Ich bin Zlatan - Zlatan Ibrahimović - E-Book
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Zlatan Ibrahimovic

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Beschreibung

Seine Fans versetzt er regelmäßig in Ekstase. Seine Gegner lehrt er durch seine Unberechenbarkeit am Ball das Fürchten. Lästige Fragen nach seinem exzentrischen Auftreten beantwortet er gerne mit dem Satz: »Weil ich Zlatan bin.« Zlatan Ibrahimović ist einer der besten, bekanntesten Stürmer weltweit – und ganz bestimmt der schillerndste. Seine akrobatischen Einlagen am Ball werden auf YouTube millionenfach geklickt. Legendär sind die vier Tore im Spiel der schwedischen Nationalmannschaft gegen England, darunter der Fallrückzieher, der schon jetzt als »Tor des Jahrhunderts« (Focus) gilt. Doch kaum jemand weiß von dem wechselvollen Weg, auf dem er vom kickenden Fahraddieb zum bestbezahlten Fußballprofi der Welt wurde.

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www.malik.de

Die schwedische Originalausgabe erschien 2011 unter dem Titel

»Jag är Zlatan« im Albert Bonniers Förlag in Stockholm.

Aus dem Schwedischen von WOLFGANG BUTT

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Piper Verlag

erschienenen Buchausgabe

1. Auflage 2013.

Mit 44 Schwarz-Weiß-Fotos

ISBN 978-3-492-96342-8

© David Lagercrantz und Zlatan Ibrahimović 2011

© der deutschsprachigen Ausgabe:

in Übereinkunft mit der Bonniers Group Agency, Stockholm, Schweden

Piper Verlag GmbH, München 2013

Coverfoto: Eric Broms

Covergestaltung: Birgit Kohlhaas, kohlhaas-buchgestaltung.de

basierend auf der Originalgestaltung von Nina Ulmaja

Datenkonvertierung: Greiner & Reichel, Köln

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Dieses Buch widme ich meiner Familie, meinen Freunden und allen anderen, die mich in guten wie in schlechten Tagen begleitet haben und an meiner Seite standen. Und all den Kindern dort draußen, die sich ein wenig anders und als Außenseiter fühlen, die nicht richtig ins Schema passen und die aus den falschen Gründen Interesse auf sich ziehen: Es ist okay, nicht so zu sein wie alle anderen. Glaubt nur immer an euch selbst, für mich ist es trotz allem gut ausgegangen.

IN DEN ROLLEN

CO ADRIAANSE Mein erster Trainer bei Ajax.

ALEKSANDAR auch KEKI genannt. Mein kleiner Bruder, 1986 geboren.

MASSIMO AMBROSINI Mannschaftskapitän beim AC Mailand. Mittelfeldspieler.

MICKE ANDERSSON Mein Trainer beim Malmö FF, in der Supereins und in der Allsvenskan.

ROLANDANDERSSON Ehemaliger Fußballnationalspieler. Mein Trainer in der ersten Zeit beim Malmö FF.

MARIO BALOTELLI Junges Talent bei Inter. Stürmer. Später bei Manchester City.

MARCO VAN BASTEN Stürmer. Torschütze. Dominierte vollständig beim AC Mailand. Weltfußballer 1992.

LEO BEENHAKKER Fußballboss, war u.a. Trainer bei Real Madrid. Sportdirektor während meiner ersten Zeit bei Ajax.

TXIKI BEGIRISTAIN Sportdirektor während meiner Zeit bei Barcelona. Trat später zurück.

SILVIO BERLUSCONI Besitzer des AC Mailand. Zeitweilig italienischer Ministerpräsident.

HASSE BORG Ehemaliger Spieler und Abwehrchef der Nationalmannschaft. Sportdirektor in Malmö zu meiner Zeit.

FABIO CANNAVARO Kam zur gleichen Zeit wie ich zu Juventus. Abwehrchef. Weltfußballer 2006. Weltmeister mit Italien.

FABIO CAPELLO Dämonischer Trainer. Mein Coach bei Juventus.

ANTONIO CASSANO Angreifer beim AC Mailand. Italienischer Nationalspieler.

TONY FLYGARE Kindheitsfreund. Fußballtalent beim Malmö FF.

LOUIS VAN GAAL Fußballboss. Trainer. Zu meiner Zeit Direktor bei Ajax.

ITALO GALBIATI Capellos rechte Hand bei Juventus.

ADRIANO GALLIANI Fußballboss. Vizepräsident beim AC Mailand.

GENNARO GATTUSO Mittelfeldspieler beim AC Mailand. Ein Haudegen. Weltmeister mit Italien 2006.

PEP GUARDIOLA Ehemaliger Mittelfeldspieler, spielte beim FC Barcelona. Mein Trainer dort.

HELENA Meine Freundin, meine Lebensgefährtin. Mutter meiner Kinder.

THIERRY HENRY Franzose. Mein Freund bei Barcelona. Superstar, früher bei Arsenal, wo er der beste Torschütze aller Zeiten dieses Vereins wurde. Gewann mit Frankreich die WM und EM.

ANDRÉS INIESTA Phantastischer Mittelfeldspieler und Angreifer bei Barcelona. Gewann mit Spanien die EM und WM.

FILIPPO INZAGHI Torjäger, Torschützenkönig. Star beim AC Mailand. Ich wohnte in seiner Wohnung in Turin. Weltmeister mit Italien.

JURKA Meine Mama, geboren in Kroatien. Hat als Putzfrau gearbeitet.

KAKÁ Brasilianer, offensiver Mittelfeldspieler, Weltstar. Weltfußballer 2007. Ging vom AC Mailand zu Real Madrid.

RONALD KOEMAN Mein Trainer in meiner letzten Zeit bei Ajax.

JOAN LAPORTA Präsident des FC Barcelona bis kurz vor Schluss meiner Zeit dort.

HENKE LARSSON Legendärer schwedischer Stürmer. Profi bei Celtic und Barcelona. Europas Fußballer des Jahres 2001. Ein Mentor für mich zu Beginn meiner Karriere.

BENGT MADSEN Vorstandsvorsitzender beim Malmö FF während meiner Zeit beim Klub.

DANIEL MAJSTOROVIĆ Spielt in der schwedischen Nationalmannschaft. Auslandsprofi, guter Freund.

ROBERTO MANCINI Mein Trainer in den beiden ersten Jahren bei Inter.

MARCO MATERAZZI Steinharter Verteidiger, der 2006 mit Italien Weltmeister wurde. Spielte mit mir bei Inter.

HASSE MATTISSON Mannschaftskapitän bei Malmö FF während meiner Zeit dort.

MAXIMILIAN Mein älterer Sohn, geboren 2006.

MAXWELL Brasilianer. Unglaublich eleganter Rückraumspieler. Mein Kumpel seit meiner ersten Zeit bei Ajax. Wir spielten auch bei Inter und Barcelona zusammen.

OLOF MELLBERG Freund, Nationalspieler, Verteidiger. War u.a. Profi bei Aston Villa und Juventus.

LIONEL MESSI Weltstar. Der Junge, um den das Spiel beim FC Barcelona kreist. Kam als Dreizehnjähriger zum Klub. Weltfußballer der Jahre 2009 bis 2012.

GUDMUNDUR METE Guter Freund. Wir spielten zusammen bei Malmö FF.

MIDO Stürmer. Ägypter. Ein guter Freund bei Ajax.

LUCIANO MOGGI Fußballboss. Legendärer Sportdirektor während meiner Zeit bei Juventus.

MASSIMO MORATTI Ölmagnat, Besitzer von Inter Mailand.

JOSÉ MOURINHO Trainerlegende. Mein Coach bei Inter. Ging später zu Real Madrid und zurück zu Chelsea.

PAVEL NEDVE˘D Mittelfeldspieler, spielte zusammen mit mir bei Juventus. Wurde 2003 zum Fußballer Europas gewählt.

ALESSANDRO NESTA Starverteidiger beim AC Mailand. Weltmeister 2006.

ALEXANDRE PATO Junger, frecher Stürmer beim AC Mailand. Brasilianer.

ANDREA PIRLO Mittelfeldspieler beim AC Mailand, später an Juventus verkauft. Weltmeister mit Italien 2006.

MINO RAIOLA Mein Agent, mein Freund, mein Ratgeber.

ROBINHO Supertalent aus Brasilien. Stürmer beim AC Mailand, zuvor bei Real Madrid und Manchester City.

RONALDINHO Brasilianer. Superstar. Weltfußballer der Jahre 2004 und 2005. Wir spielten beim AC Mailand zusammen.

RONALDO Einer der Größten aller Zeiten. Brasilianer, Stürmer.1996, 1997 und 2002 zum Weltfußballer des Jahres gewählt. Mein großes Idol, als ich ein Junge war.

CRISTIANO RONALDO Stürmer, Weltstar. Weltfußballer des Jahres 2008. Spielte bei Manchester United. Ging für eine Rekordsumme zu Real Madrid. (Im Buch meistens Cristiano genannt, um ihn von dem zu unterscheiden, der für mich der echte Ronaldo ist.)

SANDRO ROSELL Der Nachfolger von Joan Laporta als Präsident des FC Barcelona.

SANELA Meine große Schwester, 1979 geboren.

SAPKO Mein großer Bruder, 1973 in Bosnien geboren.

ŠEFIK Mein Papa. Geboren in Bosnien. Hat als Maurer und Hausmeister gearbeitet.

THOMAS SJÖBERG Ehemaliger Fußballer und Nationalspieler. Zweiter Trainer in meiner Zeit bei Malmö FF.

THIJS SLEGERS Holländischer Journalist und Freund.

RUNE SMITH Der Journalist, der den ersten Artikel über mich schrieb.

JOHN STEEN OLSEN Der Vermittler, der mich bei Malmö FF entdeckte. Er vermittelte mich an Ajax. Heute einer meiner engen Freunde.

LILIAN THURAM Rückraumspieler. Spielte mit mir bei Juventus. Gewann mit Frankreich die EM und WM.

DAVID TRÉZÉGUET Franzose, Torjäger, Star. Wir spielten bei Juventus zusammen. Europameister und Weltmeister mit Frankreich.

RAFAEL VAN DER VAART Mittelfeldspieler in meiner Zeit bei Ajax.

PATRICK VIEIRA Mittelfeldspieler, spielte mit mir bei Juventus und Inter. Superstar, Freund. Siegertyp. Gewann mit Frankreich die EM und WM.

CHRISTIAN WILHELMSSON auch CHIPPEN genannt.Mittelfeldspieler, Nationalspieler, Freund.

VINCENT Mein zweiter Sohn, geboren 2008.

XAVI Glänzender Mittelfeldspieler bei Barcelona. Kam als Elfjähriger zum Klub. Gewann mit Spanien die EM und WM.

GIANLUCA ZAMBROTTA Verteidiger, eine Legende, spielte mit mir bei Juventus und beim AC Mailand. Weltmeister mit Italien 2006.

ALEXANDER ÖSTLUND Freund, ehemaliger Nationalspieler. Früher Profi u.a. in Southampton.

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3 Im Semifinale in der Champions League 2009/2010 taucht plötzlich Mourinho hinter mir und Guardiola auf.

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6 »Sanela und ich auf Papas Opel«

7 »Willkommen zu Hause Zlatan«

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10 Jugendmannschaft des Malmö FF

11 Jugendmannschaft des MBI

12 Du kannst einen Typen aus dem Ghetto holen, aber du holst niemals das Ghetto aus einem Typen.

13 Mit Erik Hamrén

14 Mit Ronaldinho / Gattuso beim AC Mailand

15 Meisterschaft mit Inter

16 Maxwell und ich feiern bei Ajax

17 Mit Messi in Barcelona

18 Patrick Vieira und ich

19 Nach dem Gewinn der Torjägerkrone in der Serie A

20 Mit Thierry Henry in Barcelona

21 Mit Pelé

22 Zlatan Camp: eine Fußballschule für Jungen und Mädchen

23 Dr. Ibrahimovic bei Maxis Geburt

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25 Helena, Maxi und ich

26 Die Ultras heißen Maxi auf der Welt willkommen.

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28 Mit Moggi und Maxi

29 Papa und ich mit Vincent und Maxi in Vaters Wohnung

30 Die Rückkehr nach Mailand. Mino, ich, Vincent und Maxi

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33 zu Hause in Malmö

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36 Auf der Jagd

37

38 Beim Angeln

39 Fallrückzieher zum letzten meiner vier Tore im Testspiel gegen England

40 Hoffa isst Pizza.

41 Mit Trustor zu Hause in Malmö

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PEP GUARDIOLA, mein Trainer in Barcelona, mit seinen grauen Anzügen und seiner ständigen Grübelmiene, kam zu mir und sah gequält aus.

Ich fand ihn in Ordnung damals, nicht gerade ein Mourinho oder Capello, aber er war okay. Dies war lange bevor wir anfingen, Krieg zu führen. Es war der Herbst 2009, und ich lebte in meinem Jungentraum. Ich spielte in der besten Mannschaft der Welt und war von siebzigtausend Menschen in Camp Nou, dem legendären Stadion von Barça, empfangen worden. Ich schwebte wie auf Wolken, na ja, vielleicht nicht ganz. In den Zeitungen wurde eine Menge Mist geschrieben. Ich war der bad boy, mit mir war nicht gut Kirschen essen, so ein Kram eben. Aber trotz allem, ich war hier. Helena und die Jungen fühlten sich wohl. Wir hatten ein schönes Haus in Esplugues de Llobregat, und ich war hoch motiviert. Was sollte da schiefgehen?

»Du«, sagte Guardiola. »Hier bei Barça stehen wir mit beiden Füßen auf dem Boden.«

»Sure«, sagte ich. »Fine!«

»Und hier kommen wir nicht mit Ferraris oder Porsches zum Training.«

Ich nickte, machte nicht auf dicke Lippe nach dem Motto: Was zum Teufel gehen dich meine Autos an? Aber ich dachte: Was will er? Was für eine Botschaft will er rüberbringen? Ehrlich, ich habe es nicht mehr nötig, mich als krasser Typ aufzuspielen, ein geiles Auto zu fahren und auf dem Bürgersteig zu parken. Aber ich liebe nun mal Autos. Sie sind meine Leidenschaft, und ich ahnte, hinter seinen Worten verbarg sich etwas anderes: Glaub ja nicht, dass du jemand bist.

Ich hatte schon begriffen, dass Barcelona so etwas wie eine Schule war, eine Anstalt. Die Spieler waren cool, an ihnen lag es nicht, und außerdem war Maxwell da, mein alter Kumpel von Ajax und Inter. Aber ehrlich gesagt, keiner von den Jungs führte sich auf wie ein Superstar, und das war komisch. Messi, Xavi, Iniesta, die ganze Bande, sie benahmen sich wie Schuljungen. Die besten Fußballspieler der Welt buckelten, und das machte mich stutzig. Es war lächerlich. Wenn die Trainer in Italien sagen: »Springt!«, dann fragen die Stars: »Wieso denn das? Warum sollen wir springen?«

Hier sprangen alle auf den kleinsten Wink. Ich passte nicht hinein, überhaupt nicht. Aber ich dachte: Mach gute Miene zum bösen Spiel. Bestätige nicht ihre Vorurteile! Deshalb spielte ich das Spiel mit. Ich wurde ein Musterknabe. Es war zu blöd. Mino Raiola, mein Agent und Freund, sagte:

»Was ist denn nur los mit dir, Zlatan? Ich erkenne dich nicht wieder.«

Keiner erkannte mich wieder, die Kumpel nicht, niemand. Ich verkümmerte, und dazu muss man wissen, dass ich seit der Zeit bei Malmö FF eine Philosophie habe: Ich ziehe meinen Stil durch. Mir ist egal, was die Leute sagen, und ich habe mich unter Ordnungsmenschen noch nie wohlgefühlt. Ich habe was übrig für Typen, die bei Rot fahren, um es mal so zu sagen. Aber jetzt … ich sagte nicht, was ich wollte.

Ich sagte das, wovon ich glaubte, man müsste es sagen. Es war völlig krank. Ich fuhr den Audi des Vereins und stand da und nickte wie in der Schule, oder vielleicht eher: wie ich in der Schule hätte stehen und nicken sollen. Ich schimpfte kaum noch auf meine Mannschaftskameraden. Ich wurde langweilig. Zlatan war nicht mehr Zlatan, und das war nicht mehr vorgekommen, seit ich in die Borgarskola gegangen war und zum ersten Mal Mädchen in Ralph-Lauren-Klamotten gesehen und mir beinah in die Hose gemacht hatte, wenn ich mit ihnen ausgehen wollte. Dennoch hatte ich einen glänzenden Saisonstart mit Barça. Ich schoss ein Tor nach dem anderen. Wir gewannen den UEFA Super Cup. Ich glänzte. Ich dominierte. Aber ich war ein anderer. Etwas war geschehen, nichts Ernstes, noch nicht, aber dennoch. Ich verstummte, und das ist lebensgefährlich, glaubt mir. Ich muss schreien und mich ausleben. Jetzt fraß ich alles in mich hinein. Vielleicht hatte es mit dem Druck zu tun. Keine Ahnung.

Ich war der zweitteuerste Transfer überhaupt, und die Zeitungen schrieben, ich sei ein Problemkind und hätte Charakterfehler, allen möglichen Mist, und leider belastete mich das – also hier bei Barça spielen wir uns nicht auf, und all das, und ich vermute, ich wollte zeigen, dass ich auch anders konnte. Das war das Dümmste, was ich je getan habe. Ich war immer noch extrem auf dem Platz. Aber es machte keinen Spaß mehr.

Ich dachte sogar daran, mit dem Fußball Schluss zu machen. Es war nicht so, dass ich meinen Vertrag brechen wollte, ich bin ja Profi. Aber ich verlor die Lust, und dann kam die Weihnachtspause. Wir fuhren nach Åre, und ich mietete einen Schneescooter. Sobald das Leben stillsteht, muss ich Action haben. Ich fahre immer wie ein Verrückter. Ich habe meinen Porsche Turbo mal auf 325 km/h hochgejubelt und die Bullen abgeschüttelt. Ich habe so viele Wahnsinnssachen gemacht, dass ich kaum daran denken mag, und da oben im Fjell fegte ich auf meinem Scooter herum und holte mir Erfrierungen und hatte einen Riesenspaß.

Endlich Adrenalin! Endlich wieder der alte Zlatan, und ich dachte: Warum soll ich weitermachen? Ich habe ja Geld. Ich muss mich nicht mit idiotischen Trainern herumärgern. Stattdessen könnte ich mir ein schönes Leben machen und mich um die Familie kümmern. Es war eine herrliche Zeit. Aber sie dauerte nicht lange. Als wir nach Spanien zurückkehrten, kam die Katastrophe. Nicht direkt vielleicht, sie schlich sich an, sie lag in der Luft.

Es gab ein völlig krankes Winterunwetter. Es schien, als hätten die Spanier noch nie Schnee gesehen. Bei uns in den Bergen standen die Autos überall kreuz und quer, und Mino, der dicke Idiot – der wunderbare dicke Idiot, muss ich wohl hinzufügen, damit niemand es missversteht –, fror in seinen flachen Schuhen und seiner Sommerjacke und überredete mich, den Audi zu nehmen. Es wäre beinahe total schiefgegangen. An einem Hang verloren wir die Kontrolle und krachten gegen eine Betonmauer, und ich demolierte die rechte Vorderachse des Wagens.

Viele aus der Mannschaft hatten bei dem Unwetter Unfälle, aber keiner so heftig wie ich. Ich gewann auch den Unfallwettbewerb, und wir lachten darüber, und für einen Moment war ich tatsächlich ich selbst. Doch dann fing Messi an zu reden. Lionel Messi ist krass. Er ist unglaublich. Ich kenne ihn nicht besonders. Wir sind total verschieden. Er kam als Dreizehnjähriger zu Barça. Er ist in dieser Kultur groß geworden und hat kein Problem mit dem ganzen Schulscheiß. In der Mannschaft dreht sich alles um ihn, ganz natürlich eigentlich. Er ist glänzend, aber jetzt war ich gekommen und schoss mehr Tore als er. Er ging zu Guardiola und sagte:

»Ich will nicht mehr auf der rechten Außenseite spielen. Ich will in der Mitte spielen.«

In der Mitte ganz vorne war ich. Aber Guardiola war das egal. Er wechselte die Taktik. Von 4:3:3 ging er zu 4:5:1 über, mit mir in der Spitze und Messi direkt dahinter, und ich landete im Schatten. Die Bälle liefen über Messi, und ich konnte mein Spiel nicht spielen. Auf dem Platz muss ich frei sein wie ein Vogel. Ich bin der Typ, der auf allen Niveaus den Unterschied machen will. Aber Guardiola opferte mich. Das ist die Wahrheit. Er klemmte mich da vorn ein. Okay, ich kann seine Situation begreifen. Messi war der Star.

Guardiola musste auf ihn hören. Aber mal ehrlich! Ich hatte in Barça ein Tor nach dem anderen geschossen, und ich war auch krass gewesen. Er konnte die Mannschaft nicht nach einem einzigen Typen ausrichten. Also, ich meine: Wozu zum Teufel hatte er mich dann gekauft? Keiner zahlt so viel Kohle, um mich als Spieler abzuwürgen. Guardiola musste an uns beide denken, und es war klar, dass die Vereinsführung nervös wurde. Ich war ihre bis dahin größte Investition, und ich fühlte mich in der neuen Aufstellung nicht wohl. Ich war zu teuer, um mich nicht wohlzufühlen. Txiki Begiristain, der Sportdirektor, kam zu mir und sagte, ich müsse mit dem Trainer reden.

»Klär das!«

Mir gefiel das nicht. Ich bin ein Spieler, der die Lage akzeptiert. Aber ich tat es! Einer meiner Kumpel sagte zu mir: »Zlatan, es ist, als hätte Barça einen Ferrari gekauft, und jetzt fahren sie ihn wie einen Fiat«, und ich dachte, stimmt, das ist ein gutes Argument. Guardiola hat mich in einen einfacheren, schlechteren Spieler verwandelt. Die ganze Mannschaft verliert dadurch.

Ich ging zu ihm. Es war auf dem Platz, beim Training, und eins war mir wichtig. Ich wollte keinen Streit, und das sagte ich ihm.

»Ich will keinen Streit. Ich will keinen Krieg. Nur ein Gespräch.«

Er nickte. Aber vielleicht sah er trotzdem ein bisschen ängstlich aus, und deshalb wiederholte ich es noch einmal:

»Wenn du glaubst, dass ich Streit anfangen will, gehe ich. Ich will nur reden.«

»Gut! Ich rede immer gern mit den Spielern.«

»Hör mal«, sagte ich, »ihr schöpft mein Potenzial nicht aus. Wenn ihr nur einen Knipser haben wolltet, hättet ihr Inzaghi oder sonst wen kaufen sollen. Ich brauche Platz, und ich muss frei sein. Ich kann nicht nur die ganze Zeit steil gehen und wieder zurücksprinten. Ich wiege achtundneunzig Kilo. Ich habe dafür nicht die Physis.«

Er grübelte. Er grübelte ständig.

»Ich glaube, dass du so spielen kannst.«

»Nein, dann ist es besser, ihr setzt mich auf die Bank. Bei allem Respekt, ich verstehe dich, aber du opferst mich für andere Spieler. So geht das nicht. Ihr kauft doch auch keinen Ferrari, um ihn wie einen Fiat zu fahren.«

Er grübelte noch ein bisschen.

»Okay, es war vielleicht ein Fehler. Das ist mein Problem. Ich werde es lösen.«

Ich war froh. Er würde es in Ordnung bringen. Ich ging mit leichteren Schritten davon, aber dann begann die Eiszeit. Er guckte mich kaum noch an, und ich bin keiner, der sich daraus was macht. Trotz meiner neuen Position glänzte ich weiter. Ich schoss Tore, nicht ganz so schöne Tore wie in Italien. Dafür war ich zu weit vorgeschoben. Es war nicht der alte »Ibrakadabra«, aber immerhin … Gegen Arsenal auswärts im neuen Emirates Stadium in der Champions League spielten wir sie völlig an die Wand. Die Stimmung kochte.

Die ersten zwanzig Minuten waren ganz unglaublich, und ich schoss das 1:0 und das 2:0, es waren wieder schöne Tore, und ich dachte mir: Scheiß auf Guardiola! Spiel einfach!

Aber dann wurde ich ausgewechselt, und da kam Arsenal wieder zurück und schoss das 1:2 und das 2:2, es war Mist. Hinterher hatte ich Wadenschmerzen, und normalerweise kümmern sich Trainer um so was. Ein verletzter Zlatan ist für jede Mannschaft eine ernste Angelegenheit. Aber Guardiola war eiskalt. Er sagte keinen Ton, und ich fiel drei Wochen aus, und nicht ein einziges Mal kam er zu mir und fragte:

»Wie geht es dir, Zlatan? Kannst du das nächste Spiel spielen?«

Er sagte nicht einmal Guten Morgen. Kein Wort. Er wich meinem Blick aus. Wenn ich einen Raum betrat, ging er hinaus. Was ist los, dachte ich. Habe ich was angestellt? Sehe ich seltsam aus? Rede ich komisch? Mir begann sich der Kopf zu drehen. Ich konnte nicht schlafen.

Ständig und überall dachte ich daran. Nicht weil ich Guardiolas Liebe unbedingt nötig gehabt hätte. Er durfte mich gern hassen. Hass und Rache stacheln mich an. Aber jetzt verlor ich die Orientierung. Ich redete mit den Spielern. Aber keiner begriff etwas. Ich fragte Thierry Henry, der damals auch auf der Bank saß. Thierry Henry ist der beste Torschütze in der Geschichte der französischen Liga. Er war immer noch unglaublich, und er hatte auch seine Probleme mit Guardiola.

»Er grüßt mich nicht. Er sieht mir nicht in die Augen. Was kann passiert sein?«, fragte ich.

»Keine Ahnung«, antwortete Henry.

Wir fingen an, Witze darüber zu machen, nach dem Muster: »Hej, Zlatan, heute schon einen Blick bekommen?« – »Nein, aber ich habe seinen Rücken gesehen!« – »Glückwunsch, es geht voran!« Solche Albernheiten, und das half ein wenig. Aber es ging mir wirklich auf die Nerven, und ich fragte mich jeden Tag, jede Stunde: Was habe ich getan? Was läuft falsch? Ich bekam keine Antwort, nichts. Aber mir wurde immer klarer, die Eiseskälte musste mit dem Gespräch über meine Position zu tun haben. Eine andere Erklärung gab es nicht. Aber es wäre ja völlig krank, wenn das stimmte. War das eine Psychomasche, um mich kaltzustellen, wegen eines Gesprächs über meine Position? Ich versuchte, Guardiola zu konfrontieren. Auf ihn zuzugehen und seinen Blick zu suchen. Er wich aus. Er schien Schiss zu haben, und klar, ich hätte einen Gesprächstermin ausmachen und ihn fragen können: Was ist eigentlich los? Aber ich war genug vor ihm gekrochen.

Es war sein Problem. Nicht dass ich gewusst hätte, worum es ging. Ich weiß es noch immer nicht, oder doch … Ich glaube, dass der Junge starken Persönlichkeiten nicht gewachsen ist. Er will nette Schuljungen haben, und noch schlimmer: Er läuft vor seinen Problemen davon. Er schafft es nicht, ihnen in die Augen zu sehen, und das machte alles nur noch schlimmer.

Dann kam die Aschewolke des Vulkans auf Island. In Europa waren alle Flüge abgesagt worden, und wir sollten in San Siro in Mailand gegen Inter spielen. Wir nahmen den Bus. Irgendein heller Kopf bei Barça hielt das für eine gute Idee. Ich war zu dem Zeitpunkt nicht mehr verletzt. Aber die Reise war eine Katastrophe. Sie dauerte sechzehn Stunden, und als wir in Mailand ankamen, waren wir völlig fertig. Es war das bis dahin wichtigste Spiel, das Semifinale der Champions League, und ich war darauf vorbereitet, in meinem alten Heimstadion ausgepfiffen zu werden. Kein Problem, wie gesagt, so was motiviert mich eher. Aber die Lage war bescheiden, und ich glaube, Guardiola hatte einen Mourinho-Komplex.

José Mourinho ist ein ganz Großer. Er hatte schon mit Porto die Champions League gewonnen. Er war bei Inter mein Trainer. Er ist wunderbar. Als er Helena zum ersten Mal traf, flüsterte er ihr zu: »Helena, you have only one mission. Feed Zlatan, let him sleep, keep him happy!« Der Typ sagt, was er will. Ich mag ihn. Er ist der Feldherr. Aber er kümmert sich auch. Die ganze Zeit bei Inter hing er an mir und wollte wissen, wie es mir ging. Er ist das genaue Gegenteil von Guardiola. Wenn Mourinho einen Raum erleuchtet, zieht Guardiola die Gardinen zu, und ich vermutete, dass Guardiola sich jetzt mit ihm messen wollte.

»Wir spielen nicht gegen Mourinho. Wir spielen gegen Inter«, sagte er, ungefähr so, als säßen wir da und dächten, dass wir mit dem Trainer Fußball spielen sollten, und dann spulte er sein Philosophiezeugs herunter.

Ich hörte kaum zu. Warum auch? Es war gehobenes Geschwafel, von Blut, Schweiß und Tränen und so was. Nie habe ich einen Trainer so reden hören! Der reinste Müll! Aber jetzt kam er wirklich zu mir. Es war beim Training in San Siro, und die Leute waren da und guckten und checkten: Ibra ist wieder da!

»Kannst du von Anfang an spielen?«, fragte Guardiola.

»Klar«, sagte ich. »Ich bin heiß.«

»Aber bist du bereit?«

»Eindeutig. Ich bin gut drauf.«

»Aber bist du vorbereitet?«

Er war wie ein Papagei, und ich fühlte miese Schwingungen.

»Okay, es war eine ätzende Reise, aber ich bin in Form. Die Verletzung ist verheilt. Ich werde alles geben.«

Guardiola sah aus, als zweifelte er daran. Ich begriff ihn nicht, und hinterher rief ich Mino Raiola an. Ich rufe Mino Raiola wegen allem und jedem an. Schwedische Journalisten pflegen zu sagen: Mino verschafft Zlatan ein schlechtes Image. Mino ist dies und das. Soll ich sagen, wie es wirklich ist? Mino ist ein Genie. Ich fragte ihn:

»Was meint der Kerl?«

Keiner von uns wurde schlau aus ihm. Uns fiel langsam nichts mehr ein. Aber ich war in der Startelf, und wir machten das 1:0. Dann drehte sich das Spiel. Ich wurde nach sechzig Minuten ausgewechselt, und wir verloren 3:1. Es war Scheiße. Ich war stocksauer. Aber früher, bei Ajax zum Beispiel, konnte ich mich Tage und Wochen über eine Niederlage ärgern. Jetzt habe ich Helena und die Kinder. Sie helfen mir, zu vergessen und weiterzugehen.

Ich konzentrierte mich auf das Rückspiel in Camp Nou. Das Rückspiel war wahnsinnig wichtig, und die Stimmung stieg mit jedem Tag. Es entstand ein total verrückter Druck. Es lag gleichsam ein Donnergrollen in der Luft, und wir mussten hoch gewinnen, um weiterzukommen. Aber dann … ich will nicht daran denken, oder doch, ich will, es hat mich stärker gemacht. Wir gewannen 1:0. Aber es reichte nicht. Wir flogen aus der Champions League, und hinterher sah Guardiola mich an, als wäre alles mein Fehler, und ich dachte: Das war’s. Jetzt sind alle Karten gespielt. Nach dem Spiel kam es mir so vor, als sei ich nicht mehr willkommen im Verein, und mir wurde schon schlecht, wenn ich ihren Audi fuhr.

Es ging mir beschissen, wenn ich in der Kabine saß und Guardiola mich anstarrte, als wäre ich ein Störfaktor, ein Außenstehender. Es war völlig absurd. Er war eine Wand, eine Steinmauer. Ich bekam kein Lebenszeichen von ihm, und jeden Moment, den ich bei der Mannschaft war, wünschte ich mich weg.

Ich gehörte nicht mehr dazu, und als wir auswärts gegen Villarreal spielten, ließ er mich fünf Minuten spielen. Fünf Minuten! Es kochte richtig in mir; nicht weil ich auf der Bank saß. Das akzeptiere ich, wenn der Trainer den Mumm hat zu sagen: Du bist nicht gut genug, Zlatan. Du spielst nicht!

Aber Guardiola sagte kein Wort, keinen Mucks, und jetzt reichte es mir. Ich spürte es im ganzen Körper, und wenn ich Guardiola gewesen wäre, hätte ich es mit der Angst bekommen. Nicht dass ich ein Schläger bin! Ich habe allen möglichen Scheiß angestellt. Aber ich schlage mich nicht, na ja, auf dem Platz habe ich wohl die eine oder andere Kopfnuss verteilt. Andererseits, wenn ich wütend werde, wird mir schwarz vor Augen. Dann kommt man mir lieber nicht zu nahe, und wenn ich jetzt ein bisschen genauer erzählen soll, dann ging ich also nach dem Spiel in die Kabine und hatte nicht direkt irgendeine Wahnsinnsattacke geplant. Aber ich war nicht gerade heiter gestimmt, und da drinnen stand mein Feind und kratzte sich die Glatze. Sonst waren nicht viele in der Kabine.

Touré war da und noch ein paar und dann diese Blechkiste, in die wir unsere Sachen legten. Und ich starrte die Kiste an. Dann trat ich dagegen. Ich glaube, sie flog drei Meter weit, aber ich war noch nicht fertig. Noch lange nicht. Ich schrie: »Du hast keine Eier!«, und bestimmt noch schlimmere Sachen, und dann fügte ich hinzu: »Du scheißt dir in die Hosen vor Mourinho. Fahr zur Hölle!«

Ich war vollkommen außer mir, und vielleicht hätte man erwarten können, dass Guardiola ein paar Worte erwidert hätte, etwas in der Art wie: Jetzt krieg dich mal wieder ein, so redet man nicht mit seinem Trainer! Aber so einer ist er nicht. Er ist ein Feigling. Er stellte nur die Metallkiste wieder richtig hin wie ein kleiner Pedant, und dann ging er hinaus und redete nicht mehr darüber, nicht ein Wort. Aber natürlich ging das Gerede los. Im Bus waren alle völlig aufgedreht.

»Was war los? Was war los?«

Nichts, dachte ich. Nur ein paar klare Worte. Aber ich mochte nicht darüber reden. Ich war so angefressen. Woche für Woche hatte mein Trainer und Chef mich kaltgestellt, ohne zu erklären, warum. Es war vollkommen krank. Ich habe auch früher schon Riesenzoff gehabt. Aber am Tag danach haben wir uns ausgesprochen, und damit war die Sache erledigt. Hier aber gingen nur das Schweigen und die Psychospielchen weiter, und ich dachte: Ich bin achtundzwanzig Jahre alt. Ich habe allein hier bei Barça zweiundzwanzig Tore geschossen und fünfzehn Assists und werde behandelt, als existierte ich nicht. Soll ich mir das antun? Soll ich mich weiter anpassen? Nie im Leben!

Als mir klar wurde, dass ich gegen Almería auf der Bank sitzen würde, erinnerte ich mich an die Worte: »Hier in Barcelona kommen wir nicht mit Ferraris oder Porsches zum Training!« Was war das eigentlich für ein Quatsch? Ich fahre, womit ich will, zumindest wenn ich damit Idioten auf die Palme bringen kann. Ich sprang in meinen Enzo und gab Gas und parkte genau vor dem Eingang zum Trainingsgelände, und natürlich gab es ein Mordsbohei. Die Zeitungen schrieben, dass das Auto genauso viel kostete wie die Monatsgehälter aller Almería-Spieler zusammen. Aber das war mir egal. In der gegenwärtigen Lage war das Mediengetöse nebensächlich. Ich hatte beschlossen dagegenzuhalten.

Ich hatte beschlossen, ernsthaft zu fighten, und dazu muss man wissen, dass ich das Spiel beherrsche. Ich habe mich schon früher von meiner harten Seite gezeigt, das könnt ihr mir glauben. Aber umso weniger durfte ich jetzt die Vorbereitungen schleifen lassen, und deshalb sprach ich natürlich mit Mino. Wir planen die smarten und die weniger feinen Tricks immer zusammen, und dann rief ich die Kumpel an.

Ich wollte die Sache aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten, und Herrgott, ich bekam alle möglichen Ratschläge. Die Jungs aus Rosengård wollten runterkommen und Sachen kaputt schlagen, und natürlich war das gut gemeint von ihnen, schien aber in der gegebenen Lage nicht ganz die richtige Strategie zu sein, und natürlich diskutierte ich die Sache mit Helena. Sie ist ja aus einer anderen Welt. Sie ist wunderbar. Sie kann auch tough sein. Aber jetzt munterte sie mich auf.

»Du bist auf jeden Fall ein besserer Vater geworden. Wenn du keine Mannschaft hast, in der du dich wohlfühlst, schaffst du bei uns ein Team«, sagte sie, und das machte mich froh.

Ich kickte eine ganze Menge mit den Kindern herum und versuchte, dazu beizutragen, dass alle sich wohlfühlten, und natürlich saß ich vor meinen Computerspielen. Das hat Züge einer Sucht bei mir. Ich gehe völlig darin auf. Aber seit den Jahren bei Inter, als ich bis vier, fünf Uhr am Morgen davor sitzen und mit nur zwei, drei Stunden Schlaf im Körper zum Training fahren konnte, habe ich mich selbst ein wenig diszipliniert: Keine Xbox oder PlayStation nach zehn Uhr abends.

Ich darf die Zeit nicht einfach verschwinden lassen, und in diesen Wochen in Spanien versuchte ich wirklich, mich der Familie zu widmen und in unserem Garten zu entspannen, und manchmal trank ich sogar ein Corona. Das war die gute Seite. Aber nachts, wenn ich wach lag, oder im Training, wenn ich Guardiola sah, erwachten die dunkleren Seiten zum Leben. Der Zorn hämmerte in meinem Kopf, und ich ballte die Fäuste und plante meine Gegenzüge und meine Revanche. Nein, mir wurde immer klarer, dass es jetzt kein Zurück mehr gab. Ich musste aufstehen und wieder ich selbst werden.

Denn eins darf man nicht vergessen: Du kannst einen Typen aus dem Ghetto holen, aber du holst niemals das Ghetto aus einem Typen.

2

ALSICHKLEINWAR, bekam ich von meinem Bruder ein BMX-Rad. Ich nannte es Fido Dido.

Fido Dido war eine witzige Comicfigur, der die Haare zu Berge standen und die ich supercool fand. Aber das Fahrrad wurde mir vor dem Rosengård-Schwimmbad geklaut, und mein Vater kam mit offenem Hemd und aufgekrempelten Ärmeln an. Er ist der Typ, der sagt: Niemand rührt meine Kinder an! Keiner nimmt ihre Sachen! Aber auch ein harter Bursche wie er konnte nichts daran ändern. Fido Dido war weg, und ich war völlig verzweifelt.

Danach fing ich an, selbst Fahrräder zu klauen. Ich schlug die Schlösser auf. Darin war ich spitze. Einfach bang, bang, und das Teil gehörte mir. Ich war der Fahrraddieb. Das war mein erstes krummes Ding. Es war ziemlich unschuldig. Aber manchmal lief es aus dem Ruder. Einmal kleidete ich mich in schwarze Sachen und ging in schlimmster Rambomanier in die Dunkelheit hinaus und schnitt mit einem riesigen Bolzenschneider ein Militärfahrrad los, und gar keine Frage, das Teil war cool. Ich liebte es. Aber es war mehr der Kick beim Klauen als das Rad. Ich legte richtig los. Ich schlich im Dunkeln umher, warf einen Haufen Eier an Fensterscheiben und solche Sachen, und ich wurde nur ganz selten dabei geschnappt.

Da war diese eine peinliche Geschichte in Wessels Kaufhaus draußen in Jägersro. Aber ich hatte es verdient, ehrlich gesagt. Ein Kumpel und ich trugen mitten im Sommer dicke Daunenjacken, völlig idiotisch, und darunter hatten wir vier Tischtennisschläger und anderen Kram, den wir eingesteckt hatten. »Und womit wollt ihr das alles bezahlen?«, fragte der Wachmann, als er uns erwischte. Ich holte sechs Zehnörestücke aus der Hosentasche und sagte: »Na ja, hiermit.« Aber der Kerl hatte keinen Humor, und ich beschloss, in Zukunft professioneller zu sein, und ich vermute, dass ich am Ende ein ziemlich geschickter Ganove wurde.

Ich war ein kleiner Kerl mit einer großen Nase und lispelte und bekam Sprachtraining. Eine Frau kam zu mir in die Schule und brachte mir bei, »s« zu sagen, und ich fand es erniedrigend und nehme an, ich hatte es nötig, mich zu behaupten. Außerdem zuckte es in meinem Körper. Ich konnte keine Sekunde still sitzen und sauste die ganze Zeit herum. Es kam mir vor, als könnte mir nichts Schlimmes zustoßen, wenn ich nur schnell genug rannte. Wir wohnten in Rosengård am Stadtrand von Malmö, und da wimmelte es von Somaliern, Türken, Jugos, Polen, allen möglichen Ausländern eben, und Schweden. Wir Jungs machten alle auf hart. Wegen jeder Kleinigkeit rasteten wir aus, und man kann nicht behaupten, dass es zu Hause leicht war.

Wir wohnten damals in der dritten Etage im Cronmans väg, und mit Küsschen und so war bei uns nichts. Keiner fragte: »Na, Zlatan, wie war dein Tag heute, mein Lieber?« Von wegen. Kein Erwachsener half einem bei den Hausaufgaben oder interessierte sich dafür, ob du ein Problem hattest. Du musstest allein klarkommen, und es half nichts, herumzujammern, wenn jemand dir auf die Füße getreten hatte. Du musstest die Zähne zusammenbeißen, und es gab Chaos und Streit und Schläge und Ohrfeigen. Aber klar, manchmal hofftest du auf ein wenig Sympathie. Eines Tages fiel ich in der Tagesstätte von einem Dach. Ich hatte ein riesiges blaues Auge, lief weinend nach Hause und erwartete, dass jemand mich in den Arm nähme oder zumindest ein paar tröstende Worte für mich fände. Stattdessen bekam ich eine Ohrfeige.

»Was hattest du auf dem Dach zu suchen?«

Nichts mit: »Oh, armer Zlatan.« Sondern: »Du verfluchter Idiot, kletterst auf ein Dach, dafür hast du eine Ohrfeige verdient.« Und ich war schockiert und zog mich zurück, oder ich haute ab, raus. Meine Mutter hatte keine Zeit, mich zu trösten, nicht damals. Sie putzte und schuftete, um uns durchzubringen, sie war wirklich eine Kämpferin. Aber für mehr hatte sie keine Kraft. Sie hatte es nie leicht gehabt, und wir hatten alle ein furchtbares Temperament. Bei uns zu Hause gab es kein schwedisches Süßholzgeraspel wie: »Liebling, sei so nett und reich mir die Butter«, sondern eher: »Hol die Milch, du Idiot!« Türen knallten, und Mutter weinte. Sie weinte oft. Ich liebe sie. Sie hat hart geschuftet im Leben. Sie hat vierzehn Stunden täglich sauber gemacht, und dann und wann gingen wir mit und leerten die Papierkörbe und kriegten ein wenig Taschengeld. Aber manchmal war Mutter fix und fertig.

Sie schlug uns mit Holzlöffeln, und manchmal gingen die Löffel kaputt, und dann musste ich los und neue kaufen, als sei es meine Schuld, dass sie so fest geschlagen hatte. Ich erinnere mich besonders an einen Tag. Ich hatte in der Tagesstätte einen Ziegelstein geworfen, der irgendwie abprallte und ein Fenster einschlug, und als Mutter das hörte, drehte sie durch. Alles, was Geld kostete, machte sie wahnsinnig, und sie schlug mich mit dem Löffel. Bang, boom! Es tat weh, und vielleicht ging der Löffel wieder kaputt. Ich weiß nicht. Manchmal gab es keine Löffel mehr im Haus, und einmal kam Mutter mit einer Teigrolle hinter mir her. Aber da brachte ich mich in Sicherheit, und dann sprach ich mit Sanela darüber.

Sanela ist mein einziges Vollgeschwister. Sie ist zwei Jahre älter als ich und eine ganz Gewitzte. Sie fand, wir sollten Mama ein wenig veräppeln. Die spinnt doch, uns auf den Kopf zu schlagen! Völlig krank! Also gingen wir in den Supermarkt und kauften Löffel, drei Stück für zehn Kronen, und die schenkten wir Mutter zu Weihnachten.

Ich glaube, sie hat die Ironie nicht begriffen. Für so was hatte sie keinen Sinn. Es sollte Essen auf dem Tisch stehen. Dafür gingen alle ihre Kräfte drauf. Wir waren viele zu Hause, meine Halbschwestern, die später verschwanden und mit der gesamten Familie brachen, und mein kleiner Bruder Aleksandar, Keki genannt, und das Geld reichte nicht. Nichts reichte, und die älteren Geschwister kümmerten sich um uns Kleine. Wir wären sonst nicht zurechtgekommen, und es gab häufig Fertigmakkaroni mit Ketchup, oder wir aßen bei den Kumpeln oder meiner Tante Hanife, die im selben Haus wohnte und die als Erste von uns allen nach Schweden gekommen war.

Ich war noch keine zwei Jahre alt, als Papa und Mama sich trennten. Ich erinnere mich kaum daran. Es war vermutlich besser so. Nach allem, was ich verstanden habe, war es keine gute Ehe. Es gab Streit und Krach, und sie hatten geheiratet, damit Papa die Aufenthaltsgenehmigung bekäme, und ich nehme an, es war ganz natürlich, dass wir alle bei Mama landeten. Aber ich sehnte mich nach meinem Vater. Er hatte es besser, und es passierten coolere Dinge um ihn herum. Sanela und ich trafen Papa jedes zweite Wochenende, und dann kam er oft in seinem alten blauen Opel Kadett, und wir fuhren zum Pildammspark oder hinaus auf die Insel in Limhamn und kauften Hamburger und Softeis. Einmal schlug er richtig zu und schenkte jedem von uns ein Paar Nike Air Max, die coolen Sportschuhe, die tausend Kronen kosteten oder so. Meine waren grün, Sanelas rosa. Niemand in Rosengård hatte solche Schuhe, und wir fühlten uns so cool wie sonst was. Mit Vater ging es uns gut, und wir konnten fünfzig Kronen für Pizza und Coca-Cola kriegen. Er hatte eine ordentliche Arbeit und nur einen weiteren Sohn, Sapko. Er war unser lustiger Feiertagspapa.

Aber die Lage wurde kritischer. Sanela war eine krasse Läuferin. Sie war die Schnellste in ihrer Altersklasse über sechzig Meter in ganz Schonen, und Vater war stolz wie Oskar und fuhr sie zum Training. »Gut, Sanela. Aber du kannst es noch besser«, sagte er. Das war sein Ding: »Besser, besser, gib dich nicht zufrieden«, und diesmal war ich mit im Auto. Vater hat es jedenfalls so in Erinnerung, und er merkte es direkt. Etwas stimmte nicht. Sanela schwieg. Sie kämpfte gegen die Tränen an.

»Was ist passiert?«, fragte er.

»Nichts«, erwiderte sie, und er fragte weiter, und am Schluss erzählte sie. Wir brauchen nicht in die Details zu gehen, das ist Sanelas Geschichte. Aber mein Vater, er ist wie ein Löwe. Wenn seinen Kindern etwas passiert, wird er wild, besonders wenn es sich um Sanela dreht, seine einzige Tochter, und es gab einen Riesenzirkus mit Verhören und Sozialamtsuntersuchungen und Sorgerechtsstreitigkeiten und dergleichen. Ich begriff nicht viel davon. Es war kurz vor meinem neunten Geburtstag.

Es war der Herbst1990, und man hielt es von mir fern. Dennoch ahnte ich natürlich etwas. Zu Hause wurde es unruhig. An und für sich war es nicht das erste Mal. Eine meiner Halbschwestern nahm Drogen, harte Sachen, und sie hatte das Zeug zu Hause versteckt. Es gab oft Aufregung ihretwegen, zwielichtige Leute riefen an, und man hatte Angst, dass etwas Ernstes passieren könnte. Ein andermal war Mutter wegen Hehlerei im Gefängnis gelandet. Bekannte hatten zu ihr gesagt: »Nimm mal diese Halsketten an dich!«, und sie gehorchte. Sie begriff nicht. Aber dann stellte sich heraus, dass es Diebesgut war, und die Polizei rauschte bei uns rein und nahm Mutter fest. Ich erinnere mich vage an ein wunderliches Gefühl: Wo ist Mutter? Warum ist sie weg?

Aber jetzt nach diesem letzten Ding mit Sanela weinte sie wieder, und ich floh davor. Ich rannte draußen herum oder spielte Fußball. Dabei war ich nicht gerade ein Muster an Ausgeglichenheit oder ein vielversprechendes Talent. Ich war einer unter vielen Rotzlöffeln, die Fußball spielten, nur etwas schlimmer. Ich bekam wahnsinnige Ausbrüche. Ich verteilte Kopfnüsse und beschimpfte die Mitspieler. Aber ich hatte den Fußball. Das war mein Ding, und ich spielte die ganze Zeit, im Hof, auf dem Platz und in den Pausen. Wir gingen damals auf die Värner-Rydén-Schule, Sanela in die fünfte Klasse und ich in die dritte, und es gab keinen Zweifel, wer von uns beiden sich gut führte! Sanela musste schon früh groß werden und Extramama für Keki sein und die Familie versorgen, als die Schwestern sich aus dem Staub machten. Sie trug eine unglaubliche Verantwortung. Sie war brav. Sie war kein Mädchen, das zum Rektor bestellt und zurechtgewiesen wurde, und deshalb bekam ich es sofort mit der Angst zu tun, als der Bescheid kam. Wir sollten beide zu einem Gespräch erscheinen, und wenn es nur ich gewesen wäre, das wäre normal gewesen, die reine Routine. Aber jetzt waren es Sanela und ich. War jemand gestorben? Was war los?

Ich hatte Bauchschmerzen, und wir gingen über den Schulkorridor. Es muss im Spätherbst oder Winter gewesen sein. Ich hatte Angst. Aber als wir hineinkamen, saß Papa mit dem Rektor da, und ich war total erleichtert. Papa, das bedeutete meistens spaßige Sachen. Aber es war ganz und gar nicht spaßig. Die Stimmung war angespannt und feierlich, und es begann am ganzen Körper zu kribbeln, und ehrlich gesagt, ich begriff nicht viel von dem Ganzen, nur dass es sich um Papa und Mama drehte und nichts Angenehmes war, überhaupt nicht. Aber inzwischen weiß ich es. Jetzt, viel später, als ich mich mit diesem Buch beschäftigt habe, sind die Puzzlestücke an ihren Platz gerückt worden.

Im November hatte das Sozialamt seine Untersuchung abgeschlossen, und Vater bekam das Sorgerecht für Sanela und mich. Das Milieu bei Mutter wurde als ungeeignet angesehen, nicht in erster Linie ihretwegen, das muss ich sagen. Es ging um andere Dinge, aber trotzdem war es ein schwerer Schlag, eine enorme Demütigung, und Mama war am Boden zerstört. Sollte sie auch uns verlieren? Es war eine Katastrophe. Sie weinte und weinte, und klar, sie hatte uns mit Holzlöffeln verprügelt und uns Ohrfeigen verpasst und nicht auf uns gehört, und sie hatte Pech mit ihren Männern gehabt, und nichts lief, wie es sollte, und all das. Aber sie liebte ihre Kinder. Sie war eben selbst in rauen Verhältnissen aufgewachsen, und ich glaube, dass Vater das begriff. Er ging am selben Nachmittag zu ihr:

»Ich will nicht, dass du sie verlierst, Jurka.«

Aber er verlangte, dass sie sich anstrengte, und in solchen Situationen ist nicht mit ihm zu spaßen. Es fielen bestimmt harte Worte. »Wenn es nicht besser wird, siehst du die Kinder nicht mehr wieder« und dergleichen, und was genau geschah, weiß ich nicht. Aber Sanela wohnte ein paar Wochen bei Papa, und ich blieb bei Mama, trotz allem. Keine gute Lösung. Sanela ging es bei Vater nicht gut. Wir fanden ihn zu der Zeit schlafend auf dem Fußboden, und auf dem Tisch standen Bierdosen und Flaschen. »Papa, wach auf, wach auf!« Aber er schlief weiter. Es war komisch, fand ich. Warum tat er so was? Wir wussten nicht, was wir tun sollten. Aber wir wollten helfen. Vielleicht fror er? Wir deckten ihn mit Handtüchern und Decken zu, damit er warm würde. Im Übrigen begriff ich nicht viel davon. Vermutlich begriff Sanela mehr. Sie hatte gemerkt, wie seine Stimmungen schwankten und wie er explodierte und brüllte wie ein Bär, und ich glaube, das machte ihr Angst. Außerdem vermisste sie den kleinen Bruder. Sie wollte wieder zu Mama zurück, während es für mich umgekehrt war. Ich sehnte mich nach dem Vater, und an einem dieser Abende rief ich ihn an und klang sicher verzweifelt. Es war einsam geworden ohne Sanela.

»Ich will nicht hier sein. Ich will bei dir wohnen.«

»Komm her«, sagte er. »Ich schicke ein Taxi.«

Es gab neue Untersuchungen vom Sozialamt, und im März 1991 erhielt Mama das Sorgerecht für Sanela und Papa das für mich. Wir wurden getrennt, meine Schwester und ich, haben aber immer zusammengehalten, oder genauer gesagt, es ging auf und ab. Aber im Grunde sind wir uns unglaublich nah. Sanela ist heute Friseurin, und manchmal kommen Leute in ihren Salon und sagen: »Mein Gott, wie ähnlich du Zlatan siehst!«, und dann antwortet sie immer: »Quatsch, er ähnelt mir.« Sie ist kernig. Aber weder sie noch ich haben es leicht gehabt. Mein Vater, Šefik, war 1991 vom Hårds Väg in Rosengård zum Värnhemstorg in Malmö gezogen, und so viel ist wohl bis hierhin schon klar geworden, er hat ein großes Herz, er würde für uns sterben. Aber es kam nicht so, wie ich es erwartet hatte. Ich kannte ihn als den Sonntagspapa, der Hamburger und Softeis kaufte.

Jetzt sollten wir den Alltag miteinander teilen, und ich merkte sofort: Es war leer bei Vater. Es fehlte etwas, vielleicht eine Frau. Es gab einen Fernseher, eine Couch, ein Bücherregal, zwei Betten. Aber keine Extras, keine Wohnlichkeit, auf dem Tisch standen Bierdosen, und auf dem Fußboden lag Müll herum, und wenn Vater sich einmal einen Ruck gab und tapezierte, wurde nur eine Wand fertig, nach dem Motto: »Den Rest mach ich morgen!« Aber dazu kam es nicht, und wir zogen oft um, und nie gelang es uns, eine Ordnung zu schaffen. Aber es war auch auf andere Art und Weise leer.

Vater war Hausmeister mit der anstrengendsten Schicht, und wenn er nach Hause kam in seinen Schreinerhosen, die ganzen Taschen voller Schraubenzieher und Werkzeuge, setzte er sich ans Telefon oder vor den Fernseher und wollte nicht gestört werden. Er war in seiner Welt, und häufig setzte er Kopfhörer auf und hörte jugoslawische Volksmusik. Er ist verrückt nach der Jugomusik. Er hat selbst ein paar Kassetten eingespielt. Wenn er in Stimmung ist, wird er zum Showman. Aber er war meistens in seiner eigenen Welt, und wenn meine Leute sich meldeten, fauchte er sie an: »Ruft hier nicht an!«

Ich durfte meine Kumpel nicht mitbringen, und wenn sie nach mir gefragt hatten, erfuhr ich nichts davon. Das Telefon war nicht für mich, und ich hatte zu Hause eigentlich niemanden, mit dem ich hätte reden können, oder na ja, wenn es etwas Ernstes war, dann war Vater für mich da. Dann tat er alles Mögliche, machte sich auf in die Stadt mit seinem ganzen Mackergehabe und versuchte, alles in Ordnung zu bringen.

Er hatte eine Art zu gehen, die die Leute stutzen ließ: Wer ist das denn, zum Teufel? Aber all das Gewöhnliche, was in der Schule passiert war, oder auf dem Fußballplatz oder mit den Kumpels, das interessierte ihn nicht, und ich musste mit mir selbst reden oder aus dem Haus gehen.

In der ersten Zeit wohnte zwar Sapko, mein Halbbruder, bei uns, und bestimmt habe ich zuweilen mit ihm geredet, er muss damals siebzehn gewesen sein. Aber ich habe keine besondere Erinnerung daran, und nicht viel später warf Papa ihn raus. Sie hatten fürchterlichen Stress gehabt. Das ist natürlich auch eine traurige Sache, und es blieben nur Vater und ich zurück. Wir waren jeder in seiner Ecke allein, kann man sagen, denn das Komische war, dass er auch keine Freunde zu Hause hatte. Er saß allein und trank. Es herrschte Leere, was Gesellschaft anging. Aber vor allem herrschte Leere im Kühlschrank.

Ich war ständig draußen und spielte Fußball und gurkte auf gestohlenen Fahrrädern herum, und oft kam ich hungrig wie ein Wolf nach Hause und riss die Kühlschranktür auf und dachte: Bitte, bitte, lass was drin sein! Aber nein, nichts, nur das Übliche: Milch, Butter, ein Brot und im besten Fall Saft, Multivitaminsaft, die Vierliterpackung aus dem arabischen Laden, denn die war am billigsten, und dann natürlich Bier, Pripps Blå und Carlsberg, die Sechserpackungen mit diesem Plastik drum herum. Manchmal gab es nichts anderes als Bier, und mein Magen brüllte. Schmerzen, die ich nie vergessen werde. Fragt Helena! Der Kühlschrank muss proppenvoll sein, sage ich die ganze Zeit. Das geht nicht aus mir raus. Neulich hat Vincent, mein Junge, geweint, weil er keine Nudeln bekam, und dabei standen die Makkaroni schon auf dem Herd und kochten. Der Bursche schrie, weil das Essen nicht schnell genug fertig wurde, und am liebsten hätte ich ihn angebrüllt: Wenn du wüsstest, wie gut es dir geht!

Ich konnte jeden Kasten, jeden Winkel nach einer einzigen Makkaroni oder einem Fleischklößchen durchsuchen. Ich aß mich an getoasteten Butterbroten satt. Ich konnte einen ganzen Laib davon verschlingen, oder ich lief zu Mutter hinüber. Da wurde ich nicht immer mit offenen Armen empfangen. Es konnte eher heißen: »Was zum Teufel, kommt Zlatan auch? Gibt Šefik ihm nicht genug zu essen?« Und manchmal wurde ich ausgeschimpft: »Sind wir vielleicht aus Geld gemacht? Willst du uns die Haare vom Kopf fressen?« Aber dennoch, wir halfen einander, und bei Vater begann ich, einen kleinen Krieg gegen das Bier zu führen. Ich goss einiges davon aus, nicht alles, das wäre zu offensichtlich gewesen, aber einiges.

Er merkte selten etwas. Es gab überall Bier, auf dem Tisch und in den Regalen, und oft packte ich die leeren Dosen in große schwarze Säcke und holte mir das Pfand dafür. Ich bekam fünfzig Öre pro Dose. Und manchmal strich ich fünfzig oder hundert Kronen dafür ein. Das waren eine Menge Dosen, und ich freute mich über das Geld. Aber klar, es war kein Spaß, und wie alle Kinder in dieser Situation lernte ich, ganz genau zu sehen, in welcher Stimmung Vater war. Ich wusste haargenau, wann es sich nicht lohnte, mit ihm zu reden. Am Tag, nachdem er getrunken hatte, war es unproblematisch. Am zweiten Tag war es schlimmer. Manchmal konnte er hochgehen wie eine Bombe. Dann wieder war er unglaublich großzügig. Schenkte mir fünfhundert Kronen, einfach so. Damals sammelte ich Fußballbilder. Man bekam ein Kaugummi und drei Bilder in einer kleinen Packung. Ich war gespannt, was krieg ich heute für welche? Maradona vielleicht? Meistens wurde ich enttäuscht, besonders wenn es nur langweilige schwedische Stars waren, von denen ich nichts wusste. Aber eines Tages kam Vater mit einem ganzen Karton nach Hause. Es war das reinste Fest, und ich riss die Packungen auf und bekam alle möglichen coolen Brasilianer, und manchmal guckten wir Fernsehen zusammen und redeten. Und dann ging es uns einfach nur gut.

Aber an anderen Tagen war er betrunken. Ich habe die reinsten Schreckensbilder im Kopf, und als ich ein wenig älter wurde, legte ich mich deswegen mit ihm an. Ich kniff nicht wie mein Bruder. Ich sagte zu ihm: »Papa, du trinkst zu viel«, und wir hatten wahnsinnige Auseinandersetzungen, völlig sinnlose Fights manchmal, ehrlich gesagt. Ich konnte Streit anfangen, obwohl ich ihm ansah, dass er nur zurückschreien würde: »Ich schmeiß dich raus!«, und dergleichen. Aber ich wollte zeigen, dass ich mich behaupten konnte, und zuweilen war zu Hause die Hölle los.

Aber er rührte mich nie an, physisch also, nie. Doch, einmal hob er mich zwei Meter in die Luft und ließ mich aufs Bett fallen, aber das war nur, weil ich gemein gewesen war zu Sanela, seinem Augenstern. Im Grunde war er der netteste Mensch der Welt, und heute verstehe ich, dass er es nicht leicht hatte. »Er trinkt, um seine Sorgen zu ertränken«, sagte mein Bruder, und das war vielleicht nicht die ganze Wahrheit. Aber dann kam der Krieg, und der machte ihm wirklich schwer zu schaffen.

Mit dem Krieg war es so eine Sache. Ich erfuhr nie etwas darüber. Ich wurde geschützt. Alle strengten sich mächtig an. Ich verstand nicht einmal, warum Mama und meine Schwestern sich in Schwarz kleideten. Es war völlig unbegreiflich, wie eine plötzliche Modemasche. Aber es war wegen Großmutter, die bei einem Bombenangriff in Kroatien umgekommen war, und alle trauerten, alle außer mir, der nichts wissen durfte und der ich mir nie etwas daraus machen sollte, ob die Leute Serben oder Bosnier oder sonst was waren. Aber für Vater war es am schlimmsten.

Er stammte aus Bijeljina in Bosnien. Er war da unten Maurer gewesen, und seine ganze Familie und alle alten Freunde lebten in der Stadt, und jetzt war dort auf einmal die Hölle ausgebrochen. Bijeljina wurde mehr oder weniger vergewaltigt, und es war nicht verwunderlich, dass er sich wieder Moslem nannte, überhaupt nicht. Die Serben zogen in die Stadt ein und richteten Hunderte von Moslems hin. Ich glaube, er kannte viele von ihnen, und seine ganze Familie wurde in die Flucht getrieben. Die ganze Bevölkerung von Bijeljina wurde ausgetauscht, und überall zogen Serben in die leeren Häuser ein, auch in Vaters altes Haus. Irgendeiner ging einfach ins Haus und übernahm es, und ich kann wirklich begreifen, dass Vater keine Zeit für mich hatte, besonders nicht an den Abenden, wenn er auf die Nachrichten im Fernsehen oder ein Telefonat von da unten wartete. Der Krieg fraß ihn auf, und er war wie besessen davon, die Ereignisse zu verfolgen. Er saß einsam da und trank und trauerte und hörte seine Jugomusik, und ich sah zu, dass ich mich von zu Hause fernhielt, oder ich ging zu Mutter hinüber. Das war eine andere Welt.

Bei Papa waren es nur er und ich. Bei Mama war immer Zirkus. Leute kamen und gingen, laute Stimmen und Lärm. Mutter war damals in derselben Straße, Cronmans väg 5A, in den vierten Stock gezogen, in die Wohnung über Tante Hanife, oder Hanna, wie ich sie nannte. Ich, Keki und Sanela waren uns wirklich nah. Wir waren Verbündete. Aber auch bei Mutter gab es einigen Mist. Die Halbschwester versank immer tiefer in der Drogenabhängigkeit, und Mama zuckte jedes Mal zusammen, wenn das Telefon klingelte oder jemand an die Tür klopfte: »Nein, nein. Haben wir nicht genug Unglück erlebt? Was ist jetzt wieder?« Sie wurde vorzeitig alt und reagierte ausgesprochen allergisch, wenn es um Drogen ging. Es ist noch gar nicht lange her, da rief sie völlig hysterisch an: »Es liegen Drogen im Kühlschrank. Herrgott, Drogen!«

Ich war auch sofort aus dem Häuschen und rief Keki an, ziemlich aggressiv: »Was tun die Drogen in Mutters Kühlschrank, verflucht!« Er begriff nichts, bis ihm plötzlich ein Licht aufging. Sie hatte Schnupftabak gefunden.

»Immer mit der Ruhe, Mama, es ist nur Schnupftabak.«

»Alles der gleiche Mist«, sagte sie.

Jene Jahre haben sie wirklich gezeichnet, und wir hätten damals bestimmt braver sein sollen. Aber so etwas hatten wir nicht gelernt. Wir kannten nur harte Bandagen. Die Halbschwester mit den Drogenproblemen zog früh aus und machte einen Entzug nach dem nächsten, kam aber nie los von dem Zeug, und am Ende brach Mutter mit ihr, oder sie mit Mutter. Ich kenne den Hintergrund nicht ganz genau. Es war auf jeden Fall ziemlich hart, aber wir haben diesen Zug in unserer Familie. Wir sind nachtragend und dramatisch und sagen: »Ich will dich nie mehr wiedersehen!«, und solche Sachen.

Auf jeden Fall erinnere ich mich an ein Mal, da war ich bei der Schwester mit den Drogen in ihrer eigenen kleinen Wohnung. Ich glaube, es war an meinem Geburtstag. Sie hatte Geschenke gekauft. Mitten in alldem war sie nett. Aber dann wollte ich aufs Klo, und da bekam sie die Panik und hielt mich zurück. »Nein, nein!«, rief sie und lief und räumte da drinnen auf. Ich begriff, dass etwas nicht stimmte. Dass es ein Geheimnis gab. Es gab eine ganze Reihe solcher Momente. Aber wie gesagt, man hielt das von mir fern, und ich hatte meine eigenen Dinge, meine Räder und meinen Fußball, und dann meine Träume von Bruce Lee und Muhammad Ali. Ich wollte werden wie sie.

Papa hatte im alten Jugoslawien einen großen Bruder gehabt, der Sabahudin hieß. Er wurde Sapko genannt, mein großer Bruder wurde nach ihm benannt. Sabahudin war Boxer gewesen, ein echtes Talent. Er boxte für BK Radnički in der Stadt Kragujevac und wurde mit seinem Klub jugoslawischer Meister und war Mitglied der Nationalstaffel. Aber1967, als er frisch verheiratet und erst dreiundzwanzig Jahre alt war, schwamm er in der Neretva, und da gab es Strömungen und Strudel, und ich glaube, er hatte einen Herzfehler oder etwas mit den Lungen. Er wurde in die Tiefe hinabgezogen und ertrank, und ihr könnt euch vorstellen, es war ein harter Schlag für die Familie, und danach wurde Vater eine Art Fanatiker. Er hatte alle großen Kämpfe aufgenommen, auf alten Videokassetten, und es war nicht nur Sabahudin, sondern auch Ali, Foreman und Tyson, und auf den Kassetten waren auch alle Bruce-Lee-Filme und die von Jackie Chan.

Die guckten wir uns an, wenn wir gemeinsam vorm Fernseher hingen. Schwedisches Fernsehen war geschenkt. Das existierte nicht auf unserer Landkarte. Wir lebten in einer ganz anderen Welt. Ich war zwanzig Jahre alt, als ich meinen ersten schwedischen Film sah, und ich hatte keine Ahnung von schwedischen Helden oder Sportgrößen à la Ingemar Stenmark oder in der Art. Aber Ali, den kannte ich! Was für eine Legende! Der hatte seinen Stil, egal, was die Leute sagten. Der bat nicht um Entschuldigung, und das vergaß ich nie. Der Bursche war cool. Der zog sein Ding durch. So sollte man sein, und ich machte es ihm nach in manchen Dingen, also I am the greatest und so. In Rosengård brauchte man eine harte Haltung, und wenn man angemacht wurde – am schlimmsten war es, Fotze genannt zu werden –, dann kam es darauf an dagegenzuhalten.

Obwohl wir uns meistens nicht untereinander stritten. Man kackt nicht ins eigene Bett, wie wir sagten. Es lief mehr nach dem Motto: Wir in Rosengård gegen alle anderen. Ich war dabei und ging auf die Straße gegen diese Rassisten, die am 13. November demonstrieren, und einmal beim Malmöfestival sah ich eine ganze Horde Jungs aus Rosengård, so an die zweihundert, hinter einem einzigen Typen herjagen. Es sah nicht ganz fair aus, ehrlich gesagt. Aber weil es Jungs aus meinem Vorort waren, lief ich mit ihnen, und ich glaube, diesem Burschen ging es nachher nicht so gut. Wir waren alle aufmüpfig und wild. Aber manchmal fiel es schwer, hart zu sein.

Als Vater und ich bei der Stenkulaschule wohnten, blieb ich oft noch lange bei Mutter, und dann musste ich durch einen dunklen Betontunnel gehen, der schräg gegenüber von der Annelundsbron die Amiralsgatan unterquert. Ein paar Jahre vorher war Vater unter dieser Brücke einmal überfallen und beraubt und schwer misshandelt worden und mit einer punktierten Lunge im Krankenhaus gelandet. Ich dachte auf meinen Wegen oft daran, obwohl ich es natürlich nicht wollte. Je mehr ich es verdrängte, desto öfter tauchte es auf. Durch das Viertel ziehen sich Bahngleise und eine Straße. Außerdem eine eklige Gasse, mit ein paar Büschen und zwei Straßenlaternen, eine genau vor dem Tunnel und die andere dahinter. Sonst war es dunkel, und ich spürte miese Vibes. Deshalb wurden die Laternen meine Richtpunkte. Zwischen ihnen rannte ich wie ein Verrückter mit wüst schlagendem Herzen und spürte die ganze Zeit: Bestimmt stehen da drinnen ein paar fiese Typen wie die, die Vater überfallen haben. Und ich dachte total manisch: Wenn ich nur schnell genug laufe, geht es gut; und ich kam völlig außer Atem zu Hause an und war alles andere als Muhammad Ali.

Ein anderes Mal nahm Vater Sanela und mich mit zum Baden in Arlöv, und hinterher war ich bei einem Kumpel. Als ich loswollte, fing es an zu regnen. Es goss wie aus Kübeln, und ich raste wie ein Irrer und kam völlig durchnässt zu Hause an und konnte nicht mehr gerade gehen. Wir wohnten damals in der Zenithgatan, ein Stück von Rosengård entfernt, und ich war vollkommen fertig. Ich zitterte nur noch und hatte Bauchweh. Ich hatte höllische Schmerzen. Ich konnte mich nicht rühren und lag zusammengekrümmt auf dem Bett. Ich erbrach mich. Ich hatte Krämpfe. Ich kollabierte.

Vater kam herein, und klar, er ist, wie er ist, und sein Kühlschrank war leer, und er trank zuviel. Aber wenn es wirklich darauf ankommt, dann gibt es keinen wie ihn, und er rief ein Taxi und hob mich hoch in der einzigen Stellung, in der ich liegen konnte, also wie eine kleine Krabbe ungefähr, und trug mich zum Auto hinunter. Ich war damals leicht wie eine Feder. Papa war groß und stark und völlig wild, er war wieder ein Löwe, und er schrie die Taxifahrerin an: