Hypnotherapie - Ghita Benaguid - E-Book

Hypnotherapie E-Book

Ghita Benaguid

4,7
16,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Hypnotherapie ist eine wissenschaftlich fundierte Therapieform, die sich bei der Behandlung verschiedenster psychischer und psychosomatischer Störungsbilder bewährt hat. Praxisorientiert vermitteln die Autorinnen in diesem Buch die hypnotherapeutische Haltung, die darauf aufbauenden spezifischen Techniken und den typischen Ablauf dieser Therapieform. Fallbeispiele und Tipps für die Praxis helfen dabei, den Klienten behutsam und unter Berücksichtigung seiner individuellen Bedürfnisse in einen Trancezustand zu leiten und ihm so Ressourcen (wieder) zu eröffnen. "Eine spannende Einleitung in die Hypnotherapie. Es ist gelungen, diese schwierige Materie anschaulich zu machen." (Luise Reddemann, Psychoanalytikerin und Begründerin der Psychodynamisch Imaginativen Traumatherapie) "Sie halten hier einen Reiseführer in der Hand. Einen Reiseführer für das Land Hypnotherapie. Lesen Sie ihn und reisen Sie!" (Kai Fritzsche, Mitbegründer des Instituts für klinische Hypnose und Ego-State-Therapie in Berlin) "Eine spannende Lektüre für Neugierige und Kenner." (Elvira Muffler, Psychotherapeutin und Buchautorin)

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 224

Bewertungen
4,7 (18 Bewertungen)
13
5
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Ghita Benaguid & Stefanie SchrammHypnotherapie

Reihe Therapeutische Skills kompakt

Über dieses Buch

Hypnotherapie ist eine wissenschaftlich fundierte Therapieform, die sich bei der Behandlung verschiedenster psychischer und psychosomatischer Störungsbilder bewährt hat. Praxisorientiert vermitteln die Autorinnen in diesem Buch die hypnotherapeutische Haltung, die darauf aufbauenden spezifischen Techniken und den typischen Ablauf dieser Therapieform. Fallbeispiele und Tipps für die Praxis helfen dabei, den Klienten behutsam und unter Berücksichtigung seiner individuellen Bedürfnisse in einen Trancezustand zu leiten und ihm so Ressourcen (wieder) zu eröffnen. 

»Eine spannende Einleitung in die Hypnotherapie. Es ist gelungen, diese schwierige Materie anschaulich zu machen.« (Luise Reddemann, Psychoanalytikerin und Begründerin der Psychodynamisch Imaginativen Traumatherapie)

Ghita Benaguid (rechts im Bild) und Stefanie Schramm sind Psychologische Psychotherapeutinnen für Verhaltenstherapie mit Schwerpunkt Hypnotherapie.

Copyright: © Junfermann Verlag, Paderborn 2016

Coverfoto: MaReykä, 2013 (www.photocase.com), all rights reserved

Covergestaltung / Reihenentwurf: Christian Tschepp

Alle Rechte vorbehalten.

Erscheinungsdatum dieser eBook-Ausgabe: 2016

Satz & Digitalisierung: JUNFERMANN Druck & Service, Paderborn

ISBN der Printausgabe: 978-3-95571-498-7

ISBN dieses E-Books: 978-3-95571-540-3 (EPUB), 978-3-95571-542-7 (PDF), 978-3-95571-541-0 (MOBI).

Vorwort

Milton H. Ericksons Hypnose und systemische Therapie sind in den letzten Jahrzehnten zum selbstverständlichen Bestandteil der Psychotherapie geworden. Die subtile Art, auf den Patienten einzugehen, und die individualisierte Methodik der Hypnose Ericksons haben in mehr oder weniger verflachter Form in verschiedenen traditionellen Therapieformen Eingang gefunden. Ein wesentliches Merkmal dieser Methode ist, dass dem Klienten nicht ein Programm angeboten wird, das seine Probleme bewältigen soll, sondern er das Ziel unter Einbeziehung impliziten Wissens selbst findet. Das erfordert vom Therapeuten besondere Fähigkeiten, den Klienten auf seiner inneren Suche nach dem richtigen Weg zu begleiten.

Ein Teil dieser Kunstfertigkeit besteht darin, es dem Klienten zu erleichtern, seine Blockaden zu überwinden und die nötige Offenheit zuzulassen. Hypnotische Trance ist dafür der Königsweg, da es sich um einen veränderten Bewusstseinszustand handelt, der eine erhöhte Durchlässigkeit zu Erinnerungen, Vorstellungen, körperlichen Prozessen und den Suggestionen des Therapeuten mit sich bringt. Um diesen Zustand einzuleiten und zu nutzen, haben Hypnotherapeuten ein vielfältiges Repertoire an Techniken entwickelt, die geeignet sind, die Möglichkeiten des Klienten zu aktivieren und das Vorgehen an sein Weltbild und seine sozialen Muster anzupassen.

Allerdings ist die komplexe Struktur der Kommunikation, mit der Erickson arbeitete, nicht leicht zu systematisieren. Das trifft insbesondere auf die indirekte Art der Verständigung – etwa die Formen der Beiläufigkeit –, die Verwendung von Metaphern – z. B. Geschichten und Symbole – und strategische Aspekte – etwa die Utilisation der Kommunikationsmuster des Klienten – zu. Daher lässt sich die Erickson’sche Therapie am besten am Modell und in praktischer Einübung erlernen. Dennoch ist es hilfreich, eine Zusammenstellung der wichtigsten Prinzipien zu haben, um den Überblick über die Lerninhalte zu behalten.

Ghita Benaguid und Stefanie Schramm ist mit diesem kurz gefassten Abriss der Hypnotherapie eine leicht lesbare Einführung in die Erickson’schen Vorgehensweise und deren theoretischen Hintergrund gelungen. Durch viele methodische Anleitungen und Beispielvignetten ist das Buch eine hilfreiche Begleitung für den Lernprozess und ein Kompendium für die praktische Arbeit.

Prof. Dr. Dirk Revenstorf, Universität Tübingen

Einleitung

Wir, Ghita Benaguid und Stefanie Schramm, sind schon zur Zeit unseres Psychologiestudiums mit der Hypnotherapie in Kontakt gekommen und waren sofort überzeugt, die passende Therapierichtung gefunden zu haben. Die große Begeisterung für die lösungs- und ressourcenorientierten Konzepte von Milton H. Erickson prägte unseren gesamten weiteren beruflichen und therapeutischen, aber auch unseren privaten Werdegang.

Jede von uns entwickelte in der Folgezeit eigene therapeutische Schwerpunkte und Coachingansätze, doch sie alle integrieren hypnotherapeutische Konzepte. Die Hypnotherapie und die dazugehörige Haltung, vor verhaltenstherapeutischem Hintergrund, bereichern täglich unsere Arbeit, sie machen sie immer wieder aufs Neue spannend, leichtfüßig und berührend.

In den ersten Jahren als Ausbilderinnen für Klinische Hypnose in der Milton Erickson Gesellschaft (M.E.G.) leiteten wir gemeinsam Seminare an. Oft wünschten wir uns, für diese Arbeit auf einen „Leitfaden“ zurückgreifen zu können, der durch die Grundausbildung in Klinischer Hypnose führt und die komplexen Inhalte der Hypnotherapie prägnant zusammenfasst. Auch von unseren Seminarteilnehmern wurden und werden wir oft gefragt, wo man die Inhalte, die wir in unseren Seminaren vermitteln, kompakt nachlesen kann. Natürlich gibt es eine Vielzahl von Publikationen zu diesem Themengebiet, teils sehr ausführliche, teils eher kurze Praxisanleitungen. Was wir mit diesem Buch vorlegen, ist eine kompakte Zusammenstellung sowohl der theoretischen Grundlagen als auch der praktischen Anwendungsmöglichkeiten der Hypnotherapie. Dadurch wird der Lern- und Praxistransfer erleichtert. Mit unserem Buch haben wir uns und unseren Teilnehmern den Wunsch erfüllt, einen praxisorientierten Überblick über die Klinische Hypnose und Hypnotherapie zu schaffen, der sich nach den Inhalten richtet, die im Rahmen einer hypnotherapeutischen Fortbildung vermittelt werden.

Ausgehend von der Geschichte der Hypnose über den Lebensweg Milton H. Ericksons und dessen Bedeutung für die Entwicklung der modernen Hypnotherapie werden im nächsten Schritt die grundlegenden Begriffe und Konzepte der Hypnotherapie erläutert. Die Anwendungsgebiete der Hypnose und Hypnotherapie runden das Theoriekapitel ab.

Im anschließenden Praxisteil des Buchs werden Sie in die Konstruktion und praktische Anwendung von Trancesprache eingeführt. Es folgt ein beispielhafter und kommentierter Dialog zwischen Therapeut und Klient zu Beginn einer Hypnotherapie, der typische Klientenfragen beantwortet und so den Leser einführt in die praktische Anwendung. Im weiteren Verlauf des Praxiskapitels werden kleinschrittige Beispiele für die therapeutische Anwendung der Hypnose gegeben, versehen mit Praxisbeispielen.

Wir wünschen unseren Lesern, dass sie mit Spaß in die Hypnotherapie einsteigen, dass unser Buch bei ihnen die Neugier weckt, sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen, sich im besten Fall auch selbst in den verschiedenen hypnotherapeutischen Techniken auszuprobieren.

Noch ein Wort an unsere Leserinnen: Wir sind selber Frauen und wissen um die Sensibilität des Themas Gleichstellung auch in schriftlichen Werken. Allein der besseren Lesbarkeit halber wählen wir in unserem Buch dennoch die männliche Form – liebe Frauen, bitte fühlt euch gleichermaßen angesprochen.

Zudem weisen wir daraufhin, dass wir bestimmte Fachwörter, z. B. „Pacing / to pace“, in der englischen Fassung und nicht ins Deutsche übersetzt verwenden, da sich in Fachkreisen der Gebrauch der „eingedeutschten“ Termini etabliert hat.

Danksagung

Unser herzlicher Dank gilt allen, die unseren hypnotherapeutischen Weg geprägt und begleitet haben, besonders unseren Ausbildern und unseren Seminarteilnehmern für die vielfältigen Formen der Unterstützung, die anregenden Impulse und teils auch kritischen Nachfragen, die dieses Buch haben entstehen lassen.

Einigen Kollegen gebührt unser besonderer Dank, auch wenn wir aus Platzgründen nicht alle namentlich aufführen können, die uns beim Schreiben dieses Buchs unterstützt haben.

Elvira Muffler, die von Beginn an unermüdlich den Schreibprozess mit Fachwissen, Humor und großer Herzlichkeit begleitet hat. Prof. Dr. Dirk Revenstorf, der uns seine Zeit geschenkt hat, um mit Fragen und Anregungen dem Buch ein passendes Format zu verleihen und ein Vorwort zu schreiben. Ebenso wegbereitend waren und sind für uns Paul Janouch, Dr. Burkhard Peter und Bernhard Trenkle.

Großer Dank gilt auch den Freunden und Kollegen, die als „Probeleser“ zum Entstehungsprozess beigetragen haben.

Wir wissen, dass wir unseren Eltern, Familien und Freunden (Ihr wisst, wer gemeint ist!) viel Geduld und starke Nerven abverlangt haben – ihr Lieben, vielen, vielen Dank an euch!

Der aufmerksam und präzise strukturierenden Hand unserer Lektorin, Frau Arnold, verdanken wir, dass unser Hang zu tranceinduzierenden Schachtelsätzen an den passenden Stellen Freilauf hatte und manche Zäsur die Dinge auf den Punkt gebracht hat.

Und natürlich müssen wir uns auch bei uns gegenseitig bedanken – es ist nicht selbstverständlich, dass es gelingt, ein Buch zu schreiben und weiterhin befreundet zu bleiben. Der gemeinsame Prozess war intensiv, oft bereichernd und spannend, manchmal anstrengend, und wir haben es gemeinsam geschafft.

TEIL I: THEORETISCHE GRUNDLAGEN DER HYPNOTHERAPIE

1. Die Geschichte der Hypnose

Hypnose ist ein Heilverfahren, das bei körperlichen und seelischen Krankheitssymptomen zur Anwendung kommen kann. Sie gehört zu den ältesten Psychotherapiemethoden und umfasst die Arbeit mit und in gezielt hervorgerufenen sowie spontan auftretenden veränderten Bewusstseinszuständen, die wir heute als Trance bezeichnen.

In der modernen Hypnotherapie geht es vor allem darum, dem Klienten einen Zugang und Kontakt zu den eigenen (intrapersonalen) Ressourcen zu ermöglichen, um das unwillkürliche, autonome und unbewusste Wissen für sich nutzbar zu machen.

Wir geben im Folgenden einen kurzen Einblick in die Geschichte der Hypnose, um ihre Entwicklung bis hin zur heutigen wissenschaftlich fundierten Hypnotherapie zu verdeutlichen. (Eine ausführliche Darstellung erhalten Sie in Revenstorf & Peter, 2015.)

1.1 Die Wirkung transpersonaler Kräfte

Schamanismus

Eines der frühesten Modelle für die Heilung von Erkrankungen bietet der Schamanismus. Er geht von transpersonalen spirituellen Kräften aus, die sowohl die Heilung als auch die Störung, also die Krankheit, verursachen. Diese Kräfte sieht der Schamanismus als außerhalb der Person liegend. Die Kranken erleben ihre (psychosomatischen) Symptome als unwillkürlich auftretend, nicht beeinflussbar und damit außerhalb ihrer eigenen Kontrolle. So ist es naheliegend, Hilfe und Heilung im außen, z. B. die Hilfe von übernatürlichen Kräften oder auch bei einem Medizinmann, zu suchen. Unterschieden wurde zwischen einer sogenannten natürlichen (körperlichen) und einer übernatürlichen (seelischen) Krankheit, um die Behandlung entsprechend anpassen zu können.

Noch heute wird der Schamanismus weltweit von vielen Urvölkern zur Heilung und Problemlösung praktiziert, und selbst im Businessbereich werden Seminare zum „modernen Schamanismus“ angeboten und als Selbsterfahrung genutzt.

Exorzismus

Auch im christlichen Bereich gab man die Schuld an den auftretenden Krankheiten bösen Geistern, die ausgetrieben werden mussten. So wurden Krankheitssymptome im Exorzismus mithilfe von Ritualen zur Teufelsaustreibung behandelt. Im 18. Jahrhundert stellte Pfarrer Johann Joseph Gaßner fest, dass bei seinen Teufelsaustreibungen auch psychosomatische Leiden wie Kopfschmerzen oder psychovegetative Störungen behoben wurden, und führte dies auf die Wirkung himmlischer Mächte zurück (Peter, 2006). Er nahm durch direkte Befehle und heilsame Formeln Kontakt zu den „Teufeln“ (Symptomen) auf und befahl diesen wiederholt, zu kommen und zu gehen. Um dann eigenständig Kontakt zu diesen Kräften aufnehmen zu können, lehrte er seine Patienten Selbstkontrolle und somit die Fähigkeit, Symptome selbstständig auftreten und verschwinden zu lassen.

Diese Form der eigenständigen Kontaktaufnahme zu Symptomen findet sich später als wesentlicher Bestandteil im kooperativen Ansatz der modernen Hypnotherapie wieder (vgl. Abchnitt „Kooperativer Ansatz – von der Suggestion zur Autosuggestion“), in dem die himmlischen Mächte jedoch keine Rolle mehr spielen.

Mesmerismus

Im 18. Jahrhundert entwickelte der Arzt Franz Anton Mesmer (1734–1815) den sogenannten animalischen Magnetismus, auch Mesmerismus genannt. Der Begriff leitet sich vom lateinischen animal (dt. Geschöpf, Lebewesen, Tier) ab.

Mesmer verstand sich selbst nur als Vermittler einer transpersonalen physikalischen magnetischen Kraft. Diese ziele auf die Harmonisierung von Körperenergien und Körpersäften ab. Mesmer glaubte an eine universale Lebensenergie, die er als „Fluidum“ bezeichnete und die von außen (transpersonal) einwirkte. Er nahm an, dass ein aus dem Gleichgewicht geratenes Fluidum Krankheiten verursache. Zur Heilung und Behandlung benutzte er anfänglich Magnete, die er am Körper des Patienten anbrachte. Später stellte er fest, dass er die Magnete nicht brauchte, da er selber als Transformator für die universelle Lebensenergie fungieren könne.

Beim Magnetisieren oder Mesmerisieren spielten Worte und Suggestionen keine Rolle, stattdessen verschiedene physikalische Techniken und Rituale zur Übertragung des Fluidums. Die Patienten saßen um einen großen, mit Flüssigkeit gefüllten Zuber und hielten Metallstangen hinein, das andere Ende dieser Stangen hielten sie sich an ihre Stirn. Im Hintergrund wurde Musik gespielt. Der Magnetiseur führte währenddessen z. B. die sogenannten passes aus, Luftstriche vom Kopf bis zu den Extremitäten knapp über der Körperoberfläche. Es fand also keine direkte Berührung statt. Dadurch wurde ein von außen induzierter Trancezustand hervorgerufen, den Mesmer damals als magnetischen Schlaf bezeichnete (ausführlich dazu: Revenstorf & Peter, 2015).

1.2 Die Wirkung interpersonaler Kräfte

James Braid und die Prägung des Hypnosebegriffs

Der aus Schottland stammende, in England praktizierende Arzt James Braid (1795–1860) führte den magnetischen Schlaf nicht mehr länger auf externale Prozesse zurück, sondern sah die internalen Prozesse des Patienten als zentral an.

Braid war es außerdem, der den heute noch gebräuchlichen Begriff der Hypnose prägte. Er ging davon aus, dass eine lange Fixierung der Aufmerksamkeit „auf einen einzigen Gedanken mittels optischer, später auch akustischer Fixation“ (Revenstorf & Peter, 2009, S. 842) zu einer Ermüdung des Nervensystems und im weiteren Verlauf zu einem künstlich hergestellten neurologisch bedingten Schlafzustand führe. Diesen Zustand bezeichnete er 1843 als „Neuro-Hypnologie“ (griech. neuro = Nerv; griech. hypnos = Schlaf), verkürzt „Neurypnologie“, später dann nur noch Hypnose genannt. Dieser Benennung ist das heute noch häufige Missverständnis geschuldet, bei der Hypnose falle man in einen Schlaf. Selbst Braid glaubte lange Zeit, dass es sich bei Hypnose um einen künstlich hervorgerufenen Schlafzustand handele. Aufgrund seiner Forschungen erkannte er später den Irrtum und wollte den Begriff Hypnose durch die Bezeichnung „Monoideismus“ ersetzen (monoeides = einförmig, von einerlei Art). Da der Terminus „Hypnose“ sich jedoch schon weitestgehend etabliert hatte, wurde er beibehalten.

Bereits Braid hatte erkannt, dass es sich bei dem hypnotischen Zustand nicht um einen einzigen, klar umschriebenen Zustand handelte, sondern vielmehr um eine Art Kontinuum: von einer leichten bis zu einer tiefen Trance, in der z. B. medizinische Eingriffe möglich waren. Darüber hinaus entdeckte er eine Technik, mit der der Therapeut mittels direkter sprachlicher Formulierungen beim Hypnotisanden (Person, die hypnotisiert wird) Vorstellungen, Empfindungen und Verhaltensweisen hervorruft und beeinflusst: die Suggestion.

Suggestionen und Suggestibilität

Suggestionen sind seit Einführung des Begriffs durch James Braid definiert als vom Hypnotiseur verwendete sprachliche Formulierungen, die darauf abzielen, beim Hypnotisanden eine Vorstellung, eine (körperliche) Empfindung oder ein Verhalten zu bewirken bzw. diese zu verändern. Der Begriff ist abgeleitet vom lateinischen suggerere – „zuführen, unterschieben“ bzw. suggestio, -onis – „Hinzufügung, Eingebung oder Einflüsterung“. Angesichts dieser Wortbedeutung („jemandem etwas unterschieben“) ist es nachvollziehbar, dass Suggestion schnell mit Manipulation assoziiert wird.

Zudem wurde der Begriff Suggestibilität in der Geschichte der Hypnose mit unterschiedlicher Bedeutung verwendet und häufig mit Hypnotisierbarkeit gleichgesetzt. Heute wird eher von Hypnotisierbarkeit statt von Suggestibilität gesprochen (vgl. Christensen, 2005).

Grundsätzlich beschreibt Suggestibilität die Bereitschaft einer Person, (von außen gegebenen) Aussagen / Anweisungen (Suggestionen) zu folgen. Suggestibilität ist Ausdruck eines Zusammenspiels internaler (Personen-) und externaler (Situations-, Kontext-) Faktoren. Zum einen handelt es sich um ein Trait-Merkmal, also eine überdauernde, stabile Persönlichkeitseigenschaft, zum anderen um ein zustands- und situationsabhängiges State-Merkmal, also eine Bereitschaft, in bestimmten Situationen gegebenen Suggestionen zu folgen. Trancezustände erhöhen die Suggestibilität.

Suggestionstheorie oder autoritärer Ansatz

Zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurde die heute akzeptierte Definition von Hypnose als verändertem Bewusstseinszustand, in dem die Empfänglichkeit für Suggestionen erhöht ist, vor allem durch den frühen Hippolyte Bernheim und seiner sogenannten 1. Schule von Nancy vertreten. Bernheim ging davon aus, dass spezielle Hypnoserituale gar nicht notwendig seien. Heilung geschehe allein mittels direkter und unmittelbarer Suggestionen. Mit seiner Vorstellung widersprach er der zeitgleich operierenden Schule der Salpêtrière, deren bekanntestes Mitglied wohl Jean-Martin Charcot (1825–1893) war. Für Anhänger der Salpêtrière-Schule war Hypnose ein pathologischer Zustand.

Dem sogenannten autoritären Ansatz, bei dem der Behandler als maßgebliche Wirkkraft für die Heilung angesehen wurde, wird neben Bernheim auch Ambroise A. Liébeault (1823–1904) zugerechnet. Sie waren der Meinung, dass machtvolle Suggestionen tief im Unbewussten wirken und die Hypnotisierbarkeit einer Person v. a. durch das Machtgefälle zwischen Arzt und Patient erklärt werden könne. Man versuchte, rein symptomorientiert, Heilung durch direkte, auf das Symptom gerichtete Suggestionen, posthypnotische Aufträge (Suggestionen, die ihre Wirkung erst nach Ende der Trance entfalten sollen) und darauffolgende Amnesieverschreibung zu erreichen. Dieses Vorgehen führte aber nur bei einem kleinen Teil der Patienten tatsächlich zu nachhaltigen Erfolgen.

Auch Freud (1856–1939) behandelte seine Patienten anfänglich mit Hypnose, fand diese Methode aber nicht verlässlich genug und wandte sich schließlich gänzlich davon ab (ausführlich dargestellt in Revenstorf & Peter, 2015, Kap. 6).

Standardisierter Ansatz

In den 1930er-Jahren postulierten Experimentalpsychologen wie Hull und Hilgard Suggestibilität als normalverteiltes Persönlichkeitsmerkmal. Da sie mittels standardisierter Suggestionen beabsichtigten, Verhalten direkt zu verändern, wird dieser Ansatz „standardisierter Ansatz“ genannt.

Daraus folgend wurden verschiedene standardisierte Tests zur Erfassung der Suggestibilität einer Person entwickelt, wie z. B. die Stanford Hypnotic Susceptibility Scale, Form C (SHSS: C; Weitzenhoffer & Hilgard, 1962) und die Harvard Group Scale of Hypnotic Susceptibility, Form A (HGSHS: A; Shor & Orne, 1962).

Diese Skalen bestehen v. a. aus Suggestionen, die sich auf (ideo-)motorische Veränderungen beziehen (der Kopf fällt nach vorne, die Augen schließen sich, der nach vorne gestreckte Arm sinkt langsam ab). Zusätzlich beinhalten sie aber auch Suggestionen, die sich auf positive Halluzinationen (z. B. auf eine Fliege, die laut Suggestion um den Kopf des Klienten herumfliegt, tatsächlich aber gar nicht vorhanden ist) beziehen, und posthypnotische Suggestionen (Berühren des Knöchels nach der Trance auf ein Signal hin).

Die Wirksamkeit der Suggestionen wurde in Abhängigkeit des Persönlichkeitsmerkmals Suggestibilität interpretiert, d. h. Versuchspersonen, die den gegebenen Suggestionen nicht Folge leisteten, wurden als nicht suggestibel klassifiziert. Obwohl beide Skalen (SHSS: C und HGSHS: A) verschiedentlich kritisiert wurden, werden sie auch heute noch, v. a. in der Hypnoseforschung, verwendet.

Wie schon erwähnt, wird heute eher von Hypnotisierbarkeit statt von Suggestibilität gesprochen. Diese Begriffsveränderung findet sich auch in einem neueren Untersuchungsinstrument, der Elkins Hypnotizability Scale (Elkins, 2013), wieder, die inhaltlich eine Weiterentwicklung der älteren Verfahren darstellt und in die aktuelle Forschung Einzug gehalten hat.

Kooperativer Ansatz – von der Suggestion zur Autosuggestion

Im Zuge der sich entwickelnden humanistischen Strömungen gab es um das 20. Jahrhundert herum wieder die Hinwendung zu einer dem Patienten innewohnenden Kraft als der Einbeziehung des Unbewussten als wirksame Ressource.

In Weiterentwicklung der Konzepte des Psychiaters Milton H. Erickson, auf den wir in Kapitel 2 näher eingehen, prägten vor allem Stephen Gilligan und andere Schüler Ericksons den bis heute aktuellen „kooperativen Ansatz“ der modernen Hypnotherapie. Die Bedeutung des Unbewussten als der Person innewohnenden (intrapersonalen) Kraft tritt im Sinne des von Peter eingeführten Therapeutischen Tertiums wieder in den Vordergrund (s. Kasten).

Das Therapeutische Tertium

„Menschen haben von jeher geglaubt, sie hätten keine Kontrolle über ihre psychischen und psychosomatischen Symptome. Das hat damit zu tun, dass sie diese als unwillkürlich, unbeeinflussbar, manchmal wie von außen kommend erleben“ (Peter, 2015, S. 82). Was Peter hier beschreibt, ist ein Mangel an Selbstwirksamkeitserleben, was bis heute dazu führt, dass Menschen Möglichkeiten der Heilung nicht in sich selbst, sondern im außen suchen. Der hilfesuchende Patient, der keine Lösung für seine Symptome weiß, wendet sich an eine zweite Instanz, den Therapeuten, der wiederum vertraut in der Hypnotherapie auf das Unbewusste des Klienten als dritte Instanz. Peter spricht in diesem Zusammenhang vom Therapeutischen Tertium (lat.: der / das Dritte), dem Unbewussten des Patienten als einer dritten Kraft im Raum, „dem heilenden Prinzip“. Diese dritte Kraft wurde früher als eine transpersonale Kraft verstanden („die himmlischen Mächte“), später im Sinne einer interpersonalen Kraft als eine Energie, die zwischen Therapeut und Klient entsteht (ähnlich dem psychoanalytischen Prinzip der Übertragung).

In der Hypnotherapie wird der Begriff der Suggestion nun nicht mehr im direktiven Sinne, sondern im englischen Wortsinn suggestion – „Empfehlung, Rat, Vorschlag, Anregung“ verstanden. Danach können Suggestionen nur dann wirksam werden, wenn der Klient sie in Autosuggestionen umwandelt. Somit wird jede Hypnose zur Selbsthypnose.

Im kooperativen Ansatz spielen sogenannte indirekte Suggestionen, bei denen der Hypnotisand kaum noch merkt, dass es sich um Suggestionen handelt, eine weitaus bedeutendere Rolle als die direkten Suggestionen: „Und Sie können nun mit offenen oder geschlossenen Augen in Trance gehen, während sich dabei die inneren Augen für andere Erfahrungen öffnen können und Sie gleichzeitig neugierig sein können, wie eine angenehme Ruhe und Entspannung wie von selbst entstehen kann.“

Ob die Umsetzung der Suggestionen in Autosuggestionen gelingt, hängt vom Zusammenspiel verschiedener Einflussfaktoren ab wie z. B.:

Persönlichkeitsmerkmale wie Absorptions- und Fokussierungsfähigkeit,

vorhandene Hypnotisierbarkeit als Persönlichkeitseigenschaft,

„Passung“ der Suggestion zum Klienten, dessen Situation und Weltverständnis,

Art der (therapeutischen) Situation und Induktion,

Beziehung zwischen Hypnotiseur und Hypnotisand (bzw. Therapeut und Klient),

Erwartung an die (therapeutische) Situation (vgl. Kirsch, 1996).

Zusammenfassend sind also die Themen, Techniken und Rituale der modernen Hypnotherapie schon sehr lange Bestandteil verschiedener Heilungskontexte menschlicher Gesellschaften. Aus diesen bestehenden Phänomenen entwickelten sich in der westlichen Welt im Zuge der Modernisierung der Wissenschaften neue Theorien und Methoden, die den heutigen Ansprüchen an einen verifizierbaren Ansatz genügen. Diese modernen Verfahren wurden vor allem geprägt durch Milton H. Erickson, den Begründer der modernen Hypnotherapie (Klinische Hypnose).

2. Hypnotherapie nach Milton H. Erickson – der kooperative Ansatz

Nachdem in Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Hypnose als Behandlungsmethode fast ganz verschwunden war bzw. in erster Linie als sogenanntes Übendes Entspannungsverfahren (wie Autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung) angesehen wurde, kam es in den 1970er-Jahren zu einer erneuten Hinwendung zur Hypnose als therapeutisches Instrument. Dies war v. a. inspiriert durch die ins Deutsche übersetzten Arbeiten Milton H. Ericksons, in denen er von einer speziellen Form der Hypnotherapie berichtete, die er in den 1950er-Jahren in den USA entwickelt hatte. Diese zeichnete sich v. a. durch eine hohe Klientenzentriertheit und eine Abkehr von der Pathologisierung der Klienten aus. Die in der Person vorhandenen, aber aktuell (noch) nicht zugänglichen Ressourcen sowie ihr inneres Wissen und unbewussten Fähigkeiten wurden in den Fokus gerückt und als das Unbewusste bzw. Unwillkürliche beschrieben. Die Symptome von heute wurden als bestmöglicher Lösungsversuch der Vergangenheit und damit als Ressourcen angesehen.

Dabei ist das Unbewusste in der Erickson’schen Hypnotherapie nicht im psychoanalytischen Sinne zu verstehen, sondern als intrapersonale (im Klienten liegende) Kraft. Das Unbewusste dient als Konstrukt, als eine Metapher für Unwillkürlichkeit, als eine Instanz, die inneres Wissen und Weisheit hat, die man utilisieren („nutzbar machen“, vgl. Kap. 4.2) kann, um Entwicklungsprozesse anzustoßen.

Nachdem das Wirkprinzip der Hypnose also zunächst als transpersonale Kraft (himmlische Mächte) und später als interpersonale Kraft (zwischen Therapeut und Klient) angesehen wurde, definiert Erickson es als Ausdruck der intrapersonalen, also im Klienten selbst liegenden, Kraft.

Da auch der Therapeut in sich selbst über eine entsprechende unbewusste Instanz verfügt, die im Kontakt mit dem Klienten wirkt, um maßgeschneiderte Interventionen anbieten zu können, schlagen wir die Erweiterung des Therapeutischen Tertiums um ein viertes Wirkprinzip vor, sodass von einem „Therapeutischen Quartett“ gesprochen werden kann. In diesem Sinne erfolgt eine Bündelung der intra- und interpersonalen Kräfte in der therapeutischen Situation.

Erickson ging dem humanistischen Weltbild entsprechend davon aus, dass jeder Klient grundsätzlich alles in sich trage, was er zur Lösung seiner Probleme benötigt, und dass es in der Therapie mehr um eine Frage des Zugangs und des Transfers zu diesen inneren Potenzialen gehe als um den Aufbau neuer Fähigkeiten. Außerdem wurden in der Erickson’schen Hypnotherapie auch psychodynamische Zusammenhänge und die Funktion der Symptome berücksichtigt.

Eine weitere Besonderheit lag darin, dass Erickson die therapeutische Beziehung als reziprok, sich zwischen Therapeut und Klient entwickelnd und in Wechselwirkung gegenseitig beeinflussend, verstand und nicht – im Sinne des damals noch vorherrschenden Verständnisses – als asymmetrische, dominanzbestimmte Beziehung zwischen Therapeut / Arzt und Patient. Dies stand in starkem Kontrast zum standardisierten oder autoritären Ansatz der Hypnose (Peter, 1987, S. 139).

Da die moderne Hypnotherapie ebenso eng mit dem Namen Milton H. Erickson (1901–1980) verknüpft ist wie dessen Lebensgeschichte mit der Entwicklung seiner speziellen hypnotherapeutischen Prinzipien, soll nachfolgend auf die wichtigsten Eckpunkte seiner Biografie eingegangen werden.

2.1 Lebensgeschichte von Milton H. Erickson

Milton Hyland Erickson wurde am 5. Dezember 1901 in der Sierra Nevada (USA) als Drittältester von insgesamt neun Geschwistern geboren. Sein Vater war Kind norwegischer Einwanderer und verdiente den Lebensunterhalt der Familie als Minenarbeiter und später als Farmer. Seine Mutter war Farmerstochter mit indianischen Wurzeln. Milton Erickson wuchs naturverbunden in sehr ländlicher Umgebung in Nevada und später in Wisconsin auf.

Ein Leben mit vielen Handicaps

Bereits als Kind litt Erickson unter verschiedenen Beeinträchtigungen, aufgrund derer er lange Zeit als retardiert galt. Rückblickend scheinen seine vielen Handicaps ein bedeutsamer Motor für die Entwicklung seiner speziellen therapeutischen Fähigkeit gewesen zu sein. Durch die vielen, oft leidvollen Erfahrungen, die er machen musste, erfuhr er am eigenen Leib, dass trotz bestehender Handicaps eine Entwicklung und Entfaltung der inneren Potenziale möglich ist, sobald der Zugang zu ihnen gefunden wurde.

Erickson war rot-grün-blind (nur Violett – „purple“ – war ihm eine angenehme Farbe), tontaub (er konnte weder Höhen noch Tiefen von Tönen noch Betonung im Gesprochenen wahrnehmen) und litt an Legasthenie. Darin begründete sich auch seine Eigenart, ein Wörterbuch immer von vorne bis zu dem Buchstaben durchzublättern, unter dem er etwas nachschlagen wollte. Er verstand nicht, dass die Sortierung dem Alphabet folgt. Dies brachte ihm zu Schulzeiten den Spitznamen „Dictionary“ ein (Peter, 1987).

Seine Legasthenie überwand er mit etwa 14 Jahren, als ihm im Sinne einer spontanen visuellen Halluzination der Unterschied zwischen dem kleinen „m“ und einer „3“ bildlich erschien. „Er sah plötzlich innerhalb eines blendenden Lichtblitzes die 3 und das m nebeneinander. Das m stand auf seinen Füßen und die 3 lag auf der Seite und streckte die Füße von sich“ (Rossi & Erickson in: Peter, 1987).

„In einer ähnlichen visuellen Halluzination erkannte er eines Tages plötzlich, dass man das Alphabet als Ordnungssystem für das Wörterbuch benützt“ (Peter, 1987, S. 132). Die Vermutung liegt nahe, dass diese Erfahrungen maßgeblich zur Entwicklung der Tranceinduktionen, zu den sogenannten early learning sets, beigetragen haben. Diese Form der Ressourcenaktivierung dient dazu, Hoffnung zu schaffen und zu verdeutlichen, dass Dinge, die früher einmal schwer waren, irgendwann ganz selbstverständlich werden. Daher begannen seine Tranceinduktionen oft damit, dass er mit den Klienten über die ersten Schulerfahrungen, das Lernen des Alphabets und das Schreibenlernen sprach. Er betonte dabei den Lernprozess und dass es inzwischen ja ganz einfach für den Klienten sei zu lesen und zu schreiben.

Auch sein Schüler Jeff Zeig wendet bis heute diese Technik im Rahmen von Tranceinduktionen an:

„Und während du deine Augen schließt und nach innen gehst, kann ich dich an verschiedene Dinge erinnern: Als du das erste Mal zur Schule gingst, das Lernen der Buchstaben des Alphabets und der Nummern war wirklich eine schwere Aufgabe (…) Da waren kleine Buchstaben und große Buchstaben und schnörkelige Linien: Und wo hat das kleine b den Bauch und wo den Strich, und wo hat das kleine d den Bauch und wo den Strich und wo das kleine p? Und wie viele Beine hat das kleine n und wie viele das kleine m? Ist eine 2 eine umgekehrte 5? Ist eine 3 ein kleines n, das auf der Seite steht? Und da war der Lehrer … der Lehrer hat dir vielleicht gesagt: ,Lass die Bewegungen einfach geschehen, lass sie flüssig und leicht werden (…) übe und du wirst lernen, es ganz einfach und leicht zu tun.‘ Und langsam und Schritt für Schritt, auch wenn du es nicht bewusst bemerkt hast, hast du mentale und optische Bilder für jeden Buchstaben und jede Zahl gebildet. Und diese mentalen und optischen Bilder sind gespeichert irgendwo in den Billionen und Billionen von Gehirnzellen, und sie begleiten dich dein Leben lang.“

(frei übersetzt aus Zeig, 2014, S. 256–257)

Der Utilisationsansatz

Im Alter von 17 Jahren (im Jahr 1919) erkrankte Erickson lebensbedrohlich an Polio (Kinderlähmung). Zur Absicherung der Diagnose wurden von seinem behandelnden (Land-)Arzt drei weitere Ärzte aus der Stadt herangezogen. Im Anschluss an die Untersuchung teilten sie Ericksons Mutter auf dem Flur vor seinem Zimmer mit, dass ihr Sohn tatsächlich an Polio erkrankt war und die Nacht nicht überleben werde. Erickson hörte dieses Gespräch mit und erlebte den Tonfall der Ärzte bei dieser Mitteilung als beiläufig. Dies machte ihn so wütend, dass er sich schwor, die Nacht zu überleben, um zu beweisen, dass die Ärzte aus der Stadt sich irrten.

Es folgte eine sehr schwere Nacht, in der Erickson im Fieber fast gestorben wäre. Aber er überlebte und bat seine Familie am frühen Morgen mit geschwächter und krächzender Stimme (die Lähmung war bereits vorangeschritten), seine Kommode, auf der ein Spiegel stand, so zu drehen, dass sich das Fenster spiegelte und er hinaussehen konnte. Er wollte dort den Sonnenaufgang sehen und den Ärzten somit endgültig beweisen, dass sie falsch gelegen hatten.