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Dieses Buch ist eine flammende Widerrede gegen Sprachverstümmelung, Geschichtsvergessenheit und eine pseudo-moralische Überlegenheit, die die Wake-Bewegung für sich reklamiert. Es ist gleichzeitig ein leidenschaftliches Plädoyer für Freiheit, Toleranz und rationale Vernunft jenseits einer gesellschaftlichen Zensur. Sprache, Kinder, Kleidung, Essen, Traditionen, Kultur, Frisuren, Tiere, die Wissenschaft... beinahe nichts bleibt von der selbstgerechten woken Bevormundung verschont. Doch übertriebene Political Correctness ist ein Irrweg und hat in der breiten Meinungsvielfalt einer lebendigen Demokratie nichts zu suchen. Wer im Gender-Jargon schreibt und spricht, hat keine Ahnung von deutscher Grammatik. Und wer meint, die Welt zu verbessern, indem er Fakten nicht mehr beim Namen nennt, irrt sich gewaltig. Ganz im Gegenteil brauchen wir heutzutage mehr klare Sprache als jemals zuvor, ist die Autorin überzeugt. Mai Linh Tran, eine Asiatin, die im Kindesalter als Flüchtling aus dem Vietnamkrieg nach Deutschland gekommen ist und hierzulande eine neue Heimat gefunden hat, will sich nicht damit abfinden, dass die von ihr bewunderten Errungenschaften der Aufklärung ausgerechnet in unserer modernen Zeit vernichtet werden. Der illiberalen Woke-Ideologie, welche die Identität eines Menschen auf sein Geschlecht, seine Hautfarbe und seine Herkunft reduziert, widerspricht sie vehement. "Unser Menschsein wird durch Gefühle, Talent, Klugheit, Sportsgeist, Fleiß, Mitmenschlichkeit und so viel mehr bestimmt als uns die Woke-Jünger glauben machen wollen", sagt sie.
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Seitenzahl: 162
Veröffentlichungsjahr: 2023
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„Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd.“
Konfuzius
Der*die Erlkönig*in
Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der die Vater*Mutter*Elterperson mit seinem*ihrem Kind;
Er sie hat den das Knaben Mädchen wohl in dem Arm,
Er sie fasst ihn sie sicher, er sie hält ihn sie warm.
Mein'e Sohn*Tochter, was birgst du so bang dein Gesicht?
Siehst, Vater*Mutter*Elterperson, den die Erlenkönig*in nicht?
Den die Erlenkönig*in mit Kron’ und Schweif
Mein*e Sohn*Tochter, es ist ein Nebelstreif.
„Du liebes Kind, komm, geh mit mir!
Gar schöne Spiele spiel ich mit dir;
Manch bunte Blumen sind an dem Strand,
Meine mein Mutter*Vater*Elterperson hat manch gülden Gewand.”
Mein Vater*Mutter*Elterperson, mein Vater*Mutter*Elterperson, und hörest du
nicht, Was Erlenkönig*in mir leise verspricht?
Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind;
In dürren Blättern säuselt der Wind.
„Willst, feiner feines Knabe*Mädchen, du mit mir gehn?
Meine Töchter*Söhne sollen dich warten schön;
Meine Töchter*Söhne führen den nächtlichen Reihn,
Und wiegen und tanzen und singen dich ein.“
Mein meine Vater*Mutter*Elterperson, mein meine Vater*Mutter*Elterperson,
und siehst du nicht dort
Erlkönig*ins Töchter Söhne am düstern Ort?
Mein meine Sohn Tochter Kind, mein meine Sohn Tochter Kind,
ich seh es genau:
Es scheinen die alten Weiden so grau.
„Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;
Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.“
Mein meine Vater*Mutter*Elterperson, mein meine Vater*Mutter*Elterperson,
jetzt faßt er mich an!
Erlkönig*in hat mir ein Leids getan!
Dem der Vater*Mutter*Elterperson grausets, er sie reitet geschwind,
Er sie hält in Armen das ächzende Kind,
Erreicht den Hof mit Mühe und Not;
In seinen Armen das Kind war tot.
1782 verfasst von Johann Wolfgang von Goethe
Gegendert nach heutigem Woke-Duktus
Prolog
Vorwort
Das Offensichtliche zu benennen ist gut und richtig
Eine Löschkultur ist jeder Zivilisation unwürdig
Woke: Drei Todesfälle und eine Welle
Weiße Polizisten erschießen schwarze Schüler
Black Live Matters und die moralische Überlegenheit
Die Tötung von George Floyd und die Folgen
Moralische Überlegenheit aus der Geschichte
Identitätspolitik für immer neue Minderheiten
Linker Gegenpol zum Rechtspopulismus
Feindbild „Alter weißer Mann“
Der Fall Tyre Nichols
Gendern
Gendern: Männer, Frauen und andere
Die feministische Linguistik der Luise Pusch
Genderzeichen
Natürliches und grammatisches Geschlecht
Verzicht aufs Kanzlerinamt
„Damen und Herren“ ist verfassungswidrig
Hamburger gegen Gendern
Der Rat für deutsche Rechtschreibung
Streit um das Gendern an Schulen
Mitläufer aller Orten
Gendern wichtiger als die Faktenlagen
Genitalien voraus
Die Vielfalt der Geschlechter
Das Regenbogenportal der Bundesregierung
Gut, dass Homosexualität nicht mehr strafbar ist
Das biologische Geschlecht im Überblick
72 Geschlechter und mehr
Geschlechtsumwandlung per Gesetz
Der Fall Markus Tessa Ganserer
Transgender im Sport
Eine Vergewaltigerin mit Penis
Regenbogen: Vom Wetter zur Woke-Welt
Antidiskriminierung: Weiße Menschen unerwünscht
Woke setzt sich mit „Sicherheitsbedenken“ durch
Neusprech: Denken manipulieren
George Orwell: Sprachplanung wie in
1984
Neue Begriffe für alte Traditionen und die Leitkultur
Erziehung beginnt in der Schule
Wahrheitsministerium für „dynamische Geschichte“
Sprachführung auf den Kopf gestellt
Die deutsche Leitkultur
Vom Flug nach „Bordo“: Bordeaux oder Porto?
Zehn Thesen für die deutsche Leitkultur
#metoo gegen sexuelle Belästigung
Cancel Culture
Damnatio memoriae: Verdammung des Andenkens
Winnetou stirbt zum zweiten Mal
Die Mauren und der Mohr
Bismarck wird unbeliebt
Weg mit dem Domherrenfriedhof
Kulturelle Aneignung
Rassistische Kinder im Indianerkostüm
Kölner Karneval unter wokem Beschuss
Speisen als kulturelle Aneignung
Auf die Frisur achten
Blackfacing unerwünscht, weiße Übersetzungen auch
Wenn Sprache Probleme verschleiert
Sexualaufklärung für Zuwanderer
Silvesterkrawalle 2022/23
Mordbube unter dem Sprachschutz des NDR
Woke, Vegetarier, Veganer
Jede Kuh ist für das Klima schädlicher als ein Diesel
Massentierhaltung ist grausam
Stopp-Schild für die vegane Woke-Welle
Erste vegane Fleischerei eröffnet
Warum wir gerne Fleisch essen
Ohne Industrie würde die Menschheit hungern
Ein Rindvieh sorgt für Entsetzen
Woke ist ein Lebensgefühl
Autos und Fliegen sind out, Kleben und Gendern in
Die Deutschen sind sich einig und sehr liberal
Wokeness im Job
Woke Wirtschaft
Der Schuh einer Süßigkeit kann polarisieren
Gleiches Geld für gleiche Arbeit
Wir können stolz sein auf unsere Gerechtigkeit
Von (A)bsurditäten bis zum Z(Verbot)
ARD:ZDF – öffentlich-rechtliche Woke-Welle
Schlagershow mit sprachlicher Selbstzensur
Es gibt kein „schönes Wetter“ mehr
Wie Woke die Mathematik erobert
Schach ist rassistisch
Schwarzfahren nicht erlaubt
Puffmama Layla wird zur Widerstandskämpferin
Polizei: Umschulung auf politisch korrekte Sprache
Tausende Vögel bekommen neue Namen
Baby vor dem Wickeln fragen
Das Mädchen im Knabenchor
Das „Z“ wird verboten
Über die Autorin
Quellenangaben und Anmerkungen
Die hiermit vorgelegte Streitschrift stellt eine veritable Meinungsäußerung zur Woke-Diskussion dar. Sie erhebt keinen Anspruch auf Objektivität oder Vollständigkeit, sondern ist eine wohlüberlegte und auf den folgenden Seiten deutlich formulierte Meinung.
Bei allem Streit in der Sache ist keine der nachfolgend getroffenen Äußerungen diskriminierend oder herabsetzend gemeint. Die Grundüberzeugung der Menschenrechte – alle Menschen haben die gleichen Rechte und sind gleich wertvoll – teilen Autorin und Verlag vorbehaltlos, weiter noch, sie erachten dies als eine Selbstverständlichkeit. Alle im vorliegenden Werk hervorgebrachten Gedanken basieren auf diesem Grundverständnis. Dazu gehört auch das Gleichheitsprinzip, also der Grundsatz, alle Menschen gleich zu behandeln, sofern eine Ungleichbehandlung nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist.
Dennoch scheint absehbar, dass diese Präambel bei der Kritik des vorliegenden Werkes möglicherweise nicht in jeden Fall Berücksichtigung findet. Denn für ideologisch geprägte Kritik bieten die nachfolgend geäußerten Meinungen mannigfaltige Ansatzpunkte. Es bleibt zu hoffen, dass die kritische Auseinandersetzung mit dem vorliegenden Werk bei aller Streitfreudigkeit friedlich und zivilisiert verläuft.
Was heißt Woke? 2017 nahm das Oxford English Dictionary den Begriff auf.1 In den Duden fand das Wort 2021 Eingang.2 „Woke“ wird dort definiert als „in hohem Maß politisch wach und engagiert gegen (insbesondere rassistische, sexistische, soziale) Diskriminierung“. Und da beginnt die Sache problematisch zu werden. Das hieße nämlich im Umkehrschluss, dass jemand, der nicht woke ist, politisch schläft, und dass ihm oder ihr (insbesondere rassistische, sexistische, soziale) Diskriminierung mehr oder minder egal ist. Doch das ist vollkommen falsch!
Ist es rassistisch, die Hautfarbe eines Menschen zu benennen, also das für jeden, der nicht farbenblind ist, Offensichtliche auszusprechen? Und wenn ich es nicht sagen soll, darf ich es dann auch nicht denken? Muss ich mein eigenes Denken zensieren? Oder darf ich das, was ich denke, nur nicht aussprechen? Aber wollen wir wirklich in einer Gesellschaft leben, in der man nicht sagen darf, was man denkt. Es war doch eine der großen Errungenschaften der um das Jahr 1700 einsetzenden Aufklärung, durch rationales Denken alle den Fortschritt behindernden Strukturen zu überwinden. Um es mit dem Philosophen Immanuel Kant, einem der wichtigsten Denker der Aufklärung, zu sagen: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.“3 Dazu gehört unabdingbar die Meinungsfreiheit und – genauer gesagt, die Meinungsäußerungsfreiheit, also das gewährleistete subjektive Recht auf freie Rede sowie freie Äußerung und Verbreitung einer Meinung in Wort, Schrift und Bild sowie allen weiteren verfügbaren Übertragungsmitteln. Natürlich gibt es in einigen Judikativen Einschränkungen hinsichtlich Beleidigungen, Hassreden, Volksverhetzung oder ähnlich negativen Äußerungen – völlig zu Recht! Aber diese Einschränkungen dürfen nicht dazu führen, das Offensichtliche nicht aussprechen zu dürfen, wie es die Woke-Bewegung fordert.
Die woken Forderungen, das Offensichtliche zu ignorieren, breiten sich auf immer mehr Lebensbereiche aus. Muss ich es mir als Frau tatsächlich gefallen lassen, in der Damensauna einer Person zu begegnen, die sich als Frau fühlen mag, aber biologisch ganz offensichtlich ein Mann ist, wie mit einem einzigen Blick festzustellen ist? Ist es richtig, dass eine derart „gefühlte Frau“ über eine Frauenquote in ein Gremium einzieht – und damit für jedermann erkennbar den Grundgedanken der Frauenquote der Lächerlichkeit preisgibt, oder um es deutlicher zu formulieren, in unverschämter Weise für sich ausnutzt. Wenn es eine Definition gibt, die 72 unterschiedliche Geschlechter ausweist, brauchen wir dann auch 72 verschiedene Toiletten, etwa in öffentlichen Gebäuden oder in Restaurants? Meine Antwort lautet ganz klar: Nein!
Doch es geht um viel mehr als Äußerlichkeiten. Es geht um Fundamente unserer Kultur, unsere Sprache und unsere Geschichte. Natürlich wandelt sich Sprache im Laufe der Zeit, aber nur in Unrechtsregimen breitet sich eine Sprachdiktatur aus, die Anderssprechende und damit unterstellt auch Andersdenkende abstraft. Zu einem Rechtsstaat wie der Bundesrepublik Deutschland passt ein aufoktroyiertes „Neusprech“ sicherlich nicht.
Die Geschichte hingegen wandelt sich nicht, sie wird nur immer wieder mit den Augen der Gegenwart neu interpretiert. Das ist auch gut so, aber es darf nicht dazu führen, dass Teile der Vergangenheit sozusagen ausgelöscht werden, weil sie zum heutigen Blickwinkel nicht mehr passen. Eine derartige Lösch- und Zensurkultur – nichts anderes ist die Cancel Culture – ist jeder zivilisierten Gesellschaft und jeder Kulturnation unwürdig.
Daher ist es das Recht und ich meine sogar die Pflicht jedes kultivierten Menschen, dem woken Wahnsinn entgegenzutreten.
Mai Linh Tran
Der Begriff Woke (englisch „erwacht“, „wach“) ist ein im afroamerikanischen Englisch in den 1930er Jahren entstandener Ausdruck, der ein „erwachtes“ Bewusstsein für mangelnde soziale Gerechtigkeit und Rassismus beschreibt. 4 Seitdem schlummerte das Wort jahrzehntelang, bis es mehr als 80 Jahre später „erwachte“.
Doch erst durch tödliche Übergriffe auf schwarze Schüler in den USA wurde der Begriff weiter verbreitet.
Am Abend des 26. Februar 2012 erschoss der 28-jährige Nachbarschaftswachmann und weiße Latino George Zimmerman den 17-jährigen afroamerikanischen Highschool-Schüler Trayvon Martin in Sanford im US-Bundesstaat Florida.5 Der Wachmann begründete seinen tödlichen Schuss mit Notwehr und wurde am 13. Juli 2013 für unschuldig erklärt und freigesprochen. 6 Die Umstände des Todesfalls und der Freispruch lösten in den USA eine landesweite Rassismusdebatte aus.
Rund zwei Jahre später, am 9. August 2014 gegen 12:02 Uhr Ortszeit, wurde der 18-jährige schwarze Schüler Michael Brown nach Tätlichkeiten gegenüber dem Polizisten Darren Wilson von diesem in der Stadt Ferguson im US-Bundesstaat Missouri erschossen.7 In der Folge kam es zu andauernden Unruhen und Demonstrationen gegen rassistische Polizeigewalt, zur Entsendung der Nationalgarde und zur Verhängung nächtlicher Ausgangssperren. Nachdem eine Grand Jury am 24. November entschieden hatte, kein Verfahren gegen Darren Wilson zu eröffnen, kam es am folgenden Tag zum Teil zu gewaltsamen Protesten in mehr als 170 Städten der USA.8
In diesem Kontext entwickelt sich auch der abgeleitete Ausdruck „Stay woke“ als Warnung vor Polizeiübergriffen und ganz allgemein als Aufruf, sensibler und entschlossener auf systembedingte Benachteiligung zu reagieren.9
Vor allem in den Reihen der Black-Lives-Matter-Bewegung entwickelte sich „woke“ zum Begriff des Kampfes gegen die Ungerechtigkeit des weißen Amerikas gegenüber der schwarzen Bevölkerung.10
Black Lives Matter (BLM, englisch für „Schwarze Leben zählen“) war 2013 von den drei schwarzen Frauen Alicia Garza, Opal Tometi und Patrisse Cullors ins Leben gerufen worden und setzt sich gegen staatliche Gewalt und Ungerechtigkeiten gegenüber Schwarzen bzw. Farbigen ein.11 Dabei geht es nicht nur um ausgeübte Gewalt, sondern auch darum, eine auf der Hautfarbe basierende Beschreibung und Profilierung durch Polizeistellen zu verurteilen. Eine Fahndung mit den Worten „Der Flüchtige ist schwarz, etwa 1,80 groß…“ wäre demnach verwerflich.12
BLM hat sich sowohl durch Proteste auf der Straße als auch durch den Hashtag „#BlackLivesMatter“ in den sozialen Medien ausgebreitet. Eine übergeordnet-moralische Bedeutung schrieb sich die Bewegung selbst ab 2015 zu, als Black Lives Matter begann, öffentlich Politiker herauszufordern, ihre Haltung zu den von BLM aufgeworfenen Fragen darzulegen. Weiße US-Politiker wie Bernie Sanders wurden im Vorfeld der Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten von Amerika 2016 aufgefordert, sich zu den Anliegen von Black Live Matters zu bekennen, um nicht als Rassisten zu gelten.13 Sanders zog mit seinen damaligen Reformvorstellungen insbesondere viele Junge und Linke in den USA an, verlor jedoch gegen Hillary Clinton als demokratische Präsidentschaftskandidatin, die die Wahl wiederum gegen den Republikaner Donald Trump verlor, den man wohl in jeder Hinsicht als Gegenpol zu Woke einzuordnen hat.
Am 25. Mai 2020 kam es in Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota erneut zu weißer Polizeigewalt gegen einen Schwarzen. Der weiße Polizeibeamte Derek Chauvin tötete bei der Festnahme den am Boden liegenden 46-jährigen Afroamerikaner George Floyd, indem er neuneinhalb Minuten mit seinem Körpergewicht auf dem Hals des Schwarzen kniete und ihm trotz zahlreicher Bitten Floyds und umstehender Zeugen bis zu seinem Sterben die Atemwege abdrückte. Drei weitere anwesende Polizisten schritten nicht ein. Ein durch einen Passanten aufgenommenes Video des Vorfalls sorgte weltweit für Aufsehen und löste unter dem Motto „Black Live Matters“ eine Protestwelle gegen Polizeigewalt und Rassismus aus. Nach Ausschreitungen und Plünderungen, bei denen mehrere Menschen starben, wurden ab Ende Mai 2020 in 40 US-Städten Ausgangssperren verhängt und die Nationalgarde wurde eingesetzt. Amnesty International dokumentierte dabei in einem Bericht vom August 2020 weitere „vielfache und schwere Menschenrechtsverletzungen“ durch die Polizei.
George Floyd war im Unterschied zu Trayvon Martin und Michael Brown kein Schüler und auch nicht so unschuldig wie die beiden. Der 48-jährige war neun Mal wegen Straftaten zu Gefängnisaufenthalten verurteilt worden, darunter Drogendelikte, Diebstahl, Hausfriedensbruch, und Raub mit einer tödlichen Waffe. 2009 wurde er wegen des bewaffneten Raubs mit Komplizen zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.14 Der Tod ereilte ihn indes wohl zu einer Zeit, als er seinem Leben eine bessere Richtung geben wollte.15
Doch es gab noch einen weiteren Unterschied zu den Fällen Martin und Brown: Die Polizisten entkamen nicht ihrer gerechten Strafe. Der Hauptangeklagte Derek Chauvin wurde 2021 zu einer Freiheitsstrafe von 22,5 Jahren und 2022 zu weiteren 21 Jahren Haft verurteilt. Seine drei Kollegen erhielten Gefängnisstrafen zwischen zweieinhalb und drei Jahren.
Aus dieser dramatischen Geschichte leitet die heutige Woke-Bewegung ihre moralische Überlegenheit ab. Wer nicht woke ist, wird als Rassist abgestempelt, als ein schlechter Mensch, der sozialen Ungerechtigkeiten gleichgültig gegenübersteht – und genau das ist in den Augen der Woke-Bewegung politisch alles andere als korrekt und moralisch zutiefst verwerflich.
Um keinen Raum für Missverständnisse aufkommen zu lassen: Jedes menschlichen Leben ist gleich hochzuachten, völlig unabhängig von der durch Black Live Matters herausgestellten Hautfarbe oder anderer Merkmale. Tatsächlich kam in den USA der Slogan „All Live Matters“ auf, der sich jedoch rasch dem Vorwurf der Trivialität ausgesetzt sah. Gravierender noch: Wer sich dafür aussprach, dass jedes menschliche Leben zählt, sah sich in die Ecke des Rassismus gestellt, weil „All“ als Gegensatz zu „Black“ interpretiert wurde, also einer Herabsetzung von Menschen mit schwarzer Hautfarbe gleichkam. Das mag verständlich sein vor dem Hintergrund, dass Schwarze in den USA einen in vielerlei Hinsicht schwereren gesellschaftlichen Stand haben als Menschen mit weißer Hautfarbe. Aber spätestens bei der Übertragung nach Europa und erst recht nach Deutschland sollte klar werden, dass „alle Menschen“ die deutlich bessere und gerechtere Formulierung darstellt.
Das hinderte „Woke“ indes nicht am Siegeszug weit über die USA hinaus. Dabei wurde der Begriff allmählich über den antirassistischen Ursprung hinaus auf dem Weg zum Mainstream erweitert zu einem generellen Bewusstsein für Ungerechtigkeiten, Ungleichheit und Unterdrückung von Minderheiten. In diesem Kern, also im Bewusstsein für Ungerechtigkeiten, Ungleichheit und Unterdrückung, ist Woke zweifelsohne begrüßenswert. Eine zivilisierte Gesellschaft zeichnet sich geradezu durch eine solche Grundlage aus. Gerechtigkeit, Freiheit und die Gleichheit vor dem Gesetz gehören zu den Grundsätzen der Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen ebenso wie sie auch im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert sind. Darauf hinzuweisen mag eine Banalität sein, aber man kann es im Angesicht von Ungerechtigkeit, Ungleichheit und Unterdrückung auch als eine moralische Pflicht empfinden.
Doch aus dieser unverrückbaren Grundüberzeugung der eigenen moralischen Überlegenheit leitete die Woke-Bewegung immer neue Forderungen ab. Zusehends geht es darum, dass die Mehrheit, der Mainstream, in seinem Denken und Handeln Rücksicht nehmen soll auf „neue“ Minderheiten“, die von den Wokern „entdeckt“ und als „besonders schützenswert“ deklariert werden. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Identitätspolitik, die die Bedürfnisse einer spezifischen Gruppe von Menschen in den Mittelpunkt stellt. Die Mitglieder dieser in der Regel recht kleinen Gruppe sollen eine höhere Anerkennung finden, ihre gesellschaftliche Situation soll verbessert und ihr Einfluss auf die Allgemeinheit soll gestärkt werden. Die Identifizierung dieser Gruppen erfolgt durch kulturelle, ethnische, soziale oder sexuelle Merkmale.
Die Versklavung halb Afrikas durch die Weißen und die daraus resultierenden verheerenden Folgen waren eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, gepaart mit Unmenschlichkeit. Wenn sich die Gesellschaft heutzutage darum bemüht, diese historische Schuld anzuerkennen und vor allem die Folgen abzumildern, dann ist das zweifelsohne gut und richtig. In diesem Sinne ist auch „Black Live Matters“ verständlich und unterstützenswert. Doch die Identifizierung immer neuer Gruppen durch die Woke-Bewegung, die als ebenfalls „unterdrückt und schützenswert“ an das Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden und in das gleiche Ungerechtigkeitsschema gepresst werden mit der moralischen Überzeugung, die Mehrheit müsse auch ihnen eine besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen, ist durch nichts zu rechtfertigen – außer durch Ideologie, Geschichtsversessenheit und dem Wunsch des Menschen, sich selbst auf die Seite der Guten zu setzen, was am einfachsten geht, wenn man andere, die abweichende Überzeugungen vertreten, als moralisch unterlegen abstempelt. Und genau das gelingt der Woke-Bewegung gut: Wer den immer neuen Forderungen, wie man sich korrekt zu verhalten, was man korrekterweise zu sagen und im Grunde wie man zu denken habe, widerspricht, sieht sich des Vorwurfs eines Schlechtmenschens ausgesetzt.
Damit verbunden war eine politische Einordnung der Woke-Welle – nämlich als linker Gegenpol zu dem sich parallel aufkeimenden Populismus am rechten Spektrum, angefacht vom 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump (2017 bis 2021). Wer sich gegen die Woke-Willkür aussprach, sah sich automatisch dem Lager der alten weißen Männer, angeführt vom Egomanen Donald Trump, zugeordnet. Nun sind die Gefahren des Rechtspopulismus in vielen Büchern und unzähligen Presseartikeln ausführlich beschrieben worden (völlig zu Recht!), aber die linke Woke-Szene blieb nicht nur weitgehend ungeschoren, sondern es wurde ihr in vielfältiger Weise nachgeeifert, um nur ja nicht in den Verdacht der Nähe zum Rechtspopulismus zu gelangen. Und damit lief die Sache aus dem Ruder. Aus der Woke-Wolke erwuchs eine Dominanz über unsere Sprache als Ausdruck unseres Denkens, die durch nichts gerechtfertigt ist.
Gendern steht exemplarisch für diese ungute Entwicklung. Aus dem US-amerikanischen Rassismus gegen Schwarze entwickelte sich die Idee, dass auch ein Kampf gegen die Unterdrückung von Frauen in der Gesellschaft geführt werden müsse, und dass dieser Kampf bei der Sprache zu beginnen habe. Wer „Arzt oder Apotheker“ sagt, grenzt, so die Logik dahinter, dadurch Ärztinnen und Apothekerinnen aus, weshalb stets von „Ärztinnen und Ärzten oder Apothekerinnen und Apothekern“ gesprochen werden müsse. Wer diese neudeutsche Formulierung nicht gebrauche, ist – aus woker Sicht – ein Rassist, ein Altmensch, ein ewig Gestriger, ein rechter Populist, ein Verachter von Frauenrechten, ein Unterdrücker, tatsächlich oder zumindest dem Geiste nach ein „alter weißer Mann“. Denn der „alte weiße Mann“ ist geradezu das Feindbild der Woke-Bewegung.
Es war einst eine Beschreibung, doch dann wurde es eine Beschimpfung. Der Wandel von der Charakterisierung zur Beleidigung setzte Anfang der 1990er Jahre in den USA ein, als junge Menschen, Schwarze und Frauen ihr Recht auf Mitbestimmung einforderten. „Ich habe es satt, dass alte weiße Männer den Schwarzen vorschreiben, was sie tun dürfen“, sagte ein schwarzer Konzertbesucher in Georgia 1990 einem Reporter über das Verbot von anstößigen Rap-Texten. Und eine Pflegefachfrau in einer Abtreibungsklinik in Texas ärgerte sich 1991 über alte, weiße Männer, die jungen Frauen das Recht absprachen, über ihren Körper zu bestimmen.16