Ignoriert, ausgelacht und abgezogen - Siegfried Genreith - E-Book

Ignoriert, ausgelacht und abgezogen E-Book

Siegfried Genreith

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Beschreibung

Wie wird aus einem unauffälligen, angepassten Bürger ein Rebell, der plötzlich jede Objektivität in Politik und Medien in Zweifel zieht und deren Repräsentanten zutiefst misstraut? Am Rande eines spannend erzählten Tatsachenberichts liefert der Autor mit seinem neuen Werk auf eine sehr lebendige Art Antworten, die nicht jedem gefallen dürften. Sein erster Ausflug in die Untiefen der Landes- und Kommunalpolitik entwickelt sich zu einem Krimi ungeahnten Ausmaßes. Hoffnungen im ständigen Wechsel mit Aussichtslosigkeit und überraschenden Wendungen begleiten ein dramaturgisches Feuerwerk im Kampf mit Politik, Medien und milliardenschweren Lobbyinteressen. "Alles dicht in NRW" trat eine Protestlawine los, die nach kaum zehn Monaten mit Wucht in Landtag und Landesregierung einschlug und schließlich ein Gesetz zu Fall brachte, das von allen Parteien einstimmig beschlossen und in den Kommunen schon umgesetzt wurde - ein beispielloser Vorgang in der gesamten Geschichte des Landes. "Für mich ist immer noch unfassbar, welcher immense Aufwand und gigantische Energie unzähliger Bürger über Jahre hinweg eingesetzt werden mussten, um eine einzelne Fehlentscheidung zu revidieren, die innerhalb von Minuten von uninteressierten Parlamentariern durchgewunken wurde." [der Autor]

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Seitenzahl: 620

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Über den Autor: Siegfried Genreith, 63, ist Mathematiker, verheiratet, hat drei erwachsene Kinder und lebt in Nideggen/Eifel/NRW. Nach Abschluss seines Studiums an der Universität Köln arbeitete er mehr als drei Jahrzehnte bei einem weltweit führenden IT-Unternehmen als IT-Architekt und Chefdesigner in der Betreuung internationaler Großkunden aus der Banken- und Versicherungsbranche. Neben seinen Hauptaufgaben schrieb er dabei seit den frühen 90er Jahren immer wieder einmal Artikel für Fachzeitschriften. Einer seiner Schwerpunkte war das Thema „Künstliche Intelligenz“, zu deren Grundlagen er eigene Gedanken und Ideen seit 2010 in mehreren Büchern veröffentlicht hat. Dazu zählen die Sachbücher „Bewusstsein, Zeit und Symmetrien“, „The Source of the Universe“, sowie unter seinem Pseudonym „Friedegis Heintger“ die fiktionalen Erzählungen „Funkenflug“ und „Einsichten eines Schwarms“.

Sein neues Buch „Ignoriert, ausgelacht und abgezogen“ fällt aus diesem Rahmen heraus. Er beschreibt darin in lockerem Erzählstil seine Erfahrungen mit einer landesweiten Initiative, die er im Frühjahr des Jahres 2010 ins Leben gerufen hatte, die schnell weite Kreise zog, außerordentlich erfolgreich wurde und letztlich ein bestehendes Landesgesetz in NRW zu Fall brachte.

Inhalt

Prolog

Eine fast wahre Geschichte

Die wahre Geschichte

Davon steht nichts in der Bibel.

Hoppla – das könnte wichtig sein!

Wichtige Mitteilung

Ein hoffnungsloses Unterfangen

Die Sache nimmt Fahrt auf.

Bunkermentalität

Zukunft NRW

Läuterung der FDP

Dichtheitsprüfung Nein Danke!

Wut, Ärger, Nerven

Demo in Münster

Fast am Ziel – Kurswechsel der CDU

Die Verbände laufen Sturm.

Entspannung Nein Danke!

Ziel in greifbarer Nähe

Dumm gelaufen

Alles zurück auf LOS

Opposition solidarisch

Die Wahllüge

Kraft sagt Basta!

Erfolg oder Misserfolg?

Der §61A ist Geschichte.

Kriegsmüde?

Dichtheitsprüfung adieu – für die Meisten ․

Kommt Zeit, kommt Rat, kommt Landtagswahl.

Relative Ruhe

Eine unendliche Geschichte

Ende gut

Epilog

Quellen

Prolog

Die Idee zu diesem Buch entstand Anfang 2018, als ich daranging, mein umfangreiches E-Mail-Archiv aufzuräumen. Im Verlaufe einer der größten politischen Protestwellen der letzten Jahre in Nordrhein-Westfalen hatte die Korrespondenz vieler unserer Mitstreiter und Gegner eine unglaubliche Zahl von Nachrichten hinterlassen. Die massiven und nahezu flächendeckenden Proteste hatten sich an einer skandalösen Landesgesetzgebung entzündet, die bundesweit ihresgleichen sucht. Es handelte sich um den zu trauriger Berühmtheit gekommenen § 61a des Landeswassergesetzes, der in seiner Urfassung sehr vielen Bürgern aufwendige und ökologisch sinnlose Arbeiten an ihren Abwasserkanälen abverlangt hatte. Die überwiegend ideologisch motivierten Belastungen daraus waren immens, in vielen Fällen sogar existenzbedrohend.

Mit der letzten Landtagswahl 2017 schien das zugrundeliegende Problem gelöst zu sein und tausende von elektronischen Nachrichten belegten viel Platz, den ich gerne freigeben wollte. Die nahezu vollständige Historie der vergangenen acht Jahre hatte einen Rechnerwechsel und mehrere Festplattenabstürze überstanden, sodass ich die Ereignisse seit 2010 aus meinem Blickwinkel heraus noch lückenlos recherchieren konnte. Eigentlich wurde mir bei der Lektüre einiger der Nachrichten erst bewusst, wie spannend und einzigartig die wechselvolle Geschichte unserer Protestbewegung bis in die Gegenwart hinein tatsächlich ist. Mit meiner Landesinitiative war ich immer mitten drin.

Die Geschichte des Widerstands gegen die Dichtheitsprüfung in Nordrhein-Westfalen, festgeschrieben im ehemaligen § 61A des Landeswassergesetzes von 2007, ist nur aus vielen unterschiedlichen Blickrichtungen zu verstehen. Zu keiner Zeit existierte eine geschlossene Organisation, nur viele über das ganze Land verstreute Akteure1 und lokale Initiativen, die oft aus purer Verzweiflung der Betroffenen heraus ins Leben gerufen wurden. Diese zersplitterte Opposition wäre nahezu wirkungslos bei Kommunen und Bezirksregierungen verpufft, hätten die Proteste nicht unvermittelt ein gemeinsames Gesicht bekommen. Im Mai 2010 ging die Initiative „Alles dicht in NRW“ an den Start, versammelte schnell die meisten verstreut bestehenden Bürgerinitiativen hinter diesem Sammelbegriff und ließ sehr viel mehr neue entstehen. Damit erst konnten viele einzelne Brandherde in Düsseldorf als Flächenbrand wahrgenommen werden. Alle Experten rieten von extremen Forderungen nach Streichung der Regelungen ab und vertraten die Ansicht, bestenfalls seien die Ausführungsbestimmungen noch diskutabel, um die Folgen für die Bürger abzumildern. Allen Skeptikern zum Trotz wurde im Jahr 2013 das bestehende und bereits in Umsetzung befindliche Gesetz gegen den erbitterten Widerstand weiter Kreise der Politik und des Handwerks gestrichen – ein einzigartiger Vorgang in der neueren Geschichte des Landes.

Für Außenstehende, die noch nicht mit den konkreten Folgen der damaligen Vorschriften konfrontiert waren, ist es schwer zu verstehen, was die Ursache für die Wut und den Protest gegen eine auf den ersten Blick alternativlos und eher harmlos daherkommende Regelung in Teilen der Bevölkerung war. Wieder einmal lagen die Probleme in politisch wenig beachteten Details und die Faktenlage erwies sich als fraglich bis schlicht falsch. In der Tat haben die Angst vor den Folgen dieses Gesetztes bis hin zu Panik den Proteststurm über Jahre getragen.

Die Gründe für die extremen Reaktionen von Betroffenen macht die nun folgende fiktionale Kurzgeschichte deutlicher, als es jede Auflistung harter Fakten könnte. „Die wahre Geschichte“ folgt daran anschließend.

Jetzt heißt es also erst einmal

ACHTUNG – Fiktion!

… oder etwa doch nicht? Tatsächlich schildert die folgende Chronologie eine unglaubliche Katastrophe, die so oder so ähnlich hätte Tausenden unglücklicher Bürger passieren können und nicht wenigen im wirklichen Leben passiert ist.

Wie jede wahre Geschichte findet auch diese nie wirklich ein Ende. Unter dem Deckmantel der Ökologie werden wir fast täglich mit Regelungen bombardiert, die der Umwelt nicht nutzen, aber den Anbietern und Produzenten passender Lösungen und Dienstleistungen risikolos satte Renditen bescheren, während für den normalen Bürger das nackte Leben zunehmend unbezahlbar wird.

Wie das Unheil im Einzelfall seinen Verlauf nimmt und erdrutschartig den erträumten Lebensabend eines Ehepaares zerstört, erzählt nun in aller Kürze „Eine fast wahre Geschichte“.

Ich wünsche ihnen viel Spaß und Betroffenheit bei der Lektüre.

Herzliche Grüße aus der wunderschönen Eifel

Siegfried Genreith

Nideggen , im Februar 2020

1 Sollte sich jemand diskriminiert fühlen durch die meist männlichen Wortformen, bitte ich um Nachsicht. Selbstverständlich meine ich jeweils alle Geschlechter – männlich, weiblich, divers. Ein „durchgegenderter“ Text wäre einfach nicht mehr vernünftig lesbar und würde sich anhören wie eine Bundestagsrede.

Eine fast wahre Geschichte

1. April

Heute habe ich das Angebot der Firma Rohrfrei GmbH über eine Dichtheitsprüfung meines Abwasserkanals erhalten: 500 Euro. Merkwürdig – das war exakt der Betrag, der in der Androhung der Stadt über ein Ordnungsgeld stand und genau der gleiche, den mein Nachbar zwei Jahre zuvor gezahlt hatte. Wie kamen solche Beträge zustande? Mein Nachbar hatte es eigentlich noch gut getroffen. Seine Leitungen verliefen unter der Kellerdecke und mussten nur über die acht Meter von seiner Hauswand bis in den öffentlichen Kanal geprüft und saniert werden. Das war überschaubar. Die 4.000 Euro hatten ihn zwar den Familienurlaub gekostet. Seine gewonnene Freizeit konnte er dann aber gut nutzen, um hernach seinen Vorgarten anzulegen , seine Auffahrt in Eigenleistung neu zu pflastern und den Stellplatz für sein Auto wieder in Ordnung zu bringen. Nachher sah dann alles viel schöner aus als vorher und er konnte zurecht stolz sein.

Die Nachbarin auf der anderen Seite hatte die Sache noch schneller hinter sich gebracht. Sie war als Witwe mit Kleinstrente mittellos, bis auf das alte Haus in dem sie lebte, mit maroden Tonrohren unter ihrer Kellersohle aus gestampftem Lehmboden. Sie hatte der Stadt einfach mitgeteilt, dass sie weder Prüfung noch Sanierung und erst recht kein Ordnungsgeld zahlen könne und würde. Merkwürdigerweise meldete sich die Stadt daraufhin nie wieder bei ihr. Vielleicht gingen ja Grundwassergefährdung und Fremdwassereintrag nur von wohlhabenden Hausbesitzern aus.

Bei mir war leider alles etwas schwieriger. Meine Frau und ich hatten schon einiges gespart, ein gutes Einkommen und unsere Leitungen verliefen unter unserem Erdgeschoss. Auf einen Keller hatten wir aus Kostengründen verzichtet. Wohnzimmer, Küche, Arbeitszimmer und Bad lagen im Erdgeschoss, zwei Kinderzimmer, Bad und Schlafzimmer im Dachgeschoss – alles mit Fußbodenheizung ausgestattet und ökologisch beheizt mit Gasbrennwerttechnik. Im Hinblick auf die möglichen Gebrechen unseres Alters wollten wir später einmal unser Schlafzimmer ins Erdgeschoss verlegen und vielleicht oben vermieten. Mit Rente und Miete würden wir sicher gut über die Runden kommen, ohne unseren beiden Kindern zur Last zu fallen. Deshalb gab es auch in einem der Kinderzimmer schon einen Wasseranschluss, wo dann einmal eine Küche einzubauen wäre.

Über die Dichtheitsprüfung hatte ich mir zunächst wenig Gedanken gemacht. Eine frühe Benachrichtigung der Stadt hatte ich überlesen und glaubte, mit meinem relativ neuen Haus nicht betroffen zu sein. Als mich ein Arbeitskollege auf mögliche Folgen aufmerksam machte, reagierte ich noch ungläubig und meinte, dass könne doch so gar nicht wahr sein. Ich versuchte die ganze Sache zu verdrängen und hoffte, es würde wohl gutgehen, die Prüfung meine nach den Regeln der Technik professionell verlegten Leitungen als dicht bestätigen und ich hätte schnell meine Ruhe wieder.

Trotzdem wachte ich mehrfach nachts schweißgebadet auf. In meinem Albtraum sah ich immer wieder aufgerissene Straßen, Gärten, Zuwegungen und Wohnstuben, die feucht und modrig und nach Schimmel rochen.

Hinzu kamen erste Panikattacken, die mich tagsüber, am Wochenende, bei der Arbeit oder beim Einkauf unvermittelt heimsuchten. Aber so schlimm würde es sicher nicht werden, beruhigte ich mich. Die Handwerker würden morgens kommen, die Prüfung durchführen, mittags wieder abrücken, die Rechnung schicken und wir alle würden über meine Befürchtungen herzlich lachen.

10. April

Ich habe der Firma Rohrfrei GmbH den Auftrag zur Prüfung bestätigt. Im Kleingedruckten stand noch so etwas wie „freibleibend“ und „unverbindlich“ mitten in einem Kauderwelsch, das ich nicht verstand. Und die Firma machte auch nicht den Eindruck, als könne ich darüber verhandeln. Mehrfach wies man mich auf die übervollen Auftragsbücher hin und ich müsse mich schnell entscheiden, weil die Prüfung sonst in der von der Stadt gesetzten Frist nicht mehr möglich sein würde. Also unterschrieb ich mit einem mulmigen Bauchgefühl in der Gewissheit, keine Wahl zu haben.

29. Mai

Als ich gerade beim Zähneputzen bin, klingelt es an der Haustüre – einmal, zweimal, dann Sturm. Ich ziehe mir schnell den Bademantel über und öffne. Zwei Handwerker mit schwerem Gerät stehen dort, unangemeldet, und fragen nach dem Revisionsschacht. Was soll ich machen? Ich schaffe es gerade noch, zehn Minuten herauszuschlagen – die ich selbstverständlich als Arbeitszeit zu zahlen habe – in denen ich mich anziehe, meine Frau warne und damit beruhige, es sei ja alles bald vorüber, um mich dann noch an meinem Arbeitsplatz für heute krankzumelden.

Einen Revisionsschacht besitze ich nicht – das war nicht vorgeschrieben und niemand hatte mir gesagt, so etwas könne einmal wichtig sein. Nach kurzer Diskussion fällt mir die Rückstauklappe im Abstellraum ein. Zur Not geht das wohl, macht die ganze Sache jetzt aber kompliziert und der Handwerker meint, das würde jetzt teuer. Außerdem müsse man wohl nun auch vom öffentlichen Kanal aus sondieren. Da es vor meinem Haus keinen Kanaldeckel gibt, würde man, wenn es ganz dumm läuft, schon die Straße aufreißen müssen – natürlich auf meine Kosten. Der Angebotspreis ist schon nach der ersten Arbeitsstunde Makulatur. Ein Aufschrei meiner Frau zeigt eine grobe Beschädigung unserer Küchentüre an, verursacht durch den Transport des schweren Untersuchungsgerätes ins Haus.

Da unsere Küche vorübergehend nicht benutzbar ist, gehe ich mit meiner Frau auswärts essen.

30. Mai

Die Firma hat angerufen und mitgeteilt, dass man aufgrund eines Notfalls heute die Arbeiten nicht fortführen könne.

5. Juni

Endlich beginnt die eigentliche TV-Untersuchung. Ständig rennen irgendwelche Leute durchs Haus, schreien, trampeln durch Diele und Küche. Mein Parkett im Wohnzimmer werde ich wohl abschleifen und neu versiegeln müssen, wenn das alles hier vorbei ist. Etwas scheint nicht zu stimmen. Der Anführer der Handwerkertruppe eröffnet mir, dass sie zwei Abzweige meines Leitungsnetzes mit der Kamera nicht erreichen können. Die gute Nachricht sei aber, dass man die Straße nicht aufreißen müsse. Bis jetzt habe man auch noch keine Schäden erkennen können. Aber es reiche noch nicht zu einer Dichtheitsbescheinigung. Dazu müsse man mindestens 90 % untersucht haben. Er meint, ich habe nun zwei Möglichkeiten. Um mit der Kamera an die fraglichen Rohre heranzukommen müsse er an zwei Stellen, hinten im Wohnzimmer neben der Terrassentüre und im Bad unter der Wanne den Boden aufstemmen. Alternativ könne er auch eine Druckprüfung durchführen. Bei einem so neuen Haus hätten meine Leitungen eine realistische Chance, die zu bestehen. Auf meine Bemerkung, dass man sich dann ja die ganze bisherige Arbeit hätte sparen können, kommt nur ein ärgerliches „Nachher ist man immer schlauer“.

6. Juni

Am morgen habe ich den Chef der Firma persönlich angerufen, ihn gefragt wie das denn sein könne und wieso ich keine Bescheinigung bekäme. Das Meiste sei doch untersucht und für einwandfrei befunden. Dieser Herr Müller meinte, er könne da nichts machen, so seien halt die Gesetze im Land und die Satzung der Stadt regele eindeutig, dass in meinem Fall noch weiter zu untersuchen sei. Mehr konnte ich nicht erreichen. Von einem Arbeitskollegen erfuhr ich kurz darauf, dass Herr Müller es schließlich wissen müsse. Der saß früher im Stadtrat und hatte die Satzung persönlich entworfen. Sie war vor Jahren ohne Gegenstimme angenommen worden. Alle wollten selbstverständlich das Grundwasser retten. Merkwürdig nur, dass diese unmittelbare Gefahr für Leib und Leben nur hier wahrgenommen wurde. Meine Frau und ich hatten eben einfach nur Pech gehabt, in NRW zu leben. Nur dreißig Kilometer südlich oder westlich kennt man keine Prüfungspflicht. Und trotzdem war das Grundwasser dort in Ordnung und niemand sah eine Gefahr.

16. Juni

Eine erste Abschlagszahlung an die Rohrfrei GmbH beläuft sich bereits auf 1.500 Euro – auch egal. In dem bedauernden Schreiben heißt es, ich habe bei der Planung meines Hauses grob fahrlässig gehandelt und grundlegende Anforderungen missachtet. Man gibt mir zu verstehen, dass ich für diese Fehler nun zahlen müsse. Ich zahle sofort und hoffe, es geht bald weiter. Erst einmal aber holt die Firma ihre Gerätschaften wieder ab, weil die jetzt für andere dringendere Aufträge benötigt werden.

15. Juli

Eine Druckprüfung ist fehlgeschlagen. Bei mir wurde ein Leck diagnostiziert. Bei der Nachricht brach meine Frau weinend zusammen. Ich konnte sie auch am Abend nicht beruhigen. Als die Weinkrämpfe immer schlimmer werden, rufe ich schließlich den Notarzt. Unter starken Beruhigungsmitteln schläft sie schließlich ein. Der Hausarzt schreibt sie am nächsten Tag für eine Woche krank.

30. Juli

Im ganzen Haus hat sich eine Staubschicht verbreitet. Schon beim Frühstück knirscht es zwischen meinen Zähnen. Auch das Atmen fällt manchmal schwer. Die Feinstaubwerte dürfte ein Vielfaches der gesundheitlich noch unbedenklichen Menge betragen. Das Aufmeißeln meines Wohnzimmers an der Terrassentüre hat fast zwei ganze Tage gedauert. Die Schläge der Hämmer und das durchdringende Rattern des Pressluftmeißels dröhnten stundenlang mit kurzen Unterbrechungen durch das ganze Haus. Am Nachmittag des ersten Tages bekam meine Frau einen Schreikrampf und brach dann vollkommen zusammen. Unser Hausarzt wies sie für einige Tage ins nahegelegene Krankenhaus ein zur Untersuchung und Beobachtung. Der zweite Tag rüttelte auch an meinen Nerven. Die Arbeiter der Firma fluchten und wirkten aufgeregt. Schließlich hatte man die Kamera einführen können, aber immer noch kein Leck gefunden. Der Vorschlag lautete nun, auch mein Bad aufzustemmen und dort nachzusehen. Man könne aber auch eine Hochdruckreinigung durchführen und danach noch einmal die schon besichtigten Rohre genauer anschauen. Ich stimme dem letzten Vorschlag zu.

2. August

Meinen Familienurlaub musste ich stornieren wegen der vielen Termine. Ich konnte die Handwerker ja keineswegs unbeaufsichtigt ins Haus lassen. Meine Tochter war kurz zu Besuch gekommen, erschrocken über das, was sie sah und gleich am Abend wieder abgereist. Sonst war sie immer mehrere Nächte geblieben und hatte in ihrem alten Kinderzimmer übernachtet.

8. August

Die Druckreinigung hat die Rohre blitzblank hinterlassen. Der ganze Dreck liegt nun auf dem Parkett im Wohnzimmer, das nur unzureichend abgedeckt war. Triumphierend hält einer der Arbeiter eine Videoaufnahme hoch, die gerade aus seinem mobilen Drucker gelaufen ist. Dort ist tatsächlich ein faustgroßes Loch zu sehen. Auf meine Bemerkung, dass man das auch vorher hätte sehen müssen, meinte der Herr, das könne man so nicht sagen. Mein Verdacht, der Schaden sei wohl durch unsachgemäßen Gebrauch des Reinigungsgerätes entstanden, wurde brüsk als beleidigend zurückgewiesen: Das müsse ich erst noch beweisen, bevor ich solch ungeheuerliche Behauptungen in die Welt setze. Natürlich konnte ich nichts beweisen. Als wenn das nicht schon schlimm genug wäre, erzählt mir kurz darauf ein Nachbar, der sich in der Materie etwas auskennt, dass meine Rohre nach einer Druckreinigung wohl auch kaum noch eine weitere Dichtheitsprüfung bestehen würden. Die ganze Selbstabdichtung sei jetzt perdu und jede der im oberen Bereich ausgetrockneten Gummidichtungen sei jetzt wohl da weggeschossen worden.

12. August

Der Einbau eines harzgetränkten Kurzliners hat eine Riesensauerei verursacht. Die Fliesen in der Diele, die Haus- und Terrassentüre sind wohl nicht mehr vollständig sauber zu bekommen. Die Firma Rohrfrei hatte mir angeboten, den Restbetrag für die Prüfung zur Hälfte zu erlassen, wenn ich ihr den Auftrag zur Sanierung erteile. Ich hatte zugestimmt. Da wusste ich noch nicht, dass nur wenige Firmen in NRW mit dieser Technik Erfahrung haben und die Rohrfrei GmbH gehörte nachweislich nicht dazu. Nach einem weiteren Nervenzusammenbruch hat meine Frau jetzt eine mehrwöchige Reha-Maßnahme angetreten.

15. August

Die vorgeschriebene Druckprüfung nach der ersten Sanierungsmaßnahme war nicht erfolgreich. Ein weiteres Leck war nicht eindeutig zu orten. Aufgrund der vielen Verzweigungen scheidet der Einsatz weiterer Inliner aus. Der Chef der Firma, Herr Müller, hat vorgeschlagen, Bad und Küche im Erdgeschoss stillzulegen und die Rohre aus dem Dachgeschoss unter der Wohnzimmer- und Küchendecke nach draußen zu führen. Zum Glück ist meine Frau noch zur Kur. Der Staub hat inzwischen die letzten Ritzen erreicht, liegt im Kühlschrank, auf jedem Teller, jedem Besteckteil. Es knirscht bei jeder Bewegung im Haus. Putzen hilft nur eingeschränkt und für kurze Zeit. Mich stört jetzt der zunehmend muffige Geruch im ganzen Haus, der aus den beiden tiefen Löchern im Boden strömt. Erste Schimmelspuren machen sich schon an den Rändern breit.

Ich brauche erst einmal Bedenkzeit. Herr Müller drängt und verweist auf seine vollen Auftragsbücher.

20. August

Meine Frau ist immer noch in Kur. Wenn sie anruft, erzähle ich nur die positiven Seiten meiner augenblicklichen Existenz. Die Telefonate sind meist nur kurz.

22. August

Es ist mein Geburtstag und ich habe niemanden eingeladen. Meine Frau hat morgens angerufen und gratuliert. Mein herzliches Dankeschön für die Glückwünsche fiel wenig überzeugend aus. Kurz danach habe ich bei der Stadt angerufen, meine Qual beschrieben. Die Antwort war so barsch wie eindeutig: Wenn eine Leitung undicht ist, muss die saniert oder stillgelegt werden. Ich frage noch, ob man nach dem Stand der Untersuchungen nun nicht doch Dichtheit bescheinigen könne. Wieder eine klare Antwort, die deutlich erkennen lässt, dass mein Anruf stört: Das Landesgesetz habe man nicht bei der Stadt gemacht und man müsse sich an die Vorschriften halten.

12. September

Meine Frau ist aus der Kur zurück. Ich habe sie am Bahnhof abgeholt. Auf dem Weg nach Hause beginnt sie leise zu weinen. Sobald die Haustüre sich öffnet, steht sie sprachlos in der Diele und schluchzt hemmungslos. Ich weiß nicht, wie ich sie beruhigen kann.

20. September

Ich habe eine kleine Wohnung in der Stadt angemietet. Auch ich halte es zu Hause nicht mehr aus. Da die Fußbodenheizung schon seit Wochen nicht mehr geht, wird es allmählich kalt dort und die vielen Elektroheizkörper, die ich angeschafft habe, verbreiten eine eher unangenehme Wärme.

30. Oktober

Ich habe einen Käufer für unser Haus gefunden für einen Bruchteil seines ursprünglichen Wertes. Ein Bauunternehmer hat es gekauft und führt nun die Sanierung mit seinen eigenen Leuten zu Ende. Alle Rohre unter dem Erdgeschoss sind freigelegt und werden komplett ausgetauscht. Der Mann sagte mir, dass die alten aus seiner Sicht vollkommen in Ordnung gewesen waren und wohl niemals irgendein Problem für Grundwasser oder Fremdwassereintritt bestanden hätte. Der Trümmerbruch konnte seines Erachtens nur durch die Hochdruckreinigung entstanden sein. Leider könnten nur wenige Arbeiter mit diesen Geräten richtig umgehen.

24. Dezember

Ich überrasche meine Frau mit dem Kaufvertrag für ein kleines Haus in den belgischen Ardennen in der unmittelbaren Nähe von Eupen, kaum 30 km Luftlinie entfernt von unserer alten Heimat. Sie freut sich unbändig. Es ist das erste Mal, dass ich sie wieder so glücklich sehe. Wir müssen noch einiges dort investieren. Da unser Geld trotz des Verkaufs aufgebraucht ist, nehmen wir einen Kredit auf. Glücklicherweise habe ich noch Arbeit und die Bank spielt mit.

1. April

Die Arbeiten haben länger gedauert, als erwartet. Dach und Installation mussten komplett erneuert, eine feuchte Wand saniert werden. Heute ziehen wir ein und sind beide zum ersten Mal seit langem wieder rundum glücklich. Das Haus liegt am Waldrand, teilweise noch aus alten Bruchsteinen der Umgebung gebaut. Holz stapelt sich hoch hinter dem Haus. Die Nachbarn sprechen Deutsch, sogar im vertrauten Dialekt der westlichen Eifel. Einen öffentlichen Kanal gibt es nicht, eine Prüfungspflicht schon gar nicht – da habe ich mich beim Bürgermeister persönlich erkundigt. So etwas stört hier niemanden – auch nicht die Sickergrube hinter dem Haus, die ich irgendwann einmal ersetzen werde durch eine Kleinkläranlage, sobald ich das finanzielle Desaster des letzten Jahres überwunden habe. Hier lässt es sich leben und auch in zwanzig Jahren würde uns hier niemand den Boden unter den Füßen wegziehen.

Es hätte schlimmer sein können. Wir sind noch einmal davongekommen und haben Glück gehabt

Abbildung 1: Achtung! Satire: Grüner Apfel im Goldrausch mit Sonnenbrille und Zigarre

Die wahre Geschichte

Davon steht nichts in der Bibel.

Ich bin ein unpolitischer Mensch. Ich wähle taktisch, nicht aus besonderer Verbundenheit zu einer Partei. Wenn ich CDU oder SPD will, aber ohne GRÜNE oder LINKE, dann wähle ich FDP. Wenn die mir alle nicht so recht passen, wähle ich gerne auch Protest. Zur Wahl des Landrats habe ich einmal „Snoopy“2 auf dem Wahlzettel ergänzt und angekreuzt. Das Wahlprogramm interessiert mich eher nicht. Was zählt, ist das, was hinten rauskommt, und damit meine ich die Taten. „Worte sind Schall und Rauch“ und „Papier ist geduldig“ – an solchen Plattheiten ist durchaus etwas dran.

Im Übrigen war ich immer der beruhigenden Überzeugung, dass die da oben schon irgendwie vernünftig regieren, von wenigen Ausreißern abgesehen – jedenfalls im statistischen Mittel. Und sollte einmal etwas wirklich schieflaufen, würde sich sicher irgendwer rühren und dagegen vorgehen. Schließlich gibt es eine unabhängige Presse und dutzende Organisationen, die vorgeben, für das Wohl der Gemeinschaft zu arbeiten. Irgendeine davon wird es schon richten. Deshalb muss ich mich nicht aufregen oder irgendwo engagieren. Ich darf folgenlos bei Freunden und Kollegen meine überlegene Gelassenheit heraushängen, während ich darauf baue, dass andere die Kastanien aus dem Feuer holen. Außerdem kann ich mir so manchen Mist, der doch noch durchschlüpft und dem ich nicht ausweichen kann, finanziell durchaus leisten. Steigende Strompreise und höhere Gebühren sind ärgerlich. Dafür gehe ich aber sicher nicht auf die Straße. Würde ich mich engagieren, gäbe das nur Ärger. Ich hätte die Arbeit und andere profitieren gegebenenfalls. Sollen sich die doch kümmern, die vielleicht stärker von dem jeweiligen Mist betroffen sind.

Wenn man also tausende Fehlentscheidungen der Politik zusammenwirft, dann sollte das bei funktionierenden gesellschaftlichen Korrekturmechanismen im Durchschnitt leidlich passen. Dass aber trotz allem auch dieser Mittelwert und das, was letztendlich hinten rauskommt, extreme Tendenzen widerspiegelt, im Ergebnis eben nicht einmal annähernd passt und sogar existenzgefährdend sein kann, hätte ich nie für möglich gehalten.

Regeln sind auch erst einmal Papier, das irgendwo rumliegt, die jeweils einige Leute kennen und nur wenige verstehen. Mindestens eine halbe Million Vorschriften gibt es geschätzt – Gesetze, Rechtsverordnungen, Anweisungen von EU, Bund, Land, Kommune. Die kann niemand kennen. Und selbst wenn man sie liest, versteht ein normaler Mensch nur Bahnhof. Selbst Juristen verstehen nicht eindeutig, was da steht. Sonst müssten sich nicht ständig Gerichte mit deren Auslegung befassen. Ich scheitere schon am Aufsagen der Zehn Gebote. Meine Frau kriegt die auch nicht zusammen, geschweige denn die tausenden Regeln, die von der halben Million uns möglicherweise betreffen. Aber zumindest verstehen wir den Sinn hinter den Zehn Geboten, wenn wir unsere Bibel finden, oder andernfalls einfach in der Wikipedia nachschlagen. Nur Regeln, die man kennt und versteht, kann man absichtsvoll befolgen.

Ich muss mich damit abfinden, dass ich unwissentlich ständig irgendwelche Regeln verletze. Das ist normal und kein wirkliches Problem, solange nicht irgendjemand arrogant belehrend daherkommt „Das hätten sie doch wissen müssen!“ und drakonische Folgen androht, oder gleich Strafen verhängt. Und kritisch wird es erst, wenn Behörden auf den Gedanken verfallen, sinnlose Regeln, die aus gutem Grund ignoriert wurden, rücksichtslos gegen die Bürger durchzusetzen, anstatt auf die naheliegendere Idee zu kommen, sie zu überdenken und zu streichen. Von Dichtheitsprüfung steht nichts in der Bibel. Ich hatte bis Anfang 2010 davon noch nie gehört.

2 „Snoopy“ ist der verrückte Hund von Charly Brown in der Comicserie „Die Peanuts“ (02.10.1950-13.02.2000). Leider blieb er trotz Diskriminierungsverbot, Inklusion und Minderheitenschutz chancenlos.

Hoppla – das könnte wichtig sein!

Wichtige Mitteilung

Mittwochs kommt immer ein kostenloses Wochenblatt mit Nachrichten aus der Region. Diesmal ist eine behördliche Information eingelegt. „WICHTIGE MITTEILUNG“ steht unter dem Logo der Stadt. Ich überfliege das beim Frühstück nur kurz, lese irgendetwas von „Häuser vor 1965“ und lege es wieder weg – geht mich ja nichts an, denke ich noch. Dann nehme ich unsere Tageszeitung zur Hand. Karnevalsumzug am Sonntag – aha, neuer Frisör im Dorf – vielleicht probiere ich den einmal aus, Kanalprüfung zu Sonderkonditionen bis Monatsende. Das Radio läuft wie jeden Morgen auf SWR3. Die Verkehrslage auf der A3 ist die für mich interessanteste Nachricht – Mist! – Schneefall zwischen Koblenz und Dernbach, wieder einmal Stau zwischen Bad Camberg und Idstein, fünf Kilometer bei steigender Tendenz – na ja, nichts zu machen, da muss ich durch. Jetzt schnell rasieren, Krawatte anlegen, Anzugjacke ins Auto, Tasche prüfen – Laptop, Handy o.k. –, Koffer ist schon gepackt und dann die 235 km ab nach Frankfurt, wo ich um zehn Uhr erwartet werde. Mittwochs findet immer unser Team Meeting statt, bei dem wir uns untereinander abstimmen. Da kommen Kollegen aus unterschiedlichsten Unternehmensbereichen in ganz Deutschland zusammen, die jeweils für denselben Großkunden arbeiten.

Obwohl ich viel unterwegs bin, lässt mir der Beruf nach Feierabend mehr Raum als früher, den ich abends im Hotel für persönliche Interessen nutze, derzeit vor allem eigene Forschungen, naturwissenschaftliche Recherchen, mathematische Modelle.

Zwei Tage später bin ich wieder zu Hause. Abends gehe ich nochmal mein Manuskript für ein Buch durch, das ich demnächst veröffentlichen möchte. „Bewusstsein, Zeit und Symmetrien“ ist der Titel und darin habe ich all das zusammengefasst, was ich mir in den letzten Jahren über die tiefliegenden Ursachen intelligenten Handelns erarbeitet habe.

Das Frühstück am Samstag verläuft gemütlich in entspannter Atmosphäre. Frisch gebrühter Kaffee steht auf dem Tisch. Meine Frau hat Brötchen geholt. Vielversprechende Düfte durchziehen Küche und Diele. Ich versuche einen Schluck Kaffee – ist noch zu heiß – und bestreiche mein Wurstbrot dünn mit Monschauer Senf. So lässt es sich leben. Nebenher schlage ich die Lokalzeitung auf, die heute wieder besonders dick ausfällt, auch wegen der Werbung. Aufwendige Anzeigen zur Kanalprüfung fallen mir ins Auge – was war das doch gleich?

Das Einlegeblatt der Stadt liegt noch auf dem Tisch. Das hätte man doch mit der ganzen Werbung ins Altpapier entsorgen können. Aber inzwischen hat meine Frau das sorgfältiger gelesen als ich und hakt nach, ob wir da was unternehmen müssen. „Das war doch nur was für alte Häuser“ fällt mir noch ein. „Dann lies das bitte noch mal richtig!“, fordert sie mich auf. Ich bin erst einmal verblüfft und lege die Zeitung beiseite. Sie hat recht. Da steht, dass bis 2015 alle Ableitungen in NRW zu zertifizieren seien – also auch unsere. Ich spüle den ersten Schrecken mit einem guten Schluck Kaffee herunter.

Abbildung 2: Mit dieser Beilage fing alles an.

Da ich handwerklich nicht unbegabt bin und über ein solides technisches Verständnis verfüge, ist mir klar, dass so etwas bei uns nicht einfach wird. Wir haben erst von wenigen Jahren hier neu gebaut. Wozu soll ich jetzt die Abflussleitungen prüfen lassen? Die amtliche Bemerkung mit den aufgebrochenen Straßen, Grundstücksteilen und Kellerböden macht mich jetzt richtig unruhig. Eigentlich interessiere ich mich überhaupt nicht für so etwas. Mich beschäftigen normalerweise ganz andere Fragen. Dem meisten behördlichen Unsinn kann man ja tatsächlich ausweichen, indem man einfach nichts tut. Aussitzen kann ich gut. Trotzdem geht mir die versteckte Drohung in der „wichtigen Mitteilung“ nicht mehr aus dem Sinn.

Aber heute stehen noch andere Dinge an und sorgen für Ablenkung. Ein Handwerker kommt vorbei. Wir sprechen über ein Angebot zum Ausbau eines Raums im Keller. Der ist als einfache Abstellfläche viel zu schade. Ich zeige ihm meine Pläne und Skizzen. Das wird jetzt länger als ein paar Tage dauern und der Spaß wird wohl deutlich teurer als erwartet. Mal sehen, ob ich mir das leisten kann und will. Die drohende Dichtheitsprüfung ist für den Augenblick in den Hintergrund gedrängt.

Eigentlich schlafe ich nachts sehr gut. Aber das Ganze geht mir nicht aus dem Kopf und verursacht den ersten Albtraum. Ich sehe schon eine persönliche Katastrophe heraufziehen. Das darf ja wohl nicht wahr sein! Dabei mache ich mir erstmals Gedanken darüber, was denn das konkret für uns bedeuten könnte. Klar, mit Glück würde eine Druckprüfung bestanden und alles wäre gelaufen – keine Aufregung also.

Aber die Details sind mir unklar, sobald ich darüber nachdenke. Wenn im Abwassersystem ein Überdruck aufgebaut werden soll, sind ja wohl alle Abflüsse im ganzen Haus abzudichten. Ich halte das für nahezu unmöglich oder nur mit extremem Aufwand machbar. Da gibt es Waschbecken-, Dusch-, Badewannen-, Bodenabläufe, und auch noch Belüftungsrohre zum Dach hin. Hat sich dazu überhaupt schon jemand ernsthaft Gedanken gemacht? Und da war noch die obligatorische Befahrung mit der Kamera und genaue Vermessung der Kanalrohre. Wie sollte das gehen, bei meinen weit verzweigten Grundleitungen unter der Kellerbodenplatte? Profis können vieles, aber sicher nicht zaubern und die Kanalkameras, soviel hatte ich inzwischen in Erfahrung gebracht, tun sich schwer mit jeder Abzweigung. Ich habe gleich ein Dutzend davon im Erdreich und außerdem keinen Revisionsschacht – nur eine Rückstauklappe im Abstellraum. Um an jedes Rohr ran zu kommen, würden die schon für die Prüfung tatsächlich hacken müssen – durch Fliesen, Estrich, Fußbodenheizung, Dämmung, Stahlbeton, Isolierung. Das wäre wohl nie mehr richtig instand zu setzen. An die genannten fünfhundert Euro könnte ich locker eine Null anhängen und wäre noch sehr gut dabei weggekommen, ganz zu schweigen von dem persönlichen Stress und der damit verbundenen Belastung für meine ganze Familie.

Was tun? Erst einmal fühle ich mich hilflos der Situation ausgeliefert. Bisher konnte ich mich darauf verlassen, dass sinnlose oder praxisferne Vorschriften im Zweifel nicht durchgesetzt werden. Sollte das doch einmal vorkommen, kann ich mich gegebenenfalls auf intellektuelle Defizite berufen, Reue und redliches Bemühen kundtun und zur Nachschulung kostenlose Wochenendseminare nachfragen. „Versteh ich nicht“ und endlos erklären lassen geht im Zweifel immer besser durch als „Mach ich nicht!“. Manches Problem verschwindet dann von selbst und man muss sich nur noch mit den verbliebenen befassen, wo dann tatsächlich Ultimaten gestellt und Kontrollen glaubhaft angedroht werden. Bei den begrenzten Ressourcen der Behörden ist so etwas regelmäßig nur für einen kleinen Bruchteil von Vorschriften umsetzbar. Nun ist dieser in meinem Weltbild nicht vorhergesehene Fall offensichtlich eingetreten und ich habe keinen Notfallplan dafür in der Schublade.

Welche Möglichkeiten zur Gegenwehr kann ich überhaupt nutzen? Bei der Stadt vorzusprechen, mich dort zu beschweren, erscheint mir wenig erfolgversprechend. Schließlich steht ein Gesetz im Raum, dem zu folgen ist. Die Antworten auf eine Eingabe kann ich mir jetzt schon vorstellen. Auf Landesebene habe ich erst recht keine Chance. Da bin ich einer unter Millionen. Die Arbeit kann ich mir wohl sparen. Ich denke schon über einen Betrug nach, ein totes Rohr nur für die Prüfung zu verlegen. Wer soll schon von innen erkennen, ob das eine echte Abwasserleitung ist. Im Detail ist das aber nicht so einfach oder ebenfalls extrem aufwendig – keine gangbare Taktik also, diesem Mist aus dem Weg zu gehen. Vielleicht finde ich einen Prüfer, der, für sagen wir fünftausend Euro bar auf die Hand, eine positive Prüfbescheinigung ausstellt, mit Videomaterial von irgendeinem bereits als dicht zertifizierten Kanal. Leider kenne ich keinen Sachkundigen, dem ich wagen könnte, ein solches Angebot zu unterbreiten. Also auch kein sicherer Ausweg.

Aber irgendjemand wird sich doch bestimmt schon wehren, vielleicht sogar eine Partei, eine Verbraucherorganisation, Haus und Grund, Sozialverbände, der Bund der Steuerzahler, eine Bürgerinitiative. Die sollte das doch sicher interessieren. Ich kann doch wohl nicht der Einzige in NRW sein, der die Bedrohung als solche erkennt.

Erst einmal bemühe ich Google. Der Sonntagnachmittag ist gelaufen, meine Frau verärgert, meine Kinder fühlen sich vernachlässigt. Die ersten Recherchen, unterschiedlichste Suchbegriffe – ich kann machen, was ich will. Nichts als Jubeleinträge haben sie zutage gefördert, vor allem Angebote von Kanalunternehmen, Ratschläge für eine möglichst frühzeitige Prüfung „Es ist schließlich Pflicht und sowieso nicht zu verhindern“, bunte Informationsblätter der Landesregierung mit verständlicherweise lustig strahlenden Handwerkern, eine Infoseite über konzertierte Aktionen der Kommunen – von Kritik keine Spur.

Ich kann es nicht fassen! Wahnsinn – wo alle einer Meinung sind, wird meistens gelogen. Aber wo bleibt der Protest, wo ist die Presse, die hier doch kritisch hinterfragen sollte? Die globale Finanzkrise ist noch nicht überwunden, ganzen Staaten droht immer noch die Pleite, und die Politik sollte sich wirklich um wichtigere Dinge kümmern. Oder soll der Rekordeinbruch der Wirtschaft in Deutschland jetzt auf dem Rücken der kleinen Eigenheimbesitzer wettgemacht werden? Das alles stinkt zum Himmel und unter neunzehn Millionen Leuten riecht das niemand? Oder hat eine solche Unverfrorenheit allen total die Sprache verschlagen?

Meine Lokalzeitung scheint zum reinen Kampagnenblatt pervertiert zu sein. Das ist mir vorher noch nie so aufgefallen. Keinerlei Kritik, nur großformatige Anzeigen von Kanalsanierern, Artikel mit gut gemeinten Ratschlägen, wie man die Vorgaben denn umsetzen sollte, sich mit Nachbarn zusammenschließen, Warnungen vor Kanalhaien, die die Gesetzeslage für unseriöse Angebote nutzen, und anderes mehr. Mein Vertrauen in die Neutralität der Presse hat tiefe Risse bekommen. Wo bleibt denn hier der kritische Journalismus? Hatte das Problem noch niemand realisiert? Ein wenig kritisches Nachdenken sollte die Unverhältnismäßigkeit der Zwangsmaßnahmen doch schon aufdecken! Die liegt natürlich wieder einmal in den Details, die weder Politiker noch Journalisten leiden mögen, wenn es ums große Ganze geht, um das Trinkwasser, die Umwelt, das Klima, die Erde und überhaupt das ganze Universum. Irgendjemand muss doch helfen können. Wer entscheidet so einen Mist? Wir haben eine Regierung aus CDU und FDP – aha, sicher ein Wirtschaftsförderungsprogramm zur Rettung des Handwerks. Mein erster Verdacht fällt sofort auf die Freien Demokraten, die vermeintlich hier Politik für ihre Klientel durchsetzen.

Sei es, wie es ist. Es gibt mächtige Spieler hinter den Vorschriften. Ausschließlich mit Sachargumenten ist gegen solch starke wirtschaftliche Interessen nicht anzukommen. Das ist mir sofort klar. Kampagnen und Lobbyismus können enorm wirkungsvoll sein – alles eine Frage des Geldes. Die anderen haben natürlich längst ihre Frontkämpfer überall in Stellung gebracht, produzieren sachfremde Totschlagargumente wie am Fließband und sagen die an den richtigen Stellen in Politik und Medien auf wie auswendig gelernt. Es geht um hohe Milliardenbeträge allein in NRW.

Öffentlichkeit und Stimmungen können durchaus dagegen ankommen, wenn die Leute erkennen, was da auf sie zukommt und Angst um sich greift. Im Ausleben von Hysterien sind die Deutschen ohnehin Weltmeister. Dann müsste eigentlich die Lawine rollen, denn Angst ist eine gewaltige Triebfeder, die leicht die Massen lenkt. Jeder erfahrene Politiker weiß das ganz genau. Wenn eine kritische Masse erreicht ist, genügt schon ein kleiner Anlass, um Großes zu bewegen. Im Hochgebirge etwa kann ein einzelner Wanderer eine Lawine ins Rollen bringen. Das Bild gefällt mir, ist ein kleiner Lichtblick in der ganzen Hoffnungslosigkeit. Das setzt aber voraus, dass die Bedingungen bereits günstig sind – im Beispiel ausreichend Schnee, in diesem Fall aufgestaute Wut, Ärger, Verzweiflung die nur darauf warten, losgetreten und in eine Richtung gelenkt zu werden. Ob das wohl schon so ist, entzieht sich vollständig meinem Einblick.

Vielleicht genügt ja schon ein kleiner Anstoß für eine größere Welle hier im Ort. Im Grunde ist es nicht mehr als ein Test. Ich entwerfe erst einmal ein Flugblatt, verweise auf die Mitteilung der Stadt und erläutere ungeschönt die möglichen ruinösen Folgen. Da ich mich nicht als Störer der umfassenden Konsenskultur outen möchte, unterschreibe ich mit W.T. und denke an Wilhelm Tell – einer gegen alle, der einsame Kämpfer gegen staatlichen Terror. Drucker habe ich und Papier und so sind schnell hundert Handzettel gedruckt und im Stadtgebiet zwischen Nideggen, Schmidt und Wollersheim verteilt, mit der Aufforderung, den Inhalt zu kopieren und jeweils an Freunde und Nachbarn weiterzugeben – Schneeballsystem nennt man so etwas. Ich erfahre hernach, dass jemand aus der Nachbarschaft erbost im Rathaus angerufen und die Stadtväter übel beschimpft hat. Mehr passiert meines Wissens nicht. Eigentlich habe ich deutlich mehr erhofft, dass irgendwer die Initiative ergreift, einen wie auch immer gearteten Widerstand organisiert. Ich habe keine Lust auf so etwas. Da hätte ich mich dann einfach angehängt. Leider sind meine Mitbürger da eine schwere Enttäuschung. Wenn ich mit dieser Aktion überhaupt eine Welle ausgelöst habe, dann ist die ziemlich wirkungslos ans Ufer geplätschert.

Dann muss der Stein wohl deutlich größer werden. Mit Presse und Politik habe ich keinerlei Erfahrung. Die Stadt wird sich wohl hinter der Gesetzeslage verschanzen, sodass es wenig Sinn ergibt, da zu protestieren. Meine Bedenken muss ich auf Landesebene eskalieren. Aber warum sollten die mir überhaupt Beachtung schenken? Einen einzelnen Bürger unter Millionen wird man wohl freundlich mit Standardfloskeln abspeisen, mich an meine Verantwortung der Umwelt gegenüber erinnern, mich letztlich vielleicht als egoistisches Umweltschwein verdächtigen. Aber es geht um die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen und die ist nur schwer gegen Totschlagargumente zu verteidigen.

Ich stehe wieder hilflos am Anfang. Wie kann ich denn nun trotzdem Gehör auf Landesebene finden? Einfach einen Brief schreiben, halte ich für verlorene Mühe. Gibt es persönliche Kontakte? Da wäre erst einmal ein Staatssekretär der FDP im Freundeskreis. Der hat aber mit Wissenschaft zu tun und dürfte sich eher weniger für dieses Thema interessieren. Außerdem halte ich noch die FDP für den Übeltäter. Meine Frau erinnert an die Familie. Ja wozu hat man die denn. Die Schwester meines Schwagers sitzt derzeit im Landtag für die SPD – also in der Opposition. Für die müsste das doch ein gefundenes Fressen sein, wenn Schwarz-Gelb hier Politik zulasten Dritter macht, zumal die weniger bemittelten älteren Leute mit alten Eigenheimen besonders hart getroffen werden. Der Gedanke alleine gibt mir Hoffnung.

Meine Frau ruft sie an. Liesel antwortet eigentlich immer schnell, etwa wenn meine Frau sie mit einer Schulklasse im Landtag besuchen will. Solche positiv besetzten Termine mag sie vermutlich, abseits der oft zähen Arbeit im Parlament. Kurz darauf ruft sie auch zurück, direkt aus Düsseldorf. Meine Frau erklärt ihr die Sachlage und unsere Bedenken. Liesel ist offenbar nicht auf dem Laufenden und verspricht, sich zu informieren und dann sofort auf uns zurückzukommen.

Es ist inzwischen Ende Februar. Mein erstes eigenes Buch habe ich jetzt in Druck gegeben und einen Blog3 dazu ins Netz gestellt, falls jemand über die Thesen darin diskutieren möchte. Ich bin gespannt, ob es jemand kauft.

Die Tage vergehen und der drohende Prüfwahn lässt mir keine Ruhe. Irgendetwas muss ich tun. Vielleicht hilft Schreiben ja doch, zumindest mir selbst. Ich muss mir den Frust jetzt einfach von der Seele texten. Am 23. Februar schreibe ich den Landtagsabgeordneten der CDU, Rolf Seel, an, kurz danach die BILD-Redaktion. Da mir der Text zu schade ist für nur wenige Adressaten, schicke ich den zwei Tage später im Wesentlichen gleichlautend an Frank Plasbergs „Hart aber Fair“, „Hammer der Woche“, den Kölner Stadtanzeiger mit der Bitte um Veröffentlichung, sowie an den FDP-Landtagsabgeordneten Dr. Ingo Wolf. Schlussendlich erinnere ich auch Liesel noch einmal an mein Anliegen mit einem ähnlichen Anschreiben:4

Liebe Liesel,

28.02.2010 12:02

in dieser Sache hatte Irene Dich schon angeschrieben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Landesgesetz und seine Folgen gerade für die kleinen, ohnehin stark belasteten Eigenheimbesitzer und ältere Bürger mit kleinen Renten durchdacht sind. Bitte hilf dabei, diese gigantische Fehlinvestition auf dem Rücken der Eigenheimbesitzer zu stoppen.

Der § 61a des NRW Landeswassergesetzes schreibt bis 2015 eine Dichtigkeitsprüfung der privaten Abwassergrundleitungen vor. Die Gemeinden und Städte machen jetzt Ernst damit und schreiben die Hauseigentümer in dieser Sache an. Niemand kann das Problem mehr aussitzen. Auf jeden Hauseigentümer kommen in den nächsten Monaten Kosten von mehreren tausend Euro zu.

Die Kosten für die vorgeschriebenen Maßnahmen zur Dichtigkeitsprüfung der privaten Abwassergrundleitungen stehen in keinem vernünftigen Verhältnis zu den zu erwartenden Ergebnissen. In vielen Fällen werden sie einer Enteignung von Hauseigentümern gleichkommen. Mit 20 – 50 Milliarden Euro Zusatzbelastung für die Bürger in NRW diskreditiert die Landesregierung andere, sinnvolle Maßnahmen für den Umweltschutz.

Ein konkretes Beispiel dazu findet sich in der Gemeinde Niederzier im Kreis Düren. Die Köttenicher Straße dort wurde im letzten Jahr wegen einer geplanten Kanalsanierung aufgerissen. Den Anliegern bot die Gemeinde an, im Zuge dieser Maßnahme die Dichtigkeitsprüfung durchzuführen. Selbst unter diesen idealen Voraussetzungen lagen die Kosten für jeden der Anlieger bei € 2000,-. Eine Bürgerinitiative beugte sich schließlich der Erpressung, dass bei einer Ablehnung die Kosten dafür später ein Mehrfaches betragen würden.

Ähnliches bahnt sich gerade in der Gemeinde Vettweiß an, wo die Angelegenheit im Rat schon hohe Wellen schlägt und im Lokalradio RadioRur am Donnerstag kommentiert wurde.

In einem Schreiben der Stadt Nideggen im Kreis Düren, das allen Bürgern im Januar zuging, ist von einer obligatorischen und aufwendigen Druckprüfung die Rede. Preisgünstigere Kamerafahrten werden ausdrücklich ausgeschlossen. Im Amtsblatt für die Stadt Nideggen von gestern wurde das noch einmal wortwörtlich bestätigt. Schon die Druckprüfung kann Schäden an den Grundleitungen erst verursachen, indem Anschlussmuffen auseinandergedrückt werden, da diese nicht auf eine solche Belastung ausgelegt sind. Im Falle einer notwendigen Sanierung müssten danach ggf. auch Kellerböden aufgestemmt werden. Für viele Betroffene kann dies einen Totalschaden bedeuten, der die Aufgabe des Eigenheims bedeutet. Des Weiteren muss jede Straße, jeder Weg in jedem Dorf und jeder Stadt in NRW in den nächsten 5 Jahren dazu aufgerissen und wieder instand gesetzt werden. Auch diese Kosten tragen die Anlieger. Technisch aufwendige Alternativen scheinen letztendlich auch nicht preiswerter zu sein. Im Durchschnitt dürften alleine für die Prüfung viele tausend Euro von jedem Eigenheimbesitzer aufzubringen sein. Im Sanierungsfall sind mehrere zehn- bis mehrere hunderttausend Euro im Einzelfall nicht unrealistisch.

Nach offizieller Statistik des Landes NRW gibt es hier fast 4 Millionen Wohngebäude. So ideale Bedingungen wie in Niederzier wird es nur für wenige davon geben. Damit kann man die Kosten alleine für die Prüfung in NRW auf mehr als 20 Mrd.€ beziffern. Muss dann nur jedes hundertste Gebäude davon saniert werden, fallen weitere Milliarden an. Manche Schätzungen gehen sogar von 20 % Sanierungsbedarf aus, bei Altbeständen bis 80 %.

Selbst bei vorsichtiger Schätzung mutet die Landesregierung den Bürgern eine Zusatzbelastung von bis zu 50 Milliarden Euro zu. Dieser Betrag steht in keinerlei vernünftigem Verhältnis zu dem zu erwartenden Nutzen. Solange beispielsweise Jauche und Chemikalien auf Felder aufgebracht werden, das öffentliche Kanalnetz vielerorts marode ist und am Rande von Straßen und Autobahnen Schadstoffe in großer Menge in den Boden gelangen, ist das etwa so, als würde man das Grillen neben einem Zementwerk verbieten, um die Feinstaubbelastung der Region zu senken.

Ich hoffe auf Deine Unterstützung.

Grüße Siegfried

Anlagen

Beispielrechnung

Amtliche Mitteilung der Stadt Nideggen

Wochen gehen ins Land ohne jede Reaktion. Ich selbst bin mit anderen Dingen beschäftigt, Beruf, Familie, meine übrigen Hobbys. Die Presse ist offenbar nicht interessiert. Die verdienen sicher ausgezeichnet an Anzeigekunden aus der Kanalbranche. Liesel ist abgetaucht. Erst mal warte ich noch ab und überlege, was ich sonst noch tun kann.

Neben dem Beruf gehe ich meinen privaten Forschungen nach, entwerfe mathematische Modelle, programmiere Simulationen dazu und werte Ergebnisse aus. Das erste Exemplar meines Buches halte ich jetzt in den Händen. Das ist ein schönes Gefühl. Früher hatte ich gelegentlich in beruflichem Zusammenhang Artikel in Fachzeitschriften veröffentlicht und einmal als Co-Autor ein Buch über Künstliche Intelligenz mitgestaltet. Das jetzt ist aber etwas anderes und macht richtig Spaß. Dagegen an Politik und Presse zu schreiben wird mir aufgezwungen, kostet auch viel Zeit und bereitet mir in der Regel keine Freude.

Es ist eine Sisyphusarbeit. Im März kontaktiere ich weitere Abgeordnete, auch Haus und Grund, den WDR und stoße auf den Webauftritt aus Schleswig-Holstein, der von Horst Heuberger und Rechtsanwalt Rolf Finkbeiner betrieben wird. Das ist ein erster Lichtblick, wenn auch nicht aus NRW. Die stemmen sich gegen den ähnlichen Wahnsinn dort und betreiben einen Internetauftritt buerokratie-irrsinn.de. Die Artikel zeugen von Kompetenz. Auf der ersten Seite prangt „Alles dicht, oder was?“, ergänzt mit vielen guten Argumenten ausgewiesener Fachleute.

Auf meine Anfrage antwortet Rolf Finkbeiner schon am nächsten Tag, erläutert die rechtliche Situation bundesweit und speziell in NRW. So ein Gesetzt wie den § 61A gibt es anscheinend nirgendwo sonst. NRW reitet wieder einmal vor. Im Gefecht ist so ein Vorgehen Selbstmord, zumindest immer dann, wenn niemand nachfolgt. Aber Vorreiter zu sein hat etwas Mutiges, Edles an sich. Immerhin geht es um die Umwelt. Ich verstehe, dass kein Politiker da abseitsstehen möchte und die Presse spielt ununterbrochen die Heldenlieder. Außerdem, um beim Schlachtenbild zu bleiben, laufen ja die Bürger in die Bajonette, die die Vorreitenden nun ihrerseits vor sich hertreiben und die nicht gefragt wurden. Der März geht, der April kommt – keine weitere Reaktion. Jede Kritik ist offenbar unerwünscht und wird einfach ignoriert!

Ein Kurzurlaub über Ostern am Meer und Wandern mit meiner Frau auf dem Eifelsteig von Kornelimünster nach Roetgen bieten Ablenkung. Ansonsten bin ich beruflich wieder viel unterwegs in Frankfurt und Umgebung – viel Arbeit, aber selten echter Stress, der mich nach Feierabend noch verfolgen könnte. Im Hotel habe ich abends Zeit für private Dinge, auch für Recherchen in dieser leidigen Angelegenheit. So bringt Google nach und nach die ganze Wahrheit ans Licht.

Mein politisches Lagebild ist sicher nicht komplett, aber schon vollständiger. Die Regelung wurde schon 1995 von Rot-Grün unter Wolfgang Clement in die Bauordnung lanciert und dann 2007 als Paragraf 61A im Landeswassergesetz unter Schwarz-Gelb von allen im Landtag vertretenen Parteien – CDU, SPD, FDP, GRÜNEN – einstimmig beschlossen, weil man ein Vollzugsdefizit feststellte. Na, das nenne ich einmal geräuschlose und erfolgreiche Lobby-Arbeit. Vermutlich gingen die Aufträge nicht in der erwarteten Höhe bei den Kanalunternehmen ein und die mächtige Branche machte ihren Einfluss geltend. Das muss doch an die Öffentlichkeit! Ein Gefühl der Hilflosigkeit macht sich bei mir wieder einmal breit. Aber wie und wieso sollte ich mich jetzt aus dem Fenster lehnen. Ich habe genug anderes zu tun.

Am 14. April antwortet Rolf Seel von der CDU auf meinen Brief vom Februar – eine vergleichsweise schnelle Reaktion, wie ich noch erfahren werde. Er stellt die Maßnahmen in keiner Weise infrage, verweist auf Förderprogramme und Informationen der Landesregierung. Auf meine Sachargumente geht er keineswegs ein – auch das ist im weiteren Verlauf der Normalfall. Vermutlich hat er ähnliche Formulierungen schon dutzende Male verschickt – Textbausteine halt. Die Festung des § 61A wird mit immer den gleichen Waffen routiniert verteidigt. Wie soll man solche Mauern einreißen? Bagger, Planierraupen, Rammen und Dynamit fallen mir dazu ein – großes Gerät halt, aber kein vernünftiges Szenario. Hartnäckigkeit ist möglicherweise ebenso wirksam, kostet aber sehr viel Zeit, die ich eigentlich nicht habe. Wenn aber die Schwachstellen bekannt sind und sehr viele Leute hartnäckig immer wieder in genau dieselben Kerben schlagen, stürzt das Bauwerk vielleicht schneller als erwartet. Das alles sind derzeit reine Fantasiegebilde, weit entfernt von jeder Realisierbarkeit.

Öffentlichkeit herstellen ist erst einmal der Schlüssel, um überhaupt etwas erreichen zu können. Im Verborgenen geht das gar nicht. Wohl oder übel muss ich ab jetzt mit offenem Visier kämpfen. Für Pressekampagnen fehlt mir das Geld, für öffentliche Auftritte auf irgendwelchen Versammlungen die Zeit und das Talent. Mit einer Bürgerinitiative, also einem Verein, selbst wenn ich den selbst gründe, käme ich nicht lange zurecht. Ich bin kein Team Player, eher Einzelkämpfer, der geborene Außenseiter. Dabei denke ich an eine Textpassage in einem meiner Lieblingssongs von Reinhard Mey „Mehr als zwei sind eine Gruppe.[…] bei drei‘n ist einer schon zu viel!“. Ich liebe schnelle Entscheidungen, mag Dinge nicht lange in der Schwebe halten, schaffe gerne Fakten. Andere fühlen sich dabei überrumpelt und es gibt Ärger. Lange Diskussionen sind nicht mein Ding. Ich höre durchaus aufmerksam zu, aber entscheide dann für mich, ohne jemand anderen noch einmal zu fragen. Das Internet bietet sich deshalb als Plattform an. Die Techniken dahinter beherrsche ich ausgezeichnet und ich brauche keinerlei Hilfe zur Umsetzung eigener Ideen.

Bevor ich meine Zeit hier investiere, lehne ich mich erst einmal zurück und denke nach: Warum soll ich für andere die Kastanien aus dem Feuer holen? Mir graut zwar von den Zwangsmaßnahmen. Finanziell würde ich die aber wohl überstehen. Weshalb sollte ich eine öffentliche Angriffsfläche bieten? Undank ist der Welt Lohn, glaube ich zu wissen. Ich habe mit so etwas keine Erfahrung. Auf eine Bühne gehe ich nur, wenn ich muss oder es von mir erwartet wird. Nichts drängt mich, freiwillig das Rampenlicht zu suchen. Klar, beruflich trete ich durchaus vor große Gruppen. Auf dem Uni-Campus in Saarbrücken war ich schon auf dem Podium im Hörsaal, auf Cebit und Orgatec im Messe-Dauereinsatz und in unzähligen Kundenveranstaltungen auf dem Seil – in Englisch und in Deutsch, europaweit, USA, Kanada. Aber das ist etwas anderes. Da gibt es eher selten echte Konflikte. Das läuft alles professionell geschäftsmäßig. Schließlich bin ich nicht als Privatperson, sondern stellvertretend für eine große Firma in Aktion. Da kann es allenfalls passieren, dass ich in meiner Rolle angegriffen werde, dass fachlich scharf nachgefragt wird, ich Aussagen gegen Zweifel verteidigen muss, oder im anderen Extrem meine Zuhörer einschlafen, und ich nicht noch einmal eingeladen werde.

Hier nun geht es um echten Stress, der persönlich existenzgefährdend werden könnte. Immerhin versuche ich einer mächtigen und meiner Meinung nach hervorragend vernetzten Branche in die Suppe zu spucken, die Milliarden Einnahmen in relativ kurzer Zeit verspricht. Sollte ich erfolgreich sein, lassen die sich das sicher nicht so einfach gefallen. Ich kenne die Rechtsabteilung meines eigenen Arbeitgebers und die haben echt was drauf. Wenn solche Leute im Spiel sind, lauert reale Gefahr, teure Abmahnungen, Unterlassungsklagen, und das macht mich enorm nervös.

Ignorieren kann ich die Sache allerdings auch nicht. Ich fühle mich in die Enge getrieben und die Drohkulisse ist durch Nachdenken nicht verblasst – im Gegenteil. Ich habe meinen Installateur gefragt. Der bewertet das Ganze auch als groben Unfug, überlegt aber, jetzt in Kamerawagen und Personal zu investieren. Dazu muss er einen Kredit aufnehmen. Das sei bei den überaus vielversprechenden Gewinnaussichten aber kein Problem, meint er. Die Aufgabe ist halt auch für Handwerker gigantisch, nicht nur für die Bürger, die das alles ungefragt zahlen müssen. Technisch macht er mir leider auch keinen Mut. Er bestätigt nur meine Befürchtungen. Seine alte Kamera kann überhaupt keine Abzweigungen. „Die neuen können das angeblich – aber in Grenzen“ meint er, „Da muss man halt mit schwerem Gerät von oben bis an die Rohre heran“.

Bis Anfang Mai gehen doch noch Antworten zweier Politiker auf meine Anschreiben ein. Holger Ellerbrock, FDP-Landtagsfraktion NRW, antwortet auch für Dr. Ingo Wolf und bringt das absolute Killer-Argument vor „Jeder würde doch die Dachpfannen an seinem Haus austauschen, wenn diese undicht werden sollten.“ und weiter „Daher hält der Gesetzgeber, im Übrigen nicht nur in NRW, sondern auch in den anderen Bundesländern und EU-Ländern, die Dichtheitsprüfung aus gesundheits- und umweltpolitischen Gesichtspunkten für notwendig. Dies ist auch die Position der FDP.“ Damit verbietet sich jede weitere Diskussion von selbst. Totschlagargumente, Nebelkerzen und erfundene Fakten sind charakteristisch auch für noch folgende Antworten aus Politikerkreisen aller Fraktionen. Dass andere EU-Länder oder gar die EU hier Vorschriften machen ist schlicht falsch und frei erfunden, wie sich schon bald herausstellt. In der Antwort vom 6. Oktober 2009 auf eine Anfrage der Schleswig-Holsteiner vom 12. September hatte die EU-Kommission schon festgestellt „[…] Die Durchführung von Dichtheitsprüfungen der Abwasserleitungen ist von der Richtlinie nicht vorgeschrieben […]“. Aber auf Sachargumente will niemand eingehen – ja nicht daran rühren, wir waren uns alle doch politisch so schön einig und möchten weiter miteinander kuscheln in unserer Wohlfühlecke – absolute Bunkermentalität und einfach nur widerlich.

Da hilft nichts. In meinem Lieblingshotel in Frankfurt werde ich fast schon familiär begrüßt, persönliche Ansprache selbstverständlich, ein Fläschchen Bier, Chips und Erdnüsse zur Begrüßung bringt der Service aufs Zimmer – Platin-Status im Sheraton. Hier habe ich wieder Zeit für eine Freizeitbeschäftigung anderer Art. Gut – Internet kann ich, zumindest was die technische Seite angeht, und es besteht offenbar ein Vakuum im Netz, das unbedingt zu füllen ist. Es ist das erste Mal im Leben, dass ich glaube, niemand anderes kann und wird das jetzt tun. Trotzdem macht es erst einmal durchaus Spaß, jetzt mit der vertrauten Technik zu experimentieren und auszuloten, wie ich die am besten für meine Ziele einsetzen kann.

Die erste Webpräsenz gestalte ich offline auf meinem Rechner mit minimalem technischem Aufwand. NetObjects hatte ich schon früher für einen Hobby-Auftritt verwendet und beherrsche die Software gut genug. Neben eigenen Inhalten, für die ich Texte aus meinen eigenen Anschreiben wiederverwende, „klaue“ ich von der Schleswig-Holstein-Seite. Ein mündliches Einverständnis von Horst Heuberger dazu habe ich. Das Ganze ist noch im Experimentierstadium, aber das wird noch. Vor allem die rechtliche Seite muss ich beachten. Wie baue ich ein rechtssicheres Impressum? Welche Texte kann ich verwenden? Welche Regeln gelten für Zitate? Glücklicherweise gibt es dazu Beispiele im Netz. Ich verspüre keinerlei Lust, gleich zu Anfang schon teuer abgemahnt zu werden.

Bevor der eigene Auftritt online geht, richte ich erst einmal einen Blog auf wordpress.com ein. Das ist verhältnismäßig einfach. Aber naturgemäß passiert dort erst einmal nichts. Nur vereinzelt verirren sich Besucher auf die Seite.

Mittelfristig reicht das ohnehin nicht. Ein Blog erlaubt keine flexible und grafisch ansprechende Gestaltung. Das ist eher eine Art Tagebuch, bei dem die Artikel chronologisch organisiert sind. Ein individueller Auftritt im Internet setzt schon mehr voraus. Eigene Domains habe ich schon seit 2000 für private Zwecke. Wie soll das Kind jetzt heißen? Sehr schnell fällt mir „Alles dicht in NRW“ ein, in Anlehnung an den Slogan der Holsteiner. Das ist schön doppeldeutig, spielt auf die Dichtheit der Kanalrohre an, aber auch auf die Abgeordneten, die wohl hackedicht gewesen sein müssen, als sie das durchgewunken haben. Die Domäne alles-dicht-in-nrw.de ist noch frei und so reserviere ich die für wenig Geld am 07. Mai 2010 bei meinem Provider unter meinen Namen.

Und nun ab mit der schon vorbereiteten Seite ins Netz und Google beobachten: Auch hier passiert erst einmal nichts. Suchbegriffe wie „Dichtheitsprüfung“, „LWG 61a“ bringen auch nach Wochen nur Angebote einschlägiger Unternehmen und pure Alternativlosigkeit. So mache ich die ersten weitgehend unbeachteten Gehversuche in einer Internet-Öffentlichkeit. Ob ich damit später mehr als ein paar Dutzend Bürger erreichen kann, erscheint noch völlig offen. Ehrlich gesagt, ist mir das im Augenblick ziemlich egal. Mein Ergebnis ist hübsch anzusehen, ich optimiere Darstellung und Texte, und betrachte das Ganze als ein Kunstwerk, das ich erst einmal stolz in meinem Umfeld präsentiere.

Anfang Mai schreibe ich doch einmal an den Ministerpräsidenten, Dr. Jürgen Rüttgers von der CDU, und mache ihn auf den Wahnsinn aufmerksam. Dazu verwende ich den früheren Text an Abgeordnete im Wesentlichen wieder:

Dichtigkeitsprüfung der privaten Abwassergrundleitungen

8. Mai 2010

Sehr geehrter Herr Dr. Rüttgers,

bitte stoppen Sie diesen Wahnsinn, der uns bevorsteht. Die Kosten für die vorgeschriebenen Maßnahmen zur Dichtigkeitsprüfung der privaten Abwassergrundleitungen stehen in keinem vernünftigen Verhältnis zu den zu erwartenden Ergebnissen.

[…]

Mit freundlichen Grüßen

Eigentlich hätte ich Besseres zu tun am Wochenende. Meine Frau erteilt die Freigabe und ich bringe das Kuvert zur Post. Aber der Ministerpräsident hat wohl andere Sorgen. Die Wahl am 9. Mai bringt der CDU 67 Sitze, gleichauf mit der SPD, GRÜNEN 23, FDP 13, DIE LINKE 11. Dumm gelaufen – Schwarz-Gelb ist abgewählt. Jetzt muss ich wohl mit anderen Leuten reden. Mit wem, ist noch nicht klar. Eigentlich reicht es nur für eine große Koalition, die dann wegen eines hauchdünnen Vorsprungs unter CDU-Führung zustande käme.

Bevor ich mich wieder dorthin wende, muss ich wohl oder übel abwarten, bis die handelnden Personen bekannt sind. Währenddessen arbeite ich weiter an meinem Auftritt im Internet. So ganz schlecht kann der nicht sein. Die Schleswig-Holsteiner bieten erstes Lob und Hilfestellung an:

Sehr geehrter Herr Genreith,

09.05.2010 10:29

Kompliment für Ihre Website5 und viele Unterstützer für Ihr Vorhaben…

Wir werden auf unserer HP ebenfalls einen Link auf Ihre HP einbauen…

mfG Horst Heuberger

Das macht Mut. Am gleichen Tag noch gibt mir Reinhard Polte aus Lübeck, dessen Texte ich schon von deren Internetauftritt kenne, einige Hinweise, die ich gerne aufnehme:

09.05.2010 11:19

Sehr geehrter Herr Genreith, habe über bürokratie-irrsinn Ihre HP angesehen. Hier einige Anregungen:

Möglicherweise muß man ja etwas übertreiben, sehe ich ein, allerdings läuft man dabei Gefahr, vom Feind nicht ganz ernst genommen zu werden, weil dieser merkt, daß da keine Fachleute am Werke sind. Die Aussagen:

/Muß i.d.R. die Straßendecke aufgebrochen und ganze Straßenzüge in NRW rekonstruiert werden/ und /… das Aufstemmen von Kellerfußböden dessen großflächige Beschädigung die Statik des ganzen Hauses gefährdet.../ sind deshalb mit Vorsicht zu genießen.

Ansonsten finde ich es ausgezeichnet, daß die Sache nun scheinbar größere Kreise zieht. NRW ist (hier in negativer) Hinsicht die abwassertechnische Speerspitze der Republik; d. h. hier wurde dieser ganze Unfug ersonnen und zuerst in Gesetze gegossen. Die Technokraten aller anderen Bundesländer schreiben nun nur noch ab. Wenn dieser Stein bundesweit ins Rollen gerät, wird's lustig.

MfG Reinhard Polte

Die entsprechenden Textstellen prüfe ich und entscheide, dass die im Prinzip bleiben sollen, nur weniger pauschalisierend und das mit der Statik fliegt ‘raus. Für mich ist vor allem wichtig, meine Zielgruppe im Auge zu behalten. Das sind primär die betroffenen Eigenheimbesitzer. Die Mehrheit der Besucher meiner Seite werden wohl Neulinge sein, die sich erstmals informieren. Vor allem die will ich abholen, schnell in die Lage versetzen, eine belastbare Argumentation gegen die Prüfpflicht aufzubauen und Hinweise aufzugreifen, wie dagegen vorzugehen ist. Wenn dann aus anfänglicher Sorge beim Leser schließlich nackte Angst oder sogar Panik entsteht, ist das genau das, was ich erreichen möchte. Es ist völlig in Ordnung, solange die Fakten stimmen. Politik und Experten sind erst mal zweitrangig und nur insofern zu berücksichtigen, als ich meine Argumente gegebenenfalls gegen Kritik aus dieser Richtung verteidigen muss. Aber dazu muss ich erst einmal überhaupt wahr- und ernst genommen werden. Alleine das bedeutet schon eine echte erste Hürde, die noch zu meistern ist.

Zielrichtung ist natürlich die Landespolitik. Auf kommunaler oder Regierungsbezirksebene zu protestieren, ergibt keinen Sinn. Die verschanzen sich nur hinter dem Gesetz. Fehlt den anderen Bürgerinitiativen der Mut dazu? Ich verstehe immer noch nicht, wieso ich derjenige sein muss, der den Wahnsinn auf der einzig richtigen Ebene angreift. Ich würde mich auch überhaupt nicht für die Thematik interessieren, wenn ich dem Ganzen irgendwie ausweichen könnte. Schließlich gehe ich auch nicht mit der Kettensäge durch den Wald, weil mir da vielleicht ein Baum im Weg sein könnte, solange ich einen Pfad drum herum finde.

Diese Ziele führe ich mir noch einmal vor Augen. Deshalb gehört Stimmungsmache auch dazu, mögliche Folgen drastisch zu schildern, ohne unrealistisch zu wirken, nichts zu beschönigen, Behauptungen sorgfältig durch Quellen zu belegen. Die Leute müssen sich betroffen fühlen. Angst ist genau die Triebfeder, die ich nutzen will. Klar begründete Angst, die auch durch „Experten“ nicht einfach in Abrede zu stellen ist, bringt Leute auf die Straße. Selbst wenn die Fachleute nur einräumen müssen, dass eine Minderheit tatsächlich so hart wie dargestellt getroffen werden könnte, genügt das vollkommen, um die Emotionen hochkochen zu lassen. Wer nimmt schon freiwillig an einer Lotterie teil, bei der er nur verlieren kann, die Höhe des Verlustes nach oben hin kaum begrenzt ist und die Erlöse nicht einmal wohltätigen Zwecken zugutekommen, sondern ausschließlich kommerzielle Interessen bedienen.

Die Schleswig-Holsteiner vermitteln mir weitere Kontakte in NRW, mehrere verstreut agierende Einzelkämpfer melden sich bei mir und mein Auftritt wird bekannter. Ich informiere wiederholt den Rat unserer Stadt und die der umliegenden Gemeinden und bitte darum, nichts zu überstürzen. Inzwischen gehen die Schleswig-Holsteiner in ihrem Auftritt auch auf die Situation in NRW ein. Das reicht aus meiner Sicht aber bei weitem nicht, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Zudem ist Schleswig-Holstein weit weg.

Da mein Internetauftritt keine Kommentare erlaubt, halte ich den Wordpress-Blog aufrecht, stelle gelegentlich Texte meiner eigenen Seite dort leicht verändert als Artikel ein und verlinke wechselseitig. Um ein Minimum an Anonymität zu wahren, verwende ich im Netz statt meines Rufnamens meinen ersten Vornamen „Werner“. Wenn jemand anruft oder mich so anschreibt, weiß ich gleich, worum es geht.

Schon nach wenigen Tagen schlägt Klaus Lau aus Mönchengladbach bei eigenen Recherchen im Kommentarbereich meines Blogs auf:

10.05.2010 um 18:54 Uhr

Seid ihr noch dicht?

Ich schreibe mir seit einiger Zeit „die Finger wund“ an Leserbriefen (RP, Bild, Haus und Grund, WDR … und in Forenbeiträgen. Die Lethargie und Ignoranz ist noch sehr groß!