Hypnose für Aufgeweckte - Heinz-Wilhelm Gößling - E-Book

Hypnose für Aufgeweckte E-Book

Heinz-Wilhelm Gößling

0,0
33,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Schlafstörungen sind heute ein so weit verbreitetes Phänomen, dass sie nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern für die Gesellschaft als Ganzes von Nachteil sind. Der Psychiater und Hypnotherapeut Heinz-Wilhelm Gößling beobachtet sie häufig als Schlüsselsymptom psychischer oder physischer Krankheit, etwa im Zuge einer Depression oder chronischer Schmerzen. Mit seinem innovativen und diagnoseübergreifenden Therapieansatz geht Gößling den möglichen Ursachen von Schlafstörungen auf den Grund und stellt anhand von Fallbeispielen aus der eigenen Praxis ein umfassendes Behandlungskonzept vor. Es reicht von einfachen Entspannungstrancen über schlafanstoßende Imaginationen bis hin zu komplexen, tiefer gehenden Trancetechniken aus der modernen Hypnotherapie. Die vollständig überarbeitete und erweiterte Neuauflage bezieht sich bereits auf das neue Klassifikationsschema ICD-11.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 352

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Heinz-Wilhelm Gößling

Hypnose fürAufgeweckte

Hypnotherapie beiSchlafstörungen

Dritte, vollständig überarbeiteteund erweiterte Auflage 2023

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:

Prof. Dr. Rolf Arnold (Kaiserslautern)

Prof. Dr. Dirk Baecker (Witten/Herdecke)

Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)

Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)

Dr. Barbara Heitger (Wien)

Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)

Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)

Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)

Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)

Dr. Roswita Königswieser (Wien)

Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)

Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)

Tom Levold (Köln)

Dr. Kurt Ludewig (Münster)

Dr. Burkhard Peter (München)

Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)

Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)

Dr. Rüdiger Retzlaff (Heidelberg)

Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)

Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)

Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)

Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)

Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)

Jakob R. Schneider (München)

Prof. Dr. Jochen Schweitzer ✝ (Heidelberg)

Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)

Dr. Therese Steiner (Embrach)

Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin ✝ (Heidelberg)

Karsten Trebesch (Berlin)

Bernhard Trenkle (Rottweil)

Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)

Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)

Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)

Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)

Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)

Prof. Dr. Jan V. Wirth (Meerbusch)

Themenreihe »Hypnose und Hypnotherapie«

hrsg. von Bernhard Trenkle

Reihengestaltung: Uwe Göbel

Umschlaggestaltung: B. Charlotte Ulrich

Umschlagfoto: © peterschreiber.media – stock.adobe.com

Redaktion: Uli Wetz

Satz: Drißner-Design u. DTP, Meßstetten

Printed in Germany

Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck

Dritte, vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage 2023

ISBN 978-3-8497-0487-2 (Printausgabe)

ISBN 978-3-8497-8429-4 (ePUB)

© 2013, 2023 Carl-Auer-Systeme Verlag

und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg

Alle Rechte vorbehalten

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Informationen zu unserem gesamten Programm, unseren Autoren und zum Verlag finden Sie unter: https://www.carl-auer.de/

Dort können Sie auch unseren Newsletter abonnieren.

Carl-Auer Verlag GmbH

Vangerowstraße 14 · 69115 Heidelberg

Tel. + 49 6221 6438 - 0 · Fax + 49 6221 6438 - 22

[email protected]

Inhalt

Geleitwort zur dritten Auflage

Vorwort zur dritten Auflage

Vorwort zur ersten Auflage

Teil I: Schlafmedizinisches Wissen für hypnotherapeutische Strategien

1Zur diagnostischen Einbettung der Schlaflosigkeit

1.1Schlafmedizinische Diagnosen im Überblick

1.1.1Merkmale der kurzzeitigen, bis zu drei Monaten bestehenden Insomnie

1.1.2Besonderheiten chronischer und langjährig bestehender Insomnien

1.1.3»Sie schlafen besser, als Sie denken!« – Fehlwahrnehmung des Schlafs

1.1.4Wirksamkeitsnachweise in der hypnotherapeutischen Behandlung von Insomnien – Stand der empirischen Wissenschaft

1.2Insomnie als Schlüsselsymptom bei Depressionen

1.2.1Tübinger Wirksamkeitsstudie 2021 zur Depressionsbehandlung – Hypnotherapie im Vergleich mit Kognitiver Verhaltenstherapie

1.3Wenn Angst mit im Bett liegt

1.4Rausch und Schlaf

1.5Schlaf in den Wechseljahren

1.6Schlafstörungen infolge psychotischer oder psychosenaher Erkrankungen

1.7Organisch bedingte Schlafstörungen

1.8Hypnotherapeutische Kompetenz- und Ressourcenanamnese bei Menschen, die unter Schlafstörungen leiden

1.9Exkurs: Was Hypnose ist und wie sie wirkt

1.9.1Milton H. Erickson, Begründer der modernen Hypnotherapie

1.9.2Suggestivwirkung einer Imagination

1.9.3Glossar hypnotherapeutischer Schlüsselbegriffe

2Chronobiologie – Im Takt sein mit der inneren Uhr

2.1Am Anfang war Licht

2.1.1Achtsam sein für das Sonnenlicht mithilfe des Entdeckergeistes

2.2Wie das zirkadiane Orchester der inneren Uhren zusammenspielt

2.3Das Eichhörnchenmodell

2.3.1Der Winterschlaf des arktischen Eichhörnchens und das abendliche Entspannungsbad

2.3.2Wie ein kneippsches Fußbad (fast) immer wirkt

2.4Der Tag-Nacht-Rhythmus des Stresshormons Kortisol

2.5Die Siesta in der biologischen Leistungskurve des Menschen

2.6Wenn das biologische Uhrwerk aus dem Takt gerät – Psychovegetative Übererregung (Hyperarousal) bei länger anhaltenden Schlafstörungen

2.7Exkurs: Schlafmedikamente mit chronobiologischem Wirkansatz

3Schlafphysiologisches Wissen – hypnotherapeutisch aufbereitet

3.1Schlafstadien und Schlafzyklen

3.2Visualisierung des Schlafprofils als therapeutisches Medium

3.3Traumhafter Schlaf – Von der Vielfal des träumerischen Erlebens

3.4Koffein, Nikotin, Alkohol, Cannabis – Wirkungen auf das Schlafprofil

3.5Wie Schlafmedikamente das natürliche Schlafmuster verändern

3.6Wie das Schlafprofil aktiv beeinflusst werden kann

3.7Exkurs: »Hypnose« und »Schlaf«

Teil II: Die fünf Säulen der schlaffreundlichen Selbstfürsorge

4Zur schlaffreundlichen Selbstfürsorge – eine Übersicht

4.1Die fünf Säulen schlaffreundlicher Selbstfürsorge im Überblick

4.2Empfehlungen genereller Art zum hypnotherapeutischen Umgang mit den fünf Säulen schlaffreundlicher Selbstfürsorge

5Basisverfahren der Selbstentspannung – individuell anpassen und chronobiologisch einsetzen

5.1Zwei Fallbeispiele: »Der ungläubige Thomas« und die »Pendlertrance«

5.2»Klassische« Methoden der Selbstentspannung, moderne Selbsthypnose und achtsamkeitsbasierte Verfahren

5.3Aufgreifen von Vorerfahrungen des Patienten

5.4Selbsthypnose zum »inneren Paradiesort« mithilfe 5-4-3-2-1-Methode – eine effektive mentale Einschlaf- und Wiedereinschlafhilfe

5.5Variationen der Selbsthypnose zum »inneren Paradiesort«

5.6Exkurs: Meditative Übungen – Achtsamkeitsbasierte Formen der Binnen- und Außenwahrnehmung

6Licht und körperliche Aktivität als elementare Zeitgeber

6.1Sonne und Bewegung

6.2Sportmedizinische Empfehlungen

6.3Fallbeispiel zur Sport- und Lichttherapie

7Umgang mit Alkohol, Nikotin und Koffein

7.1Wie Alkohol sich mit Schlaf verträgt

7.2Schlafstörungen bei Rauchern

7.3Kaffee und Tee

8Wenn Abendruhe »eingeläutet« wird

8.1Abendruhe in der Bildschirmära

8.2Die Zeit vorm Zubettgehen

8.2.1Anregungen für eine schlaffreundliche Abendgestaltung

9Wo der Schlaf sein Zuhause hat

9.1»Ordeals«

9.2Langes Wachliegen im Bett und die Alternativmaßnahmen

9.3Wenn dem Schlafzimmer ein Weckreiz innewohnt

Teil III: Unterbewusst schlummerndes Störungswissen nutzen

10Kognitives Hyperarousal – Zur »Trance«-Formation des Grübelns

10.1Die Phänomenologie des Grübelns und ihre therapeutische Nutzung

10.2Über die Lust des Gehirns, Probleme zu lösen

10.3Monothematisches Grübeln als Ausgangspunkt für eine Imagination

10.4Aufgreifen ideomotorischer Reaktionen beim aktiven Grübeln

10.5Grübelinhalte »trance«formieren durch ein wunsch- oder zielerfüllendes Zeiterleben

10.6Wiederbegegnung in der Zukunft – eine Variation der »Crystal Ball Technique«

10.7Vertiefen von Problem- und Ressourcenexploration unter Hypnose

10.8Zusammenfassung: »Trance«-Formation des Grübelns

11Emotionales Hyperarousal – Von Ängsten, Ärger und dünner Haut

11.1Wenn Selbstkonzepte ins Schwanken geraten

11.2Wie bei Dünnhäutigkeit ein dickeres Fell wachsen kann

11.2.1Fallgeschichte: Harry Potters Patronus und der berühmteste Boxer aller Zeiten

11.2.2Zum Schluss: Intensivierung des Erlebens eines positiven Tagesereignisses

11.3Alltagsärgernisse nutzen zur Induktion einer aktiven Selbstfürsorge

12Reframing und Utilisation des Wachbleibens – Wie Akzeptanz, Gelassenheit, Zuversicht und Selbstwirksamkeit gefördert werden können

12.1Die Angst vor der Störung und der Wille zum Schlaf

12.2Aufgeweckt werden für mehr Gelassenheit

12.2.1Eine Gelassenheitstrance mit Induktion über den »freundlichen Händedruck«

12.3Ballast abwerfen und Abstand gewinnen – Imagination einer Ballonfahrt

12.4Aus der Ferne das Symptom anschauen und dann in die Zukunft gehen

12.5Teilearbeit mit dem Symptom

12.5.1Zugangswege bei einer Teilearbeit

12.5.2Innere und äußere Treffpunkte für die Begegnung mit Selbstanteilen

12.6Exkurs: Hypnotherapeutischer Einstieg bei Patienten mit passiver Heilserwartung

Teil IV: Geschichten, Metaphern, Träume – Hypnoimaginative Interventionen für »Aufgeweckte«

13Hypnotherapeutische Geschichten

13.1Zur Struktur bekannter Gute-Nacht-Geschichten

13.2Therapeutische Geschichten für »Aufgeweckte«

14Metaphorische und allegorische Imaginationen

14.1Schlafspezifische Metaphern und Allegorien

14.2Übergeordnete (indirekte) Metaphern und Allegorien

15Träume

15.1Schlafwandeln und Pavor nocturnus

15.2Träume hypnotherapeutisch utilisieren

15.3Für Aufgeweckte: Einen Traum weiterträumen und dabei wieder einschlafen

15.4Hypnoimaginative Bearbeitung von Albträumen

Abbildungsverzeichnis

Verzeichnis der Übersichten

Verzeichnis der Anleitungen und Übungen

Verzeichnis der Fallbeispiele

Verzeichnis der Geschichten und Anekdoten

Literatur

Über den Autor

Geleitwort zur dritten Auflage

Schlafstörungen sind in unserer Gesellschaft weit verbreitet und ein großes gesellschaftliches Problem. Insbesondere ältere Menschen klagen häufig über einen schlechten oder weniger erholsamen Schlaf. Aber auch Erwachsene mittleren Alters sind betroffen, vor allem, wenn Arbeitsüberlastungen, Konflikte im Beruf und in der Familie, traumatische Erlebnisse oder andere Lebenskrisen hinzukommen. Doch Schlafstörungen treten selbst ohne klar identifizierbare Ursachen auf, und das in jedem Lebensalter. Schlafstörungen können dabei die Lebenszufriedenheit der Betroffenen sowie ihre tägliche Leistungs- und Belastungsfähigkeit stark beeinträchtigen. Und obwohl medikamentöse Schlafmittel kurzfristig eine gewisse Linderung bringen, ist von einer mehrwöchigen oder noch längeren Verwendung unbedingt abzuraten, denn diese Medikamente können den wirklichen Erholungswert des Schlafs meist nur wenig verbessern, haben Nebenwirkungen, verkürzen die Lebenserwartung und bergen ein hohes Risiko für eine Medikamentenabhängigkeit.

Für die häufigste Schlafstörung, die Insomnie, ist die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) die empfohlene Behandlungsmethode. Sie ist nachweislich wirksam und kann auch langfristig den Schlaf verbessern. Insbesondere die beinhaltenden Verhaltensveränderungen – wie z. B. eine angemessene Verkürzung der Bettliegezeiten, regelmäßige Bettzeiten sowie eine schlafförderliche Tagesgestaltung – sind essenzielle Komponenten zur Verbesserung des Schlafs bei Insomnie. Doch im Bereich des gedanklichen Umgangs mit den Einschlaf- und Durchschlafstörungen bietet die KVT nur sehr begrenzte Möglichkeiten. Denn was mache ich denn nun ganz konkret, wenn ich trotz aller optimierten Verhaltensweise nachts immer noch nicht einschlafen kann? Oder zu früh aufgewacht bin und wieder einschlafen möchte? Immer einfach wieder aufstehen und das Bett verlassen, wie es in der KVT empfohlen wird, kann nicht die einzige Lösung sein.

Hier bietet die Hypnose ein sehr effektives und umfangreiches Repertoire an Techniken dafür an, mittels Imagination und Suggestion eine stärkere Entspannung und Gelassenheit zu erreichen und so das Einschlafen – und auch den Schlaf selbst – zu fördern und zu verbessern. Eine sehr anschauliche, gut recherchierte und gleichzeitig sehr verständliche Zusammenstellung hypnotischer Techniken und Ansätze zur Schlafförderung halten Sie mit dem Buch Hypnose für Aufgeweckte von Heinz-Wilhelm Gößling in der Hand. Die Beschreibungen erlauben es Ihnen als Therapeutinnen und Therapeuten, Ihre Patienten mit Schlafstörungen fundiert anzuleiten und mit hypnotischen Verfahren und Techniken an ihren Schlafstörungen und den damit verbundenen Schwierigkeiten, Anspannungen und Konflikten zu arbeiten. Viele Fallbeispiele geben dabei konkrete und anschauliche Hinweise auf mögliche individuelle Gestaltungen von Behandlungsansätzen. Gleichzeitig beinhaltet das Buch Hypnose für Aufgeweckte aber auch einen sehr guten inhaltlichen Überblick über das Thema »Schlaf« und unseren zirkadianen Rhythmus. Es vermittelt damit fundiertes Wissen über den Schlaf, das für die erfolgreiche Behandlung von Schlafstörungen essenziell ist.

Da Schlafstörungen in unserer Gesellschaft so weit verbreitet sind, wird es für die Zukunft wichtig sein, fundierte Behandlungen von Schlafproblemen und Schlafstörungen frühzeitig und so niederschwellig wie möglich anzubieten. Dieses Buch trägt dazu bei, denn es ist so verständlich geschrieben, dass es auch für Betroffene eine Bereicherung sein sowie Anreize bieten kann, wirksame, hypnosebasierte Konzepte gegen Schlafstörungen selbst umzusetzen oder sich professionelle Hilfe zu suchen. Ich bin deshalb überzeugt, dass Sie durch das Buch einen guten Unterstützer für die Behandlung von Schlafstörungen gefunden haben. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg – und Ihnen und Ihren Patienten und Patientinnen einen erholsamen Schlaf.

Prof. Dr. rer. nat. Björn RaschUniversität Freiburg (CH)Department für Psychologie

Vorwort zur dritten Auflage

Seit seinem ersten Erscheinen 2013 hat sich Hypnose für Aufgeweckte als das Fachbuch für Hypnotherapie bei Schlafstörungen im deutschsprachigen Raum etabliert. Nunmehr liegt nach zehn Jahren eine vollständig überarbeitete und erweiterte dritte Auflage vor. Das bewährte Grundkonzept der Erstausgabe, die Psychologie des Schlafenkönnens mit der Biologie des erholsamen Schlafs zu verbinden, wird in der aktuellen Auflage fortgesetzt. Die beschriebenen hypnotherapeutischen Interventionen orientieren sich eng an dem aktuellen Grundlagenwissen der organischen Schlafforschung, der Stressmedizin, der Chronobiologie und der Neuropsychophysiologie. Insofern fungiert dieses Buch einerseits als Nachschlagewerk für therapeutisch relevante Erkenntnisse aus dem Gesamtgebiet der schlafmedizinischen Forschung und bietet andererseits eine systematische Anleitung zu hypnotherapeutischen Vorgehensweisen bei der erfolgreichen Behandlung von unter Schlafproblemen leidenden Menschen.

Die Nachfrage nach Hypnose bzw. hypnotherapeutischer Behandlung ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. Vonseiten der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) liegt zwar seit Langem ein empirisch validiertes Behandlungsprogramm bei Insomnien vor, jedoch stößt dieses Programm bei vielen Betroffenen auf wenig Akzeptanz oder zeigt keine im Alltag der Patientinnen und Patienten zufriedenstellende Wirksamkeit. Die zunehmende Häufigkeit von Schlafstörungen und ihr vielfältiges, komplexes Bedingungsgefüge verstärken den Ruf nach Behandlungsalternativen, die gezielt auf individuelle Besonderheiten, auf die jeweilige motivationale Ausgangssituation und auf vorhandene Fähigkeiten, Kompetenzen, Ressourcen des einzelnen Menschen eingehen mit dem Ziel, sie salutogenetisch nutzbar zu machen.

In der internationalen diagnostischen Klassifikation von Schlafstörungen hat sich ein Paradigmenwechsel vollzogen. Während das ICD-10-Klassifikationssystem der WHO die dort so genannte »nichtorganische Insomnie« als eher randständige Nischendiagnose dem Kapitel V (»Psychische Störungen«) zugeordnet hatte, steht im neuen, seit 2022 gültigen ICD-11 die »Insomnie« an erster Stelle des völlig neu konzipierten Hauptkapitels »Schlaf-Wach-Störungen«. In dieser Entwicklung spiegelt sich die immens gewachsene Bedeutung des Themas »Schlaf« für Gesundheit und Wohlbefinden wider. Einzelheiten zu den neuen diagnostischen Kriterien finden Sie in Abschnitt 1.1 des Buches.

Die neuropsychophysiologische Schlafforschung hat in den letzten Jahren neuartige Ansätze entwickelt, um den Stellenwert und die Bedeutung von Träumen bzw. träumerischem Erleben in den verschiedenen Schlafstadien besser zu verstehen. So konnte gezeigt werden, dass der Einschlafvorgang sich in fluktuierenden Übergängen zwischen Wachbewusstsein und bildhaft-träumerischen Denkweisen vollzieht. Die Erkenntnisse sind aus hypnotherapeutischer Sicht umso bemerkenswerter, als sie die phänomenologische Verbindung zum traumartig-fantasievollen, sinnlich intensivierten Erleben im Zustand der Hypnose noch klarer hervortreten lassen.

Meines Erachtens ist diese Verbindung von großer schlafmedizinischer Bedeutung. Eine Schweizer Forschungsgruppe erbrachte den Nachweis, dass spezifische, metaphorisch-bildhafte Suggestionen, kurz vorm Einschlafen »verabreicht«, den Tiefschlaf fördern. Tatsächlich gehört die Nutzung metaphorisch-bildhafter Denk- bzw. Erlebensweisen zu den Kernelementen der Hypnotherapie von Schlafstörungen. Vor diesem Hintergrund lag es nahe, den Einsatz von hypnoimaginativen Interventionen in einem neuen, vierten Teil zusammenfassend und, mit zahlreichen konkreten Anwendungsbeispielen unterlegt, zu beschreiben. Die aktuelle, dritte Auflage ist somit um den Teil IV, »Geschichten, Metaphern, Träume«, erweitert worden.

Die Abschnitte der vorangehenden Ausgabe wurden vollständig überarbeitet und aktualisiert. Zum einen findet sich ein Überblick zu aktuell publizierten klinischen Studien, welche die Wirksamkeit von Hypnotherapie bei Insomnie untersuchen. Zum anderen war es mir wichtig, den eigenen, in zehn Jahren noch mal deutlich angewachsenen klinischen Erfahrungsschatz, die zahlreichen Rückmeldungen meiner Patientinnen und Patienten sowie Erkenntnisse aus dem interkollegialen Austausch bei der Beschreibung einzelner hypnotherapeutischer Vorgehensweisen mit einfließen zu lassen. So sind – den zweiten Teil des Buches ergänzend – neuartige und zugleich einfach zu praktizierende hypnoimaginativ inspirierte Atemtechniken aufgeführt.

Das Glossar hypnotherapeutischer Schlüsselbegriffe – zu finden in Abschnitt 1.9.3 – wurde um drei wichtige Begriffe erweitert.

Zusätzlich enthält diese Neuausgabe eine Zusammenstellung aller im Buch aufgeführten Abbildungen, Anleitungen und Übungen, Fallbeispielen, Übersichten, Geschichten und Anekdoten (siehe ab S. 240). Sie mögen die interessierte Leserin, den interessierten Leser einladen, sich sowohl einen schnellen Überblick zu verschaffen als auch eine gezielte Suche nach etwas Bestimmten zu starten, gerade auch angesichts des fast um eine Drittel gewachsenen Buchumfangs.

Bedanken möchte ich mich bei den vielen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, Ärztinnen und Ärzten, mit denen ich einen inspirierenden fachlichen Austausch über die Besonderheiten, Schwierigkeiten und Chancen einer erfolgreichen Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Schlafproblemen führen konnte. In vielfachen Rückmeldungen insbesondere auch von verhaltenstherapeutischer Seite wurde zum Ausdruck gebracht, dass hypnotherapeutische Interventionen als eine wertvolle, von Patientinnen und Patienten hochgeschätzte Bereicherung des schlafmedizinischen Repertoires angesehen werden.

Ein besonderer Dank gilt meiner Frau Claudia Wilhelm-Gößling. Ihr verdanke ich nicht nur zahlreiche wertvolle Hinweise zu psychodynamischen Aspekten des Themas, sondern auch eine fachlich versierte Durchsicht des Textes, die ihm ausgesprochen gutgetan hat.

Heinz-Wilhelm GößlingHannover, im März 2023

Vorwort zur ersten Auflage

Hypnose für Aufgeweckte richtet sich als Fachbuch an Therapeutinnen und Therapeuten, die Menschen mit Schlafstörungen behandeln und an Behandlungsmethoden der Hypnose interessiert sind. Es bietet Psychotherapeutinnen, Psychotherapeuten, Psychiaterinnen, Psychiatern, Allgemeinmedizinerinnen, Allgemeinmedizinern, kurzum, allen Fachleuten, die in einer Praxis oder Klinik tätig sind und mit Schlafproblemen ihrer Patientinnen und Patienten zu tun haben, eine kreative Erweiterung ihres Repertoires.

Darüber hinaus habe ich dieses Buch für Menschen geschrieben, die nicht vom Fach sind, sich aber für das Thema »Hypnose und Schlaf« interessieren. Der Text ist, so möchte ich hoffen dürfen, leicht lesbar gehalten und soll mit erzählerisch-unterhaltsamen Episoden zum Lesen einladen. Meine Absicht war, allen »Aufgeweckten« einen Einblick zu geben, was Hypnose ist und wie sie bei Schlafstörungen hilft. Zudem enthält dieses Buch viele praktische Informationen, die jeder und jede versteht und für einen gesundheitserhaltenden, schlaffreundlichen Lebensstil nutzen kann.

Um Leserinnen und Lesern, die sich erstmals der therapeutischen Hypnose zuwenden, einen Einstieg zu erleichtern, bietet der Exkurs »Was Hypnose ist und wie sie wirkt« (siehe Abschn. 1.9) einen ersten Überblick. Die weiteren Therapiekapitel enthalten eine Reihe von halb strukturierten, einfacheren Anleitungen für Imaginationen, welche auch von Therapeuten, die noch nicht über eingehende hypnotherapeutische Kenntnisse verfügen, angewandt werden können.

Daneben werden viele Trancetechniken vorgestellt, die mit tieferen Trancezuständen arbeiten und ein assoziativ gelöstes, »freies« Binnenerleben des Patienten, der Patientin unter Hypnose ermöglichen. Diese Techniken erfordern eine für jeden und jede individuell angepasste, prozessorientierte Durchführung. Ihre Anwendung setzt eine fundierte psycho- und hypnotherapeutische Ausbildung voraus.

Mit Hypnose für Aufgeweckte liegt die zweite Bucherscheinung im deutschsprachigen Raum über Hypnose speziell bei Schlafstörungen vor. Gleichzeitig ist es das erste Fachbuch, welches ein diagnoseübergreifendes Behandlungskonzept für Insomnien bietet. In diesem Konzept wird gestörter Schlaf als ein eigenständig behandelbares psychophysisches Phänomen verstanden, das innerhalb einer Vielzahl von psychischen Erkrankungen auftritt und dort als bedeutsamer Faktor für ihre Auslösung bzw. Aufrechterhaltung gilt. Gerade in jüngster Zeit wird diesem Schlüsselsymptom mit verschiedenen spezifischen Ansätzen in der wissenschaftlichen Diskussion besondere Beachtung geschenkt.

Meine klinischen Erfahrungen haben mich dazu gebracht, im Buch auch wichtige Erkenntnisse aus der organischen Schlafmedizin, der Chronobiologie und der Sportmedizin vorzustellen. Zu wissen, wie die Biologie des Tag-Nacht-Rhythmus »tickt«, hat sich als ungemein nützlich erwiesen, wenn man mit Schlafstörungen zu tun hat. Vor allem chronobiologisches Grundlagenwissen und sportphysiologische Aspekte werden nach meinem Dafürhalten in vielen Therapieansätzen noch zu wenig berücksichtigt. Umgekehrt wird in der organisch ausgerichteten Schlafmedizin meines Erachtens die Bedeutung psychologischer Faktoren bei Schlafstörungen eher unterschätzt.

Dieses Buch schlägt eine Brücke zwischen »biologischer« Organmedizin und psychologischer, »sprechender« Medizin. In diesem Anspruch spiegelt sich auch mein eigener ärztlich-therapeutischer Erfahrungshorizont wider, der sich von klinischer Neurologie und Psychiatrie über psychotherapeutische Tagesklinik und Ambulanz bis hin zur hypnotherapeutischen Praxis erstreckt.

Das vorliegende Buch besteht aus zwölf Kapiteln, die inhaltlich drei Abschnitten zugeordnet sind. Teil I vermittelt eine Übersicht zur Diagnostik von Schlafstörungen, zu chronobiologischen Erkenntnissen und zu schlafmedizinischen Grundlagen. Teil II beschreibt die wesentlichen Elemente schlaffreundlicher Selbstfürsorge unter hypnotherapeutischen Gesichtspunkten. Teil III des Buches schließlich stellt hypnosespezifische Behandlungsansätze zu allen wichtigen Einzelphänomenen dar, die im Rahmen einer Schlafstörung auftreten können.

Es gibt in diesem Buch einige Textsorten, die optisch hervorgehoben wurden, damit sie rasch identifizierbar sind:

•Fallbeispiele: Sie sind meiner therapeutischen Arbeit entnommen; selbstverständlich wurden sie anonymisiert, u. a. durch weitreichende Veränderungen biografischer Angaben. Fallbeispiele erscheinen in Form eingerückter Textabschnitte.

•Übersichten: Sie geben jeweils eine rasche Orientierung und sind durch eine Umrahmung gekennzeichnet.

•(Trance-)Anleitungen und Übungen: Darunter fallen auch Geschichten oder Anekdoten, die eine tranceinduzierende Wirkung haben können. Sie sind am grauen Hintergrund erkennbar.

Der besseren Lesbarkeit wegen verzichtet dieses Buch (mit Ausnahme großer Teile des Vorwortes) auf die parallele Verwendung der weiblichen und männlichen Sprachform.

Ohne die Unterstützung und den Zuspruch meiner Familie, Freunde, Weggefährten, Kollegen und der Teilnehmer meiner Workshops und Seminare wäre dieses Buch nicht möglich gewesen. An erster Stelle danke ich meiner Frau Claudia Wilhelm-Gößling. Als erprobte Autorin und umfassend fachkundige Therapeutin hat sie mir unzählige wertvolle Anregungen gegeben und sich viel Zeit genommen, den Text zu redigieren und vor allzu Unverständigem, Holprigen oder übers Ziel Hinausgeschossenen zu bewahren.

Michael Bohne verdanke ich wegbahnende Unterstützung bei den ersten Schritten Richtung Carl-Auer Verlag. Fee Rojas danke ich für Rückmeldungen, die sich ausgesprochen positiv auf mein Durchhaltevermögen auswirkten. Stefan Mohr und dem oberärztlichen Kollegenkreis danke ich dafür, mich vor allem in der »heißen« Schreibphase maßgeblich unterstützt zu haben.

Bedanken möchte ich mich außerdem bei: meinem Sohn Jonas Gößling für wichtige Rückmeldungen während aller wesentlichen Phasen des Projekts, meinem Sohn Henrik Gößling für Unterstützung bei den Formatierungsarbeiten und für seine Ideen zur »Gelsassenheitsfirmel«, Ingo Geisler für wertvolle sportmedizinische Hinweise, Karl Lansch für seine Hinweise und Anregungen zum Thema »Schlafstörungen bei Suchterkrankungen«, Norbert Kox für beflügelnde Anmerkungen in den Workshops, Peter Kreutzmann-Kirschner für präzise Einblicke in die Chemie aromatischer Kohlenwasserstoffe, Stefan Gunkel für die Hilfe bei Literaturrecherchen, Ralf Holtzmann für die umfassende Unterstützung von Beginn an bis heute und allen weiteren Mitarbeitern des Carl-Auer Verlags für ihr Mitwirken an der Realisierung dieses Buches.

Ein besonderer Dank gilt meinen Patientinnen und Patienten: für das Vertrauen und die Bereitschaft, in meiner Gegenwart in Trance zu gehen, für die Offenheit, sich unter Hypnose in ungewöhnliche Erfahrungen zu begeben, und für den großen Schatz an Lernerfahrungen, den sie mir dadurch ermöglicht haben und weiter ermöglichen.

Heinz-Wilhelm GößlingHannover, im März 2013

Teil I: Schlafmedizinisches Wissen für hypnotherapeutische Strategien

1Zur diagnostischen Einbettung der Schlaflosigkeit

Schlafstörungen treten zum einen in Form eines eigenständigen Krankheitsbilds unabhängig von weiteren psychischen Störungen auf. Diese Form wurde im früheren US-amerikanischen Klassifikationssystem psychischer Störungen, DSM-IV, als »primäre Insomnie« bezeichnet. Im seit Mai 2013 gültigen DSM-5 als auch im ICD-11, dem neuen diagnostischen Klassifikationssystem der WHO, wird für Schlafstörungen, falls sie in Form eines eigenständigen Krankheitsbildes bestehen, nur noch der Begriff »Insomnie« verwendet. Die Zuordnung »primär« ist entfallen.

Fast alle Wirksamkeitsstudien über Behandlungsprogramme bei Schlafstörungen beziehen sich auf die (primäre) Insomnie. Der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie (WBP) hat im 2006 vorgelegten Gutachten die Wirksamkeit von Hypnotherapie bei der »nichtorganischen Insomnie« (= Insomnie) im Hinblick auf zwei qualifizierte Wirksamkeitsstudien wissenschaftlich anerkannt (Deutsches Ärzteblatt 2006; siehe auch Abschn. 1.1.4). Es liegen Hinweise vor, dass Hypnotherapie hier hinsichtlich des langfristigen Therapieerfolgs anderen Therapieformen überlegen ist (Revenstorf 2006, S. 114 f.).

Zum anderen sind Schlafstörungen ein häufiges »sekundäres« Symptom einer Vielzahl psychischer Grunderkrankungen. »Sekundär« wird hier deswegen in Anführungsstriche gesetzt, weil Schlafstörungen, die im Verein mit anderen psychischen Störungen auftreten, in vielen Fällen einen wesentlichen pathogenetischen Faktor darstellen, der die jeweilige psychische Grunderkrankung aufrechterhält, verschlimmert oder sie möglicherweise erst in Gang gesetzt hat. Zirkuläre Wechselbeziehungen zwischen Symptom und Grundstörung kommen hier der klinischen Realität häufig näher als lineare Ursache-Wirkungs-Modelle, die eine »primäre« Störung vom »sekundären« Symptom unterscheiden.

So hat sich insbesondere bei Depressionen, bei Angststörungen und bei Suchterkrankungen gezeigt, dass Schlafstörungen als Vorboten gelten können und einen eigenständigen Bedingungsfaktor für ihren Verlauf darstellen (Eaton, Badawi a. Melton 1995). In einer großen Studie über US-Soldaten, die aus dem Irak-Krieg zurückgekehrt waren, stellte sich – diese Erkenntnisse unterstreichend – heraus, dass Schlaflosigkeit eher als ein Prädiktor für eine posttraumatische Belastungsstörung bzw. eine Depression denn als ihre Folge anzusehen war (Wright et al. 2011).

Von daher greift die gezielte Behandlung von Schlafproblemen in das pathogenetische Bedingungsgefüge vieler psychischer Erkrankungen ein und stellt keineswegs ein »Kurieren am Symptom« dar. Zudem hat sich gezeigt, dass eine frühzeitige Insomnietherapie eine medizinische Präventivmaßnahme darstellt und den Ausbruch psychischer (Folge-)Erkrankungen verhindern kann.

Hypnose für Aufgeweckte ist ein diagnosenübergreifender Behandlungsansatz. Die in diesem Buch beschriebenen hypnotherapeutischen Interventionen haben sich bei Schlafstörungen unterschiedlicher diagnostischer Zuordnung als wirksam erwiesen. Sie sind indiziert bei Menschen, die unter Schlafstörungen leiden, unabhängig davon, ob sie im Rahmen einer Depression, einer Angststörung, einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer psychosozialen Belastungssituation, einer Suchtproblematik oder völlig unabhängig von einer weiteren psychischen Störung bestehen. Auch bei lebensphasisch bedingten Schlafproblemen, wie z. B. in den Wechseljahren oder im höheren Lebensalter, kann Hypnotherapie als ausgesprochen effektive Behandlungsmaßnahme eingesetzt werden.

Selbstverständlich sollten hypnotherapeutische Interventionen bei Insomnie eingebettet sein in ein psychotherapeutisches Gesamtkonzept, welches auf einer fundierten Kenntnis der jeweiligen Krankheitsbilder, der psychosozialen Bedingungen und auf einer sorgfältigen Diagnosestellung fußt. Psychiatrische bzw. psychopharmakologische Maßnahmen sind gegebenenfalls mit einzubeziehen. Dieses erste Kapitel des Buches widmet sich einigen grundlegenden Aspekten der diagnostischen Zuordnung von Schlafstörungen. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auch auf Indikationseinschränkungen und Kontraindikationen hypnotherapeutischer Behandlungsmethoden, insbesondere bei Vorliegen bestimmter psychiatrischer Grunderkrankungen. Zudem wird Wert gelegt auf das frühzeitige Erfassen organischer (Mit-)Ursachen, damit dem Patienten gegebenenfalls somatische Behandlungsoptionen angeboten werden können.

1.1Schlafmedizinische Diagnosen im Überblick

Schlafstörungen im Sinne einer Insomnie gehören global zu den häufigsten Gesundheitsproblemen. Epidemiologische Untersuchungen in westlichen Industrienationen ergaben, dass 15–35 % der Bevölkerung unter leicht bis schwer ausgeprägten Schlafstörungen leiden (Weyerer a. Dilling 1991). In Deutschland sind Schlafprobleme der dritthäufigste Grund dafür, sich in hausärztliche Behandlung zu begeben (Wittchen et al. 2001). Schlafstörungen gehören zu den Gesundheitsproblemen, die in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen haben. Laut einer Studie der DAK-Gesundheit (Ersatzkasse) stieg die Zahl der DAK-Versicherten, die Schlafprobleme angaben, von 2005 bis 2009 um 61 %. Zu den Hauptursachen zählten die Betroffenen Stress und berufliche Belastungen wie z. B. Konflikte am Arbeitsplatz (40 %), Grübeln über Ängste und Sorgen (25 %) sowie Schichtarbeit bzw. Arbeitszeiten nach 20 Uhr (20 %) (DAK-Gesundheit 2010).

In der Europäischen Union stellt Insomnie die zweithäufigste psychische Störung dar. Ihre Jahresprävalenz beträgt 7 %. Häufigste psychische Störung in der EU sind Angststörungen mit einer Jahresprävalenz von 14 %. An dritte Stelle stehen depressive Störungen mit einer Jahresprävalenz von 6,9 %, es folgen somatoformen Störungen mit 6,3 % und Abhängigkeitserkrankungen mit zirka 4 % (Wittchen et al. 2011).

Maßgeblich für die internationale Klassifikation aller Formen von Schlafstörungen ist die ICD-11, eine von der Weltgesundheitsorganisation erstellte und herausgegebene statistische Klassifikation von Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme. Die ICD-11 hat die vorhergehende Version ICD-10 abgelöst und ist seit dem Jahr 2022 weltweit gültig. Erstmals findet sich in der ICD-11 ein eigenes Hauptkapitel über »Schlaf-Wach-Störungen«. In diesem 7. Hauptkapitel der ICD-11 sind sowohl die eher psychisch als auch die eher somatisch bedingten Störungskategorien des Schlaf-Wach-Zustands aufgeführt, und zwar in dieser Reihenfolge: Insomnien, Hypersomnien, Schlafbezogene Atemstörungen, Störungen des zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmus, Schlafbezogene Bewegungsstörungen, Parasomnien sowie sonstige näher bezeichnete oder nicht näher bezeichnete Schlaf-Wach-Störungen.

Übersicht: ICD-11 Hauptkapitel 07 »Schlaf-Wach-Störungen«

•Insomnien (unterteilt in kurzzeitige und chronische Insomnien)

•Hypersomnien

•schlafbezogene Atemstörungen

•Störungen des zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmus

•schlafbezogene Bewegungsstörungen

•Parasomnien

•sonstige näher bezeichnete oder nicht näher bezeichnete Schlaf-Wach-Störungen.

Dieses Fachbuch legt den Schwerpunkt auf die hypnotherapeutische Behandlung von Insomnien, also der in der ICD-11 erstgenannten Kategorie von Schlaf-Wach-Störungen. Zur Erleichterung einer diagnostischen Abgrenzung von den anderen oben aufgeführten Störungskategorien soll an dieser Stelle zunächst kurz auf deren Hauptmerkmale eingegangen werden. Hypersomnien sind durch ausgeprägte Tagesmüdigkeit gekennzeichnet. Ein typisches Beispiel dafür ist das Krankheitsbild der Narkolepsie. Zu den Schlafbezogenen Atmungsstörungen gehört das sogenannte Schlafapnoesyndrom. Mit Störungen des zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmus ist z. B. der Jetlag oder die ständige Verschiebung der Zubettgehzeit auf einen für den eigenen Zirkadianrhythmus ungünstig späten Zeitpunkt gemeint. Unter Schlafbezogene Bewegungsstörungen fällt das Restless-Legs-Syndrom. Bei den Parasommnien handelt es sich um Störungen wie z. B. Schlafwandeln oder Pavor nocturnus (siehe auch Abschn. 15.1).

Kommen wir nun zu den diagnostischen Merkmalen einer Insomnie gemäß ICD-11. Nach der dort beschriebenen Definition besteht bei einer Insomnie die Schwierigkeit, abends einzuschlafen und/oder die Nacht über durchzuschlafen. Dabei wird ein kurzzeitiges Aufwachen in der Nacht mit anschließendem problemlosen Wiedereinschlafen nicht als Störung angesehen. Die Einschlaf- und Durchschlafstörungen sind so ausgeprägt, dass sie zu einer generellen Unzufriedenheit mit dem Nachtschlaf und zu typischen Beeinträchtigungen tagsüber führen. Zu diesen Beeinträchtigungen gehören Tagesmüdigkeit, eine depressive Stimmung oder Irritierbarkeit, allgemeines Unwohlsein sowie kognitive Beeinträchtigungen.

Wenn Patienten von Schlafproblemen oder schlafbezogenen Symptomen berichten, ohne an Beeinträchtigungen tagsüber zu leiden, spricht dies gegen das Vorliegen einer Insomnie. Falls die Insomnie als Folge einer anderweitigen Schlaf-Wach-Störung, einer anderweitigen psychischen Störung, einer körperlichen Beeinträchtigung bzw. Erkrankung oder einer Substanzeinnahme (Alkohol, Drogen, Medikamente) angesehen wird, sollte eine Insomnie nur dann diagnostiziert werden, falls sie als ein eigenständiger Fokus im klinischen Gesamtbild erscheint.

Übersicht: Kennzeichen einer Insomnie gemäß ICD-11

•Schwierigkeit, einzuschlafen und/oder bei nächtlichem Erwachen wiedereinzuschlafen

•generelle Unzufriedenheit mit der Erholungsqualität des Nachtschlafs

•tagsüber Beeinträchtigungen in Form von Tagesmüdigkeit, eine depressive Stimmung oder Stimmungsschwankungen, allgemeines Unwohlsein sowie kognitive Beeinträchtigungen

•Diagnose einer Insomnie im Zusammenhang mit einer anderweitigen Schlaf-Wach-Störung, einer körperlichen Erkrankung oder einer Substanzeinnahme nur dann, wenn sie als ein unabhängiger Fokus im klinischen Gesamtbild erscheint

•bei Dauer bis zu drei Monaten: kurzzeitig bestehende Insomnie

•bei Dauer länger als drei Monate: chronische Insomnie.

Eine Insomnie kann sowohl als eine für sich stehende, »primäre« Gesundheitsstörung als auch im Zusammenhang mit einer anderweitigen seelischen oder körperlichen Erkrankung bzw. Beeinträchtigung auftreten. Hier können je nach der zugrunde liegenden Erkrankung bzw. gesundheitlichen Beeinträchtigung sechs verschiedene Kontexte unterschieden werden, die in der nachfolgenden Übersicht dargelegt sind:

Übersicht: Insomnien im Zusammenhang mit einer anderen seelischen oder körperlichen Erkrankung bzw. Beeinträchtigung

•Insomnien im Zusammenhang mit einer anderen psychischen Störung bzw. psychiatrischen Erkrankung wie Depression, Angststörung, Manie oder Schizophrenie

•substanzinduzierte Insomnien, hervorgerufen durch Konsum von Rausch-, Beruhigungs- und Schlafmitteln, insbesondere im Rahmen einer Suchterkrankung

•Insomnien in psychosozialen Stresssituationen wie Ärger am Arbeitsplatz, Prüfungsangst, Erschöpfungszuständen oder Partnerschaftsproblemen

•Insomnien aufgrund einer Störung des zirkadianen Rhythmus, z. B. bei Schichtarbeitern

•organisch bedingte Insomnien, die bei einer Vielzahl von neurologischen und internistischen Erkrankungen auftreten können

•lebensphasisch bedingte Insomnien, beispielsweise bei Frauen in den Wechseljahren.

Eine besondere diagnostische Bedeutung im Hinblick auf eine hypnotherapeutische (Mit-)Behandlung von Schlafstörungen haben folgende Krankheitsbilder: depressive Störungen, Angststörungen und Suchterkrankungen. Von daher sollen diese Krankheitsbilder noch einer genaueren diagnostischen Betrachtung unterzogen werden (siehe Abschn. 1.2, 1.3, 1.4). Auf die lebensphasisch bedingte Häufung von Insomnie bei Frauen in den Wechseljahren wird in Abschnitt 1.5 näher eingegangen.

In den anschließenden Abschnitten 1.6 und 1.7 wird, auch im Hinblick auf die zu beachtenden Kontraindikationen für eine Behandlung mit Hypnotherapie, noch in kurzer Form auf Insomnien bei Psychosen und bei organischen Erkrankungen Bezug genommen.

1.1.1Merkmale der kurzzeitigen, bis zu drei Monaten bestehenden Insomnie

In der ICD-11 wird eine Unterscheidung zwischen der kurzzeitigen, bis zu drei Monaten bestehenden Insomnie (»short-term insomnia«) und der Chronischen Insomnie (»chronic insomnia«) vorgenommen. Bei einer kurzzeitig bestehenden Insomnie sind die stressphyisologischen Auswirkungen in Richtung eines chronifizierten Stresssyndroms, in der Schlafmedizin auch als Hyperarousal bezeichnet (siehe Abschn. 2.6), noch nicht so ausgeprägt wie bei der chronischen Insomnie. Die klinische Erfahrung zeigt, dass es unter einer adäquaten schlafmedizinisch-psychotherapeutischen Intervention umso rascher zu einer anhaltenden Besserung kommt, je kürzer die Insomnie besteht.

Falls Patienten, bei denen eine kurzzeitige Insomnie besteht, sich medizinische Unterstützung holen, erfolgt sie in aller Regel beim Hausarzt. In dieser Phase werden wichtige Weichen für den weiteren Verlauf gestellt, vor allem im Hinblick auf den Einsatz von problematischen Schlafmitteln aus der Reihe der Z-Substanzen wie Zolpidem oder Zopiclon und Benzodiazepinen wie Diazepam oder Lorazepam. Die längere Verschreibung dieser Substanzen bei Patienten mit Schlafstörungen geht mit einem hohen Risiko einher, dass sie davon abhängig werden. Eine Abhängigkeit von Z-Substanzen oder Benzodiazepinen wiederum hat eine Chronifizierung der Schlafstörung zur Folge und führt zu einer gravierenden Erschwernis der Erfolgsaussichten einer weiterführenden Therapie.

Nicht nur Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen, sondern auch klinische Erfahrungen werfen die Frage auf, ob sich eine »primäre« Insomnie in vielen Fällen überhaupt sicher von einer »primären« Depression oder Angststörung unterscheiden lässt. Möglicherweise sind bestimmte »primäre« Formen von Insomnie auch als mitauslösende Vorstufe einer sich anbahnenden Depression oder Angststörung anzusehen (Johnson, Roth a. Breslau 2006). Hierbei, aber auch in der Behandlung von Suchterkrankungen erweist es sich als hilfreich, neben dem standardisierten, deskriptiv-statischen Klassifikationssystem diagnostisch ein dynamisch-zirkuläres Krankheitsmodell miteinzubeziehen. Dieses erkennt – im Gegensatz zum monokausalen Ursache-Wirkungs-Modell – in Schlafstörungen sowohl ein Schlüsselsymptom vieler psychischer Störungen als auch einen eigenständigen, (mit)verursachenden Auslöse-, Risiko- und Rückfallfaktor.

»Ist Insomnie ansteckend?« – Hypnotherapie bei einer kurzzeitig bestehenden Insomnie.

Mitte März ruft CHARLOTTE G. in der Telefonsprechstunde an. Frau G. ist 61 Jahre alt, wohnt in Berlin und ist dort als psychotherapeutische Kollegin tätig. Sie leidet seit Jahresanfang, also seit zirka zweieinhalb Monaten, unter gravierenden Einschlafstörungen. Davor habe sie immer bestens geschlafen. Charlotte G. wünscht sich eine Anleitung zur Selbsthypnose, kann aber in nächster Zeit nicht nach Hannover kommen, sodass wir einen Termin für eine Videositzung vereinbaren.

In dieser Sitzung berichtet die Patientin, wie alles begann. Sie hatte sich mit einer Freundin getroffen, die ihr bei dem Treffen ausführlich von ihren Schlafstörungen erzählt hatte. In der Nacht danach konnte Frau G. nicht schlafen. Und auch in den nachfolgenden Nächten machten sich Einschlafstörungen bemerkbar, die umso schlimmer wurden, je näher ein Vortrag rückte, den sie vor einem kleineren Kollegenkreis halten sollte. Vorsorglich beschaffte sie sich das Schlafmittel Zopiclon, welches aber keine wirkliche Besserung brachte und vor allem auch die Erholungsqualität ihres Schlafes beeinträchtigte, sodass sie Zopiclon nur noch sporadisch einnehme.

Charlotte G. berichtet, dass sie unter Tagesmüdigkeit leide und sich tagsüber häufiger nicht mehr so gut konzentrieren könne wie früher. Sobald sie abends im Bett liege, mache sich »innerlich eine Aufregung, eine Unruhe« bemerkbar. Es sei so, als wenn ein »ängstlicher Teil von mir die kommende Müdigkeit verschärft beobachtet« und genau das ein Einschlafen verhindere.

Auf Nachfragen gibt die Patientin an, dass sie abends vor dem Zubettgehen zusammen mit ihrem Mann vorm Fernseher »sitze, Viertel nach zehn noch ›Tagesthemen‹ schaue, und »… ja, es passiert, dass ich dabei auch mal kurz wegnicke«.

Bevor wir damit beginnen, die 5-4-3-2-1-Selbsthypnose zum inneren paradiesischen Ort (siehe Abschn. 5.4) einzuüben, erläutere ich der Patientin, dass Einschlafen abends im Bett von der Stärke des natürlichen Schlafsogs unseres Körpers abhängt. Ein Nickerchen in den letzten zwei Stunden vor dem Ins Bettgehen reduziert diesen Schlafsog und kann das Einschlafen erheblich erschweren bis verunmöglichen.

In der darauffolgenden Videositzung, eine Woche später, berichtet Charlotte G., dass für sie der »Fernseher jetzt abends ausbleibt, ich lese in einem Buch, höre Musik und gehe dann relativ müde ins Bett. Das will ich auch beibehalten. Und ich habe gleich am ersten Abend nach unserem Gespräch die Selbsthypnose angewendet, wie mit Ihnen erarbeitet, und bin dabei eingeschlafen. Ich wachte dann kurz auf und dachte erst, ich wäre nur kurz eingenickt. Es wollte schon diese alte Unruhe wieder aufkommen, aber als ich auf den Wecker schaute, da war es schon 3 Uhr, und ich konnte zufrieden weiterschlafen«.

Dieses Fallbeispiel zeigt, wie sich aus einer Reihe von »schlechten« Nächten eine Schlafstörung im Sinne einer Insomnie entwickeln kann. In aller Regel greifen mehrere Faktoren ineinander, die am weiteren Verlauf beteiligt sind. So geht die regelmäßige Einnahme von Schlafmitteln aus der Gruppe der Benzodiazepine oder der sogenannten Z-Substanzen (in diesem Fall Zolpidem, welches die Patientin jedoch nach kurzer Zeit – glücklicherweise – wieder absetzte) mit einem deutlich erhöhten Risiko einer Chronifizierung einher. Nicht selten spielt, wie im vorliegenden Fall, die schlafungünstige Gestaltung der Zeit vor dem Zubettgehen eine maßgebliche Rolle.

Eindrücklich schildert die Patientin ihre Erwartungsangst abends im Bett, die dazu führt, mit »verschärfter«, angespannter Selbstbeobachtung darauf fixiert zu sein, ob und wann der Schlaf nun endlich kommt. Eine in dieser Form sich entwickelnde schlafungünstige kognitiv-affektive Einengung macht sich bei vielen Insomniepatienten bemerkbar, sobald sie abends im Bett liegen. Möglicherweise haben die psychotherapeutisch geschulten Kompetenzen einer differenzierten Selbstbeobachtung von Charlotte G. mit dazu beigetragen, dass sie von einem ängstlichen Teil spricht, der als »wachsamer« Beobachter ihrer Müdigkeit abends mit im Bett liegt und genau dadurch das Einschlafen blockiert. Jedenfalls verweist die Formulierung »ein ängstlicher Teil von mir« bereits auf eine therapeutische Option, nämlich im Sinne einer Teilearbeit Ausschau nach anderen Selbstanteilen zu halten, die beispielsweise dafür eintreten, dem Schlafthema mit mehr Gelassenheit – manche Patienten benennen es auch als »Gleichgültigkeit« – zu begegnen.

Wenn es betroffenen Patientinnen und Patienten wie Frau G. gelingt, ihren Tag bzw. die Abendzeit schlafförderlich zu gestalten und sich eine mentale Einschlaf- bzw. Wiedereinschlaftechnik anzueignen (zur hier angewandten Selbsthypnosetechnik siehe Abschn. 5.4), ist die Aussicht auf eine baldige Normalisierung des Nachtschlafs groß. Je kürzer eine Insomnie besteht, umso geringer ausgeprägt sind die psychophysiologischen Veränderungen eines Hyperarousals, und umso rascher und leichter kommt es im Rahmen einer adäquaten psychotherapeutischen Intervention zu einer Besserung. Dagegen bedürfen länger bestehende Insomnien – die sogenannten chronischen Insomnien – in aller Regel einer länger dauernden psychotherapeutischen Behandlung, bis eine eindeutige Besserung zu verzeichnen ist.

1.1.2Besonderheiten chronischer und langjährig bestehender Insomnien

Wie bereits oben dargelegt, wurde in der ab 2022 gültigen, von der WHO herausgegebenen Internationalen Klassifikation von Krankheiten (ICD-11) die Unterkategorie »Chronische Insomnien« eingeführt. Demgemäß werden Schlafstörungen, falls sie einschließlich der damit typischerweise einhergehenden Beeinträchtigungen am Tage mehrmals in der Woche auftreten und mindestens drei Monate lang andauern, als »Chronische Insomnie« bezeichnet. Bei manchen der betroffenen Patienten zeigt sich ein über mehrere Jahre sich hinziehender episodischer Verlauf mit wiederholten, mehrere Wochen andauernden Episoden, in denen die Symptomatik besteht.

Übersicht: Kriterien für die sogenannten Chronische Insomnie gemäß ICD-11

•Einschlaf- und Durchschlafstörungen sowie die damit einhergehenden Tagesbeeinträchtigungen treten mehrmals in der Woche auf und halten mindestens drei Monate lang an.

•Bei manchen Betroffenen besteht ein jahrelanger, episodenhafter Verlauf mit wiederholten, mehrere Wochen andauernden Phasen die Insomniesymptomatik.

Klinische Erfahrungen zeigen, dass bei chronischen Insomnien ausgesprochen unterschiedliche Verlaufsformen mit einer Vielfalt ursächlicher Bedingungsfaktoren vorliegen. Manche Menschen geben an, schon seit ihrer Kindheit unter Schlafstörungen zu leiden. Bei anderen von chronischer Insomnie betroffenen Menschen lässt sich, sofern eine sorgfältige schlafmedizinische Anamnese erhoben wurde, die anhaltende Nichtbeachtung essenzieller Regeln eines schlaffreundlichen Lebensstils feststellen. Ein nicht geringer Anteil von Patienten, die unter einer chronifizierten Insomnie leiden, nimmt regelmäßig Schlafmittel aus der Reihe der Benzodiazepine bzw. Z-Substanzen ein.

Nicht selten sind bei Patienten mit langjähriger Insomnie sowohl die kognitive Aufmerksamkeit als auch das emotionale Erleben in hochgradiger Weise eingeengt auf das Thema des Nichtschlafenkönnens. Alle anderen Lebensbereiche wie Beziehungen, Hobbys, berufliche Interessen, Momente der Freude, des Erfolgs, der Verbundenheit bzw. der Enttäuschung, des schmerzlichen Verlustes, des Alleinseins oder der Trauer rücken völlig in den Hintergrund. Ein betroffener Patient drückte es so aus: »Alles wäre gut, wenn ich nur schlafen könnte.«

Im Regelfall profitiert die Mehrzahl der Patienten mit chronischer Insomnie, die nicht länger als ein bis zwei Jahre besteht, bereits nach den ersten hypnotherapeutischen Sitzungen deutlich von der Behandlung, vorausgesetzt, die Betroffenen zeigen sich in der Lage, die wesentlichen Elemente der schlaffreundlichen Selbstfürsorge zu beherzigen (siehe Abschn. 4.1). Bei einer langjährig bestehenden Insomnie ist dagegen in aller Regel eine längerfristig angelegte hypnotherapeutische Behandlung erforderlich.

»Machen Sie einfach Hypnose …« – Hypnotherapie bei einer langjährig bestehenden episodenhaft verlaufenden Insomnie

FELIX D. ist 46 Jahre alt und arbeitet als Wartungstechniker bei einer Firma für medizinische Großgeräte. Seitdem er vor etwa drei Jahren zu einer neuen Firma wechselte, sei er mit seiner beruflichen Tätigkeit »alles in allem zufrieden«, auch wenn er häufiger mal Überstunden machen müsse und ungefähr jede vierte, fünfte Woche Bereitschaftsdienst habe. Dann müsse er nachts telefonisch erreichbar sein und gelegentlich auch – bei akuten technischen Problemen eines Kernspintomografen zum Beispiel – in die von ihm betreuten Kliniken fahren.

Herr D. leidet vor allem unter Einschlafstörungen. »Locker vor zehn Jahren« habe das angefangen. Häufig »dauert es mindestens zwei Stunden mit dem Einschlafen«. Es gebe unterschiedlich lange Phasen, zwei oder auch vier Wochen lang, in denen er an den meisten Abenden in der Woche schlecht einschlafen könne, morgens unausgeschlafen sei und »überhaupt keine Lust hat, aufzustehen«. Tagsüber sei er dann häufig missmutig und habe Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren. Wenn er abends länger wach im Bett liege, helfe es manchmal, dann aufzustehen, nach draußen zu gehen, »einmal um den Block zu rennen« und danach wieder ins Bett zu gehen. In besonders schlimmen Phasen nehme er abends eine Schlaftablette (Lormetazepam) ein, achte aber auf dringendes Anraten seines Hausarztes darauf, sie nicht mehr als ein- bis zweimal in der Woche zu nehmen.

Eine schlafbezogene Verhaltenstherapie habe »so gut wie nichts gebracht. Kommen Sie mir bitte nicht mit Schlafhygiene und Schlafrestriktion. Beim mir bringt das nichts.« Sein Hausarzt habe ihm nun empfohlen, es »doch mal mit Hypnose zu versuchen«.

Auf meine Frage, welche Gedanken ihm abends im Bett durch den Kopf gehen, wenn es länger mit dem Einschlafen dauert, gibt der Patient an, dass »es nur so Gedankenfetzen sind, nichts Besonderes«. Er sei »einfach nur gereizt, wenn ich abends wach im Bett rumliege und überhaupt keine Lust habe, wieder aufzustehen«, um sich mit irgendwas zu beschäftigen oder einen Spaziergang zu machen. Fragen zu seiner Lebensgeschichte, zum Privatleben oder zu seinen Beziehungen werden eher einsilbig mit z. B. »Da ist alles in Ordnung« beantwortet. Auf die Frage, ob er bestimmte Vorstellungen oder Wünsche zur Hypnose habe, antwortet der Herr D.: »Machen Sie einfach!«.

In der ersten Sitzung lade ich den Patienten ein, über eine Augenfixation (siehe auch Glossar hypnotherapeutischer Schlüsselbegriffein 1.9.3) in Trance zu gehen, und fördere ein dissoziatives Erleben (»Während die Augen weiterhin in Ruhe auf diesen Punkt schauen, können Sie mit einem anderen Teil Ihrer Aufmerksamkeit verfolgen, welche Gedanken Ihnen gerade durch den Kopf gehen …«). Im Rahmen eines Atempacings schlage ich vor, »beim nächsten Ausatmen die Augen zufallen zu lassen« und schließlich die Trance über eine Armlevitation zu vertiefen. Sowohl der Verlauf dieser ersten Hypnose als auch die anschließende kurze Nachbesprechung weisen darauf hin, dass Felix D. über eine gute bis sehr gute Hypnotisierbarkeit verfügt. Seine erste Tranceerfahrung bezeichnet er als »faszinierend«. Er sei »irgendwie noch wach gewesen, und gleichzeitig ist das mit dem Arm einfach so geschehen, wie automatisch …«.

In der zweiten Sitzung wird von mir angesprochen, wie der Patient die letzten zwei Stunden vor dem ins Bettgehen gestaltet. Meistens, so berichtet Felix D., verbringe er sie vor dem Fernseher. Ich erläutere die möglicherweise schlafungünstigen Auswirkungen von längerem Bildschirmkonsum direkt vor dem Schlafengehen und rege an, dass der Patient zumindest an einigen Tagen in der Woche Ausschau nach Alternativen hält. Anschließend schlage ich für unsere Tranceübung vor, sich einen Blick in das eigene Schlafzimmer an einem der letzten Abende vorzustellen, an denen er wach im Bett lag und keinen Schlaf fand. Im zweiten Teil der Übung »lade ich Sie ein zu einer Zeitreise Richtung einer Zukunftsnacht, in der Sie wie wunderbar schlafen« (siehe Abschn. 12.4). Wie in der ersten Sitzung wird eine Armlevitation zur Trancevertiefung genutzt.

Die dritte Sitzung dient überwiegend der Anleitung von einfachen mentalen Übungen zur Selbsthypnose. In den Vordergrund rückt dabei die Vorstellung einer sogenannten »Wechselatmung« sowie die 5-4-3-2-1-Übung zum »inneren Paradiesort« (siehe Abschn. 5.4). Bei den nachfolgenden Behandlungsterminen wird der Abstand zwischen den Sitzungen auf etwa sechs bis acht Wochen erhöht. Die gesamte Behandlungsdauer erstreckt über einen Zeitraum von zirka zweieinhalb Jahren. Im Hinblick auf die explizit hypnotherapeutischen Interventionen kommen u. a. folgende Vorgehensweisen zur Anwendung:

•wiederholte Armlevitationen zur Trancevertiefung und ideomotorischen Validierung von inneren Selbstaffirmationen wie »es dem Körper überlassen«, »sich dem tieferen Unbewusstem anvertrauen«, »einfach loslassen«, »den Dingen ihren Lauf lassen«, »sich von mehr und mehr Gelassenheit tragen lassen« (siehe Abschn. 12.2)

•Einflechten von metaphorischen Imaginationen wie »Ast im Fluss«, »Adler«, »Bergwanderung«, »Schlafbaum«, »Fliegender Teppich«, »Innere Schatzkammer«, »Fahrt mit Heißluftballon« (siehe Kap. 14)

•der skeptischen, kritischen, misstrauischen Seiten des Patienten im Rahmen einer Teilearbeit Beachtung schenken und in die angestrebten Veränderungen miteinzubeziehen (siehe Abschn. 12.5)

•therapeutische Geschichten wie »Der wunderschöne Vogel des Königs und der Maler«, »Meister Chunglang«, »Vom Mut, eine Probe zu wagen«, »19 Pferde und drei Söhne«, »Urlaub in New York«, »Das Geheimnis des langen Bartes« (siehe Kap. 13)

•ab und an Wiederholung der 5-4-3-2-1-Technik sowohl in Form einer Achtsamkeitsübung als auch zum inneren »paradiesischen« Ort (siehe Abschn. 5.4, 5.5 und 5.6)

•ab und an Wiederholung der Vorstellung einer wechselseitigen Atmung (siehe Übersicht »Mentale Atemtechniken« in Abschn. 5.4).

Bei einer epikritischen Betrachtung des Verlaufs der Patient-Therapeut-Beziehung im obigen Fallbeispiel fällt auf, dass der Patient mit einer eher passiv erscheinenden Heilserwartung – von seinem Hausarzt »geschickt« – in die Praxis kommt. Die aktive Mitgestaltung der therapeutischen Arbeit hält sich in Grenzen. Den angebotenen mentalen Selbsthilfetechniken wird mit Skepsis begegnet. Dem Austausch über Gesprächsthemen, welche die persönliche Lebensgeschichte, das private Umfeld, die Freuden bzw. Last der aktuellen Lebenssituation betreffen und sich nicht unmittelbar auf die Schlafstörung beziehen, werden enge Grenzen gezogen. Ein Einblick in die Inhalte seiner Grübelgedanken wird verwehrt (siehe auch Abschn. 12.6).