Hundert Tage Alkohol - Joachim Lottmann - E-Book

Hundert Tage Alkohol E-Book

Joachim Lottmann

3,8
6,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ein verkrachter Sensationsjournalist aus Berlin-Mitte wird von einer Kollegin wegen sexueller Nötigung angezeigt und verliert die Nerven. Er flieht nach Österreich, um einem Prozess zu entgehen. Während das Thema Deutschland in eine hysterische, aufgeheizte Stimmung versetzt, scheint sich in Wien niemand für seine Vorgeschichte zu interessieren. Im Gegenteil: Er erlebt einen verblüffenden sozialen Aufstieg in der Hauptstadt des ehemaligen Weltreichs, den er ausgerechnet einflussreichen Frauen verdankt, die ihn lieben, ja, einen Narren an ihm gefressen haben. Wie Georges Duroy in Guy de Maupassants Roman "Bel-Ami" von 1885 steigt der Protagonist in Joachim Lottmanns "Hundert Tage Alkohol" in der sozialen Hierarchie der in Wien noch intakten großbürgerlichen Bohème immer höher. Was in Berlin zu Anzeigen und Ächtung führte, bringt ihn in Wien erst recht voran. Die Uhren dort gehen anders. Das Nachtleben wird nicht von schlechtem Kokain, Beziehungs-unfähigkeit, neuer Armut und Bisexualität geprägt, sondern vom Alkohol.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 211

Veröffentlichungsjahr: 2012

Bewertungen
3,8 (18 Bewertungen)
6
6
3
3
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Joachim Lottmann

HUNDERT TAGE ALKOHOL

Kein Roman

Joachim Lottmann

HUNDERT TAGE ALKOHOL

Kein Roman

Czernin Verlag, Wien

Für C. Z.

Lottmann Joachim: Hundert Tage Alkohol / Joachim Lottmann Wien: Czernin Verlag 2012 ISBN: 978-3-7076-0378-1

© 2012 Czernin Verlags GmbH, Wien Umschlaggestaltung: sensomatic Umschlagfoto: Ingo Pertramer Lektorat: Eva Steffen Produktion: www.nakadake.at ISBN Epub: 978-3-7076-0378-1 ISBN PDF: 978-3-7076-0382-8 ISBN Print: 978-3-7076-0380-4

Alle Rechte vorbehalten, auch das der auszugsweisen Wiedergabe in Print- oder elektronischen Medien

D

ie Schweiz. Erst war Roman Polanski da, dann war Jörg Kachelmann da, und jetzt war ich da. Julian Assange habe ich noch vergessen. Der hätte wohl am besten hierher gepasst. So wie der fühlte ich mich inzwischen, nach der Anzeige. Eine gute Freundin hatte mich angezeigt, und das hatte mich, ehrlich gesagt, völlig aus der Bahn geworfen. Anstatt in aller Ruhe auf die falsche und doch auch harmlose Denunziation zu reagieren, anstatt lächelnd meine Angaben zu machen und alles weitere meinem bewährten Hausanwalt Dr. Mundt zu übergeben, war ich mit dem Auto nach Zürich gefahren. An der Grenze stoppten sechs Schweizer Polizisten mit Maschinenpistolen wild gestikulierend mein Fahrzeug. Ich dachte schon, dass nun alles vorbei sei, aber sie wollten nur, dass ich eine Vignette für die Benutzung der Autobahn kaufte. So fuhr ich weiter, und niemand ahnte, wer ich war.

Ich kam auf einem Bauernhof zwanzig Kilometer außerhalb Zürichs unter, einem mir bekannten Anwesen, das man in den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts vielleicht Hippie-Bauernhof genannt hätte. Natürlich gab es dort keine Hippies mehr, aber immer noch viel Unordnung, seltsamen Hanf- und Gemüseanbau, geisteskranke Bewohner, streunende Tiere und brachliegende Geräteschuppen. Menschen meines Alters wurden an die muffige DDR unmittelbar nach der Abwicklung erinnert. Mein Plan war, hier ein bisschen nachzudenken. Vor allem über diese Frau, ich will ihren Namen nicht preisgeben, ich nenne sie jetzt einfach »Groupie«. Ja, ich will den richtigen Namen nicht noch weiter in meinem Kopf zementieren. »Groupie« klingt zwar doof, funktioniert aber für mich ganz gut als Name für diese ganz spezielle Person.

Solche Groupie-Geschichten beginnen immer mit der enorm schmeichelhaften und übertriebenen Verehrung, die einem das junge Mädchen oder, in diesem Fall, die gut aussehende, in blühender Reife stehende Frau entgegenbringt. Alle Bücher werden gelesen, auch die journalistischen Arbeiten, auch die Blogs, auch die letzten kleinen »gefällt mir«-Eintragungen auf Facebook. -Nachrichten werden abgetippt und in ein Album geheftet schon das sollte einen misstrauisch machen. Dann folgen die geselligen und gesellschaftlichen Aktivitäten. Das Groupie engagiert sich, organisiert Lesungen, schaltet Freunde ein, stellt Partys auf die Beine, schreibt selbst Texte, wird Teil des eigenen Netzwerks. Das Karussell dreht sich immer schneller, ein Aufbruchsgeist erfasst alle. Jeden Abend treffen sich die Freunde, die Kulturtreibenden, die Szene, und bald schon fühlen sich die ersten Feuilletonisten oder das, was von ihnen im Internetzeitalter noch übrig ist an das Paris Sartres, das Wien Peter Altenbergs oder das Köln Martin Kippenbergers erinnert. Es gibt wieder eine Bohème! Aber wem nutzt das? Für wen oder was wird der Zirkus Nacht für Nacht aufgeführt? Wer schläft mit wem? Zunächst einmal schlafen alle mit dem Groupie, daher ja der Name. Ich selbst aber hätte dazu niemals Lust gehabt. Nicht nur, weil ich pornografischen Sex nicht verstehe. Sondern, hinzukommend, weil ich mit Groupie nicht allein sein wollte. Ich fühlte mich unbehaglich, wenn ich mit ihr allein war. Der Gesprächsstoff ging uns rasch aus, besser gesagt mir. Einmal mussten wir auf ein Taxi warten, vor der Tür, und es kam nicht. Nach zehn Minuten hielt ich es nicht mehr aus und ich ging lieber zu Fuß weiter, bloß um nicht mehr mit Groupie konversieren zu müssen. Woran es lag, wusste ich nicht. Sie hatte doch Talent zum Schreiben, wirklich, und sie las alle meine Sachen, und mit allen verstand sie sich so gut. Freilich fußte ihr Erfolg vor allem auf Sexwitzen und kleinen pornografischen Anekdoten, womit sie alle pausenlos zum Lachen brachte. Auch ich fand diesen Zug an ihr eher nett als abstoßend, selbst wenn das Ganze oft unangenehm an die Vorlage, nämlich die zehn bis 15 Jahre alte US-Fernsehserie , erinnerte.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!