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Es geht um einen Rückblick auf viele Erlebnisse, Ereignisse - schöne und ebenso furchtbare, grausame Momente - während meiner Tätigkeit in der Altenpflege. Ich halte noch einmal Rückschau auf eine lange Zeit voller Mühen, aber auch lustiger Augenblicke. Wie könnte eine würdevolle Pflege bei all den beschränkten Mitteln, die dafür zur Verfügung stehen, in Zukunft gestaltet werden?
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Seitenzahl: 262
Veröffentlichungsjahr: 2022
Ich war PFLEGER
Ich war PFLEGER
LOLO TATAY
© 2022 Lolo Tatay
Buchsatz von tredition, erstellt mit dem tredition Designer
ISBN Softcover: 978-3-347-72710-6
ISBN Hardcover: 978-3-347-72712-0
ISBN E-Book: 978-3-347-72713-7
ISBN Großschrift: 978-3-347-72714-4
Druck und Distribution im Auftrag des Autors:
tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.
Inhalt
Einleitung
Warum noch ein Buch über die Pflege?
Allgemeines
Wie alles begann
Püppie, Smiley und der Hausl
Ein kleiner Abstecher in die Wissenschaft
Ideen und Wünsche
Die Pflege-Charta
Zukunft braucht Herz
Beispiele guter, praktischer Ansätze …
a. …in Einrichtungen
b. …bei Vorgesetzten / Leitungen
c. …bei Pflegenden und anderem Personal
d. …bei Bewohnern
e. …in der Öffentlichkeit
Über die verschiedenen Arten der Freude
Quellen- und Literaturhinweise
Einleitung
Ich bin Rentner – endlich!
Irgendwie kann ich es noch gar nicht so recht fassen, aber es ist wahr.
45 Jahre Berufsausbildung und Arbeit liegen hinter mir. 38 Jahre davon war ich in der Pflege tätig. Ich habe eine so lange Zeit hinter mir gelassen, während der ich mich durch alle Höhen und Tiefen der Altenpflege gekämpft habe.
Viele andere, die diesen Berufszweig gewählt hatten, sind schon nach wenigen Jahren wieder frustriert ausgestiegen, weil sie den Druck und die Umstände, die in der Altenpflege vorherrschen, nicht ausgehalten haben. Ich bin anscheinend einer der wenigen, die ihr Ding bis zum Ende durchgezogen haben.
Ich will mir all die wunderbaren Erlebnisse, aber auch die vielen Enttäuschungen, Ängste und die Verzweiflung noch einmal ins Gedächtnis zurückrufen, um dann endlich loslassen und damit abschließen zu können.
Wenn berühmte Persönlichkeiten ihre Memoiren schreiben, ist das meist ein Zeichen dafür, dass sie an Bedeutung verloren haben oder aber alt sind – oder beides.
Vielleicht mutet es auch etwas eingebildet an, wenn ich mich nun auch diesem erhabenen Kreis anschließe und eine Rückschau auf mein Leben als Altenpfleger zu Papier bringe.
Manches will und kann ich einfach nicht unerwähnt lassen, bevor es meine Seele sprengt.
Ich darf nicht schweigen.
Altenpflege war – und ist es grundsätzlich immer noch – mein Traumberuf.
Allerdings musste ich schon sehr bald feststellen, dass die Begleitumstände, die ich in meiner Laufbahn vorgefunden habe und die Art und Weise, wie ich gezwungen war, diesen Beruf auszuüben, rein gar nichts mehr mit dem zu tun hatten, was ich während meiner Ausbildung gelernt hatte und entsprachen (und entsprechen) schon gar nicht meinen persönlichen Grundsätzen und Wertvorstellungen.
Ich gebe zu, ich war am Ende meiner aktiven Arbeitszeit müde, erschöpft, ausgebrannt und völlig ausgelaugt.
Ich hatte kaum mehr Kraft, mich gegen all die Widerstände zu stemmen, die sich mir entgegenstellten.
Es war höchste Zeit für mich, die „Pflegewelt“ zu verlassen, da körperliche und seelische Schäden aus dieser Tätigkeit immer öfter und mit immer schwererem Verlauf auftraten.
Vielen Dank all den Menschen, die mich mit guten Wünschen und Gedanken durch die Zeit begleitetet haben.
Ebenfalls vielen Dank auch an all diejenigen, die mit ihrer Ignoranz, mit ihren Hass- und Schmähbotschaften unfreiwillig Werbung für meine Bücher machen und damit vielleicht auch das Interesse wecken und Unruhe schüren, damit vielleicht durch die Hintertür ein neues Bewusstsein in der Pflege in Gang gebracht wird.
Der allergrößte Dank gilt natürlich meiner geliebten Frau Silvia, meiner schärfsten Kritikerin, die mir all die Jahre zu Seite stand, mich auffing, wenn ich zu stürzen drohte und mir immer wieder die Kraft zum Durchhalten gab. Ohne sie hätte ich es nicht geschafft.
Noch ein Hinweis in eigener Sache:
Ich achte und ehre alle Menschen, gleich welchen Geschlechts sie auch sind.
Aber ich hasse dieses stupide Gendern um jeden Preis, weil es meiner Ansicht nach nichts an der Grundeinstellung so mancher, intoleranter Menschen ändert.
Ich verwende in diesem Buch immer nur eine Geschlechtsform, weil es ansonsten, so glaube ich, den Lesefluss zu sehr beeinträchtigen würde.
Ich betone nochmal:
Es liegt mir fern, irgendjemanden wegen seiner Geschlechtlichkeit zu diskriminieren.
Warum noch ein Buch über die Pflege?
… gibt es denn nicht schon genug davon?
Jeder von uns war sicherlich schon einmal an dem Punkt, an dem er feststellte: „Jetzt reicht´s! So will ich nicht mehr weitermachen!“
Dies war oft eine tiefe, innere Entscheidung zur Veränderung, obwohl wir nicht genau wussten, wie wir es anpacken sollten.
Wir suchten nicht länger nach dem oder den Schuldigen, sondern waren bereit, unsere Energie für eine Verbesserung einzusetzen, ganz egal, wie viele Opfer es uns kosten würde.
Solch eine innere Entschlossenheit ermöglicht erst Veränderung. Sie ist der Anfang des Wandels.
Sie ist auch der Grund dafür, dass ich meine Erfahrungen, Ideen, Gedanken und Vorschläge niederschreibe und veröffentliche, um möglichst viele Menschen anzuregen, sich mit dem Thema Altenpflege auseinander zu setzen.
Harald Uhl veröffentlichte im Jahr 2007 sein Buch „Out of Sonnenschein“ (Ibicura-Verlag;
ISBN 978-3-9810873-5-2), worin er Bilder, Erfahrungen und Theorien aus seiner Vergangenheit darstellte. Es waren und sind Tatsachen aus der Praxis, die sich auch nicht mit allergrößtem Aufwand wegdiskutieren lassen. Es ging dabei nicht darum, wem der „Schwarze Peter“ zugeschoben werden sollte.
In gleicher Weise will auch ich jetzt wieder wachrütteln, zum Überlegen einladen: „Was machen wir eigentlich in der Altenpflege? Wie würde ich mich fühlen, wenn ich selbst so behandelt werden würde, wie wir mit unseren Senioren umgehen…?“
Ich wurde Zeuge davon, dass sehr viele Menschen die – eigentlich positive – Botschaft von „Out of Sonnenschein“ verstanden haben; allerdings gab es auch viele, die darin einen (weiteren) Angriff, einen Rundumschlag auf die Altenpflege erkennen wollten.
Es wurden Inhalte aus dem Kontext herausgerissen und selektiv interpretiert, so dass ein völlig anderer Sinn entstand – entstehen musste.
Die teilweise äußerst heftigen Reaktionen auf Uhls Ausführungen zeigen deutlich, dass nicht diejenigen bestraft werden, die den Unsinn machen, sondern diejenigen, die ihn aufdecken.
Das ist sehr bedauernswert.
Uhl hatte bei all den Angriffen aber immer noch mehr Glück als andere, die nicht bereit waren, im alten Trott fortzufahren.
Viele von denen, ich behaupte sogar die meisten, die sich gegen die Missstände aufgelehnt haben, sind heute ohne Arbeit oder nicht mehr in der Altenpflege tätig!
Hier ein Beispiel dafür, wie auf die Veröffentlichung von „Out of Sonnenschein“ in der Tagespresse reagiert wurde:
Pfleger prangert Missstände in Seniorenheimen an
Buchveröffentlichung Harald Uhl hat seine jahrelangen Beobachtungen in mehreren Einrichtungen zusammengefasst
Immer wieder werden landauf landab Missstände in Altenheimen angeprangert. Bekannt geworden mit derartiger Kritik ist beispielsweise der Münchner Sozialpädagoge Claus Fussek. Im Allgäu hat jetzt aktuell der Altenpfleger Harald Uhl seine Beobachtungen in seinem Buch „Out of Sonnenschein“ zusammengefasst, das jetzt auf dem Markt erscheint. Wir sprachen mit dem 49-Jährigen über seine Erfahrungen.
Seit wann sind Sie in der Altenpflege tätig?
Uhl: Seit 1084. Ich habe in insgesamt sieben Heimen im Ober-, Unter- und Ostallgäu gearbeitet, von kleinen, privat getragenen Häusern bis zu großen Einrichtungen. Ich durchlief dabei alle beruflichen Stufen, vom Vorpraktikanten bis zum Pflegedienstleiter in einem 230-Betten-Haus. Ich habe diese Position später aufgegeben, weil ich Dingevertreten musste, von denen ich nicht überzeugt war.
Sie schildern in Ihrem Buch eine ganze Reihe von Widrigkeiten und unwürdigen Situationen für alte Menschen (siehe Zitate). Was ist für Sie besonders schlimm?
Uhl: Dass viele Heimbewohner umerzogen werden sollen, um sie dem Ablauf der Einrichtung anzupassen. Eine Frau, die ihr Leben lang Röcke und Kleider getragen hat, muss nun auf einmal die „Altenheimuniform“, einen meist ausgewaschenen Jogginganzug, tragen, weil das für das Personal praktikabler ist.
Ihre Vorwürfe gehen zum Teil recht weit. Treffen sie auf jedes Heim zu?
Uhl: Solche Missstände sind zumindest in den Heimen vorzufinden, in denen ich gearbeitet habe. Sie werden oft von Einzelnen verursacht, man darf deshalb auf keinen Fall alle Beschäftigten pauschal verurteilen. Trotzdem passieren die Dinge immer wieder.
Was können Sie älteren Menschen und deren Angehörigen im Bezug auf die Auswahl von Altenheimen raten?
Uhl: Ich würde versuchen, als Betroffener eine Einrichtung zunächst in der Kurzzeitpflege zu erleben. Dann kann man die Atmosphäre aufnehmen. Und es wäre sinnvoll, mehrere Häuser auf diese Art auszuprobieren.
Sehen Sie einen Ausweg aus dem geschilderten Dilemma?
Uhl: Das ganze Thema ist derart komplex, dass ich keine schnelle Lösung erkennen kann, die auf der Hand liegen würde.
Zitate aus „Out of Sonnenschein“
Über die Finanzierungssituation:
„Aufgrund der eingeführten Pflegestufen darf sich der Allgemeinzustand unserer Bewohner auf keinen Fall verbessern. Es klingt paradox, zugegeben. Wir sind gezwungen, den Zustand unserer Bewohner so schlecht wie möglich zu halten, das heißt, die Pflege so aufwendig wiemöglich zu gestalten, damit eine möglichst hohe Pflegestufe erreicht wird. Je schlechter es den Bewohnern gesundheitlich geht, je mehr Aufwand sie benötigen, umso mehr Geld erhalten die Einrichtungen dafür.“
Über die Situation einer Seniorin:
„Ich erlebte den Fall, bei dem eine Bewohnerin so weit gebrochen war, dass sie sich nicht mehr wehrte, alles mit sich geschehen ließ und nur noch, wenn ihr die Belastung zuviel wurde, leise vor sich hin weinte.“
Über einen alten Mann, der stets viel Bewegung brauchte, was sich nicht im Stationsalltag umsetzen ließ:
„Es kam, wie es kommen musste; er wurde als aggressiv eingestuft. Der hinzugezogene Psychiater bestätigte dies und verordnete starke zentral dämpfende Psychopharmaka. Damit konnte der Bewegungsdrang des Bewohners aber nicht verringert werden; er fiel nun öfters hin, weil ihm die Beine versagten.“
Über Gewalt im Alltag:
„So beobachtete ich einmal, dass eine Bewohnerin es wagte, sich selbst eine Banane aus dem Korb zu nehmen. Sie bekam einen Klaps auf ihre Finger und wurde angeschrien.“
Ein Bewohner zu einer Pflegekraft:
„Ich weiß ja, dass Sie keine Zeit haben, aber ich müsste mal dringend auf die Toilette.“ Die Antwort: „Sie haben ja eine Windel an…“
Harald Uhls Buchveröffentlichung mit Autorenlesung am 04. Dezember 2007:
Schon im Vorfeld der Veranstaltung gab es zahlreiche Reaktionen, die nur so vor Hass und Ignoranz strotzten. Man darf niemals mit Fairness oder Austausch auf Augenhöhe rechnen, wenn man den Schritt an die Öffentlichkeit wagt! Das habe ich selbst daraus gelernt.
Ein Anrufer beim Verlag behauptete bspw. Uhl sei ein Pfleger, der mit den Senioren schwarze Messen lesen würde!
Am Vormittag (10:00h) des Tages der Buchveröffentlichung hatte Uhl dem Bayerischen Rundfunk ein Interview gegeben, das darauf im Sender Bayern 1 schon um ca. 12.30h ausgestrahlt wurde.
Die Buchvorstellung am Abend war dann ein voller Erfolg.
Gerechnet worden war mit ca. 30 Zuhörern, gekommen waren aber 97. Die Hausmeister waren ständig damit beschäftigt, neue Stühle heranzuschaffen.
Und das Schönste war: Uhl bekam keine Prügel! Noch nicht!
Sein Verleger hatte ihn vor der Tür zum Veranstaltungsraum bereits vorgewarnt: „Du kannst Dich auf Einiges gefasst machen. Heute sind sehr starke Kritiker dabei. In der letzten Reihe sitzen die ganzen Heimleiter und wetzen ihre Säbel!“
Und was kaum zu glauben war, Uhl bekam auch zahlreiche Stellenangebote!
Ein Beispiel dafür, wie leicht es ist wegzusehen und die Zustände zu verharmlosen sehen Sie, lieber Leser, im nachfolgenden Leserbrief.
Natürlich bemüht sich das Pflegepersonal, das Beste aus der Situation zu machen, aber die Voraussetzungen, unter denen die Pflegekräfte arbeiten müssen, reichen eben schon lange nicht mehr aus, um all den Anforderungen einer fachgerechten und menschenwürdigen Pflege gerecht werden zu können. Der Verfasser dreht einfach den Spieß um und feuert in die Gegenrichtung, also auf den, der den ganzen Unsinn aufdeckt!
Außerdem – wer denkt, man könne reich werden, indem man Bücher über Missstände in der Altenpflege schreibt und viele davon verkauft, der kennt den Markt nicht.
Lesen und urteilen Sie selbst!
Pauschal
Zum Bericht „Pfleger prangert Missstände in Seniorenheimen an“ vom 01.12.2007
Ob es diese Missstände – wie im Artikel geschildert – in verschiedenen
Seniorenheimen gibt oder gegeben hat, kann ich nicht beurteilen. Aber wo läuft schon alles ideal? Selbst in der kleinsten Einheit, der Familie. Ich, der ehrenamtlich regelmäßig Senioren im Pflegezustand in einem Seniorenheim in Immenstadt besucht, kann nur feststellen, mit welchem unglaublichen Einsatz, mit welcher Fürsorge und Liebe sich das Pflegepersonal um die Senioren, insbesondere um die Pflegebedürftigen, kümmert.
Herr Uhl als Altenpfleger weiß genau, dass die Zahl der Pflegebedürftigen zunimmt, die Zahl des Pflegepersonals stagniert oder gar abnimmt. Pauschalverurteilungen erreichen das Gegenteil, aber passen in eine populistische Zeit, wie wir sie derzeit erleben.
Angabegemäß war Herr Uhl seit 1984 in der Altenpflege tätig, davon auch als Pflegedienstleiter in einem 230-Betten-Haus. Auf die Frage des Journalisten nach einem Ausweg aus dem geschilderten Dilemma antwortete er: Das ganze Thema ist derart komplex, dass ich keine schnelle Lösungerkennen kann. Über 20 Jahre hatte Herr Uhl Zeit, nach Lösungen zu suchen. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es nur darum ging, sein Buch zu offerieren….
Wenige Tage nachdem das Buch auf dem Markt war, bekam jeder Mitarbeiter der Einrichtung, in der Uhl damals tätig war, folgenden Brief:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
wie Ihnen bekannt ist hat unser Mitarbeiter Herr Harald Uhl am 04.12.2007 im Rahmen einer Lesung der Öffentlichkeit sein Buch „Out of Sonnenschein“ vorgestellt, in welchem er seine Vielzahl von Erfahrungen aus seiner beruflichen Praxis als Altenpfleger beschreibt.
Da Herr Uhl seit dem 01.05.2006 und bis zum heutigen Tage als Pflegefachkraft in unserer Einrichtung angestellt ist, lässt sich bei der Lektüre des Buches in mehreren Punkten ggf. auch ein Bezug zu unserem Haus herstellen.
Herr Uhl wird daher gebeten, zur Klarstellung bis spätestens 17.12.2007 eine schriftliche
Stellungnahme zu einer Reihe von in seinem Buch getätigten Äußerungen abzugeben.
Herr Uhl wird zudem in Kürze im Rahmen einer innerbetrieblichen Mitarbeiterversammlung Gelegenheit bekommen, seine Erkenntnisse betreffend der von ihm beobachteten Dinge konkret zu benennen und zur Diskussion zu stellen.
Der Termin dieser Mitarbeiterversammlung wird in den kommenden Tagen nach Eingang der schriftlichen Stellungnahme Herrn Uhls festgelegt.
Mit freundliche Grüßen“
Am selben Tag fand er in seiner Privatpost zu Hause einen Brief des Rechtsanwaltes der Einrichtung. Er umfasste 20 Seiten mit Fragen zu seinem Buch. Unter anderem wurde ihm sogar mit einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft gedroht!
Nachdem er sich seinerseits mit seiner eigenen Rechtsvertretung beraten hatte, antwortete er wie folgt:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
ihrem Aushang entnehme ich, dass Sie mich um eine schriftliche Stellungnahme bezüglich meiner Buchveröffentlichung bitten.
Folgende Punkte habe ich dazu zu bemerken:
• Mein Buch wurde in einer offiziellen Buchpräsentation des Verlages vorgestellt. Daran angeknüpft war u.a. eine Autorenlesung und Diskussion.
• Bereits zu Beginn dieser Lesung machte ich deutlich, dass ich keine Namen in dem Buch genannt habe, da es mir nicht darum geht, einzelne Personen bloßzustellen oder Einrichtungen anzuschwärzen.
• Der einzige Bezug des Buches zu Ihrer Einrichtung kann nur aufgrund von „Insiderwissen“ oder meiner Anstellung in Ihrer Einrichtung (die ich ebenso bei allen Interviews etc. verschwiegen habe) hergestellt werden.
• Mein Buch sollte aufklären und zum Denken anregen. „Trifft dies auf unsere Einrichtung zu? Was können wir ändern, wenn das so ist? Usw.“
Ich bedaure wenn sich Einzelpersonen dennoch beleidigt fühlen.
Sie haben sicher Verständnis dafür, wenn ich auch künftig keine Namen nennen oder irgendeine Gelegenheit geben werde, die einen direkten Bezug von „Out of Sonnenschein“ zu Ihrer Einrichtung herstellen ließen.
Ich werde deshalb auch nicht bspw. in einer Mitarbeiterversammlung Mängel im Hause benennen, sondern dafür künftig den formellen Weg der Fehlermeldung etc. wählen.
Eine Abschrift dieses Schreibens erhält der Personalrat.
Mit freundlichen Grüßen…“
Was nun folgte, waren Wochen und Monate des Terrors, den alle Vorgesetzten gegen Uhl ausübten. Egal, wie sehr er sich auch bemühte, so korrekt wie nur irgendwie möglich zu arbeiten, sie fanden immer etwas, das man ihm anlasten konnte.
Es folgte eine Verwarnung nach der anderen. Danach wurde die Gangart noch verschärft und es hagelte Abmahnungen. Einmal sogar zwei an ein und demselben Tag!
Doch jede dieser Sanktionen konnte er mit entsprechenden Gegendarstellungen entkräften.
Die Folgen dieser Zeit waren dennoch nicht unerheblich für ihn. Je länger er den direkten und indirekten Anfeindungen ausgesetzt war, umso mehr spürte er, wie es ihm sowohl psychisch wie auch physisch unheimlich viel Kraft kostete, sich zu wehren.
Irgendwann legte er es darauf an, gekündigt zu werden und machte dies auch seinen Vorgesetzten mit folgenden Worten klar: „Wenn ich wirklich so ein unzuverlässiger, störender und die Einrichtung schädigender Mitarbeiter bin, dann verstehe ich nicht, dass Ihr mich nicht längst schon entlassen habt. Schmeißt mich doch einfach raus!“
Von dem Zeitpunkt an hatte er Ruhe.
Es hatte allerdings den Anschein, dass die ganze Affäre um „Out of Sonnenschein“ unterschwellig doch noch etwas weiter brodelte. Jetzt aber innerhalb der „Plüschsessel-Abteilung“, der Leitungsebene also.
Und so kam es, dass all diese Herren im Laufe der Zeit die Einrichtung dann doch relativ schnell verließen (aus welchem Grund auch immer), Uhl aber bis zum Eintritt in das Rentnerleben dort weiterarbeitete.
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!
Also noch einmal die Frage, warum veröffentliche ich ein Buch über meine Erfahrungen in der Altenpflege, nachdem Harald Uhl nach der Veröffentlichung von „Out of Sonnenschein“ der „Lynchjustiz“ so knapp entgangen war?
Vor allen Dingen ließ und lasse ich es mir nicht nehmen, selbst meine Gedanken zu machen!
Ich habe es bereits im Vorwort schon erwähnt. Ich muss die ganze Zeit noch einmal Revue passieren lassen, mir die einzelnen Situationen noch einmal vor das geistige Auge führen, um jetzt endgültig damit abschließen zu können.
Und vielleicht fängt der eine oder andere verantwortungsbewusste Mensch doch noch zu denken an und es tut sich endlich etwas in der Altenpflege.
Denn so, wie es jetzt ist, kann es nicht weitergehen.
Allgemeines
Das folgende Gedicht schrieb eine alte Frau, die seit langem in einem Pflegeheim in Schottland lebte und von der man meinte, sie sei desorientiert:
WAS SEHT IHR SCHWESTERN?
Denkt Ihr, wenn Ihr mich anschaut?
Eine mürrische, alte Frau,
nicht besonders schnell,
verunsichert in ihren Gewohnheiten,
mit abwesendem Blick,
die ständig beim Essen kleckert, die nicht antwortet,
wenn Ihr sie anmeckert,
weil sie wieder nicht pünktlich fertig wird.
Die nicht so aussieht,
als würde sie merken, was Ihr macht
und ständig den Stock fallen lässt
und nicht sieht, wo sie geht
die willenlos alles mit sich machen lässt:
füttern, waschen und alles, was dazugehört.
Denkt Ihr denn so von mir, Schwestern,
wenn Ihr mich seht, sagt?
Öffnet die Augen, Schwestern,
schaut mich genauer an!
Ich soll Euch erzählen, wer ich bin,
die hier so stillsitzt,
die macht, was Ihr möchtet
und isst und trinkt, wann es Euch passt?
Ich bin ein zehnjähriges Kind
mit einem Vater und einer Mutter,
die mich lieben
und meine Schwester und meinen Bruder.
Ein sechszehnjähriges Mädchen,
schlank und hübsch, die davon träumt,
bald einem Mann zu begegnen.
Eine Braut, fast zwanzig,
mein Herz schlägt heftig beim Gedanken
an die Versprechungen,
die ich gegeben und gehalten habe.
Mit fünfundzwanzig noch
Habe ich eigene Kleine,
die mich zuhause brauchen.
Eine Frau mit dreißig,
meine Kinder wachsen schnell
und helfen einander.
Mit vierzig.
Sie sind alle erwachsen und ziehen aus.
Mein Mann ist noch da
und die Freude ist nicht zu Ende.
Mit fünfzig kommen die Enkel,
und sie erfüllen unsere Tage.
Wieder haben wir Kinder –
mein Geliebter und ich.
Dunkle Tage kommen über mich,
mein Mann ist tot.
Ich gehe in eine Zukunft voller
Einsamkeit und Not.
Die Meinen haben mit sich selbst zu tun,
aber die Erinnerung von Jahren
und die Liebe bleiben mein.
Die Natur ist grausam,
wenn man alt und krumm ist
und man wirkt etwas verrückt.
Nun bin ich eine alte Frau,
die ihre Kräfte dahinsiechen sieht
und der Charme verschwindet.
Aber in diesem alten Körper
wohnt immer noch ein junges Mädchen.
Ab und zu wird mein mitgenommenes Herz erfüllt.
Ich erinnere mich an meine Freuden.
Ich erinnere mich an meine Schmerzen
und ich liebe und lebe mein Leben noch einmal,
das allzu schnell an mir vorbeigeflogen ist
und akzeptiere kühle Fakten,
dass nichts bestehen kann.
Wenn Ihr Eure Augen
AUFMACHT SCHWESTERN,
so seht Ihr nicht nur eine mürrische, alte Frau.
Kommt näher, seht
MICH
*
Lassen Sie mich einige allgemeine Gedanken anstellen!
Dr. Francis Biley prägte folgende Thesen:
• Pflege ist nicht, was Pflegende tun.
• Pflege ist auch nicht, was Pflegende denken, dass sie es tun.
• Pflege ist das, was geschieht, während Pflegende etwas tun, was sie Pflege nennen.
Also – wie jetzt? Es wird doch immer gepredigt, Pflege müsse messbar und für alle nachvollziehbar sein?
Zumindest heißt es immer wieder so von solchen Menschen, die meinen, sie könnten durch fortlaufende Standardisierung aller „Tätigkeiten am pflegebedürftigen Menschen“ eine Art Objektivität erzielen. Das mag rein theoretisch funktionieren, doch wie sieht es in der Praxis umgesetzt in Wahrheit aus?
Wie erkennen wir was in welchen Situationen?
Gibt es Objektivität? Ja, eindeutig! Oder auch nicht?
Was sind objektive Daten von Menschen?
• Größe
• Gewicht
• Blutdruck
• Stuhlgangfrequenz etc.
Ähnlich verhält es sich doch auch mit den Begriffen Wahrheit und Wirklichkeit.
Was ist Wahrheit? Gibt es die eine einzige Wirklichkeit?
Wenn ja – wer bestimmt, was wahr und was unwahr ist?
Wer sagt, was real ist und was nicht?
Ist Wahrheit eindeutig feststellbar, für alle gültig?
Ich sage Nein und gleichzeitig Ja!
Beweisbarkeit ist nicht alles, was die Wahrheit ausmacht! Jeder Mensch trägt seine eigene, für ihn gültige Wahrheit in sich. Und doch – warum unterscheiden sich „Wahrheiten“ auf so vielfältige Weise?
Begriffe sind wie Scheuklappen. Wenn wir nur nach den Daten und Ereignissen suchen, werden wir auch nur Daten und Ereignisse bekommen.
Ein Beispiel:
Sie stehen an einem Straßenrand. Da sich ein Auto nähert, bleiben Sie am Randstein stehen und warten.
Ihnen gegenüber – auf der anderen Straßenseite – wartet ebenfalls eine Person wegen des vorbeifahrenden Fahrzeugs.
Sie beobachten nun, wie der Wagen von rechts kommend nach links an Ihnen vorbeifährt.
Was sieht Ihr Gegenüber auf der anderen Straßenseite?
Was wird er sagen, wenn er gefragt wird, woher und in welche Richtung das Auto gefahren ist?
Von seiner Warte aus fuhr der Wagen wohl von links nach rechts – oder?
„Von links nach rechts“, wird er – seiner Wahrheit gemäß – antworten.
Wahrheitsgemäß – obwohl er genau das Gegenteil von Ihrer Beobachtung behauptet.
Beide sagen Sie die Wahrheit, nämlich die Wahrheit, die sie als wahr für sich selbst erkannt haben.
Der Blickwinkel ist hierbei ausschlaggebend.
Noch ein Beispiel:
Aus einem Kalenderblatt:
Zwei Männer sitzen im Gasthaus.
Einer von ihnen ist blind.
„Willst du ein Glas Milch?“ fragt der Sehende.
„Beschreib´ mir doch einmal Milch!“ bittet der Blinde.
„Milch – das ist eine weiße Flüssigkeit.“
„Schön – was ist weiß?“
„Nun – weiß ist zum Beispiel ein Schwan.“
„Aha – was ist ein Schwan?“
„Ein Schwan? Das ist ein Vogel mit einem langen, krummen Hals.“
„Gut – aber was ist krumm?“
„Ich werde meinen Arm biegen und du wirst ihn abtasten. Dann wirst du wissen, was krumm heißt.“
Der Blinde tastet sorgfältig den aufwärts gebogenen Arm des anderen ab und seufzt verklärt:
„So, endlich weiß ich, wie Milch ist.“
Die vorangegangene Geschichte zeigt deutlich, wie wenig Informationen für sich allein genommen nützen. Man muss sie auch richtig aufnehmen, verarbeiten und in nützliches Verhalten umsetzen können!
Ein anderes Beispiel, wäre das des halb vollen oder halb leeren Glases. Beides bestimmt ein und denselben Zustand, eigentlich eine Wahrheit!
Besonders problematisch schätze ich es ein, wenn Statistiken eine Wahrheit verdeutlichen sollen! Es gibt den bösen Spruch: Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast!
Da ist etwas dran.
Es ist von elementarer Wichtigkeit, Statistiken richtig lesen und bewerten zu können. Denken Sie einmal über folgendes Beispiel nach:
Statistisch gesehen entfallen auf einen Millionär und einen Bettler je eine halbe Million!
Nur – wer hat mehr davon?
Ebenso sehe ich es mit der Wahrheit um die Situation in der Altenpflege.
Es gibt so viele Möglichkeiten, so viele Richtungen, aus denen man betrachten kann, dass es nicht zu verwundern braucht, wenn einerseits Skandalberichte und andrerseits Lobeshymnen gleichzeitig nebeneinander bestehen können.
Im Austausch mit Kollegen tauchten immer wieder folgende Gedanken auf:
Wie fühlt sich jemand, wenn er unsere Einrichtung betritt oder gar bei uns einzieht?
Worauf achtet so ein Mensch; was sind wohl seine ersten (entscheidenden) Eindrücke?
Gleichzeitig fragten wir uns:
Was schreiben wir auf eine Ansichtskarte oder was posten wir in den sozialen Netzwerken aus dem Urlaub?
Antwort: Meistens stehen da Sätze wie „Unterkunft und Verpflegung bestens…“ (abgesehen vom traumhaften Wetter, das zu solchen Nachrichten auch immer dazu gemogelt gehört!).
Sind hier nicht Parallelen festzustellen?
Ich denke schon; bereits die ersten Eindrücke werden sich unseren neuen Besuchern bzw. Bewohnern einprägen.
Wie werde ich im Eingangsbereich empfangen?
Wonach duftet oder riecht es?
Wie sehen die Gemeinschaftsräume aus?
Sind die Zimmer hell und freundlich und meinen Bedürfnissen und Erwartungen entsprechend gestaltet und ausgestattet?
Was gibt es zu essen?
Schmeckt es, kenne ich die Speisen (kann ich sie überhaupt lesen oder aussprechen)?
Darf ich selbst auswählen…?
Und so weiter.
Es wäre doch schön, wenn unsere Besucher / Bewohner in ihrer „Post“ schreiben würden:
Unterkunft und Verpflegung bestens.
Viele Einrichtungen bemühen sich, entgegen aller monetären und Gewinn orientierten Vorgaben mit wechselhaftem Erfolg, primär bewohnerorientiert zu arbeiten.
In Diskussionen stimmten mir auch schon viele Einrichtungsleitungen zu und vertraten teilweise die Ansicht:
Es ist eine Frage der Achtung, der Wertschätzung, wie viel uns die Betreuung unserer Senioren wert ist. Dies kostet natürlich Geld, wirkt sich aber auf lange Sicht gesehen positiv (auch in wirtschaftlichem Sinne) aus, da die Bewohner und das Personal in gleichem Maße zufriedener sind, was wiederum weniger Fluktuation und Ausfälle der Pflegekräfte zur Folge hat…
Mir kam auch schon der Gedanke, ob es nicht sinnvoll wäre, so wie es bspw. Gourmet-Führer gibt, eine Art Altenheim-Führer zu veröffentlichen, in dem alle Einrichtungen, die mit der Betreuung und Pflege alter Menschen zu tun haben, aufgeführt und bewertet werden.
Allerdings sollten hier nur die als gut befundenen Einrichtungen einen Eintrag finden und vielleicht mit einem Gütesiegel, ähnlich der „Kochhauben o.ä.“ ausgezeichnet werden.
Wie wäre es mit der Bettschüssel in Bronze, Silber oder Gold? Kleiner Scherz!
Allerdings stellte sich mir sehr bald die Frage: Wer prüft? Und vor allem – was wird geprüft? Nach welchen Kriterien, nach welchem Schema wird geprüft?
Und vor allem – was kostet das?
So habe ich die Idee wieder verworfen, weil ich letztendlich glaube, dass dies aufgrund eines zusätzlichen behördlichen Aufwandes gar nicht durchführbar wäre.
Außerdem wird ja bereits (auf welche Art und Weise auch immer) durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen MDK und die Heimaufsicht geprüft. Oftmals dieselben Punkte – ein Aufwand, der, wie ich meine, in dieser praktizierten Vorgehensweise (doppelte Überprüfung gleicher Testpunkte bei Heimaufsicht und MDK) hirnrissig ist! Auf der einen Seite wird über die hohen Kosten geklagt, andrerseits wirft man das Geld auf diese unsinnige Weise zum Fenster raus!
Und dann muss man schon mal grundsätzlich hinterfragen:
Der MDK handelt im Auftrag der Krankenkassen, die natürlich ein Interesse daran haben, so viel wie möglich einsparen zu können. Die Heimaufsicht handelt meist im Auftrag des jeweiligen Landratsamtes, das gleichzeitig selbst Träger zahlreicher Altenheimeinrichtungen ist.
Das gibt ein Bild ab, als ob ein Schnapsbrenner auf der Autobahn Alkoholkontrollen durchführt!
Oder etwa nicht?
Es wundert mich trotzdem, dass trotz aller Unkenrufe bezüglich der teilweise skandalösen Zustände in manchen Heimen ein gutes bis sehr gutes Prüfungsergebnis ermittelt wurde!
Wenn man mal Zeuge einer solchen Überprüfung wurde, dann fragt man sich schon, in welche Richtung wir denn schlittern.
Originalton eines Prüfers bei der Qualitätsüberprüfung:
„Ich sehe ja, dass Ihre Leute gut gepflegt sind, aber wo steht das?“
Sagt dies nicht alles aus! Die Aussage in „Out of Sonnenschein“ wird dadurch bestätigt:
„…Mittlerweile stellt sich nicht mehr die Frage: Habe ich alle mir aufgetragenen Aufgaben bewohnergerecht und fachlich richtig erfüllt…?“, sondern ich muss mich vielmehr fragen: Habe ich den Vollzug lückenlos – und vor allem – den Standards entsprechend dokumentiert? Ob sinnvoll ausgeführt oder nicht, ist völlig belanglos; es muss nur irgendwo irgendwas geschrieben stehen…“
Eine Anregung, die schon lange verhandelt wird, gegen die sich aber die meisten Träger von Altenhilfeeinrichtungen immer noch vehement wehren, wäre vielleicht eine gesetzliche Verpflichtung für alle Heimträger zur jährlichen Veröffentlichung ihrer Bilanzen.
Und zwar lückenlos! Keine Scheintransparenz, in der immer nur ein paar Zahlen preisgegeben werden, deren Ursprung aber kein Außenstehender nachvollziehen kann.
Rüdiger Bauer (IBI-Institut) hat einmal in einer seiner Vorlesungen den Begriff AGABU verwendet. Er war immer dann zu vernehmen, wenn der einen oder anderen Diskussionspartei die Argumente auszugehen drohte.
Wir konnten damals nicht allzu viel damit anfangen bis er uns erklärte:
AGABU bedeutet:
Alles Ganz Anders Bei Uns!
Prima – das ist Individualität, birgt aber die Gefahr in sich, dass wir zwar alle an einem Strang ziehen, dies aber in verschiedene Richtungen.
Nun geht es nicht darum, dass jeder sein „eigenes Süppchen kocht“, sondern darum, sich Gedanken zu machen, wie so manches in der Altenpflege verändert und damit evtl. verbessert werden könnte.
Grundvoraussetzung hierfür ist die Bereitschaft von uns allen Beteiligten in der Pflege (Pflegekräfte, Ärzte, Therapeuten, Kranken-/Pflegekassen, Politik usw.), uns von alten Gedankenmustern zu lösen und offen zu sein für Alternativen die in kein bestehendes System eingeordnet werden können.
Wie alles begann
Es war Anfang des Jahres 1984. Zu der Zeit übte ich meinen erlernten Beruf als Pharma- Großhandelskaufmann aus; genauer gesagt, ich arbeitete als Leiter der Kreditoren- Rechnungsprüfung in einer der damals 42 Filialen einer großen Arzneimittel-Großhandelskette. Das bedeutete im Einzelnen, dass ich alle eingehenden Rechnungen auf Heller und Pfennig überprüfen und bei Unstimmigkeiten eine Bestandaufnahme anordnen musste. Je nachdem, ob dadurch eine fehlerhafte Berechnung, eine fehlerhafte Wareneingangsmeldung oder eine Falschlieferung festgestellt werden konnte, war es meine Pflicht, die erforderlichen Reklamationen zu schreiben und dann auf entsprechende Reaktionen, ob in Form einer Gutschrift oder einer Nachlieferung, zu warten, um diese dann auch wieder auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Mein Tagesablauf gestaltete sich also täglich wie folgt:
alle eingegangenen Rechnungen und Gutschriften wurden gleich am Morgen zunächst einmal mit fortlaufenden Nummern gestempelt und danach elektronisch erfasst, d.h. von Hand in den Computer eingetippt. Diese Daten wurden täglich, wie die anderen Geschäftsdaten der Filiale, am Abend gesammelt an die Hauptverwaltung übermittelt.
Im Gegenzug bekamen wir jeden Morgen von dort Kontrollausdrucke, auf denen Wareneingang und Preise aufgeführt waren. Diese mussten den entsprechenden Rechnungen früherer Tage zugeordnet werden, um dann sogleich zu überprüfen, ob gemeldeter Rechnungsbetrag mit der Wareneingangsmeldung übereinstimmte. Bei Abweichungen wurde die gesamte Akte an die Inventurabteilung übergeben, bei Übereinstimmung, konnte sie abgeheftet werden und wurde vorläufig in einen entsprechenden Ablagekorb gelegt. Meistens war ich damit mit meinen beiden Mitarbeiterinnen den ganzen Vormittag und auch noch bis in den Nachmittag beschäftigt. Waren alle diese Vorgänge erledigt, blieb die Zeit zur Ablage.
Lieber Leser, Sie ahnen es vielleicht schon, es war ein trockener und wenig abwechslungsreicher Bürojob!
Und das mir, der ich noch nie ein Kopf- oder Zahlenmensch war. Sollte ich mich mit dieser Tätigkeit wirklich bis zum Erreichen des Rentenalters durch die Jahre quälen?
Es dauerte nur wenige Jahre, bis meine Leistungsbereitschaft nachließ, weil das Feuer in mir längst erloschen war (sollte es jemals gebrannt haben).
Schließlich bemerkte ich auch Veränderungen in meinem Umfeld. Gespräche verstummten, wenn ich in die Nähe trat, oder das Thema wurde plötzlich gewechselt. Ich wurde mehr und mehr von meinen Mitarbeitern gemieden, auch von denen, die wie ich dachte, meine Freunde waren. Auch von der Führungsebene herunter wurde der Druck auf mich immer mehr erhöht. Schließlich wurde mir sogar Sabotage vorgeworfen. Angeblich hätte ich einen Jahresabschluss so schlampig oder fahrlässig fertiggestellt, dass ein extrem schlechtes Jahresergebnis dabei herausgekommen wäre, wenn es nicht hätte korrigiert werden können. Der Vorwurf konnte nie bestätigt werden.
Da war der Zeitpunkt gekommen, an dem ich nicht mehr weiter durchhalten konnte… Nervenzusammenbruch!
Mein behandelnder Arzt meinte nur trocken: „Dich nehme ich jetzt eine Zeit lang aus dem Verkehr!“ und schrieb mich krank.