Kein Mensch heißt Kevin Schnabel.«

»Na, Kevin Schnabel schon. Ach ja, und … ein Herr Seppelpeter, Vornamen hab ich vergessen.«

»Seppelpeter? Das klingt ja jetzt superalt!«

»Findest du?«, zweifelte meine Freundin, »ich finde, Seppelpeter is ein ganz normaler Name. Das kann auch ein Webdesigner sein, ein Beachvolleyballer oder DJ!«

»MC Seppelpeter, oder was?«, schmunzelte ich.

»In zehn Minuten wissen wir’s.«

»Stimmt. Und vielleicht bringt MC Seppelpeter ja ein paar freshe Tracks mit für den Bus.«

»Ja, ja …«, sagte Sina, dann rüttelte das Gepäckband auch schon meinen rosa Wanderrucksack durch die schwarzen Gummilamellen.

»Du, Matze, ich glaub, ich hab deinen Rucksack entdeckt!«, rief Sina.

»Jeder hat ihn entdeckt«, antwortete ich leise und blickte verschämt auf die umstehenden Wartenden.

Sofort zog Sina die Stirn kraus. »Matze, bitte! Wie oft noch? Ich hab auf ›schwarz‹ geklickt bei der Bestellung!«

»Ich hab ja gar nix gesagt.«

»Aber entsprechend geguckt. Wanderrucksäcke haben nun mal komische Farben!«

»Rosa ist aber keine komische Farbe. Rosa ist entweder Mädchen oder schwul.«

»Ich nehm ihn auch gerne runter, wenn’s dir peinlich ist.«

»Danke, geht schon«, sagte ich und versuchte, meinen Rucksack so unauffällig wie möglich vom Band zu hieven.

 

Die Ankunft gestaltete sich weiterhin farbenfroh, denn der Tourguide, der uns gleich hinter der elektrischen Schiebetür mit einem breiten Lächeln begrüßte, war unerwartet stark pigmentiert. Er trug eine kurze Hose mit dicken Wanderschuhen und ein dunkelgrünes, spack sitzendes Freizeithemd. In der Hand hielt er ein Pappschild, auf dem der offizielle Titel unserer Reise stand: Zwischen Sand und Seidenkissen. »Willkommen in Namibia! Ich bin euer Guide, der Bahee, ne.«

Schon jetzt war offensichtlich: Bahees Deutsch war ebenso breit wie sein Lächeln. Sina reichte ihm freundlich die Hand und wiederholte unsicher seinen Namen.

»Baheene?«

»Nee, nur Bahee, ne. Die ›ne‹ sag ich immer nur so, der is so eine Sprachdings von mir da immer, ne!«

»Oh … Entschuldigung! Ich bin die Sina.«

»Matze!«, stellte ich mich ebenfalls lächelnd vor. Bahee nickte freudig und strich unsere Namen auf einer Liste durch. »Ihr seid die Erste, ne. Am beste ihr latscht gleich mal hinter, um euch a bikkie Geld mal hier zu wechseln, der wird nämlich gleich ganz voll, der Halle, und da konnt ihr die Zeit schon mal nutzen, um euch einen Kaffee mal zu nehmen oder so. Rucksack konnt ihr hierlasse, die pinke da von Paris Hilton auch, ne, hehe.«

Glucksend vor Spaß, zog Bahee unsere beiden Rucksäcke an die Absperrung und Sina mich in Richtung des kleinen Bankschalters am Ende der Halle.

»Ähm, Sina, hast du vielleicht bei ›Guide‹ auf ›schwarz‹ geklickt statt beim Rucksack?«

»Nein, aber ich hab bei ›Freund‹ auf ›nett‹ geklickt.«

Sina und ich wechselten jeweils 250 Euro in namibische Dollar und setzten uns auf zwei Metallhocker eines Flughafenbistros. Von dort hatten wir die Schiebetür der Ankunftshalle gut im Blick. Ich schaltete mein Handy ein und bekam auch prompt eine englische Begrüßungsnachricht von einem Provider namens MTC. Besser noch: Das Wireless LAN des Cafés war unverschlüsselt, und ich hatte vollen Empfang. Stolz zeigte ich es Sina.

»Schau mal, ich bin im Netz! W-LAN auch!«

Wie von einem Menschen mit zwei X-Chromosomen nicht anders zu erwarten, hielt sich Sinas Begeisterung in Grenzen. Ich klickte auf die Wetterapplikation, und innerhalb weniger Sekunden strahlten unter ›Windhoek, Namibia‹ ein Sonnensymbol und ›13 Grad‹ auf dem Display. Damit wagte ich einen neuen Versuch.

»Dreizehn Grad nur, schau!«

»Ich weiß.«

»Woher?«

Ungerührt deutete Sina auf eine Temperaturanzeige vor dem Flughafen. Dort blinkte ›13 Grad‹ im Wechsel mit der Uhrzeit.

»Hast du nicht eigentlich versprochen, das Ding mal auszulassen im Urlaub?«, fragte sie mit einem Ursula-von-der-Leyen-Kindergartentonfall, »du sitzt doch sonst schon die ganze Zeit vorm Rechner.«

Verkniffen starrte ich auf mein Handy.

»Das gibt’s ja nicht: dreißig Prozent Rabatt auf alles bei Habitat!«

»Zeig!«

Pfeilschnell schoss Sinas Hand zu meinem Telefon, doch darauf war natürlich immer noch das Windhoeker Wetter. Ich beömmelte mich vor Lachen.

»Du bist echt blöd, Matze Klein!«

Immer noch giggelnd, steckte ich das Handy in die Hosentasche. Eine adrette schwarze Bedienung mit vorlauter Frisur dackelte herbei, und wir bestellten zwei große Milchkaffees. Neugierig blickte ich zu unserem Guide Bahee, neben dem inzwischen ein muskulöser Weißer in einem blauen Poloshirt stand. Auf dem rasierten Schädel klemmte eine riesige Sonnenbrille, die ihn wie einen italienischen Profikicker wirken ließ.

»Gehört der schon zu uns?«, fragte ich fast ein wenig ängstlich.

»Ich hätte nichts dagegen«, schmunzelte Sina.

»War ja klar!«

Fast im Sekundentakt spuckte die Schiebetür nun neue Wanderfreunde ins Land, und so war es nur eine Frage der Zeit, bis auch unsere Reisegefährten auftauchen würden. Ich wurde ein wenig nervös. Die meisten Leute, die durch die Tür stolperten, erinnerten mich an das Personal von Senioren-Kaffeefahrten in der Eifel: dickbäuchige Männer mit dürren Stachelbeerbeinen und energische Frauen mit bunten Westen und komischen Hüten. Ich schickte Stoßgebete zum Himmel, auf dass der liebe Gott diese unförmigen Subjekte weiterlaufen ließ. Gerne konnte er sie auch in eine tiefe Schlucht schubsen, sollte er Gefallen an so etwas finden.

Ich kann dem lieben Gott keinen Vorwurf machen, denn er ließ ziemlich viele Kaffeefahrt-Senioren an Bahee vorbeilaufen. Und doch wusste ich ja, dass wohl oder übel irgendwann sieben Touristen an ihm klebenbleiben würden, mit denen wir dann die nächsten zwei Wochen verbringen würden.

Ein kompakter, wirklich sehr alter Rentner mit rot-weißem Wanderhemd und Videokamera vor dem Auge schnaufte durch die Tür wie eine Dampflok. Ungebremst krachte er in das nur hüfthohe Geländer, verlor das Gleichgewicht und klatschte mit einem lauten »Naaaaaaa!« auf den Steinboden der anderen Seite, wo er regungslos verharrte wie ein Marienkäfer nach einem Stromschlag. Wir hielten die Luft an vor Schreck und beobachteten, wie Bahee und der Typ mit dem blauen Polo dem alten Mann aufhalfen, woraufhin sich dieser schüttelte wie ein Hund nach einem Wannenbad und den Zustand seiner Kamera kontrollierte.

»Mein Gott, was wollte der denn filmen?«, fragte Sina entsetzt.

»Seinen Tod, nehme ich mal an.«

»Wir werden auch mal alt!«

»Nein, Sina, sooo alt werden wir nicht!«

Dass dem alten Mann nichts passiert war, freute uns freilich. Dass er seinen Rucksack bei Bahee ablegte, weniger.

»Och nee …«, stöhnte ich, »das gibt’s doch nicht! Warum geht der nicht weiter?«

»Bleiben ja noch fünf«, tröstete mich Sina, aber allzu begeistert wirkte sie auch nicht.

Der Milchkaffee kam, mit ihm keimte stille Hoffnung auf.

»Da!«, rief ich und deutete auf Bahee. Ein überaus sympathisches Pärchen in unserem Alter stand nun bei unseren Rucksäcken, sie scherzten mit Bahee und umarmten sich sogar kurz.

»Da siehste mal!«, lächelte Sina.

Als das Pärchen nach kurzem Plausch zum Schalter einer Autovermietung weiterzog, schmolz unser Lächeln dahin.

»Schade«, seufzte ich, »die sahen echt nett aus.«

Dafür taumelte nun eine füllige Endvierzigerin mit riesigem Rucksack auf Bahee zu. Ihr Gesicht war so unfassbar weiß, als habe sie es eben auf dem Klo noch schnell aus frischem Quark geformt. Es kam umso mehr zur Geltung, als darüber eine erdbeerblonde Igelfrisur abstand.

»Meine Güte«, stöhnte ich, »die sieht aus wie Beaker aus der Muppet Show!«

»Welcher Beaker?«

»Mimimimi!«

»Ach der! Unsinn!«

Die offenbar elastische Wanderhose fast bis zu den Brüsten gezogen, trug der Erdbeerigel ebenfalls ein Pappschild mit der Aufschrift Zwischen Sand und Seidenkissen, über das Bahee sich halb totlachte. Ich lachte nicht. Stattdessen fragte ich Sina, was sie so grundsätzlich von Mallorca hielt. »Zwei Tage Palma, den Rest Finca, bisschen lesen am Pool, abends Tapas und Rioja …«

»Jetzt lass uns doch erst mal auf die anderen vier warten!«, erwiderte sie ein klein wenig genervt.

»Auf die anderen ZWEI!«, krächzte eine Männerstimme am Tisch direkt hinter uns. Blitzartig drehte ich mich um und sah, dass die Stimme zu einem schmierigen Kerl in einem La-Martina-Düsseldorf-Polohemd gehörte. Außerdem trug er eine enge Jeans mit kupferner Gürtelschnalle und schwarze Westernstiefel. Der Mann war eine grandiose Mischung aus verzweifeltem Trucker und alterndem Schlagersänger, ich schätzte ihn auf Mitte 50. Neben ihm stand seine herausgeputzte brünette Trulla in schwarzer Lederhose und grinste wie ein Floh auf Speed.

»Wir haben am Gepäckband gesehen, dass ihr die gleichen Aufkleber habt wie wir. ›Zwischen Sand und Seidenkissen‹, stimmt’s?«, schnatterte sie aufgeregt, und von einer Sekunde auf die andere wusste ich auch, woher ich sie kannte. Klar! Das da vor mir war ganz eindeutig Brenda Schiller, die mit Abstand nervigste Wetterfrau bei N 24! Wie ein aufgescheuchtes Huhn flatterte sie Morgen für Morgen an Wolken- und Sonnensymbolen vorbei und bewarf unschuldige Zuschauer in viel zu guter Laune mit Sätzen wie ›Aus fetten Regenwolken quetscht sich am Abend eine Menge nasses Wasser!‹.

Jetzt sagte sie noch was viel Schlimmeres, nämlich: »Kommt doch zu uns!«

Ich schüttelte mich und schloss die Augen, doch Brenda Schiller blieb.

»Gerne!«, sagte Sina, und dann nahmen wir unseren Milchkaffee und schlichen zum Tisch der beiden, wo wir uns mit gefrästem Lächeln brav die Hände reichten.

»Matze.«

»Sina!«

»Max Breitling, aber für euch bin ich der Max«, hustete der Angeber mit der gegelten Grauhaarfrisur und drückte seine Zigarette aus. »Vorschlag: Wir lassen die Scheiße mit dem ›Sie‹ gleich.«

»Klar«, sagte ich und versuchte so zu klingen, als ob ich es ansatzweise meinte.

»Gläschen Schampus vielleicht, die beiden Mitreisenden?«

»Warum nicht!«, antwortete Sina und kommentierte meinen vorwurfsvollen Blick mit einem homöopathischen Schulterzucken. Innerhalb kürzester Zeit hatten wir zwei Gläser Champagner in der Hand, Breitling setzte gönnerhaft zu einem Toast an.

»So, ich würde mal sagen: Hoch die Tassen auf unsere Luxusreise durch Deutsch-Südwest und auf unsere attraktive Begleitung natürlich!«

Reihum klangen die Gläser, wobei Breitling alle Namen wiederholte: »Sina! Matze! Maus!« Und noch während ich rätselte, ob Deutsch-Südwest tatsächlich noch die korrekte Bezeichnung für Namibia war, bekam ich schon eine Marlboro-Schachtel unter die Nase gehalten.

»So. Und jetzt rauchen wir erst mal eine!«

Ich hob abwehrend die Hand.

»Vielen Dank, aber ich rauch nich.«

»Komm. Is Urlaub!«

Ich antwortete, dass ich auch im Urlaub nicht rauchte.

»Und deine Maus?«

»Raucht auch nicht«, sagte Sina. Kopfschüttelnd reichte Breitling eine Zigarette an seine eigene Maus, nahm sich selbst auch eine und steckte beide an.

»Hab auch mal ein Jahr nicht geraucht«, schnarrte er und zog so heftig an der Zigarette, dass ich fürchtete, sie würde gleich komplett in Flammen aufgehen, »das war vielleicht ne Scheiße!«

Na dann. Breitling nahm einen weiteren, tiefen Zug, dann verteilte er den restlichen Champagner aus der Flasche auf unsere Gläser.

»Wisst ihr was? Meine Maus und ich, wir hatten eben noch ein bisschen Angst, dass hier nur Bekloppte mitfahren, aber ihr seid echt okay! Prostata!«

Und wieder mussten wir die Gläser heben.

»Auf unseren Urlaub!«, lachte Brenda, und wie beim Wetterbericht auch lachte sie an völlig unpassenden Stellen. Ratlos drehte ich mich zu Sina, die mich ebenso anblickte. ›Auf unseren Urlaub!‹, hatte der Wetterfloh gesagt. Unseren! Sina und ich, wir machten Urlaub mit einem Düsseldorfer Schampusschnösel und der dümmsten Wetterfrau Deutschlands! Davon stand nichts im Prospekt, zumindest nicht auf Seite 1. Ich ließ meine Augen zur Tafel mit den Abflugzeiten flüchten. Um genau 20 Uhr am gleichen Abend würde die nächste Maschine zurück nach Frankfurt gehen.

»Schaut mal, der Schwatte winkt uns!«, unterbrach Breitling meine kleine Phantasie.

Oha. »Du meinst unseren schwarzen Guide Bahee?«, fragte ich ein wenig verschnupft und hatte sogleich Breitlings nach Rauch riechende Hand auf meiner Schulter.

»Warst du schon mal in Afrika?«, fragte er grinsend.

»Nee. Wieso?«, fragte ich eingeschüchtert zurück.

»Dann kennst du auch nicht den Unterschied zwischen einem Touristen und einem Rassisten, oder?«

»Nein. Kenn ich nicht. Was ist der Unterschied?«

»Zwei Wochen!«, prustete Breitling, und Brenda riss ihren riesigen Mund auf, als hätte ihr jemand eine Lammschulter in den Nacken geknallt.

»Max!«

»Ach, scheiß drauf! War nur Spaß!«

Ein weiteres Mal erhob Breitling die Gläser, doch ich schaute ihm nicht in die Augen beim Zuprosten dieses Mal, ich linste zu Bahee, zu dem sich, neben dem Erdbeerquarkigel und dem Video-Greis, noch eine ältere Frau mit grauen kurzen Haaren und ein Rentner mit braunem Lederhut gesellt hatten.

»Ich glaube …«, begann Sina, und ich wusste: Wir mussten da jetzt hin.

Breitling zahlte großzügig den Champagner, und gemeinsam brachen wir auf, unsere Mitreisenden kennenzulernen. Je näher wir kamen, desto langsamer wurde ich, jedenfalls spürte ich irgendwann, dass Sina mich nach vorne zog. Ich hatte gerade brav die klammen Hände des Quarkigels geschüttelt und erfahren, dass sie in Zürich wohnt, aber eigentlich aus Hannover kommt, da ereilten mich zwei weitere Schicksalsschläge. Erstens: die Grubers aus Wien. Er: mindestens 60 mit grauem Vollbart, dicker Brille und speckigem Lederwanderhut. Sie: ein bisschen jünger, kurze graue Haare und mit einem winzigen, rosinenhaften Gesicht, in dessen Falten ein mäßig talentierter Bildhauer die schlechte Laune von mindestens fünf Jahrzehnten gekloppt hatte. Zweitens: der durchtrainierte Profikicker mit der Sonnenbrille hieß Kevin Schnabel und war somit tatsächlich Teil unserer Gruppe. Er zerdrückte fast meine Hand.

»Kevin aus Weimar!«

»Matze aus Köln.«

»Pepi Gruber, aus Wien!«, sagte der Mann mit dem Speckhut, und »Sei Frau!«, sagte das Rosinengesicht. Erst jetzt gab sich auch unser neuer Freund Breitling dem Tourguide als Mitreisender zu erkennen.

»Chef? Breitling und Schiller, ganz oben auf der Liste!«, und der steinalte Kamerarentner grunzte ein offenbar fränkisches »Aus’m Fernsehn, odder?«.

»Ja, genau!«, lächelte Brenda, die sich zu freuen schien, dass man sie erkannte.

»Sauber!«

Erleichtert strich Bahee die Namen Schiller und Breitling auf seiner Liste durch. »Ahh … und ich hab schon gedacht, wo seid ihr denn mal, ne!«

»Und wer sind Sie?«, hakte Brenda nach.

»Na, der junge Sebbelbeter aus Bamberch!«, knarzte der Rentner, als würde man Robbie Williams fragen, was er beruflich so macht.

»Entschuldigung, aber warum der junge …?«, fragte Brenda verwundert.

»Na, vom alden Sebbelbeder der Sohn hald!«, knirschte er unwillig.

»Verstehe!« Brenda nickte und verstand doch gar nichts.

»Und du bist der Fahrer?«, fragte Breitling Bahee.

»Ich bin Fahrer und Guide, ne.«

»Fahrer UND Guide?«

Bahee blickte irritiert von seiner Liste auf. »Ja klar, ne!«

»Und Reifen auch?«, lachte Breitling, und nur der Mann mit dem speckigen Hut lachte mit.

»Ganz schön frech, der Herr da, ne«, schmunzelte Bahee und klopfte Breitling freundschaftlich auf die Schulter, während der Quarkigel mir ein weiteres Mal seine klamme Hand reichte.

»Entschuldigung, ich bin die Trixi aus Zürich, Trixi Sipp, also eigentlich aus Hannover!«

»Matze Klein. Aber ich glaube, wir haben uns gerade schon vorgestellt.«

»Echt? Ach … das ist wieder typisch von mir, Entschuldigung!«

»Nicht schlimm!«

Guide Bahee klatschte laut in die Hände.

»So, Leude, jetzt wollen wir mal schnell zu unsere Bus da ruber, die ganze Zeug hier mal verladen und unsere schöne Reise hier mal starten, ne!«

Nervös hüpfte der Wetterfloh zu Bahee. »Du … wie ist das denn vom Programm her, fahren wir erst ins Hotel oder machen wir gleich die Tour durch das Schwarzen-Ghetto?«

Ich war nicht der Einzige, der verschämt zu Boden blickte. Mit der Erfahrung von inzwischen über eintausend missglückten Wettermoderationen ahnte ich bereits, zu was der quirlige Lederhosenfloh noch alles imstande war. Bahee ahnte natürlich nichts, auch er war noch auf Seite 1 des Reiseprospekts.

»Also wir machen kleine Stadtrundfahrt, dann auch Katatura, was du wahrscheinlich meinst mit Ghetto, und danach erst Lodge. Wieso?«

»Weil … dann zieh ich mir schnell noch was Ärmeres an.«

Sprach’s und verschwand mit ihrem Louis-Vuitton-Täschchen Richtung Toiletten.

»Sina?«, flüsterte ich, doch statt zu reagieren, schulterte sie ihren Rucksack. »Siiiiinnnna!«, wiederholte ich, wieder erfolglos. Also ging ich zu ihr und zog sie von der Gruppe weg.

»Du, das ist nicht dein Ernst hier, oder?«

»Was?«

»Na, dass wir unseren Jahresurlaub mit diesen Leuten verbringen!«

»Warum denn nicht?«

»Sina, bitte! Schau dich doch mal um! Mit solchen Leuten fährt man nicht durch Afrika. Mit so einer Truppe dreht man ne Dokusoap für RTL2!«

Sinas Gesichtsausdruck verhärtete sich, ihre Stimme klang gestresst. Sicherheitshalber gingen wir noch ein paar Schritte von den anderen weg.

»Ich hab mir die Leute nicht ausgesucht, Matze«, zischte sie.

»Das kann ja sein, aber wenn ich so ne Reise buche, dann frag ich doch vorher, wer mitfährt!«

»Du hast sie aber nicht gebucht!«

»Stimmt. ICH hab unsere Wohnung klargemacht. DU hast gebucht!«

»Ja und was heißt das jetzt? Dass du alles super klargemacht hast und ich nicht?«

»Nein, Sina, bitte! Es heißt einfach nur: Lass uns hierbleiben!«

»Und dann? Was machen wir dann?«

»Nehmen wir ein Hotel in Windhoek, und in zwei Wochen treffen wir uns wieder am Flughafen, fragen, wie’s war, und fliegen nach Hause.«

»Also jetzt erzählst du wirklich Unsinn.«

»Du hast recht. Wir bleiben gar nicht erst hier. Wir fliegen sofort zurück.«

Sina atmete tief durch. Dann knipste sie ihr bestes Lächeln an, und als hätte es unseren kleinen Disput gar nicht gegeben, wandte sie sich lächelnd der Gruppe zu.

»Alles klar, wir können!«

Ich fühlte mich wie ein Politiker nach einer verlorenen Wahl: Irgendwie schien es mir nicht gelungen zu sein, meinen Standpunkt deutlich zu machen. Gleich morgen würden wir uns intern zusammensetzen und das Ergebnis in Ruhe analysieren.

3

Bei einer Tour quer durch Namibia hatte ich uns eigentlich in einem dickbereiften Geländefahrzeug mit ordentlich Kawumm unter der Haube sitzen sehen. Was nun vor uns auf dem Flughafenparkplatz stand, war hingegen ein reichlich abgerockter, weißer Toyota Minibus mit Reifen so dünn wie die Arme eines Magermodels.

Unter den skeptischen Augen der frisch formierten Reisetruppe stapelte Bahee Taschen und Rucksäcke in den Kofferraum. Teilzeitrassist Max Breitling stand mit qualmender Kippe direkt daneben und beaufsichtigte das Ganze. »Sag mal, Chef, wie soll ich denn die Löwen sehen, wenn du die komplette Rückscheibe zustapelst!«

»Wenn da hinten ein Tier rumhupft, dann habt ihr doch vorne schon gesehen!« Augenzwinkernd packte Bahee meinen rosa Rucksack ganz obenauf.

»Ich mach den mal an die Scheibe, ne, dann werde wir besser gesehen!«, grinste er.

»Danke, sehr nett.«

Die rosinengesichtige Gruberin drängte sich zum Gepäck und zog vor den Augen Bahees ihre Reisetasche von ganz unten heraus wie die Dose einer Supermarktpyramide. »Des druckt ma doch ois zamm, wenn mei Tascherl da unten steht!«

Ja, dachte ich mir, so wie dir deine Laune im Gesicht ois zammdruckt hat.

Ohne Murren verstaute Bahee das Gepäck einfach ein zweites Mal, und dieses Mal stellte er die Taschen und Rucksäcke einfach kopfüber.

»So gibt nur eine Schicht und keine Tasche druckt!«, schmunzelte er, doch nun knautschte es im Gesicht vom Wetterfloh. »Ich weiß nich, ob das gut ist, wenn das so schräg steht. Was ist, wenn da was ausläuft?«

Entschlossen ließ Bahee die Kofferraumtür ins Schloss fallen. »Da lauft nichts aus, die Tur is dicht!«

»Die Schiraffe noch!«, quäkte die Gruberin und reichte Bahee ein in Folie gewickeltes Holztier von Form und Größe eines Herrenskis. Zögerlich nahm Bahee die Giraffe entgegen und betrachtete ein wenig ratlos den randvollen Kofferraum. »Na ja … kann man schon kaufen an Flughafen, aber eigentlich besser an Ruckflugtag, ne.«

»Was i hab, des hab i!«, rechtfertigte sich die Wienerin, und Bahee musste aufs Dach krabbeln, wo er die Giraffe auf dem Gepäckträger verschnürte.

›Bing!‹ machte die Videokamera unseres Gruppenältesten: Seppelpeter filmte allen Ernstes das Festzurren der Holzgiraffe. »Winkama!«, rief er Bahee im besten Lothar-Matthäus-Fränkisch zu, und Bahee winkte.

›Bing‹.

Ich schloss meine Augen. Dann stellte ich mir vor, ich stünde irgendwo in Köln ganz alleine auf dem Parkplatz eines Baumarktes. Ein herrlicher Gedanke …

 

Über die Sitzordnung im Bus begann ich dummerweise erst nachzudenken, als alle schon saßen, nur meine Freundin und ich nicht. Jedenfalls beanspruchte das Wiener Rosinengesicht den Fahrersitz für sich mit der Begründung, dass ihr auf jedem anderen Platz sofort schlecht würde. Das Lenkrad, das sich wegen des Linksverkehrs in Namibia direkt vor ihrer Nase befand, hatte sie in der Aufregung wohl übersehen. Doch selbst das konnte Bahee nicht aus der Ruhe bringen, und so drückte er ihr einfach die Autoschlüssel in die Hand, um sich dann seelenruhig auf den Beifahrersitz zu räkeln. »So, Frau Gruber, dann fahr’n wir mal nach Windhoek rein, ne!«

Die Gruberin starrte Bahee an, als habe sie noch nie in ihrem Leben einen Schwarzen gesehen, dann entfuhr ihr ein geradezu hysterisches Lachen. »Ach Gott, i hob gonz vergessen: Ihr fahrt’s ja auf der folschen Seiten!«

»So vü Geisterfahrer!«, scherzte ihr Mann, und unter lautem Gelächter tauschten Bahee und die Gruberin die Plätze.

Hilflos drehte ich mich zu Sina, doch die hatte sich inzwischen hinter einer großen Namibiakarte verschanzt. Und wieder knabberte der Zweifel an mir. Warum ließ ich das hier alles einfach so über mich ergehen? Ich hatte doch nichts verbrochen, ich war doch nicht verhaftet worden! Dies war doch eine Gruppenreise und kein Gefangenentransport! Warum stieg ich nicht aus? Noch hatten wir die Gelegenheit! Noch waren wir am Flughafen und warteten auf Trixi aus Zürich bzw. Hannover. In ihrer Aufregung hatte sie vergessen, Geld zu wechseln.

»A Schweizerin, die vergisst, Göld zu wechseln, des glab i neeed!«, war nun schon der zweite lustige Kommentar von Pepi Gruber, und natürlich lachte er selbst am lautesten über sein fades Witzchen. Er wirkte wie seine eigene Karikatur beim Lachen mit seinem bebenden Lederhut, der glänzte wie frisch aus der Fritteuse gezogen.

Ganz von alleine formten meine Lippen ein stummes ›Schrecklich!‹ Erst jetzt bemerkte ich, dass Brenda sich tatsächlich etwas ›Ärmeres‹ angezogen hatte: Statt ihrer teuren Karo-Bluse trug sie nun ein beiges, markenloses Shirt, die Ohrringe hatte sie abgelegt. Wie sie so dasaß und einfach mal nichts sagte, sah sie fast gut aus, und ich fragte mich, wie der nikotingesichtige Schmier-Düsseldorfer an eine so junge Frau kam.

»Chef?«, schnaubte er aus seinem Sitz heraus, »wie sieht’s denn aus mit Rauchen im Bus? Ist kein Problem, oder?«

»Also im Bus, da haben wir Rauchverbot, ne.«

»Is nicht wahr, oder?«

»Doch. Das muss ich schon mal von die Tour Operator her mal achten, ne.«

Breitling sank in seinem Sitz zusammen, als hätte jemand die Luft aus ihm rausgelassen. Dann wandte er sich ausgerechnet an mich.

»Schöne Scheiße, oder?«

»Ich rauch ja nicht.«

›Bing‹! Vorsichtig schielte ich auf meinen steinalten Sitznachbarn, der gerade damit begonnen hatte, den Flughafenparkplatz mit all seinen prachtvollen Betonflächen und den exotischen Autos und Bussen zu filmen. Sein Gesicht erinnerte mich an das einer beleidigten Schildkröte. ›Bing‹! Ungläubig starrte ich auf die hochmoderne Kamera.

»Gschenk vom Kollechen Greulich«, erklärte die fränkische Schildkröte.

Ich nickte freundlich und drehte mich zu Sina, die noch immer ihre Landkarte studierte. Vorsichtig tippte ich dagegen, woraufhin sich zunächst ihre schwarzen Haare und dann ein gefährlich blitzendes Paar brauner Augen über die namibisch-angolanische Grenze schoben.

»Ja, bitte?«

»Ich würde jetzt gerne aussteigen«, flüsterte ich.

Die Karte ging wieder nach oben, und statt auf Sinas hübsches Gesicht blickte ich nun auf den Etosha Nationalpark im Norden Namibias. Dann durchbrach Bord-Clown Pepi das Schweigen.

»Was haltet’s ihr davon, wenn wir uns a bisserl weniger förmlich ansprechen? Also i bin der Herr Professor Gruber – aber das Gruber könnts ihr weglassen, ha, ha!«

Während seine Frau ihre Augen genervt über die Busdecke rollen ließ, schaute sich der Rest des Busses verwirrt an.

»Wor a Spaß. I bin der Pepi!«

Ach so. Direkt vor mir hörte ich Brenda Schiller ihren Düsseldorfer Begleiter fragen, ob der alte Mann da vorne jetzt die ganzen zwei Wochen so komisch sprechen würde. Breitling erklärte ihr, dass sie da mal von ausgehen solle.

»Das ist ein guter Idee von die Pepi mit die Vornamen, ne«, quäkte Bahee in sein Headset. »Also ich bin die Bahee! Bahee Mutima, aber die Mutima könnt ihr gleich mal wieder vergessen, ne.«

»Hat der eine Bedeutung, der Name?«, wollte Sina wissen.

»Ja, … also Mutima, das heißt ›Herz‹, ne, und Bahee ›Giraffe‹. Also heiß ich hier mal so was wie ›Herz von Giraffe‹, und das heißt, dass ich bin eine geduldige Kerl, ne.«

»Also in Österreich bedeutet Bahö ›Durcheinander‹. Des is a ganz altes Wort!«, ergänzte Speckhut naseweis grinsend.

»Echt? Na ja … das könnte passen, weil manchmal mein Herz ist auch a bikkie durcheinander, ne … hehe. Und sagt ihr noch mal eure Vorname alle bitte, ich hab Hirn wie Moskitonetz.«

Also wiederholten wir alle unsere Vornamen, und ich wollte sie mir gar nicht merken, doch einige blieben einfach so kleben in meinem Hirn, da krabbelte die Quarkschweizerin mit furchtbar schlechtem Gewissen in den Bus.

»Also das tut mir so leid, dass ihr wegen mir warten müsst. Lasst ihr mich überhaupt noch mitfahren?«

»Nur wenn du uns deinen Vornamen sagst, ne.« Lachend startete Bahee den Motor.

»Trixi! Ich bin die Trixi aus Zürich, also eigentlich Hannover. Hallo!«

Ich freute mich, dass ich das nun auch mal endlich erfuhr.

»Und ich bin der Bahee aus Otjosongombe, ne! So. Jetzt haben wir alle auch mal einheimische Geld hier, dann kann’s mal losgehen mit die Komfort-Reise, ne. Sind denn sonst auch alle da?«

»Ja!«, riefen alle, und ich ergänzte still und nur für mich »Kasper!«.

Wir rollten vom Parkplatz, und nach gut zwanzig Metern zupfte ich vorsichtig an Sinas Hose.

»Matze, was ist denn jetzt wieder?«

»Ich halte das nicht mehr aus!«

4

Unser Bus verließ das Flughafengelände, und wir erreichten eine Art Autobahn. Es fühlte sich seltsam an, dass wir uns Meter für Meter vom Flughafen entfernten und somit von Flug SW285, der Sina und mich noch am selben Abend aus dem Verderben hätte katapultieren können.

Mit flauem Magen blickte ich schräg an ihr vorbei durch das Fenster. Die Gegend zwischen Flughafen und Stadt wirkte leer und karg, mit ein paar verlorenen Grasbüscheln dazwischen, die »verdörrter Sauergras« waren, wie Bahee uns über Lautsprecher mitteilte. Mit seiner Sonnenbrille, dem schwarzen Headset und dem sattgrünen Hemd wirkte er wie eine Mischung aus Diktator und Förster. Der Sauergras flog an mir vorbei, und ich schaute stumpf nach draußen. Vorsichtig nahm Sina meine Hand. In sieben langen Jahren hatte sie meine Gesichtsausdrücke und die dazu passenden Stimmungen kennengelernt.

»Kriegen wir schon, Matze!«

Ich nickte stumm und zog den Reiseprospekt aus meinem Tagesrucksack. Vielleicht stand ja auf der zweiten Seite irgendetwas, das mich aufheitern konnte.

›Tag 1: Windhoek, Kalahari Anib Lodge. Gehzeit: 1½ Stunden, Fahrzeit: 4 Stunden. Von Windhoek aus fahren wir nach einer kleinen Stadtrundfahrt an den Rand der Kalahari, wo wir bei einer kurzen Wanderung erste Eindrücke dieser wunderbaren Landschaft sammeln. Mit einem Glas Rotwein genießen wir dann den afrikanischen Sonnenuntergang und lauschen den Stimmen der Nacht.‹

»Ja, verregg!«

Noch mussten wir allerdings den Stimmen des Tages lauschen, wie der fränkischen Schildkröte, die das Batteriefach ihrer Kamera nicht aufkriegte.

Ich las weiter.

›Tag 2: Kalahari – Köcherbaumwald. Gehzeit: 2 Stunden, Fahrzeit: 4½ Stunden.‹

»Drecksding, lumbiches. Sagramend!«

›Tag 3: Gehzeit: 4 Stunden. Fahrzeit: 6 Stunden.‹

Sechs Stunden? Hektisch blätterte ich weiter und schaute mir die anderen Tage an. Dort wurde es nicht besser. Ich atmete ein, und ich atmete aus, und dennoch – als ich die Fahrzeit für den gesamten Urlaub ausgerechnet hatte, klatschte ein warmer roter Tropfen Blut auf das Foto eines Kameldornbaums. Hektisch drückte ich meinen Zeigefinger an den rechten Nasenflügel.

»Warte!«, sagte Sina und reichte mir ein Taschentuch. Während ich es an meine Nase presste, drangen neue Infos aus den Lautsprechern.

»Also der Professor Pepi hat mir gerade nach unsere Flagge gefragt von Namibia, was der Farben bedeuten und so, ne. Also … auf die Flagge vorne drauf ist die Sonne, die gibt jeden Tag bei uns, die Blau steht für den Meer mit seine ganze Fisch und Krebs und so, grün ist die Landschaft, wo wir auch profitieren mit die Beef-Konzern und die Tourismus, und Rot ist das Blut, was hier gefließen ist, um unser Land endlich mal unabhängig zu kriegen. Der letzte Farbe is Weiß, und der steht für Friede. Das ist die funf Farbe von unser Flagge.«

»Interessant!«, nickte die Hannoveraner Schweizerin und machte sich eine Notiz in einem getigerten Block. Pepi beugte sich nach vorne und sprach in Bahees Headset, so dass alle ihn hören konnten.

»Vier Farben, Bahee! Eure Flagge hat vier Farben, net fünf!«

»Die hat funf, Pepi, ich weiß das, weil ich bin ja Namibier.«

»Ja, aber Weiß is ka Farbe, ha, ha!«

»Klar ist Weiß ein Farbe«, schmunzelte Bahee. »So wie Schwarz auch. Ich weiß das, weil ich bin schwarz, ne!«

»Dann brauchst du nur an Schwarzweißfernseher und siehst trotzdem an Farbfilm, oder!« Speckhut feixte beifallheischend in die Runde, doch wie durch ein Wunder verwandelte sich unser Toyota Quantum nicht in einen Hexenkessel.

»Für was bist du denn mal Professor?«, fragte Bahee.

»I wor Lehrer für Latein und Geschichte. Aber jetzt bin i pensioniert.«

»Ach ja …«, stöhnte die Rosinenhexe leidend, und wir näherten uns dem Stadtzentrum. Sina tat so, als ob sie eingenickt wäre, aber das sollte ihr nicht helfen, denn Bahees Flaggen-Exkurs hatte mich die Gesamtfahrzeit unserer Reise nicht vergessen lassen.

»Sina?«

Meine Freundin öffnete nur ein Auge. Aber das reichte mir.

»Schatz?«

»Ja?«

»Hast du eigentlich mal überlegt, was mich am meisten daran nerven könnte, dass ich in Frankfurt arbeite und in Köln wohne?« Mit halbherzig geheuchelter Unschuld schüttelte sie den Kopf. »Überleg einfach mal: Ist es a) mein Chef, b) das Wetter, oder sind es c) die drei Stunden, die ich jeden Tag in verspäteten und überfüllten Zügen sitze?«

Ich war lauter geworden bei c), und mit einem Mal war Sina wach und ihr Blick scharf. »Du gibst mir jetzt nicht wirklich die Schuld dafür, dass Namibia so groß ist, oder?«

»Nein, Schatz. Wofür ich dir die Schuld gebe, ist, dass ich insgesamt vierundachtzig Stunden in einem japanischen Minibus sitze. Im Urlaub!«

»Sag nicht ›Schatz‹, wenn du sauer bist!«

Statt Sauergras und Sand sahen wir nun die ersten Wohnhäuser Windhoeks. Die meisten waren aus buntem Holz und mit Mauern sowie Elektrozäunen gesichert. An einigen klebten Verkaufsschilder von Maklern und erinnerten uns daran, dass wir ja selbst bald umziehen wollten. Drei Tage nach unserem Urlaub würden wir den Kaufvertrag unterzeichnen – natürlich nur, falls wir das hier überlebten.

Sina hatte mir in der Zwischenzeit die Broschüre abgenommen und rechnete mit gestresster Miene die Fahrzeit nach. »Zweiundachtzig Stunden, nicht vierundachtzig!«, zischte sie und gab mir den Prospekt zurück, »und die Broschüre hättest du ruhig vorher mal lesen können, statt mich jetzt im Bus anzupampen!«

»Stimmt. Ich hätte wirklich die Broschüre lesen sollen, statt unsere Wohnung klarzumachen in letzter Minute, und das neben meinem Projekt.«

»Du bist echt so blöd manchmal!«

Sina kochte vor Wut, also ließ ich sie vorerst in Frieden. Mit gemächlicher Geschwindigkeit erreichten wir das Stadtzentrum von Windhoek und passierten einen großen, relativ unspektakulären Platz. Der Lautsprecher klickte. »So, ich werde euch jetzt mal an die ein oder andere Sight von Windhoek mal vorbeifahren, ne. Also … Windhoek, der ist unsere Hauptstadt, ne, und der liegt fast 1700 Meter hoch zwischen die Eros und die Auasberge. Die Platz hier rechts zum Beispiel, das ist die berühmte ›Ausspannplatz‹, und die heißt so wegen die deutsche Soldaten damals.« Wetterfloh Brenda zog die Stirn kraus: »Echt? Auf dem Platz haben die Soldaten gechillt?«

Es war plötzlich recht still im Bus, und auch Brendas grauhaariger Begleiter zog es vor, stumm durchs Fenster zu schauen. Bahee tat so, als hätte er die Frage gar nicht gehört, was mit Sicherheit das Beste war, was er tun konnte.

»Ja, und hier sind wir jetzt schon in die Independence Avenue, die hieß auch mal Kaiserstraße, aber nach der Unabhangigkeit so eine Name war naturlich ein bikkie unglucklich, ne.«

»Kann man hier denn gut shoppen?«, wollte Brenda wissen.

»Du hast doch alles!«, hustete Breitling recht uncharmant.

»Ich frag ja nur!«, zickte Brenda zurück.

»Also, hier in Windhoek kriegst du so gut wie alles, ne. Klamotten, Computer und auch so was wie Bratwurste und Leberkäse, das haben wir noch aus die deutsche Zeit mal ubernommen, ne, das ist jetzt auch Teil von unsere Kultur!«

»An Leberkäs? Sauber!«, knarzte die fränkische Schildkröte neben mir.

»Wann war denn die deutsche Zeit?«, fragte der Schweizer Erdbeerigel.

»Vierundachtzig bis funfzehn!«, antwortete Bahee knapp und bremste den Bus, um ein paar weiße Touristen über die Straße zu lassen.

Aufgeregt schaute Brenda durchs Fenster. »Ach, dann sind wir noch mittendrin?«

Die gesamte zweite Sitzreihe drehte sich wie in Zeitlupe nach hinten um. Breitlings Kopf klackte an das Seitenfenster. Brenda merkte, dass man sich über sie lustig machte, und mit dem gleichen Mut, mit dem sie sich jeden Tag öffentlich durch den Wetterbericht schnatterte, fragte sie weiter: »Okay … schon kapiert. Bis 1915. Aber … warum haben wir das Land denn wieder aufgegeben? Ich meine … ist doch schön hier.«

»Maus, bitte!«, schnaubte Breitling und bekam einen roten Schamfleck auf der Wange.

»Na ja, die Deutsche damals, die haben’s ja nicht so richtig aufgegeben«, erklärte Bahee, »die haben da mal die Krieg verloren in Europa, und dann hat man hier halt mal die Gelegenheit genutzt und denen gezeigt, wo die Tür ist, ne.«

Und weiter ging die Stadtrundfahrt. Wir sahen die wirklich schöne Christuskirche, den »Tintenpalast«, wie das Parlamentsgebäude hieß, und ein Denkmal mit einem deutschen Reiter drauf. Dann verließen wir die Innenstadt, um nach Katatura zu fahren, also ins wirkliche Windhoek, wie Bahee es nannte. Ich blickte auf die Uhr. 81 Busstunden hatte ich noch abzusitzen, wenn nichts dazwischenkam.

Bald waren wir nicht mehr auf Asphalt unterwegs, sondern auf einer Staubpiste, die Häuser wurden kleiner und schließlich zu Hütten aus Wellblech, die Straßenlaternen verwandelten sich in hohe Flutlichtmasten, und als Bahee auf eine Anhöhe fuhr, sahen wir, dass der Mischmasch aus Stein, Blech und Sand sich noch kilometerweit erstreckte.

Während wir die Eindrücke auf uns wirken ließen, gab die Gruberin kopfschüttelnd an, so einen Saustall wie hier noch nie gesehen zu haben. Brenda nutzte eine kurze Unaufmerksamkeit ihres Begleiters aus und fragte, warum so viele Leute hier in Blech und Pappe wohnten, wo doch der andere Teil Windhoeks viel schöner sei mit richtigen Häusern, Pools und Shops. Bahee erklärte Brenda ruhig, dass das mit dem Wohnort ja am Ende dann auch mal eine Geldfrage sei. Ich war beeindruckt, dass sich Bahee nicht einmal von der dümmsten Frage aus der Fassung bringen ließ.

Wir rollten an einer blauen Bretterkneipe vorbei, vor der zwei Männer auf kleinen Blechstühlen saßen und ungerührt in den Bus blinzelten. Ich wusste nicht, ob ich zurückblinzeln oder wegschauen sollte. So recht wohl fühlte ich mich nicht, mit diesem Touristenbus durch anderer Leute einfaches Leben zu fahren, aber was sollten wir machen? ›Klack‹ machte der Lautsprecher und ›Bing‹ die Kamera meines Sitznachbarn.

Bahee deutete auf einen kleinen Stand mit bunter Marken-Sportswear, der ebenso auf einem Wochenmarkt in Berlin oder Köln hätte stehen können. Dahinter sortierte eine alte schwarze Frau ihre Ware. »Schaut amal, hier verkaufen sie eure alte Kleider für viel Geld, ne!«

»Das sind Fälschungen, oder?«, fragte Breitling.

»Nee, das sind eure Klamotte aus Europa«, antwortete Bahee. »Also am besten is ihr schmeißt eure alte Klamotten gleich in die Abfall, sonst lande sie hier, und dann schaut die schwarze Schneider hier mal sparsam, wenn du an seine Shop vorbeilatscht mit eine brandneue Nike-Shirt für zwei Dollar, ne.«

»Das ist echt gut zu wissen«, schnatterte Brenda, »ich schmeiß alles weg ab jetzt.«

»Ja, Maus.«

Mir fiel auf, dass die meisten Namibier auf der Straße praktisch kaum Notiz von unserem Bus nahmen. Lediglich ein paar kleine süße Kinder winkten uns und verzückten die Gruberin so sehr, dass sie vergnügt in die Hände klatschte und ausrief: »Ge, so a süßes Negerkind mit den großen Augen, des würd i a noch mitnehmen!«

Das tat nun wirklich weh. Ich begann meine Schläfen zu massieren. Normalerweise entspannte mich das. Eigentlich hätte man die Gruberin ohne Vorwarnung aus dem Bus schmeißen müssen, aber sicher hätte keiner der Katatura-Bewohner gesagt: ›Ge, so eine alte, weiße Rentnerin mit den vielen Falten, die würden wir ja mal gerne hierbehalten.‹

So schlecht war das »Elendsviertel« im Übrigen auch gar nicht. Klar, alles war irgendwie zusammengeschustert und einfach, aber es wirkte sauber und schien zu funktionieren. Die Bewohner waren gut angezogen, es gab befestigte Straßen und, wie Bahee uns erläuterte, auch eine Kanalisation, Strom und moderne Wasserpumpen, wo die Einwohner mit einer Chipkarte Wasser in bunte Plastikkanister füllen konnten. »Wenn der Chipkarte leergepumpt ist, ne, dann musst du dann mal zur Stadtverwaltung latschen und die neu aufladen, sonst bleibt die Whirlpool trocken, ne.«

Gelächter im Bus. Und natürlich wollte es sich Witzprofessor Pepi Gruber nicht nehmen lassen, noch einen draufzusetzen. »Und wenn die Kartn leer is, können die sich dann was puumbn?«

In freudiger Erwartung auf den größten Lacher seines Lebens blickte er abermals nach hinten, und leider lächelten Teile der Gruppe, unwissend, dass sie damit nur die Laufzeit von Pepis Altherren-Spaßreaktor verlängerten.

»Nee, Pepi, pumpen kann man nur, wenn der Karte voll ist«, antwortete Bahee trocken. Nun beugte Breitling sich nach vorne.

»Chef? Frage: Von was leben die Leute denn hier?«

»Na, einige habe domestic jobs bei die Reichen in Windhoek, also so Saubermachen und Bügeln, ne, andere habe hier kleine Geschäfte, und einige lebe naturlich auch von so Leute wie dir, Max, wenn die mal aussteigt hier mit seine teure Uhr.«

Erschrocken blickte Breitling auf seine Uhr, und erst jetzt sah ich, dass er nicht nur Breitling hieß, sondern auch eine funkelnde Uhr dieser Marke trug. Bahee hielt den Bus neben einem roten Holzzaun, hinter dem es eine ganze Menge bunter Buden gab. Breitling war noch immer einigermaßen durcheinander. Der Motor verstummte, die Türen gingen auf.

»Chef?«

»Ja?«

»Wir steigen jetzt aber nicht wirklich aus in dieser Scheiße, oder?«