Ich wollte nie Kaiserin werden - Carina Zinkeisen - E-Book
SONDERANGEBOT

Ich wollte nie Kaiserin werden E-Book

Carina Zinkeisen

0,0
1,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 5,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Sisi ist 15 Jahre alt, als der Kaiser um ihre Hand anhält. Um ihre und nicht um die ihrer großen Schwester Néné, die eigentlich Kaiserin werden sollte. Wie wird es Sisi gelingen, sich am Wiener Hof zu behaupten? An einem Hof, dessen Zermemoniell ihr fremd ist? Mit einer Schwiegermutter, die sich Néné an ihre Stelle wünscht? Mit einem Mann, der sich nicht um sie kümmern kann, da er dauernd Krieg führt und seiner Mutter den Thron verdankt? In einer Welt, die unterzugehen droht?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 565

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Carina Zinkeisen

Ich wollte nie Kaiserin werden

Elisabeth von Österreich

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1 – Sommer in Bad Ischl

Kapitel 2 – Adieu geliebte Isar

Kapitel 3 – die Erzherzogin

Kapitel 4 – Auf Reisen

Kapitel 5 – Kriegswirren

Kapitel 6 – Ehekrise

Kapitel 7 – Korfu, Mon Amour

Kapitel 8 – Rudolf, mein kleiner Rudi

Kapitel 9 – Königin von Ungarn

Kapitel 10 – Marie Valerie, meine Einzige

Kapitel 11 – Wieder einmal Krieg

Kapitel 12 – Sophie

Kapitel 13 – Dominos – rot und gelb

Kapitel 14 - Tollkühne Reiterei

Kapitel 15 – der Kronprinz

Kapitel 16 – Unruhen auf dem Balkan

Kapitel 17 – Stephanie

Kapitel 18 – Katharina Schratt

Kapitel 19 – Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Kapitel 20 – Mayerling

Kapitel 21 – Jene Gräfin Larisch

Kapitel 22 - Melusine

Kapitel 23 – die Kaiserin trägt schwarz

Kapitel 24 – Niedergang

Kapitel 25 – Genf

Kapitel 26 das Attentat

Kapitel 27 - der Abspann

Verwendete Literatur – auch für Sie zum Lesen

Widmung

Ortsregister

Impressum neobooks

Kapitel 1 – Sommer in Bad Ischl

Ich wollte nie Kaiserin werden

Elisabeth von Österreich

Foto, Shutterstock, Yuri Turkow

Roman

von

Carina Zinkeisen

15. August 1853

Es tut mir leid, aber meine Schrift ist wahrscheinlich wahnsinnig krakelig. Die Kutsche schaukelt nämlich ziemlich hin und her und das Tagebuch habe ich auf den Knien. Ich schreibe, weil wir in der Kutsche sitzen, ausnahmsweise auch nicht mit Tinte, sondern mit einem Bleistift.

Ich vergaß ganz mich vorzustellen, ich heiße Sisi und bin 15 Jahre alt. Die Kutsche fährt mit mir, meiner Mama, meiner Schwester Néné und unserer Kammerzofe, nach Bad Ischl. Dort treffen wir den Franzl und seine Familie. Franzl heißt eigentlich Franz Joseph und ist der Kaiser von Österreich. Er ist aber auch unser Cousin, weil seine Mutter, meine Tante Sophie, Mamas Schwester ist. Mein Papa, der Herzog Max in Bayern, der sehr volkstümlich und liberal regiert und wie ich gerne liest, kommt nicht mit.

Er nennt eine riesige Bibliothek sein Eigen, macht gerne Zithermusik, hat viele Freunde bei den Bürgern und gar bei den Bauern und war mit nichtadeligen Kindern auf der Schule. Papa reitet auf Zirkuspferden und missachtet die aristokratische Gesellschaft und feiert wenig hoffähige Herrenfeste in München und Possenhofen. Er kann weder dem Kaiserhaus noch der Tante Sophie etwas abgewinnen. Dabei entgeht ihm eine Reise und mein Papa liebt Reisen, er war sogar einst im Heiligen Land, im Orient und in den ersten Ehejahren reiste er mit Mama in der Schweiz und in Italien umher. Auch in Griechenland war er schon, denn er liebt die griechische Kultur. In Kairo in Ägypten hat er damals übrigens vier kleine Mohrenknaben auf dem Sklavenmarkt gekauft, die dann bei uns in München getauft wurden.

Die Néné soll den Franzl heiraten und Kaiserin von Österreich werden. Sie freut sich wie irre darauf, was ich gar nicht verstehen kann, muss doch öde sein. Nur Pflichten, kein bisschen Spaß, nur Enge, keine Freiheit. Ich hatte so ein Vergnügen schon einmal am sächsischen Königshof und kam von dort gottseidank ohne Bräutigam zurück. Ich hätte Prinz Georg, den zweiten Sohn des sächsischen Königs heiraten sollen. Irgendwie bin ich gegen die Nene, meine ältere Schwester, die so viel schöner, gebildeter und ernsthafter ist, ein hässliches Entlein. Ein Naturkind, das gut schwimmen kann, auf Bäume kraxelt, Bayerisch spricht, gut zu Pferd ist, angeln und bergsteigen kann und viele Bauernkinder seine Freunde nennt. Ganz ehrlich, was soll ich in einem Königsschloss statt in unserem lieben Sommerschloss in Possenhofen? Allein schon unser Herzog-Max-Palais in der Ludwigstraße in München, der von Leo von Klenze für meinen Papa erbaut wurde, gefällt mr viel weniger als unser Sommerschloss am Starnberger See und der Palais ist eigentlich allerliebst klein und herzig, wenn man ihn mit dem Schloss des bayerischen Königs oder gar mit dem des Kaisers in Wien vergleicht.

Unser Possi ist nämlich mein allerliebster Lieblingsort auf dieser Welt. Schloss Possenhofen liegt einiges außerhalb von München an den Ufern des Starnberger Sees, ein von vier Ecktürmen flankierter Bau, der mitten in einem entzückenden Park mit Rosengärten, die fast bis zum See hinuntereichen, liegt. Am See kann man an schönen Tagen die schneebedeckten Gipfel des Wettersteins und der Zugspitze sehen und ich habe allerlei Tiere, um die ich mich dort kümmern darf. Rehe, Lämmchen, putzige Kaninchen, Hühner und Perlhühner. Oft zeichne ich meine Tiere oder schreibe Gedichte, die ich nur meiner besten Freundin Irene zeige, der Tochter des Grafen Paumgarten. Mit ihr und ihrem Bruder David wollte ich eigentlich um die Welt segeln, allerdings starb David im letzten Jahr an einer Lungenentzündung, so wird nichts draus.

Mama meint, aus mir wird noch ein schöner Schwan, den ein König heiratet. Hoffentlich nicht so bald! Den Franz habe ich übrigens schon einmal gesehen, damals im Juni 1848 in Innsbruck gemeinsam mit der Mama, dem Ludwig, dem Karl Theodor und der Néné. Der Franz war damals 18 und nur an der Politik interessiert. Für uns kleine Cousinen hatte er keine Augen übrig. Damals machte sein jüngerer Bruder Karl Ludwig mir den Hof, folgte mir auf Schritt und Tritt, brachte mir Blumen und Früchte und war ganz verzweifelt, als wir abreisten. Er hat mir noch lange mit seiner wunderschönen, wie gestochenen Handschrift, Briefe geschrieben und ich habe mich geschmeichelt gefühlt. Er hat mir auch immer wieder Geschenke geschickt, eine Rose und einen Ring und ich habe ihm auch einen Ring senden lassen. Und dann habe ich noch eine Uhr mit Kette, die ich mir schon lange gewünscht habe, geschenkt bekommen. Natürlich habe ich mich immer recht artig bedankt und erzählt, dass mir die braven Lämmerl hinterherlaufen. Néné war damals ziemlich eifersüchtig gewesen, dass ich und nicht sie den ersten Verehrer hatte und fand das Theater, das Karl Ludwig meinetwegen machte, albern. Nicht einmal von den Erdbeeren, die Karl Ludwig uns beiden anbot, wollte sie damals kosten. Sie, die damals schon eines Tages die Schönheit, die sie jetzt ist, zu werden versprach. Sie, die anscheinend das damenhaft Repräsentieren in die Wiege gelegt bekommen hatte. Eifersüchtig war sie auf mich, die nur Pferde und Papageien im Sinn hatte. Denn der Karl Ludwig gab mir das Gefühl, schon ein bisserl erwachsen zu sein. Und er war der netteste aus der Habsburger Verwandtschaft, die mir allesamt recht steif vorkamen.

„Ich schreib dir“, hatte Karl Ludwig beim Abschied ganz laut gerufen und wild an die Kutsche geklopft, die andere Hand am Herzen. Und er hatte Wort gehalten.

Ich erinnere mich immer noch daran, wie Néné mich damals albern und kindisch nannte und der Meinung war, dass keiner aus dem Kaiserhaus eine von uns, eine aus der armen bayerischen Verwandtschaft, heiraten würde.

Jetzt anscheinend doch!

Ich schaue nachdenklich zum Fenster hinaus und freue mich über diese Reise. Eigentlich bin ich ja nur dabei, weil Papa nicht wollte, obwohl er und nicht ich eingeladen war und alle meinten, ich würde mich freuen, den Karl Ludwig wiederzusehen. Vielleicht hatte Sophie auch uns beide eingeladen, damit der Kaiser die freie Auswahl bei uns Schwestern hat? Ich weiß es nicht und es interessiert mich nicht, denn ich werde ihn ohnehin nicht heiraten, weil ich nicht in Wien leben will. So einfach ist das!

Aber ich liebe Kutschenfahren und ich liebe Reisen, schaue immerfort nach draußen zu den Bergen, die in ein milchiges Licht getaucht sind. Allein das Wort Reise übt einen unwiderstehlichen, fast magischen Reiz auf mich aus. Wenn ich erwachsen bin, will ich nur noch reisen, egal wohin, ans Ende aller Zuggleise und darüber hinaus. Ich will auch das Meer sehen und mit einem Schiff fahren. Im Gegensatz zu Néné wird mir nämlich dabei nicht schlecht.

Die Kutsche hält mit einem Ruck und mir wäre beinahe das Buch ausgekommen und der Bleistift zu Boden gekullert, so sehr war ich in meine Gedanken versunken. Schnell klappe ich das Buch zu.

„Wir machen eine kleine Rast, Néné und ich haben furchtbares Kopfweh und müssen uns ausruhen. Man soll uns Eiswasser zur Kühlung bringen,“ befiehlt Mama der Kammerzofe.

Ich mustere Néné, als wir aussteigen, sie ist ganz blass und tut mir furchtbar leid. Wahrscheinlich hat sie Angst, hätte ich an ihrer Stelle auch.

„Mir ist so furchtbar übel.“

Néné seufzt erleichtert auf, als sie festen Boden unter den Füßen hat. „Wahrscheinlich mag mich der Franzl nicht und ich werde keine Kaiserin. Warum müssen wir ausgerechnet jetzt wegen einem Todesfall in der Familie schwarz tragen. Diese Farbe steht mir gar nicht, ich sehe damit alt, trist und grau aus wie eine Nonne.“

Mama guckt indigniert, weil sie es nicht leiden kann, wenn wir jammern und ich umarme Nene ganz fest.

„Das trägst du doch nur auf der Reise, du ziehst dich nachher um. Was du in Ischl anziehst, wird in München ja niemand erfahren. Du wirst dich von deiner besten Seite zeigen und der Kaiser wird dich bezaubernd finden. Und jetzt will ich keine Klagen mehr hören. Und mach um Gotteswillen kein so verdrießliches Gesicht. Nimm dir ein Beispiel an deiner Schwester“, schimpft meine Mutter die arme Néné aus.

„Du bist doch so viel hübscher als ich, du wirst bestimmt eine formidable Kaiserin, ganz bestimmt“, flüstere ich tröstend in ihr Ohr.

16. August 1853

Es ist spät abends. Ich habe den Kaiser gesehen, er sieht gut aus, ist schlank, blond, hat ein feines, weiches Gesicht und er trägt Uniform. Ich gestehe, ich mag Männer in Uniformen, schon der gute Richard, den ich am Hofe meines Vaters kennenlernte, trug eine und sah so schneidig aus, dass ich mich in ihn verliebte. Heimlich mit der Hilfe meiner kleinen Schwester Marie traf ich mich mit ihm und tauschte schüchterne Worte und Blicke aus. Ganz traurig war ich, als er plötzlich fort aus meinem Leben war. Weggeschickt hatten sie ihn aus dem Hofdienst und die Mama hatte mich arg gescholten und mehr Anstand und Standesbewusstsein von mir gefordert. Der arme Richard war zu allem Überfluss am Fieber gestorben, sodass ich ihn nie wieder gesehen habe.

Néné hat also Glück über so einen Mann mit einer so schmucken Uniform!

Ich würde dennoch nicht mit ihr tauschen wollen. Die Menschen hier am Hofe gefallen mir nämlich gar nicht, sie kommen mir falsch und bösartig vor und ich habe Angst vor ihnen. Die Tante Sophie ist ziemlich furchteinflößend, obwohl sie Mama herzlich umarmt hat. Mir graut vor ihr. Ihr Mann, Franz Karl, ist sehr nett, aber steht völlig in ihrem Schatten seiner Frau und hat nicht viel zu melden. Keine Frage, wen ich lieber mag von den beiden.

Als der Franzl mich angeschaut hat, bin ich rot geworden, wie eine richtig dämliche Provinzgans kam ich mir vor und hab verlegen zum Karl Ludwig rüber geschaut, der ziemlich eifersüchtig auf seinen Bruder schien.

17. August 1853

Beim Nachmittagstee im Seeauer-Haus an der Esplanade saß ich dann mit meiner Erzieherin an der Kindertafel und die Néné beim Kaiser. Ich war aufgeregt wegen der vielen Menschen und hatte ohnehin keinen Appetit. „Die Néné hats gut, die hat schon so viele Menschen gesehen, aber ich nicht, mir ist so bange, dass ich gar nichts essen kann“, raunte ich der Gouvernante zu, die neben mir Platz genommen hatte.

Am 18. August feiern wir den 23. Geburtstag des Kaisers. Wahrscheinlich wird dann auch seine Verlobung mit Néné bekannt begeben. Ich würde es ihr so wünschen, sie ist nämlich immer noch so aufgeregt und ziemlich blass. Sie hat wieder einmal ihre scheußliche Migräne. Zu Beginn war ja nicht einmal die zweite Kutsche mit den Kleidern da und sie musste in der schwarzen Trauerkleidung, in der sie so traurig, trist, ernst und gar etwas streng aussieht, vor den Kaiser treten.

Ich hätte ihr am liebsten zugeraunt: „Nimm es leicht, denn sonst mag der Kaiser dich nicht.“

Heute Abend ist ja noch der große Ball und da muss Néné glänzen! Ich darf auch teilnehmen, weil ich mich an der Kindertafel recht gut betrug. Mein erster Ball und Nénés großer Auftritt.

Es muss alles gut gehen für sie!

18. August 1853

An des Kaisers Geburtstag goss es in Strömen und ich bin beim Geburtstagsmittagessen an der Tafel neben dem Franz gesessen und die Néné an meinem Platz am Ende der Tafel.

Irgendwie schien der Kaiser mich netter als Néné zu finden. Er war gehörig eifersüchtig, als der Karl Ludwig gestern nach dem Tee auf der Terrasse mit mir plauderte. Ständig sah er zu uns hinüber, was auch der Nene nicht entging und sie verdrießlich stimmte.

Heute nach dem Mittagessen sind wir dann im Wagen zum Wolfgangsee ausgefahren, wobei die Néné auf einmal wie ein Wasserfall geredet hat und den ganzen Charme versprühte, den sie die ganzen Tage missen ließ. Wahrscheinlich, um dem Kaiser zu gefallen. Was ihr gestern Abend beim Ball nämlich leider nicht so recht gelang und die Weichen dafür stellte, dass das Unfassbare passieren konnte. Das Unfassbare, auf das ich später noch zurückkommen werde, denn erst mal der Reihe nach.

Schon gestern Abend sah er nur zu mir ans Ende der Tafel, wo ich mit meiner Gouvernante saß und im Essen herumstocherte. Dabei gab sich die Néné doch solche Mühe, ihn zu zerstreuen. Und sie sah wunderschön aus mit ihrem Kleid aus schwerer Atlasseide, den juwelenbesetzten Kämmen und den Efeuzweigen in ihrem dunklen Haar. Die Kutsche mit der Kleidung war ja mit einer gehörigen Verspätung eingetroffen. Sie sah prachtvoll aus und ich kam mir mit meinem rosafarbenen Musselinkleid mit der altrosa Schleife um meine Taille und den winzigen Puffärmeln wie ein Backfisch vor.

Und mit wem hat er getanzt?

Mit mir, statt mit der Néné, die stumm mit den Tränen kämpfend an der Tafel saß. Selbst den Kotillon, als wir zu Mitternacht in seinen Geburtstag hineintanzten, den tanzte er mit mir, so als wolle er sich mit mir verloben statt mit der Néné. Die Ärmste saß ganz aufgelöst wie festgewachsen auf ihrem Stuhl, denn niemand hatte sie aufgefordert und sie sah aus wie ein wunderschönes Mauerblümchen.

Eine Kaiserin, die keiner will!

Und ich fühlte mich nur geniert und hatte Angst, den Kotillon zu verderben und hinzufallen.

Vielleicht will er ja an Nénés Stelle mich?

Nicht auszudenken!

„Sisi, die Erzherzogin hat mich gerade besucht und lange mit mir gesprochen. Du weißt, was das bedeutet“, sagt Mama und nimmt meine Hand, die sich auf einmal ganz kalt anfühlt, in die ihre. „Der Kaiser hat sich für dich entschieden, du sollst seine Frau werden.“

Der Franzl, nein der Kaiser – er will nicht die Néné heiraten, sondern – mich!!! Tante Sophie und der Kaiser haben deshalb bei Mama, weil ja Papa nicht da ist, um meine Hand angehalten.

Was soll ich machen, ich habe solche Angst.

Wieso will er ausgerechnet mich heiraten? Ich bin doch so jung, so unbedeutend, nicht besonders hübsch.

Die arme Néné, sie tut mir so leid, sie wollte doch unbedingt Kaiserin werden. Wie mag sie sich fühlen?

Ich wollte doch nie Kaiserin werden.

Nie!!!

Verwirrt sehe ich Mama und meine Gouvernante an und denke an Tante Sophie, die mir Angst macht, weil sie so streng ist und mich nicht leiden kann. In der Hoffnung, ich hätte mich verhört, aber das habe ich leider nicht. Sie wartet auf eine Antwort von mir, am liebsten würde ich fortlaufen.

Ich will hier nicht bleiben!

Ich will ihn nicht heiraten!

Néné soll ihn heiraten!

„Ja“, sage ich leise, sehr leise. „Ja, ich will den Kaiser heiraten.“

Immerhin sieht der Franzl gut aus, groß und schlank und ich habe ihn lieb. Aber ich kann so vieles nicht, nicht richtig tanzen zum Beispiel, hatte nur drei Tanzstunden. Ich seufze und denke an den Ball gestern nach dem Diner, als wir in Franzens Geburtstag hineinfeierten, das Tanzen mit dem Kaiser, der Kotillon, es hat richtig Spaß gemacht und dennoch muss er Mut für uns beide haben. Als er mir sein Bouquet überreicht hatte, fühlte ich mich nur geniert und wurde wieder rot. Und die Néné tat mir irre leid, denn eigentlich hätte der Kaiser mit ihr den Kotillon tanzen sollen.

Und sie heiraten! Der Kotillon gilt nämlich als Heiratsversprechen.

Sie sollte Kaiserin werden!

Nicht ich!

Bang sehe ich die Mama und die Roedi an. Stolz sieht sie aus, dass sie die zukünftige Kaiserin erzogen hat.

„Ich habe den Kaiser lieb, wenn er nur kein Kaiser wäre. Wie kann man diesen Mann nicht lieben. Aber wieso denkt er nur an mich, ich bin doch so unbedeutend und die Néné hatte all den Unterricht, um Kaiserin zu werden“, sage ich schluchzend. „Mama, ich will alles tun, um den Kaiser glücklich zu machen und der Tante Sophie das zärtlichste Kind zu sein, selbst, wenn ich so doll Angst vor ihr habe. Ich will dir keine Schande machen.“

„Dann musst du der Tante Sophie Ja sagen, Elisabeth“, erwidert meine Mutter. „Ich werde sogleich an sie schreiben. Tu du es bitte auch, wir setzen uns gleich hin. Einem Kaiser gibt man nämlich keinen Korb. Und dann geh zu Bett. Das mit der Néné wird sich schon klären. Gewiss findet sich für sie auch ein Mann. Jetzt müssen wir noch dem Papa telegraphieren.“

Ein Mann, aber, kein Kaiser, den sie sich so gewünscht hat, denke ich. All der Unterricht, all die schönen Kleider, für nichts und wieder nichts!

Mamas Stimme klingt ziemlich nüchtern und ich atme tief durch. Für sie ist diese Angelegenheit in etwa so, als würde sie überlegen, welches Kleid ich morgen anziehen soll.

Sie widmet mir die ganze Aufmerksamkeit, die eigentlich Néné gebühren würde, sagt mir zuerst gute Nacht, ich kann förmlich Nénés Tränen spüren, wie scheußlich sie sich fühlt und ich fühle mich plötzlich auch ganz scheußlich.

„Du kleine Hexe“, formen lautlos ihre bebenden Lippen und sie schluchzt ihr Kissen nass. „Lügnerin, elende Lügnerin, du hast mir den Mann wegegeschnappt“

Ich kann doch nichts dafür!

Ich wollte das alles nicht!

Néné, du musst mir glauben!

Ich halte den Atem an. Am liebsten würde ich mich in Luft auflösen, für immer verschwinden. Das Lächeln des Kaisers, der strenge Blick, den Tante Sophie auf mir ruhen ließ, den Hohn und den Spott der Hofdamen.

„Die falsche Braut“, flüsterten sie einander zu und musterten mich missbilligend.

Dabei wollte ich gar nicht mit, viel lieber wäre ich jetzt daheim in Possi und würde im Wald spazieren gehen, ausreiten und im Starnberger See schwimmen. Ich mache mir nichts aus Karl Ludwig, an den die Mama dachte und an den Kaiser hat niemand von uns so recht geglaubt. Nur für die Néné, die Kaiserin werden sollte, nicht für mich.

19. August 1853

Puh, war das ein anstrengender Tag. Ich bin völlig am Ende. Wir mussten schon irre früh aufstehen und es war wahnsinnig heiß.

Tante Sophie ist schon ganz früh bei uns im Grand Hotel gewesen und hat mich gefragt, ob ich Franzls Frau werden will. Ich habe Ja gesagt. Auch sie meinte natürlich, man gäbe dem Kaiser keinen Korb.

Der Franzl hat mir glückstrahlend schon vor acht Uhr seine Aufwartung gemacht. Er hat mich vor allen Leuten halbtot geküsst.

„Willst du meine Frau werden, Sisi“, rief er aus. „Ich habe dich so lieb, dass es mir das Herz abdrückt.“

„Ich will deine Frau werden“, sagte ich mit klopfendem Herzen und er schloss mich fest in die Arme.

Der arme Karl Ludwig hatte Tränen in den Augen, hat aber mir dann ganz artig gratuliert. Arm in Arm verließen der Kaiser und ich dann das Hotel, um mit der Erzherzogin Sophie in der Villa zu frühstücken und der Franzl stellte mich seinen Adjutanten, vor allem dem Grafen Grünne, vor.

Um 11 Uhr waren wir dann alle in der Pfarrkirche. Es ist ja Sonntag. Tante Sophie ließ mir am Eingang den Vortritt. Die Leute sangen die Volkshymne. Ich konnte mich gar nicht auf die Messe konzentrieren und andächtig zuhören, so aufgeregt war ich, weil ich von so vielen Menschen beäugt wurde, was mir gar nicht behagte und scheu und verlegen machte. Ich kann ohnehin besser in der Natur mit dem lieben Gott sprechen als in einer Kirche. Irgendwie hatte sich zu allem Überfluss die Kunde unserer Verlobung herumgesprochen und die Kirche war rappelvoll, wie mein Papa sagen würde.

Nach der Messe griff der Kaiser behutsam nach meiner Hand und führte mich zum Pfarrer.

„Ich bitte Hochwürden, segnen Sie uns, das ist meine Braut.“

Als wir dann aus der Kirche rausgekommen sind, standen sehr viele Menschen am Portal und haben uns angestarrt, ganz besonders den Kaiser und mich. Alle wollten mich sehen und mich beglückwünschen, ich musste schon in der Kirche unzählige Hände schütteln und Segenswünsche beantworten. Ich habe mich vor Angst ganz fest an Franzls Hand geklammert, die Hochrufe über mich ergehen lassen. Die Menschen haben ein Recht, mich, die künftige Kaiserin, zu sehen. Mir aber machen sie Angst damit. Ich bin einfach so, ich kann nichts dafür, so viele Meschen machen mir eben Angst. Sie ziehen mich aus mit ihren Blicken, machen mich nackend, rauben mir meine Seele.

„Die Kaiserin von Österreich darf sich nicht verstecken, Elisabeth!“

Ich glaube Nene würde eine bessere Kaiserin werden. Richtig schwindelig war mir und ich habe vor Aufregung kaum Luft bekommen!

„Du hast gelbe Zähne, Elisabeth, du musst sie besser putzen oder wenigstens das breite Lächeln unterlassen“, dröhnt Tante Sophies Stimme in meinen Ohren und ich klammere mich noch etwas fester an Franz fest. Dem alten Drachen werde ich es ohnehin nicht recht machen können. „Sei nicht so empfindlich, es ist ja normal, dass dich viele Menschen ängstigen, aber es ziemt sich nicht für eine Kaiserin. Du musst dir ein dickeres Fell zulegen. Ich habe es damals auch gekonnt.“

Mama sagt, dass Tante Sophie es nur gut mit mir meint, aber ich will ihr keine Chance geben, weil ich sie hasse.

Der arme Franzl wird wirklich Mut für uns zwei brauchen!

Das Essen nahmen wir in Hallstein ein und es gab noch eine Spazierfahrt. Nach dem Regen der vergangenen Tage war die Sicht wunderschön. Berge und Felse waren von der untergehenden Sonne in ein mildes Licht getaucht und auch der See glitzerte golden.

Nur mir war irgendwie kalt in dem offenen Landauer, der Franzl reichte mir fürsorglich seinen Mantel. Er ist ja so ein Lieber!

Am Abend war Ischl von zehntausenden Kerzen und von Lampen in den österreichischen und bayerischen Farben beleuchtet und das Feuerwerk zeichnete ein E und ein FJ, eine Kaiserkrone und einen Brautkranz in den dunklen Nachthimmel.

05. September 1853

Ein Fest folgte dem anderen und ich wurde mit Geschenken überhäuft, der Kaiser gab mir Geschmeide und Juwelen, unter anderem eine prachtvolle Blütenranke aus Diamanten und Smaragden, die ich mir in die Haare flechten konnte. Mit der ich am Hofball tanzte, meinem zweiten richtigen Ball. Ich war so aufgeregt, dass ich Karl Ludwig, meinem zukünftiger Schwager bei der Polka auf den Fuß stieg und der Arme ist doch ohnehin schon so unglücklich, da ich den Kaiser heirate und nicht ihn.

Im Garten der Sommervilla ließ der Kaiser geschwind sogar eine Schaukel errichten, die ich natürlich sofort in Besitz nahm, der Wildfang, der ich bin. Er spürte auch, dass mir die immer neuen Gesichter Angst machten und ließ mir zuliebe den prächtigen, von fünf Schecken gezogenen, Wagen nicht von einem Kutscher, sondern von Graf Grünne, an den ich schon gewöhnt hatte und gerne mochte, ziehen.

Dem Hofmaler musste ich Modell sitzen, damit ein jeder in Wien weiß, wie ich aussehe.

Jetzt sind wir wieder daheim in Possi und darüber bin ich eigentlich recht froh. Ich muss irrsinnig viel tun und komme kaum zum Schreiben. Französisch, Italienisch, Tanzstunden, Anproben bei der Schneiderin und vieles mehr. Für mich ist der Ernst des Lebens nun angebrochen, sagt Mama. Ich muss jetzt viel lernen, um eine gute Kaiserin zu werden. Bisher wäre mein Unterricht vernachlässigt worden.

Am 24. August wurde nämlich ganz offiziell in der Wiener Zeitung verkündet, dass sich der Kaiser mit mir verlobt hat und es wurden auch meine Eltern, Herzogin Ludovika und Herzog Max in Bayern, namentlich erwähnt und natürlich seine Majestät, König Maximilian II von Bayern, das Familienoberhaupt von uns Wittelsbachern. An den Papa, den Brautvater, und an den König war natürlich auch ein Telegramm versendet worden.

Ich habe jetzt Unterricht in österreichischer Geschichte, allerdings bei einem Ungarn, den Papa für mich ausgesucht hat, wahrscheinlich um Tante Sophie ein bissel zu ärgern, was ich sehr begrüße. Denn den Papa freut es klammheimlich, dass ich, seine Lieblingstochter, die ehrgeizigen Pläne meiner Mutter und meiner Tante durchkreuzt habe. Er hofft auch, dass ich den Kaiser liberaler mache, denn der Franz regiert mit strenger Hand, so wie seine Mutter es ihm befiehlt. Beide seien beim Volk recht unbeliebt, da viele kritische Köpfe im Gefängnis sitzen oder in Ungarn hingerichtet worden waren.

Mein Lehrer heißt Janos Majlath, der Graf ist ein Freund meines Vaters. Er ist ein kleiner, lebhafter, sehr unterhaltsamer Mann, den ich sehr gerne mag. Er lebt in München in bescheidenen, fast ärmlichen Verhältnissen vom Ertrag seiner Bücher, das Geld, das er hier verdient, tut ihm sicher wohl. Er unterrichtet sehr anschaulich bis in den Abend hinein und manchmal hören ihm auch Nene und der Karl Theodor, unser Gackel, zu, die Mama und einige der anderen Lehrer.

Und ich muss ja auch noch Sprachen lernen, Französisch, Italienisch und Böhmisch, leider habe ich kein rechtes Talent für fremde Sprachen und das Französisch sprechen nimmt in der Gesellschaft zu Mamas Verdruss ohnehin sehr ab. Aber der Kaiser herrscht ja über so viele Länder, Venezien, Lombardei, wo man Italienisch spricht, Böhmen, Ungarn, Kroatien, Slowenien, das Banat und Serbien, wie mir Mama immer wieder in Erinnerung ruft.

Die Tante Sophie, die begierig über meine Lernfortschritte unterrichtet werden möchte, erscheint mir immer furchteinflößender. Meine Kinderangst hat einen Namen und ein Gesicht bekommen. Dabei schreibt sie angeblich an alle Tanten von mir nur als der lieben Elise, die ihren Sohn so glücklich macht.

10. September 1853

Mir macht der Unterricht viel Freude, besonders der bei meinem Ungarn. Herr Majlath ist sehr nett zu mir, er weiß so viel und hat sehr viel Humor. Immerzu schwärmt er mir von seinem schönen Heimatland vor. Ungarn muss traumhaft sein, ein richtiges Herzensland. Ich habe Bilder von der Puszta gesehen, diese unheimliche Weite. Ich freue mich so darauf, dort hinzureisen, ich würde mich dort frei fühlen, unendlich frei.

Außerdem sind die Ungarn tapfere und mutige Menschen, sind sie doch genauso freiheitsliebend wie ich. 1849 wurde ihre Verfassung von Franz Joseph außer Kraft gesetzt. Ein Jahr zuvor hatte es nämlich viele Todesurteile gegen aufständische Ungarn gegeben, nachdem einer von ihnen versucht hatte, den Kaiser umzubringen. Das ist eine sehr schlimme Tat gewesen, aber man darf doch nicht ein ganzes Volk für die Tat eines Einzelnen bestrafen.

Franzls General Julius von Haynau bekämpfte entschieden alle Gegner der Monarchie und war daher bei diesen als Hyäne von Brescia oder als der Blutrichter von Arad berüchtigt. Auf seinen Befehl wurden am 6. Oktober 1849 dreizehn ungarische Generale sowie am gleichen Tage in Budapest der erste ungarische Ministerpräsident Lajos Batthyány hingerichtet. Majlath hat voller Verachtung von diesem Menschen gesprochen, was ich gut nachempfinden kann.

Ich habe mir jedenfalls ganz fest vorgenommen, mich für Ungarn einzusetzen, wenn ich Kaiserin bin, ganz fest. Schon alleine wegen Herrn Majlath, der ein stolzer Ungar ist und bei mir um Verständnis für die ungarischen Sonderrechte wirbt, was er nicht tun muss. Er erklärt mir die ungarische Verfassung, die von Franz Joseph aufgehoben wurde und unbedingt wieder in Kraft gesetzt werden muss.

Wir sind übrigens beide der Meinung, dass die zweckmäßigste Regierungsform die Republik sei. Das darf ich natürlich niemanden sagen, das muss unser Geheimnis bleiben, aber das weiß ich noch nicht so recht.

Allerdings hängt in allen Köpfen noch Frankreich wie eine dunkle Wolke fest. Tante Sophie hat dolle Angst, dass dieses Beispiel Schule macht und wir wie die unglückselige Marie Antoinette und ihr Gemahl geköpft werden, nur, weil Leute glauben, das Ende der Monarchie sei gekommen und sich gegen die heilige Macht des Kaisers auflehnen. Sie glauben nicht, dass die Monarchen von Gott bestimmt sind, ihre Völker zu lenken und, dass sie es alleine besser könnten. Also sag ich lieber nicht, was ich denke oder zu denken glaube.

Er zeigt mir so schöne ungarische Gedichte, Sagen und Märchen. Ich wäre lieber Königin von Ungarin statt Kaiserin von Österreich.

„Sisi, leg dein Schreibzeug beiseite. Du musst dich jetzt mit deiner Aussteuer beschäftigen. Die Zeigt drängt. Ich möchte, dass dein Trousseau, deine kaiserliche Aussteuer, in Wien vor Sophies gestrengen Augen besteht. Ich will mich nicht blamieren und du sicher auch nicht.“

Mama war neben mich getreten und ich räume etwas widerwillig die Schreibsachen beiseite.

Anproben, wie öde. Ich hasse das ständige Anprobieren und kümmere mich kaum um die vielen, neuen, furchtbar kostbaren Kleider. Ich habe auch keine Freude mehr an den Juwelen, die der Kaiser mir schickt. Ich habe mich über keines seiner Geschenke so recht gefreut nur über den diamantenen Armreif mit dem Miniaturportrait des Kaisers, das damals gemeinsam mit meinem Bild in Ischl gemalt wurde.

„Übrigens ist Néné immer noch böse auf mich, Mama“, sage ich „wir reden zwar wieder mit einander, aber nicht über das, was in Bad Ischl passiert ist. Das ist für sie alles ganz furchtbar schlimm. Sie sieht doch, wie ich den Unterricht bekomme, den sie eigentlich bekommen sollte. Wie meine Aussteuer in Kisten gepackt wird, die eigentlich die ihre sein sollte. Mama, ich habe ihr den Mann gestohlen, den sie heiraten sollte und wollte. Wegen mir wird sie nun keine Kaiserin. Ich habe das doch nicht mit Absicht getan. Ich wollte doch nie Kaiserin werden.“

Meine Mutter sieht mich ernst an. „Es ist passiert, was passiert ist. Kümmere dich bitte jetzt um deine Aussteuer. Alles andere regelt sich.“

13. September 1853

Néné und ich saßen an unserem Steg am See und haben über alles geredet. Sie ist mir nicht mehr böse und sie versteht, dass ich Angst habe. Sie hatte ja auch große Angst gehabt und es deswegen vermasselt, wie sie nun unumwunden zugibt.

„Ich habe es einfach zu sehr gewollt, Sisi und ich glaube, wenn man etwas unbedingt will, dann geht es niemals gut. Du hast es gar nicht gewollt und du hast es bekommen“, sagt sie traurig und ich lege tröstend den Arm um sie.

„Du wirst gewiss einen guten Mann bekommen. Du bist so schön, klug und gebildet und du spielst so wundervoll Klavier. Beim nächsten Mal stellst du dich einfach entspannter an, bekommst keine Migräne und alles wird gut“, sage ich bestimmt.

„Nur, dass es beim nächsten Mal keinen Kaiser mehr für mich gibt. So viele Kaiser hat Europa nicht und der Zar von Russland ist mindestens 10 Jahre jünger als ich“, meint Néné schmunzelnd.

Auch mein Papa hat übrigens Angst, da er sich nun ordentlich benehmen muss und sich nicht wie ein freigeistiger Bürger oder ein Zechbruder bei seinen Artusrunden betragen darf, wenn er nun der Schwiegervater des Kaisers von Österreich wird. Meint zumindest Onkel Max, der König, der meinem Papa regelmäßig wegen seinem Lebenswandel die Leviten liest.

Hoffentlich hält sich Papa dran, denn ich fürchte, dass ich auch seinetwegen viele Gegner am Wiener Hof haben werde.

15. Oktober 1853

Der Franzl ist für ein paar Tage hier. Er hat mit meinen Geschwistern im Garten herumgetollt. Wie ein kleiner Junge, mein Kaiser, der sich hier entspannen kann, mit meinen Brüdern alberne Spiele spielt und ganz und gar die Orientkrise vergisst. Zar Nikolaus ist nämlich in einige Gebiete des türkischen Sultans eingedrungen und möchte, dass der Kaiser ihn unterstützt, weil er ihm 1848 beim Aufstand der Ungarn zur Hilfe gekommen war und geholfen hatte, den Aufstand niederzuschlagen, als die Ungarn sich vom Kaiserreich trennen wollten. Der Kaiser kann sich nicht recht entscheiden, was er machen soll und grübelt viel.

Wie viel jünger wirkt er jetzt, wie viel unbeschwerter. Und er reitet mit mir über die Felder und Wiesen, auch, wenn es die Tante Sophie sicher nicht gerne sieht, dass ich reite, denn das schickt sich nicht für eine zukünftige Kaiserin, die den Erben gebären soll. Angeblich wurde auch der armen Marie Antoinette von ihrer Mama, der gestrengen Kaiserin Maria Theresia, das Reiten verboten. Dabei ritt sie in Versailles so gerne aus, aber es sei nicht gut für das Becken und würde das Gebären erschweren. Aber es macht solche Freude und der Franzl reitet so gut wie mein Vater.

Seine Reise nach Possi war allerdings sehr beschwerlich. Über Prag, Dresden, Leipzig und Hof ging es nach München, was etwas mehr als einen Tag dauerte, denn es gibt noch keine Eisenbahnverbindung zwischen München und Wien. Und dann ist er zuerst zu König Max, meinem Onkel, wegen dem Protokoll und ich musste ziemlich lange warten.

Der Kaiser ist so verliebt in mich, er konnte die Tage kaum erwarten, nach Possi zu reisen, denn er muss immerzu an mich denken und liebt mich jeden Tag ein wenig mehr, wie er auch seiner Mama schreibt. Sisi ist reizender denn je, solche lieben Worte hört man gerne.

Mit der Zahnpflege will es allerdings nicht recht klappen. So sehr ich auch putze, sehr viel weißer werden sie nicht. Muss ich eben mit geschlossenem Mund lächeln, was ich schon ganz gut kann.

24. Dezember 1853

Lange habe ich nicht geschrieben. Bald werde ich den Franzl heiraten und Kaiserin werden. Ich weiß immer noch nicht, ob ich das überhaupt will.

Den Franzl heiraten schon, ich habe ich ja auch lieb.

Aber das mit der Kaiserin?

Ich muss von so vielem Abschied nehmen, was mir lieb ist.

Von meinen Eltern, meinen Geschwistern, meiner Heimat, München und vor allem meinem Possi, meinem See, meinen Tieren, meiner Kindheit, ich werde nicht mehr ich selbst sein. Mein Zimmer wird übrigens Marie, meine Lieblingsschwester, bekommen.

Ich werde in ein anderes Land gehen und weiß nicht, was mich erwarten wird. Ich weiß, ich bin undankbar. Aber ich habe solche Angst vor Wien.

Leb wohl vertraute Isar, geliebtes Bayernland.

Franz wird mich gewiss lieben.

Aber reicht das für uns beide?

Ich weiß es nicht.

Ich werde mit dem Kaiser reisen und fremde Länder sehen.

Aber reicht das auf Dauer?

Ich bin ja kein Mann wie der Papa, dass ich alleine auf Reisen gehen kann. Ich werde mit einer Kinderschar in Wien festsitzen und der Sophie ausgeliefert sein.

Vielleicht war die Nene die eigentliche Siegerin in Bad Ischl. Ihr ruhiges, frommes, ein wenig steifes Wesen passt perfekt zu Sophie!

Obwohl, ich will nicht ungerecht sein, der Kaiser ist so lieb, kam zu Weihachten zu Besuch und brachte Juwelen, ein Portrait von sich und ein silbernes Frühstücksservice für die Reise mit, in das ein E mit Kaiserkrone graviert ist.

Von Tante Sophie bekam ich einen Kranz und ein Bukett frischer Rosen mitten im Winter. Letzten Herbst zu meinem Namenstag, am 19. November, habe ich eine sehr kostbare Brosche geschenkt bekommen. Der Kaiser und ich schenkten uns gegenseitig Bilder von uns zu Pferd. Ich habe ehrlich gesagt keine Freude mehr an den Juwelen, die der Kaiser mir schenkt. Ich habe mich über keines seiner Geschenke so recht gefreut, nur über den Papageien, den er mir heute schenkte. Über den freute ich mich aber riesig.

„Danke für die lieben Geschenke, vor allem für den reizenden Papagei. So gerne würde ich mit dir einmal in den Urwald reisen. Er war das beste Geschenk überhaupt. Für mich viel schöner als alle Juwelen, auch wenn diese sehr wertvoll sind“, sage ich leise.

„Du sollst nur das Beste und Teuerste haben, Sisi“, flüstert er in mein Ohr, ohne auf das einzugehen, was ich gerade gesagt hatte und ich klappe das Buch rasch zu.

„Stell dir vor, selbst deine Toilettengarnitur wird aus purem Gold sein.“

Er lacht und ich stimme in sein Lachen mit ein.

„Pretiosen, Silber, chinesisches Porzellan, Statuen und Uhren aus den verschiedenen Sammlungen des Kaiserhauses, auch aus der Schatzkammer und der Ambraser Sammlung, dir soll bei uns an nichts mangeln.“

Mein Lachen geht in ein gequältes Lächeln über, denn ich mach mir aus all diesen Sachen nichts.

Am besten erzähle ich dem Kaiser nichts von meinem Unterricht bei meinem Ungarn. Er würde es nicht verstehen und dieses Nichtverstehen würde mir wehtun.

Eigentlich wollte ich meinen Geburtstag und Weihnachten mit meiner Familie ganz intim feiern und nicht mit vielen fremden Menschen und einem steifen Hofzeremoniell, an das ich mich gar nicht gewöhnen mag.

Kapitel 2 – Adieu geliebte Isar

05. Januar 1854

Ich werde auf den bayerischen Thron verzichten müssen und so eine Art Verzichtserklärung abgeben. Der bayerische Thron kümmert mich wenig, ich hätte ihn sowieso nie bekommen, da meine Familie nur ein unbedeutender Nebenzweig der Wittelsbacher ist. Der in Wien ist ohnehin viel Bedeutender. Und dennoch, für mich ist es, als würde ich einen Schlussstrich unter mein bisheriges Leben ziehen und das tut mir irgendwie weh.

Adieu geliebte Isar, warum muss ich dich verlassen, ohne zu wissen, ob mir die Donau überhaupt gefällt?

16. Januar 1854

Ich hasse es!!! Jeder Schritt, den ich tue – jedes Wort, das ich sage – alles wird auf die Goldwaage gelegt und beurteilt.

Früher hat sich niemand um mich gekümmert und ich konnte tun und lassen, was ich wollte. Mit den einsamen Spaziergängen und Ausritten ist es nun vorbei, ebenso mit den Schlittenpartien, eine Kaiserin, die im Schnee tollt, das geht sich gar nicht aus. Franzl hat Angst um mich, wenn ich alleine ausreite, dabei bin ich doch die beste Reiterin in meiner Familie. Er hat sogar gesehen wie gut ich reite, allerdings musste er es der Tante Sophie versprechen, dass ich es einschränke, aber ich will es einfach nicht aufgeben.

Und an das Angestarrt werden kann ich mich einfach nicht gewöhnen. Ich starre fremde Menschen ja auch nicht an, das muss denen doch genauso unangenehm sein wie mir. Beim Münchner Theaterbesuch mit dem Kaiser war mir der stürmische Empfang unangenehm, dafür klappte es laut Franz Joseph beim Hofball zu Ehren unserer Königin Marie, der Gemahlin Maximilians II, am 15. Oktober letzten Jahres recht gut, es war angeblich gar brillant. Nur angeblich, denn ich genierte mich furchtbar und die ganzen Diplomaten langweilten mich zu Tode.

Das Ganze muss ein furchtbarer Irrtum sein, ein schrecklicher Traum. Papa hat seinen kleinen Wildfang unendlich lieb. In Wien wird das ganz anders sein. Ich darf übrigens die Tante Sophie nicht mehr duzen, aber das ist mir ohnehin lieber.

05. März 1854

Gestern wurde mein Ehevertrag mit Franz unterzeichnet. Er konnte leider nicht kommen, was mich sehr traurig macht. Ich habe eine Aussteuer von 150.000 Gulden bekommen. Papa hat 50.000 bezahlt und Franz 100.000. Zudem habe ich eine Jahresrente von 100.000 Gulden für Kleider, Schmuck und Almosen zur Verfügung.

Ich habe auch die Verzichtserklärung für die Erbfolge im bayerischen Königreich abgegeben, die sogenannte Renunziation.

Ich saß die ganze Zeit neben dem König auf dem Baldachin auf der Estrade und ich glaube, die Mitglieder des Königshauses, die Hofwürdenträger und die Staatsminister haben das erste Mal in meinem Leben Notiz von mir genommen.

13. März 1854

Der Kaiser ist da. Er hat mir wundervollen Schmuck mitgebracht, den einst seine Mutter an ihrem Hochzeitstag getragen hat. Ein wunderschönes Diadem mit Collier und Ohrringe, die mit Diamanten und Opalen gefasst sind. Es ist fast so kostbar wie mein gesamter Schmuck.

„Das ist wirklich wunderschön. Vielen Dank, Franz“, sage ich artig. „Ich will mich gleich hinsetzen und an die Tante Sophie schreiben.“

Franz nickt und nimmt meine Hand.

„Denk aber bitte daran, sie nicht wieder zu duzen, sie war sehr befremdet darüber, dass du sie damals bei deinem ersten Brief geduzt hast.“

„Das war ein Versehen, ich dachte nicht daran, seitdem schreibe ich sie ja in der Sie Form an“, sage ich betont ruhig „sie ist ja eigentlich immerhin meine Tante und meine Schwiegermama.“

„Ja, das stimmt, aber vor einer älteren Dame muss man Respekt und Ehrfurcht haben, auch ich als ihr Sohn verwende, wie du weißt, die Sie Form.“

„Gut, dann bedanke ich mich und schreibe, dass ich mich vertrauensvoll der mütterlichen Liebe der Erzherzogin hingeben kann“, sage ich gepresst. „Das wird ihr gewiss gefallen.“

„Sie meint es nur gut, Sisi, in jedem Brief an Tante Luise und Tante Elise schwärmt sie von deinem Liebreiz und nennt dich zärtlich Elise. Sei so gut und sei nicht gleich so angefasst, wenn man eine Bitte an dich richtet, mein Engel. Das steht dir nicht.“

Ich atme tief durch, mich von meinem alten Leben zu verabschieden, fällt mir unendlich schwer. Am liebsten würde ich manchmal ganz weit weglaufen, denn dann denke ich: Es war ein Fehler. Wieso konnte ich nur ja sagen. War dieses Ja nicht doch ein Fehler gewesen. Kam dieses Ja wirklich von mir oder mehr von meiner Mama?

22. April 1854

Ich bin in Wien!

Mit dem Schiff, das Franz Joseph hieß, wie kann es anders sein, bin ich hergekommen. Mein Gepäck, 17 große und 8 kleine Koffer sind schon am 14. April verschifft worden und am 16. April, dem Ostersonntag, hat es noch ein Galakonzert am königlichen Hofe in München gegeben. Bis Linz bin ich mit der hübschen „Stadt Regensburg“ gefahren, ab Linz dann im prachtvollen Raddampfer „Franz Joseph.“

Ich habe tränenreich Abschied vom lieben Possi genommen, von meinem Zimmer, von meinem Garten, dem See und den Bergen. Am Morgen des 20. Aprils kam König Maximilian in unser Palais in München, um mir Lebewohl zu sagen. In der Ludwigstraße, vom Palais bis zur Siegessäule standen tausende Menschen, die mir zuwinkten und ich wurde nach Straubing zur Donau gebracht, wo das kaiserliche Schiff wartete. Meine Geschwister waren bei mir und mein liebster Bruder, der Karl Theodor, unser Gackel, saß höchstselbst am Bocke. Ludwig und Néné werden gar bis Wien mit mir reisen. Der Ludwig mag den Aufwand und die Etikette genauso wenig wie der Papa und ich.

Mama nervt mich, weil sie immer wieder jammert, dass Tante Sophie meine Ausstattung recht armselig findet, weil sie selbst damals 40 Koffer dabeihatte, als sie nach Wien zog und Franzens Vater heiratete. Obwohl sie nicht einmal Kaiserin wurde.

Adieu geliebte Isar!

Wenn ich nicht so aufgeregt gewesen wäre, hätte ich die Schifffahrt sehr genossen. Ich fahre nämlich gerne Schiff, aber es standen so viele Menschen am Ufer und ich musste immerfort grüßen und lächeln, obwohl mir zum Weinen zumute war.

Das Schiff war überaus prächtig ausgestattet, 140 Pferdestärken in London gefertigt, wie mir der Kapitän freudestrahlend erzählte, meine Kajüte mit Purpursamt verkleidet, das Deck in einen Blumengarten verwandelt mit einer Rosenlaube, in die ich mich zurückziehen konnte. Die Rosengirlanden reichten über die Schiffswände bis zum Wasser hinab. Überall bayerische Fahnen, österreichische Fahnen und Habsburger Fahnen, die allesamt einträchtig im Fahrtwind wehten.

In Linz, der Hauptstadt Oberösterreichs, haben wir am 21. April im Schauspielhaus „die Rosen der Elisabeth“ gesehen und die Stadt war festlich beleuchtet. Der Kaiser, der mich unter Hochrufen der Bevölkerung freudestrahlend in die Arme schloss, verließ Linz am 22. um 4 Uhr 30 früh, um mir voranzueilen und mich in Wien abermals zu empfangen.

Wir legten um 8 Uhr in Linz ab. Was habe ich alles zu sehen bekommen und konnte mich kaum sattsehen, das Barockstift Melk, die Burg Dürnstein, Krems, Tulln, Klosterneuburg, alles feierlich herausgeputzt und schön anzusehen. Überall winkten mir Schulkinder, Bauern, Arbeiter und Frauen und ich winkte so eifrig zurück, dass mir die Hände wehtaten, dabei war ich schon ziemlich erschöpft, ängstlich, nervös und so still, dass meine Mama und meine Geschwister, die einen Teil der Reise mit mir machten, mich aufzuheitern versuchten.

Zu laut dröhnten die Kaiserhymne und vor allem die Böllerschüsse in meinen Ohren!

Bevor wir in Nussdorf bei Wien ankamen, zogen wir uns alle um und ich trug eines meiner kostbarsten Kleider, ein duftiges rosafarbenes Seidenkleid mit weitausladender Krinoline, eine weiße Spitzenmantille und ein kleines weißes Hütchen zierte mein Haupt.

Kanonengewitter und das Glockengeläut aller Wiener Kirchen kündigten meine Ankunft in Nussdorf an. „Vivat, ein Hoch auf Elisabeth, hoch lebe unsere Kaiserin“ riefen die Menschen.

Mein Franzl sprang noch, bevor das Schiff richtig angelegt hatte, vom Ufer auf das Schiff, schloss mich in seine Arme und küsste mich stürmisch. Alle riefen in einem fort ganz laut „Hoch, Elisabeth!“ und ich winkte noch einmal eifrig mit meinem Spitzentuch.

Handkuss für die Tante und Schwiegermutter, Begrüßung der Brüder, Tanten und Onkel, Jubelrufe, Böllerschüsse, Musik, Fahnenschwenken.

Wagenzug nach Wien zum Schloss Schönbrunn in einer Kutsche, die von Lipizzanerschimmeln gezogen wird.

24. April 1854

Heute habe ich geheiratet, in der Augustinerkirche mit 70 Bischöfen und Prälaten. In einem wahren Traum von einem Kleid, ein gold -und silberbesticktes, reich mit Myrten besticktes Schleppkleid. Es sollte eigentlich mein schönster Tag sein, aber ich bin jetzt völlig am Ende, müde und todunglücklich.

Die Predigt war nämlich scheußlich!

Kardinal Rauscher äußerte sich folgendermaßen: „Wenn eine Frau einen Mann liebt, weil er reich ist, so ist sie nicht rein, denn sie liebt nicht den Mann, sondern sein Geld.“

Ist das nicht gemein, Franz Joseph ist der mächtigste Mann der Welt und er hat viel Geld, aber er braucht doch für mich gar kein Kaiser zu sein, ich wäre ohne all das ohnehin sehr viel glücklicher. Übrigens ist Kardinal Rauscher Tante Sophies Beichtvater. Der alte Drachen wollte mir weh tun!

Der restliche Tag war voller Pomp, Gratulationen, Geschenke, Ehrbezeugungen, Huldigungen. Nach der Trauung wurde ich dem Wiener Hof offiziell vorgestellt, für mich kam es einem Tribunal gleich. Ich kannte kaum einen der Leute und fühlte mich einsam und verlassen. Überall nur fremde Gesichter. Als ich inmitten dieser feindlichen Schar zwei meiner Cousinen entdeckt habe, die genau wie ich aus Bayern kommen, war ich richtig glücklich und bin sofort zu ihnen hin und hab sie umarmt. Ganz lang festgehalten habe ich die liebe Adelgunde.

Vergessen war der gestrige Fauxpas, als ich mit der Diamantenkrone, einer prächtigen alten Goldschmiedearbeit mit Smaragden, die mir der Franzl zur Hochzeit geschenkt hatte, beim Aussteigen aus der Kutsche strauchelnd an der Türfassung hängenblieb und Anlass zum Gelächter und Getratsche bot, weil die Krone durch meine Ungeschicklichkeit zu Boden fiel und in aller Eile repariert werden musste. Ein böses Omen!

Vergessen war, dass ich, als ich an meinem ersten Abend in Wien zu Bett ging, ein Schreiben ausgehändigt bekam, das ich studieren sollte, damit bei meiner Hochzeit alles gut ging. Das Zeremoniell für den öffentlichen Einzug Ihrer Königlichen Hoheit, durchlauchtigsten Prinzessin Elisabeth, Herzogin in Bayern. Alleine dieser ganze Hofstaat und das furchtbar steife spanische Hofprotokoll ängstigten mich schon jetzt zu Tode.

„Die Wiener werden begeistert von meiner reizenden Braut sein“, versuchte mich, die ich schreckensbleich die Gräfin Esterházy und meine Mama anstarrte, der Kaiser zu beruhigen.

Vergessen war, dass ich mit einem Portrait von Marie Antoinette in einem Zimmer nächtigen musste, die war zwar recht hübsch, ist aber doch recht eindeutig geköpft worden.

Vergessen war, dass ich gestern schrieb: „Ich bin erwacht in einem Kerker und Fesseln sind an meiner Hand. Und meine Sehnsucht immer stärker – und Freiheit! Du mir abgewandt.“

Ich atme tief durch!

Endlich vertraute Gesichter statt der vielen Fremden, denen ich am 22. April, am Tag meiner strapaziösen Reise, vom Balkon des Schönbrunner Schlosses zuwinken musste und dem Hofgaladiner mit allem Prunk des Kaiserreiches.

Wenn ich an all die Strapazen denke! Den feierlichen Einzug in Wien am folgenden Tag, dem 23. April in der Favorita, dem alten Stadtschloss Maria Theresias, das aber von der kaiserlichen Familie kaum noch verwendet wird. Ich musste dann ziemlich weinen, als ich nachmittags in der gläsernen Kutsche saß, die von acht herrlichen Lipizzanerschimmeln gezogen wurde. Ich war so erschöpft, aber auch Mama, die neben mir saß, sah ängstlich drein, da man bei uns am Hofe schlicht so ein Spektakel nicht gewöhnt ist.

„Hör auf zu weinen, was sollen die Menschen nur von dir denken, du musst lächeln und den Menschen zeigen, wie glücklich du bist, dass du den Kaiser heiratest und Kaiserin wirst“, sagte Mama in einem fort und ich weinte unaufhörlich.

Schluchzend kam ich in der Hofburg, meinem neuen Heim an.

Ich atme noch einmal tief durch und strahle meine Cousinen an.

„Elisabeth, es geziemt sich nicht für eine Kaiserin, bayerische Prinzessinnen zu küssen! Hast du vergessen, dass dir deine Hofdamen die Hand küssen sollen. Es ist gleichgültig, dass Adelgunde deine Cousine ist und du mit ihr als Kind gespielt hast. Sie soll dir wie jede andere Dame die Hand küssen.“

Sophie, einem Racheengel gleich!

Ich gehöre mir nicht mehr selbst, nur der österreichischen Krone, der gehöre ich. Ich wende mich hilfesuchend zu Franz Joseph, darauf hoffend, dieser würde sich auf meine Seite stellen.

„Mama hat recht, Gefühlsregungen darf man nicht so einfach nachgeben. Du bist die erste Dame des Reiches und keine Bauersfrau“, flüstert er mir leise ins Ohr.

Selbst die einfachste Bauersfrau kann ihr Leben freier leben als ich. Bei ihr ist es egal, wen sie in den Arm nimmt und wen nicht. Ich muss alles so machen wie es das Protokoll will und wehe ich verstoße gegen dieses, dann zürnen sie mir, selbst mein Franzl.

Ich schlucke schwer. Ich fühle mich schrecklich einsam in dieser fremden Welt, in der man keine Gefühle zeigen darf und niemand umarmen darf. Ich habe Kopfweh und mir ist flau im Magen

„Es ist so furchtbar schwer, Franz. Niemand darf mich ansprechen, ich muss von selbst ein Gespräch anfangen, ich weiß nie, was ich sagen soll. Ich bin doch so schrecklich schüchtern. Und dann sehen die Menschen meine schlechten Zähne.“

„Das wirst du lernen müssen. Du musst dir Mühe geben, Sisi, du bist die erste Dame des Reiches. Du musst freundlicher grüßen und dich besser halten. Das hat dir sicher auch die Gräfin Esterházy, deine erste Dame, schon erklärt. Ebenso deine Mama vorhin, als du in Tränen ausgebrochen bist. Und nun lass uns zu Bett gehen, du musst schrecklich müde sein.“

Jetzt sitze ich bei Kerzenschein an meinem Schreibpult und notiere bei Kerzenschein rasch meine Gedanken, weil ich nicht schlafen kann. Franz wollte mit mir verkehren und ich habe ihn gebeten, es auf morgen zu verschieben. Ich bin schrecklich müde und habe Angst, dass es weh tut.

Ich gähne und klappe das Buch zu. Franz liegt schon im Bett und schläft selig. Ich lösche die Kerzen und lege mich zu ihm.

30. April 1854

Tagelanger Kleinkrieg mit Tante Sophie. Sie will jeden Tag mit uns frühstücken, was mir zuwider ist, so wie mir Tante Sophie eben zuwider ist. Schon nach unserer Hochzeitnacht fragten Tante Sophie und Mama uns beim Frühstück aus, ob wir die Ehe vollzogen haben, das war so peinlich! Natürlich meint sie es gut mit mir, aber ich will einfach meine Ruhe haben. Ist das so schwer zu verstehen. Auch, wenn sie mich mag, ich kann sie eben nicht leiden. Außerdem geht sie diese Sache nichts an. Ich will nicht, dass nun jeder weiß, dass der Kaiser seine junge Braut nun endlich entjungfert hat.

Wir haben nämlich erst in der dritten Nacht die Ehe vollzogen und es hat schrecklich weh getan, weil Franz so stürmisch und hitzig war, keuchend und voller Triumph in mich eindrang und mich im Bett zu seinem Eigentum machte. Nicht einmal erschrocken schien er über das viele Blut, das er hinterließ, zu sein.

Jetzt wusste ich, was Mama mit den ehelichen Pflichten meinte und ich konnte diesen nur wenig abgewinnen.

Sie ekeln mich gar an! Ich habe mich erniedrigt und gedemütigt gefühlt, war voller Schmerzen und Pein und musste vor Ekel würgen.

Der Kaiser merkte von all dem nichts!

Alles, was Franz und ich machen, bekommt Tante Sophie heraus, nichts kann man ihr recht machen. Wenn sie im Raum ist, fehlt mir die Luft zum Atmen. Warum kann sie uns nicht einfach in Ruhe lassen. Ich will meinen Mann wenigstens ein paar Momente für mich alleine. Nicht einmal eine Hochzeitsreise will ich. Franz hätte ohnehin keine Zeit. Ich will doch nur, dass er mich liebhat und dass er mich vor ihr beschützt. Er ist ihr Sohn und hat ihr seine Krone zu verdanken, deswegen tut er nichts und sie frühstückt mit uns.

Ich werde mich aber zur Wehr setzen.

Ich bin tief gekränkt, dass ich in der Nacht meine Pflicht tun muss und am Tag nicht einmal allein mit Franz frühstücken darf.

Das habe ich unter Frausein nicht erwartet.

15. Mai 1854

Wir sind ins Schloss Laxenburg umgezogen. Es regnet schon den ganzen Mai über und es sieht nicht so aus, als würde es jemals damit aufhören. Seit gestern habe ich Husten, weil das dämliche Schloss feucht und klamm ist.

Eigentlich wäre es nämlich ein schönes Schloss, viel schöner als die düstere Hofburg, mit romantischen Türmen und Türmchen, etliche Kilometer außerhalb Wiens in einer waldreichen Gegend gelegen mit einem riesigen Park, der mich an den englischen Garten in München erinnert.

Der Kaiser lässt mich aber den ganzen Tag alleine. Ganz früh am Morgen fährt er nach Wien und kommt erst am Abend zurück. Dauernd empfängt er Deputationen aus Niederösterreich, aus Oberösterreich, aus der Steiermark, aus Kärnten, aus der Krain und aus der Bukowina und natürlich aus Ungarn, die zumindest farbenfrohe Uniformen anhaben.

Zu allem Überfluss kommt Tante Sophie jeden Tag zu Besuch, um mich auszuspionieren. Obwohl sie den Sommer eigentlich in Schönbrunn verbringt. Franz sagt, dass sie es nur gut meint und mir Gesellschaft leisten will, aber das glaube ich ihr nicht. Wenn sie es gut mit mir meinen würde, dann würde sie mich nicht auf Schritt und Tritt verfolgen und alles bekritteln, was ich tue. An allem nörgelt sie mit harter Miene herum. Nichts kann ich ihr recht machen. Wenn ich bei den Empfängen dabei bin, soll ich mich aufrecht halten, herzlich lächeln und den Leuten in die Augen schauen.

Néné käme mit ihr sicher blendend zurecht.

Das Einzige, was mich ermuntert, sind meine Tiere, die ich teils aus Possi mitgebracht habe, meine Papageien. Stundenlang könnte ich an ihrem Käfig sitzen und ihnen Namen, gar ganze Sätze, beibringen.

PS: Meine Hofdamen mokieren sich über mein schlechtes Französisch. Mein Vater legte halt Wert auf das Englische, da er England mehr schätzt und den englischen Hof für die Zukunft hält.

18. Mai 1854

Mir dröhnen die Ohren.

„Es schickt sich nicht für eine Kaiserin, ihrem Mann hinterherzulaufen, wie ein Waschmädchen ihrem Galan.“

Nur weil ich Franz in Wien besucht habe, ich habe mich doch immer sofort zurückgezogen, wenn er Besuch hatte, oder, wenn seine Minister da waren. Wie kleine Kinder hat sie uns ausgeschimpft. War sie denn nie jung? Sie will die Kontrolle über uns, aber sie kann uns nichts im Grunde nichts. Ich bin nämlich die Kaiserin und sie nur Erzherzogin. Und ich habe den Kaiser doch so selten bei mir, selbst beim Diner sitzt die Esterházy dabei und bemängelt alles oder ich muss mich mit dem kaiserlichen Flügeladjutanten Hugo von Weckbecker in der Konversation üben. Nicht einmal über die wundervolle Bibliothek in Laxenburg können wir plaudern, denn der Kaiser hält nichts von Romanen und meint diese würden mich wirr machen.

„Es schickt sich nicht für eine Kaiserin, ihrem Mann hinterherzulaufen. In was für eine peinliche Situation du deine erste Dame gebracht hast. Die Gräfin Esterházy war ganz verzweifelt, weil du ihr davongelaufen bist. Und ich höre, dass du immer noch im Schlosspark mit Kreti und Pleti sprichst, dies mag sich in Possenhofen so angehen, wir sind hier aber in Wien. Und wo wir schon dabei sind, du hast dich von deinen Kammerfrauen anzuziehen und nicht geniert zu tun und es geht auch nicht, dass du mit ihnen keine Konversation betreibst. So empfindlich kann man doch gar nicht sein. Ich meine es doch nur gut mit dir, Elise.“

Die Erzherzogin schnaubt wutentbrannt und ich schaue hilfesuchend zum Franz hinüber, der mich nach diesem endlich mal vergnügten Tag ruhig verteidigen könnte, aber er bleibt zu meinem Entsetzen stumm und Sophie spricht weiter.

„Ich kann nicht zulassen, dass du dich so kindisch beträgst und unserem guten Ruf schadest. Von nun an wirst du Laxenburg nur mit der Gräfin Esterházy verlassen. Du wirst ihr auch zuhören, wenn sie dir etwas erklärt. Mir ist nämlich zu Ohren gekommen, dass du das nicht machst und somit mit unseren Sitten noch immer nicht so recht vertraut bist. Sie und Baron Weckbecker, des Kaisers Flügeladjutant, unterrichten dich weiterhin in den Gepflogenheiten unseres Hofes. Weckbecker und Lobowotz werden mit dir Konversation üben, da bist du nämlich auch noch recht unbeholfen. Auch ich werde dir jeden Nachmittag zum Tee Gesellschaft leisten. Es wäre gelacht, wenn wir aus dir keine gute Kaiserin machen könnten. Deine Mutter hat da leider recht viel verpasst, sie hat ja auch alles in Helene investiert und dich vernachlässigt. Aber das bekommen wir schon hin, Elise, mach dir keine Sorgen. Und jetzt empfehle ich mich.“

Wütend beiße ich mir auf die Lippen.

Diese Gräfin Esterházy konnte ich schon am 22. April, dem Tag vor meiner Hochzeit, nicht leiden. Sie ist alt und verkniffen und immer mürrisch, ich habe sie jedenfalls noch nie lächeln sehen. Sie führt sich auf wie eine Gouvernante und langweilt mich mit dem Hoftratsch zu Tode. Alles, was ich falsch mache und das ist in ihren Augen fast alles, meldet sie sofort der Tante Sophie. Gestern haben wir uns über das Schuh Thema gestritten. Ich darf jedes Paar nur einmal tragen. Ich finde das seltsam, weil viele arme Menschen nur ein Paar Schuhe besitzen und meine in Possenhofen mit viel Aufwand und Mühe gefertigt worden waren. Wenn ich mit dem Stallmeister ausreite, mit wem soll ich denn sonst ausreiten, wenn ich alleine nicht darf, schelten sie mich als schamlos und wenn ich mich von den Hofdamen nicht ankleiden oder gar auskleiden lassen will, weil mir das peinlich ist, dann bin ich prüde.

Was für ein Schmäh!

Zudem bin ich die Kaiserin, weder Sophie noch die Esterházy haben mir irgendwas zu befehlen!

Und vom Kaiser kann ich keine Hilfe erwarten. Er hat Angst vor ihr, der jämmerliche Feigling, dabei müsste er mich vor ihr beschützen. Wahrscheinlich nimmt er immer noch an, dass die Sophie wie eine Mutter mir nur helfen will, weil ich so jung und unerfahren bin. Und, dass sie mich ermahnen muss, wenn ich Fehler mache, dabei war er genauso mit von der Partie wie ich und hat jetzt keine Anstalten gemacht, mir zu helfen.

Mehr Vertrauen als zur Esterházy habe ich zu meinem Oberhofmeister, dem Fürsten Lobowitz, und zu meinen jungen Hofdamen Bellegarde und Lemberg, gerade die Bellegarde ist mir recht sympathisch, hier hat mir die Tante aber zu vertrauliche Beziehzungen untersagt.

Komisches Volk hier!

PS: Die einzigen, die ich leiden kann, sind Franzls Bruder Maximilian, Baron Weckbecker und Graf Grünne, des Kaisers väterlichen Freund und Adjutant. Letzterer ist öffentlich sehr unbeliebt, gar der am meisten gehasste Mann der Monarchie, aber ich mag ihn gerne und vertraue ihm. Er strahlt eine gute Ruhe aus und hört mir zu, was wohltuend ist, weil er mich ernst nimmt. Noch viel besser: Er ist ein absoluter Pferdekenner und ein sehr guter Reiter, der jeden Tag auf dem Prater ausreitet. Mit mir reitet er natürlich auch aus, ein Highlight in der trüben Misere. Macht auch mehr Freude als mit meinen Hofdamen, die sehr ängstlich sind und nicht so gut reiten können wie ich.

„Wie man es macht, macht man es falsch“, sage ich zu Baron Weckbecker. „Ich war doch nur in Wien an meinem Platz an der Seite des Kaisers. Ist es denn so falsch, dass ich mich für die Agenden des Kaisers und die Politik in den Kronländern interessiere? Selbst der Kaiser meinte, ich hätte mich tadellos benommen.“

„Mir hat der Auftritt Ihrer kaiserlichen Majestät sehr imponiert. Ich bin der Meinung, dass die Kaiserin über die Politik in den Kronländern informiert sein sollte.“ Er zuckt entschuldigend mit den Schultern. „Leider sehen das die meisten Staatsmänner anders und sind der Meinung, dass der Platz der Kaiserin ein Waisenhaus oder ein Armenspital ist und nicht die Politik.“

„Aber wie soll ich eine gute Landesmutter sein, wenn ich nicht weiß, was in meinem Land vor sich geht“, sage ich stur und blicke den Baron trotzig an.

Kapitel 3 – die Erzherzogin

20. Mai 1854

Sophie hält sich immer noch für die wahre Kaiserin und mich hält sie an Ketten wie ein dressiertes Pferd. Am schlimmsten ist, dass der Kaiser nie da ist, um mich zu beschützen. Er steht schon um vier Uhr morgens auf und fährt nach Wien zu seinem Schreibtisch in der Hofburg. Ihm ist es egal, dass ich in Laxenburg nur die schreckliche Gräfin Esterházy und Tante Sophie zur Gesellschaft habe und mir Flitterwochen irgendwie anders vorgestellt habe.