Ihr habt keinen Plan, darum machen wir einen! - Der Jugendrat der Generationen Stiftung - E-Book
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Der Jugendrat der Generationen Stiftung

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Beschreibung

Eine Generation, die lange Zeit als unpolitisch belächelt wurde, steht auf, organisiert Proteste, an denen landesweit Hunderttausende und weltweit Millionen teilnehmen. Angesichts schwindender Ressourcen und globaler Vermüllung stellen sie die Forderung nach nachhaltigem Klima- und Umweltschutz.

Acht Autoren und Aktivisten, Mitglieder des Jugendrates Generationen Stiftung, warnen nicht nur vor den Gefahren, denen sich die heutigen 14- bis 25-Jährigen ausgesetzt sehen. In genau recherchierten Beiträgen, die mit den Erkenntnissen anerkannter Wissenschaftler abgeglichen sind, stellen sie konkrete Forderungen, nehmen uns alle in die Verantwortung und entwerfen eine Vision, die die Kraft hat, Generationen zu vereinen.

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Seitenzahl: 266

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Die Katastrophe ist längst keine ferne Zukunftsvision mehr. Wenn es so weitergeht, herrschen schon bald auf vierzig Prozent der Landflächen völlig neuartige klimatische Bedingungen. Die Wetterextreme nehmen in Zahl und an Intensität so zu, dass es zu immer mehr Überschwemmungen, Stürmen und Dürren kommt. Millionen von Menschen werden sterben oder müssen fliehen.

Wenn jetzt von Entscheidungsträger*innen in Politik und Wirtschaft das heitere Lied gesungen wird, es genüge schon, an wenigen Stellschrauben zu drehen, um die drohende ökologische Katastrophe zu abzuwenden, dann zeugt das von einer gefährlichen Illusion. Es wird nicht reichen, auf ein paar Inlandsflüge und Kreuzfahrten zu verzichten. Der Wandel unseres Denkens und Handelns muss grundsätzlicher sein.

Ob Klimakrise, der entfesselte Markt, Aufrüstung und Armut, geraubte Bildungschancen, Umbrüche in der Arbeitswelt oder die Veränderungen durch die Digitalisierung: Wir müssen umdenken und Pläne entwickeln. Das Autor*innenkollektiv des Jugendrats der Generationen Stiftung formuliert sie unerschrocken, präzise und zur Diskussion einladend.

Die Autor*innen

Franziska Heinisch, geboren 1999, studiert in Heidelberg Jura. Unter anderem erregte am 29. März 2019 ihr Artikel in der ZEIT zum Klimastreik großes Aufsehen.

Sarah Hadj Ammar, Jahrgang 1999, studiert Biomedizin in Würzburg, ist unter anderem bei Plant-for-the-Planet aktiv und war dort ein Jahr im Global Board, dem Jugendweltvorstand. 

Jonathan Gut, geboren 1998, studiert in Dresden Verkehrsingenieurwesen und engagiert sich in der Grünen Jugend und bei Fridays for Future.

Jakob Nehls, Jahrgang 1994, studiert Politikwissenschaft in London und verteidigte bei Amnesty International die menschenrechtlichen Interessen der jungen Generation.

Hannah Lübbert, geboren 2001, studiert Umweltwissenschaften und Psychologie in Lüneburg und ist in der Geflüchtetenhilfe und Umweltbewegung aktiv.

Lucie Hammecke, Jahrgang 1996, hat in Leipzig Politikwissenschaft studiert und zog 2019 als jüngste Abgeordnete für die Grünen in den Sächsischen Landtag ein.

Niklas Hecht, geboren 1997, studiert in Leipzig Lehramt für die Fächer Deutsch und Sport. Er war von 2012 bis 2016 Mitglied der Nationalmannschaft im Kanu-Slalom.

Daniel Al-Kayal, Jahrgang 1994, studiert Politikwissenschaft in Heidelberg, wo er bei den Jusos aktiv ist. Bei den Falken setzt er sich für die Rechte von Kindern und Jugendlichen ein.

Die Herausgeberin

Claudia Langer, Jahrgang 1965, hat die Internetplattform »utopia.de« gegründet, das Buch »Die Generation Man-müsste-mal: Eine Streitschrift« geschrieben und die Generationen Stiftung ins Leben gerufen.

DER JUGENDRAT DER GENERATIONEN STIFTUNG

FRANZISKA HEINISCH UND SARAH HADJ AMMAR,

JONATHAN GUT, JAKOB NEHLS, HANNAH LÜBBERT,

LUCIE HAMMECKE, NIKLAS HECHT, DANIEL AL-KAYAL

10 BEDINGUNGEN FÜR

DIE RETTUNG UNSERER ZUKUNFT

HERAUSGEGEBEN VON CLAUDIA LANGER

MIT EINEM VORWORT VON HARALD LESCH

BLESSING

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright © 2019 by Jugendrat der Generationen Stiftung

Copyright © dieser Ausgabe by Karl Blessing Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Herstellung: Ursula Maenner

Satz: Leingärtner, Nabburg

ISBN: 978-3-641-25788-0V002

www.blessing-verlag.de

Wir widmen dieses Buch allen Menschen,

die je zu uns gesagt haben:

„It’s not gonna happen.“

INHALT

Vorwort von Harald Lesch

Intro von Claudia Langer: Generationengerechtigkeit – ein revolutionäres Konzept

AN DIE GENERATION „NOTGONNA HAPPEN“

BEDINGUNGEN 1 UND 2:

KLIMA RETTEN UND ÖKOZID VERHINDERN

1.  Die Menschheit löscht sich selbst aus

2.  Der Plan gegen die Klimakrise

3.  Der Plan zur Vermeidung des ökologischen Kollapses

BEDINGUNG 3:

DEN ENTFESSELTEN MARKT WIEDER AN DIE LEINE LEGEN

1.  Unsere Wirtschaftsweise hat eine katastrophale Bilanz

2.  Der Plan für einen Paradigmenwechsel zu einer generationengerechten Wirtschaft

BEDINGUNG 4:

SOZIALE GERECHTIGKEIT SCHAFFEN – FÜR EINE ZUKUNFTSFÄHIGE GESELLSCHAFT

1.  Jede gesellschaftliche Veränderung kann zur Bestandsprobe werden

2.  Der Plan für eine Gesellschaft, auf die wir bauen und in der wir leben können

BEDINGUNG 5:

VORBEREITUNG DER ARBEITSWELT AUF DIE ZUKUNFT

1.  Die digitale Revolution – ein dramatischer Umbruch

2.  Der Plan für eine neue Arbeitswelt

BEDINGUNG 6:

GUTE BILDUNG FÜR ALLE GARANTIEREN

1.  Wie der Fokus auf Humankapital unendlich viele Chancen raubt

2.  Der Plan für eine Bildung, die vermittelt, was wirklich zählt

BEDINGUNG 7:

DER DEMOKRATIE NEUES LEBEN EINHAUCHEN

1.  Die Demokratie ist in Gefahr

2.  Der Plan zur Weiterentwicklung unserer Demokratie

BEDINGUNG 8:

GLOBALE GERECHTIGKEIT ENDLICH KONSEQUENT ANGEHEN

1.  »Eine Welt« – von Ausbeutung, geraubten Perspektiven und Unmenschlichkeit

2.  Der Plan für die Grundsteinlegung zu einer gerechten Welt

BEDINGUNG 9:

FRIEDEN GARANTIEREN UND MENSCHENRECHTE EINHALTEN

1.  Das Gerüst von Frieden und Menschlichkeit wankt gefährlich

2.  Der Plan zur Abrüstung und zu einem menschenwürdigen Umgang mit Geflüchteten

BEDINGUNG 10:

DIGITALE WELT GESTALTEN, BEVOR ES ZU SPÄT IST

1.  Die Digitalisierung als nächste Bestandsprobe für die Menschheit

2.  Der Plan zur Gestaltung der digitalen Zukunft

NACHWORT:

SCHLIESST EUCH UNS AN

UNSER PLAN – EINE ÜBERSICHT ÜBER UNSERE 100 FORDERUNGEN

DANKE

Anmerkungen

Vorwort

Es ist beschämend für uns Erwachsene, dass dieses Buch geschrieben werden musste, wirklich. Ein Land, das so sehr von Wissenschaft und Technik lebt, das so viele großartige Universitäten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen staatlich finanziert, braucht seine Jüngsten, die ihm sagen: »Hört auf die Wissenschaft!«

Gesellschaft und Politik haben sich in Deutschland seit Jahrzehnten an der Zukunft der Kinder versündigt. Anstatt darauf zu achten, unseren Kindern eine bessere Welt zu hinterlassen, ihnen die Voraussetzungen für ein gerechtes und glückliches Leben zu bieten, haben wir die Zukunft der kommenden Generationen unserem Jetzt geopfert. Manager und DAX-Vorstände, Gremien und Verbände, Lobbyisten in Legionsstärke, sie alle haben alles unternommen, unseren demokratisch gewählten Repräsentanten einzureden, dass die Warnungen der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen nicht ernst zu nehmen seien. Klar, einerseits sorgen Forschung und Technik für unseren Wohlstand, aber sobald sie Nachrichten aus dem Reich der Natur bringen, die den Erwartungen der Wirtschaft entgegenstehen, da werden die gemessenen objektiven Ergebnisse einfach ignoriert, verniedlicht oder noch schlimmer, die Forschungsergebnisse werden als Lügen bezeichnet.

Seit 1979 wissen wir, was los ist. Seit vierzig Jahren liegen die Fakten auf dem Tisch. Selbst die Ölkonzerne, wie man inzwischen weiß, wussten schon in den 1980er-Jahren genau, was sie anrichten werden, wenn sie so weitermachen mit der Verbrennung fossiler Ressourcen. Sie kannten die Diagramme der erwartbaren Temperaturerhöhung, alle Beteiligten warfen wahrscheinlich einen kurzen Blick darauf, und dann taten sie das, was sie seitdem immer tun: Business as usual.

Aber damit, mit dem Weiter so wie bisher, muss jetzt Schluss sein! Und genau diesen Aufruf, samt Plänen zur Umsetzung für eine gerechte und ökologisch handelnde Gesellschaft, finden Sie in diesem Buch. Die jungen Leute haben sich zusammengesetzt, haben gestritten und geschuftet und einen Plan gemacht. Sie haben recherchiert, diskutiert und Expertinnen und Experten befragt. Sie haben sich den Fakten gestellt und nicht so getan, als gäbe es sie nicht. Die, die dieses Buch geschrieben haben, haben sich um uns alle verdient gemacht. Denn sie zeigen uns, wie es gehen könnte, wenn wir so mutig und radikal sind wie sie. Wenn wir uns nicht mehr einlassen auf den sozio-ökonomischen Mainstream des politischen Establishments mit seinen Hinterzimmerrunden, die keiner kennt, mit den geheimen Absprachen und wohlorganisierten Einflussnahmen auf Gesetzestexte durch Beratungsbüros und Lobbyistenvereine. Wenn endlich mal die politischen Entscheidungen auf allen Ebenen der Mittelverteilung, der sozialen Gerechtigkeit, der Bildung und der Generationengerechtigkeit offen und transparent diskutiert werden und vor allem, wenn dann auch Handlungen folgen, die diesen Namen verdienen, dann könnte es gerade noch klappen. Dann könnten wir in Deutschland mal wieder zu einer wirklichen Gemeinschaft werden, die sich um die Fragen kümmert, wer wir sind und wohin unser Land, unser Kontinent gehen sollen? Was können wir beitragen, anstatt immer nur mehr zu verdienen?

Ich wünsche mir, dass Sie nach der Lektüre dieses Buches, nachdem Sie sich die Augen gerieben haben und wieder klar sehen, die guten Perspektiven erkennen, dass Sie dieses Buch an andere Menschen weitergeben, die sich vielleicht ebenfalls von den Ideen der jungen Menschen anstecken lassen und aktiv an einer Zukunft für die kommenden Generationen mitarbeiten.

Gemeinsam denken die jungen und älteren Mitglieder der Generationen Stiftung – zu letzteren zähle wohl auch ich – über Lösungen für die drängendsten Zukunftsfragen nach und schmieden Pläne. Bleiben Sie mit uns im Dialog.

Also los jetzt! Und keine Ausreden mehr. Wir müssen es diesmal richtig machen. Und uns bleibt nicht viel Zeit.

Ich rechne mit Ihnen!

Herzlich,

Ihr Harald Lesch

Intro: Generationengerechtigkeit – ein revolutionäres Konzept

Liebe Leserinnen und Leser,

das Buch, das Sie gerade in den Händen halten, ist der vorläufige Höhepunkt unserer Arbeit in der Generationen Stiftung. Begonnen hat alles 2013 mit unserem Generationen Manifest, das über 230 000 Menschen unterzeichneten. Seitdem hat sich die Stiftung als überparteiliche Interessenvertretung kommender Generationen einen einflussreichen Platz im öffentlichen Diskurs gesichert und viele Unterstützer gefunden. Die Sorge um die Zukunft unseres Planeten ist in dieser Zeit nicht geringer geworden. Ganz im Gegenteil.

Anfangs haben wir Initiatoren noch im Namen der jungen und kommenden Generationen gesprochen, doch schon bald haben sie selbst die Stimme erhoben. Gut so.

»Ihr habt keinen Plan, darum machen wir einen« ist ein Wunder. Ein kühner Entwurf, der uns als Gesellschaft viel abverlangt. Geschrieben von bemerkenswerten Menschen mit herausragendem Weitblick, großer Neugier, hoher Teamfähigkeit und der unbändigen Kraft, sich von der immer wieder aufsteigenden Angst um die eigene Zukunft nicht unterkriegen zu lassen.

Tatsächlich ist Generationengerechtigkeit ein revolutionäres Konzept, das uns zwingen würde, unser Leben, unser Wirtschaften und unsere Gesellschaft völlig neu aufzustellen. Und alternativlos, weil wir radikale Gegenmaßnahmen einleiten müssen, um die Zukunft der nächsten Generationen zu retten. Die Mitglieder des Jugendrats arbeiten in der Generationen Stiftung mit uns, den »älteren« Experten und Wissenschaftlern, gleichberechtigt an Lösungen zu den drängendsten Zukunftsfragen. Für viele von uns, die sonst selbst in der ersten Reihe, vor den Kameras und an den Mikrofonen stehen, bedeutet das ein neues Rollenverständnis: Wir sind nicht mehr die Macher und Welterklärer. Wir treten einen großen Schritt zurück, um unser Wissen, unsere Netzwerke und Erfahrungen zur Verfügung zu stellen, überlassen die große Bühne aber der nächsten Generation.

Wir »Alten« haben die Entstehung dieses folgenreichen Zukunftsplans mit größtem Respekt und echter Bewunderung begleitet und versucht uns mit Rat und Tat nützlich zu machen. Und es bleibt offen, wer von unseren Debatten mehr profitiert hat: wir »Alten« oder die »Jungen«?

Sicher ist, dass wir alle viel gelernt haben und die Begegnungen warm, manchmal hitzig, immer inspirierend und von großem wechselseitigen Respekt getragen waren. 

Entstanden ist dieses Buch in einer Phase voller Schreckensmeldungen: dramatischste Klimaszenarien, sterbende Riffe und schmelzende Gletscher, der schnelle Rückgang der Fischbestände, von Überflutungen bedrohte Küstenstädte, steigende soziale Ungleichheit, weltweites Erstarken von Rechtspopulisten.

Die Autor*innen haben dieses Buch im vergangenen Halbjahr in der Überzeugung geschrieben, dass wir in einer entscheidenden Phase der Menschheitsgeschichte angekommen sind. Die Kipppunkte sind bald überschritten. Die nächsten Jahre bieten vielleicht die letzte Möglichkeit, das Schlimmste zu verhindern: die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen, wie wir sie seit Beginn unserer Zivilisation kennen.

Wir alle hoffen, dass der vorgelegte Plan und seine Forderungen eine breite gesellschaftliche Debatte auslösen, denn ohne politische und gesellschaftliche Unterstützung ist der notwendige Kurswechsel nicht zu erreichen.

Kommen Sie an unsere Seite!

Seit April 2018 gibt es den Jugendrat der Generationen Stiftung. In dieser Talentschmiede wuchsen die Mitglieder mit Trainings, Workshops und Coachings über sich hinaus. Sie übernehmen schon heute verantwortungsvolle Rollen in NGOs und Parteien und beeindrucken mit souveränen Auftritten in den Medien. Ihre Kampagnen werden bundesweit diskutiert. Die Absenkung des Wahlalters sowieso, aber auch die Frage nach der Generationengerechtigkeit von SUVs und der Zukunft des Generationenvertrages. Die Erfolge dieser Ausnahmetalente begleiten zu dürfen ist für uns alle in der Stiftung und im Kuratorium höchste Motivation für unser Engagement. Ich bin überzeugt, dass von »diesen jungen Leuten« noch viel zu hören sein wird, und bin dankbar, dass ich in unserer Zusammenarbeit so viel von einer anderen Generation lernen konnte.

Ich lade Sie ein, »gemeinsame Sache« mit uns zu machen. Denn es braucht auch Sie, liebe Leserin, lieber Leser, um Generationengerechtigkeit auf die Agenda zu heben und gegen alle Widerstände dort zu halten. Ich wünsche mir daher, dass Sie dieses Buch an viele andere Menschen weitergeben, die sich ebenfalls von den Ideen der jungen Menschen anstecken lassen und aktiv an einer Zukunft für alle mitarbeiten. Bleiben Sie mit uns im Gespräch, im Austausch, in Kontakt. Die Generationen Stiftung freut sich über Ihre Ideen, Anmerkungen und Fragen und vor allem über neue Mitglieder aller Generationen und Spenden, um die Arbeit des Jugendrats weiter zu ermöglichen. Besuchen Sie uns unter www.generationenstiftung.com, abonnieren Sie unseren Newsletter, werden Sie Fördermitglied und lassen Sie uns gemeinsam die Welt für unsere Kinder ein großes Stück besser machen.

Es ist höchste Zeit.

Ihre

Claudia Langer

AN DIE GENERATION „NOT GONNA HAPPEN“

Liebe Generation „not gonna happen“,

mit diesem Buch klagen wir euch an.

Wir sind die Kinder und Enkel*innen, die von euch gelernt haben. Ihr habt uns gesagt, wir müssten immer ehrlich sein. Ihr habt uns eingebläut, dass unser Handeln Konsequenzen hat. Wir sollten mutig sein, wenn andere sich verkriechen. Wir sollten füreinander einstehen und ein Miteinander gestalten. Wir sollten unsere Gegenüber ernst nehmen und ihre Kritik annehmen. Ihr wolltet, dass wir Überzeugungen entwickeln und auch nach diesen leben. Wir sollten lernen, Verantwortung zu übernehmen. Wenn wir Fehler machen, so wurdet ihr nicht müde zu wiederholen, sollten wir sie gefälligst auch eingestehen und versuchen, sie auszubügeln. Auf diese Weise habt ihr uns vermittelt, was richtig und falsch ist und worauf es ankommt im Leben. Wir haben uns all das zu Herzen genommen, und wir denken: Damit hattet ihr recht.

Jetzt halten wir euch den Spiegel vor. Ihr habt uns die ganze Zeit etwas vorgemacht, habt nicht nach euren eigenen Regeln gelebt und tut es immer noch nicht. Stattdessen habt ihr ein Leben geführt, das so nur möglich war, wenn man die rücksichtslose Ausbeutung der Natur und unserer Zukunft hinnahm. Mit eurem Konsumverhalten habt ihr den ständigen Ressourcenraubbau befeuert und die Ausbeutung vieler zugunsten weniger in Kauf genommen. Das ist Wahnsinn – und es erschüttert uns.

Aber wenn wir euch das vorhalten, nehmt ihr uns nicht ernst. Selbst bei Minimalzielen sagt ihr uns, das sei unrealistisch: Das ist doch zu viel. It’s not gonna happen. Dabei schaut ihr uns in die Augen, lächelt süffisant, manchmal auch selbstgefällig. Denn ihr habt ja die Welt verstanden. Wir denken: Nein. Habt ihr nicht. Wenn ihr ehrlich seid, habt ihr vor allem versagt.

Ihr seid die Babyboomer, Generation 60plus, unsere Eltern und Großeltern.

Ihr seid die Ich-war-auch-mal-jung-Spießer*innen und Was-fällt-euch-eigentlich-ein-Großeltern.

Und ihr seid die Leistet-erst-mal-was-Kommentierer*innen und Uns-ging-es-auch-schlecht-Sager*innen.

Ihr seid auch Fangt-erstmal-bei-euch-an-Entgegner*innen und Ihr-spaltet-die-Gesellschaft-Behaupter*innen.

Wir glauben und hoffen, dass nicht alle von euch diese Haltung haben – aber viele haben sie leider schon verinnerlicht. Der Großteil von euch hat sich nie ernsthaft für die wichtigen Geschehnisse der Gegenwart und die Fragen der Zukunft interessiert. Zumindest nicht so ernsthaft, dass ihr euer Leben danach ausgerichtet hättet. Es gab schließlich Wichtigeres als die großen Probleme der Welt. Dafür waren andere zuständig. Aber ihr hättet ja sowieso nichts ausrichten können. Oder?

Wir werfen euch vor: Hätte die Mehrheit von euch sich interessiert, empört und engagiert, wären viele Dinge heute anders. Wusstet ihr es nicht besser, oder habt ihr es einfach ignoriert? Einige von euch, von denen wir heute besonders nachdrücklich »das geht nicht« oder »das wird nichts« hören, sagen, sie könnten sich in uns wiederentdecken.Schließlich seien sie auch mal auf die Straße gegangen, hätten demonstriert. Wann und warum habt ihr damit aufgehört? Ihr wolltet doch die Welt verändern – und dann seid ihr bequem geworden. Oder wurde euren Ideen auch immer ein »Das wird nicht passieren« – it’s not gonna happen – entgegengebracht, bis euer Tatendrang darunter erstickte?

Was wir euch vorwerfen, ist nicht nur euer zerstörerisches Handeln, sondern vielmehr euer zerstörerisches Unterlassen. Ihr sagt, dass Zukunftsthemen wichtig sind. Aber mit einem Gang alle paar Jahre zur Wahlurne ist es nicht getan. Wo seid ihr, wenn drängende Fragen jahrelang vertagt werden? Wo seid ihr, wenn Jahr um Jahr einschneidende Maßnahmen gegen die Klimakrise verschlafen werden und wir immer weiter in Richtung Kollaps des Ökosystems schlittern? Ihr regt euch lieber im Privaten auf, statt wirklich zu handeln. Ihr habt die Verantwortung, Entscheidungen für alle zu treffen, an Politiker*innen delegiert. Aber das entbindet euch niemals von eurer eigenen Verantwortung für die Zukunft aller, die nach euch kommen. Wir nehmen euch in Haftung für alle Kosten, die ihr uns aufbürdet, für alle Folgen und Katastrophen, die euer Verhalten für unser Leben hat.

Ihr habt entweder nie angefangen oder irgendwann aufgehört, euch einzumischen. Ist euch bewusst, dass eure »Egal«-Haltung Menschenleben kostet? Wir glauben: Ihr wisst es eigentlich, aber ihr wollt es nicht wahrhaben und verdrängt es. Wir werden euch immer und immer wieder an eure Verantwortung erinnern. Denn wir haben es satt, die Konsequenzen eurer Inkonsequenz und eurer Versäumnisse zu tragen. Euren Ausreden, dass ihr alles unter Kontrolle habt, euren Beschwichtigungen, dass es schon nicht so schlimm werden wird, schenken wir kein Gehör mehr. Wir werden nicht mehr tatenlos zusehen, wie ihr unsere Zukunft gegen die Wand fahrt, während ihr behauptet, ihr hättet einen Plan.

Euer »Plan« schafft eine Krise nach der anderen, setzt unsere Zukunft aufs Spiel – aber die Konsequenzen sind euch egal. Wenn wir aus Angst um unser Leben aufschreien, verhallen diese Schreie in eurer Stille. Ihr schweigt, ihr hört nicht hin, ihr schaut weg. Eure Chance, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, habt ihr verstreichen lassen. Wenn selbst die größten Katastrophen euch nicht in Panik versetzen, was tut es dann? Noch bitten wir euch: Zieht endlich die Notbremse. Aber irgendwann ist es zu spät. Dann ist unsere Zukunft zerstört, und dann werden wir euch die Achtung entziehen dafür, dass ihr den einfachen Weg gewählt habt, obwohl ihr wusstet, was das bedeutet.

Mittlerweile schalten viele von euch ab, wenn sie wieder neue dramatische Nachrichten über das Schmelzen der Polkappen, das Tauen des Permafrosts oder die Hitzewellen sehen oder hören. Solange die Krise nicht direkt vor unserer Haustür angekommen ist, rafft sich kaum jemand auf, wirklich Maßnahmen zu fordern. Wir, die jungen Menschen, gehen jetzt seit Monaten auf die Straße, wir streiken, wir demonstrieren, wir sind laut. Dafür werden wir noch immer belächelt und vertröstet. Politik sei eben nicht ganz so einfach, wie wir uns das vorstellen. Bei allen Maßnahmen müsse man das Wohlergehen der Wirtschaft gewährleisten und dürfe natürlich niemanden zurücklassen. Sozialverträglichkeit heißt das Stichwort.

Liebe Politiker*innen, liebe Wirtschaftsbosse, wollt ihr uns wirklich sagen, der sichere Tod von Millionen, die kein Trinkwasser und keine fruchtbaren Böden mehr finden werden, sei sozialverträglicher als der Umweltschutz und beispielsweise ein schnellerer Ausstieg aus der Braunkohle?

Dieses Buch ist eine Mischung aus Kampfansage und Einladung, aus Aufschrei und Hilferufen.

Ihr wollt wissen, was gerade in uns vorgeht? Ihr wollt uns verstehen? Ihr wollt endlich herausfinden, warum wir so wütend sind? Warum junge Menschen gerade wieder auf die Straße gehen? Hier ist eure Chance! Nur mit wenigen möchten wir brechen. Die meisten aus der Generation „not gonna happen“ wollen wir aufrütteln.

Wir wenden uns nur von denen ab, die ihre Macht mit unverfrorener Arroganz bewusst gegen uns einsetzen. Sie haben ihr Geld auf eine zweifelhafte Weise verdient, die keinen Grund für übertriebenen Stolz bietet und schon gar nicht Selbstgefälligkeit rechtfertigt. In Deutschland gründen sie beispielsweise Stiftungen und sonnen sich im Schein der Wohltätigkeit. Wohltätigkeit, die nicht aneckt, selbstverständlich. Abends fahren sie »nach Hause« in die Schweiz oder nach Luxemburg, um von ihrem Geld möglichst wenig für gemeinnützige Zwecke abzugeben, die andere bestimmen. Sie thronen mit einer Arroganz über den Dingen, die uns abstößt. Denn: Sie wissen, dass ihnen fast niemand etwas anhaben kann – und sorgen dafür, dass das auch so bleibt. Noch haben sie nicht begriffen, dass wir auch gegen sie und ihre Haltung gegenüber der Welt aufstehen. Sie können so viel Geld anhäufen, wie sie wollen. Wir haben keine Achtung vor ihrer Art und Weise zu leben.

Allen anderen wenden wir uns zu – in der Hoffnung, dass ihr euch mit uns zusammenschließt und wir ab jetzt an einem Strang ziehen.

So auch euch Regierenden, Minister*innen im Bundeskabinett und in den Landesregierungen, (Ober)Bürgermeister*innen und Landrät*innen und allen, die sie kontrollieren: die Parlamentarier*innen auf allen Ebenen, von den Kommunalparlamenten bis hoch zum Europaparlament.

Euch wurde Verantwortung übertragen. Ihr habt gesagt: Wir setzen uns für unser aller Zukunft ein. Aber die wenigsten von euch haben die Dringlichkeit des Umweltschutzes und der Beseitigung der sozialen Missstände erkannt. Ihr hättet die Initiative ergreifen müssen, aber ihr habt es nicht getan. Vielleicht seid ihr in die Politik gegangen, um einen Unterschied zu machen. Aber fast alle von euch erkennt man nicht mehr wieder. Ihr habt euch gefügt, eingereiht, seid ununterscheidbar und müde geworden. Ihr behauptet besonders hartnäckig, ihr hättet einen Plan. Aber ausgerechnet bei den wichtigsten Fragen seid ihr ratlos. Ihr macht uns und euch selbst etwas vor, wenn ihr uns an andere Zuständige verweist und eure Machtlosigkeit betont. Macht euch gerade, seid mutig, werdet Visionär*innen. Macht euer Handeln transparent, gebt alles, was ihr könnt, und lasst euch in euren Überzeugungen erschüttern. Wenn ihr das nicht tut, wer soll es dann tun? Ihr seid unsere Interessenvertreter*innen, ihr tragt Verantwortung und ihr habt euch um darum beworben, indem ihr konsequentes Handeln versprochen habt. Ihr könnt jetzt beweisen, dass ihr es wert wart, Hoffnung und Vertrauen in euch zu haben. Holt euch unser Vertrauen zurück. Gesteht endlich ein, dass ihr schon viel zu lange ohne Plan handelt. Denn mit eurer Planlosigkeit setzt ihr viel zu viel aufs Spiel. Falls ihr welche habt, legt eure Ideen offen. Aber fangt endlich an.

Das gilt auch für alle anderen, die diesen Aufruf lesen – unabhängig von eurem Alter, Geschlecht und eurer gesellschaftlichen Position. Wir sind uns sicher, dass die allermeisten von euch sich in unserer Anklage wiedererkannt haben. Seid ehrlich zu euch und zu uns: Seid ihr auch Teil der Generation „not gonna happen“?

Noch ist es nicht zu spät. Wir, eure Nachkommen, sind nicht in Gleichgültigkeit verfallen. Wir brauchen Mut. Konsequenz statt Lethargie. Wir haben keine Zeit mehr für Ohnmacht. Wir fordern endlich Maßnahmen statt Lippenbekenntnissen und deren Umsetzung statt Sonntagsreden. Nicht handeln heißt weiter gegen uns handeln. Es gibt kein »aber« mehr. Wir fordern, dass ihr euer Bestes gebt und alles in Bewegung setzt. Wir brauchen jede*n Einzelne*n von euch. Aber selbst wenn ihr alle aufhört, SUV zu fahren, wenn ihr alle aufhört, Kreuzfahrten zu unternehmen, eure Flüge storniert und eure Lebensweise ändert: Es wird noch nicht reichen. Das Umdenken muss weitergehen. Wir sind darauf angewiesen, dass die stille Mehrheit endlich (wieder) laut wird. Denn: Wir brauchen einen radikalen Wandel.

Das verlangt, dass ihr euch an das erinnert, was ihr uns selbst gesagt habt. Ihr alle: Präsident*innen und Minister*innen, Wirtschaftskapitän*innen und Konzernbosse, Chefredakteur*innen und Intendant*innen. Die Babyboomer, die Generation 60plus, unsere Eltern. Fangt endlich an, das zu leben, was ihr uns immer vermitteln wolltet! Erinnert euch an die Zeit, alsihr selbst auf die Straße gegangen seid. Die Zeiten, als ihr noch vom Weltverbessern geträumt habt. Oder denkt an die Zeiten, zu denen ihr besser auf die Straße gegangen wäret. Und wenn all das nicht hilft: Denkt an die Kraterlandschaft von Krisen, die eure Generation der unseren überlässt. Wollt ihr daran weiterhin Mitschuld tragen? Jetzt ist die letzte Chance, das zu verhindern. Wir verlangen, dass ihr den Worten von der Liebe zu euren Kindern und Enkel*innen endlich Taten folgen lasst. Seid radikal und konsequent. Denn es bleibt uns keine andere Wahl. Es geht um alles. Es geht um unser Überleben.

Wir brauchen euer Wissen, eure Fähigkeiten, eure Fantasie. Ihr könnt Lösungen entwerfen und umsetzen. Jede*r von euch hat Einfluss und kann gestalten. Ändert eure Entscheidungskriterien so, dass ihr nicht ständig unsere Zukunft aufs Spiel setzt. Etabliert ein neues Denken, ein neues Handeln, eine neue Konsequenz. Wenn die, denen ihr Verantwortung übertragen habt, diese nicht wahrnehmen, dann dürft ihr die Füße nicht stillhalten. Wir brauchen eure Kraft, Veränderung zu schaffen. Hört auf, den falschen Kurs weiterzufahren, und ändert ihn. Seid konsequent, erwacht aus eurer selbst gewählten Ohnmacht. Ihr habt Macht und Einfluss. Und das schafft Verantwortung. Nehmt diese Verantwortung wahr – bei euren persönlichen Entscheidungsmöglichkeiten, bei Wahlen und auch zwischen den Wahlen. Das Umdenken wird Kraft kosten. Der Systemwandel wird ein Kraftakt werden. Aber: Durchatmen können wir, wenn wir unsere Zukunft zurückgeholt haben.

Weil wir überzeugt sind, dass bislang niemand einen Plan hat, machen wir jetzt einen. Wir bieten Mut, Begeisterung und Kraft, um diesen in die Tat umzusetzen. Wir machen euch das Angebot, anzufangen und voranzugehen, obwohl das eigentlich eure Aufgabe gewesen wäre.

Wir sind die neue Generation. Unsere junge Generation ist genauso gespalten wie alle Generationen vor ihr. Aber wir sind die erste, die keine Zeit mehr hat, diese Spaltungen auszutarieren. Wir sprechen als junge Menschen, aber unser Aufruf gilt allen. Wir müssen aktiv werden – und dazu brauchen wir euch alle. Die neue Generation definiert sich nicht über Altersgrenzen, sondern anhand ihrer Haltung.

Deshalb rufen wir jetzt alle auf: Schließt euch uns an. Alle, die sich in uns wiedererkennen können: Wacht auf. Alle, die viel zu lange inaktiv waren: Jetzt erst recht. Alle, die schon längst an unserer Seite kämpfen: Hört jetzt nicht auf. Beweist Haltung. Werdet Teil von uns, Teil der neuen Generation. Einer Generation ohne Altersgrenzen. Eines Zusammenschlusses aus Jung und Alt, mit dem wir Generationengerechtigkeit in aller Konsequenz durchsetzen. Alleine schaffen wir das nicht. Lest bis zum Ende, auch wenn wir euch empören. Nehmt uns ernst, statt uns weiter zu belächeln. Stellt euch hinter uns. Am Ende verlangen wir und der Ernst der Lage von jedem*jeder eine Entscheidung. Mit uns oder gegen uns. Ein »zwischendrin« gibt es nicht mehr. Ein »Das geht nicht« verstehen wir als ein »Wir wollen nicht«.

Wir alle können zusammen die neue Generation sein. Lasst uns das »ihr« und »wir« beenden. Die Generation „not gonna happen“verspielt unsere Zukunft. Die neue Generation will jetzt um sie kämpfen. Es geht um alles. Noch steht ihr nicht an unserer Seite. Es wird höchste Zeit, dass ihr es tut.

BEDINGUNGEN 1 UND 2:

KLIMA RETTEN UND ÖKOZID VERHINDERN

1. Die Menschheit löscht sich selbst aus

Einatmen. Ausatmen. Fokussieren. Ein letztes Mal die Muskeln durchstrecken. 1, 2, 3 … Wir befinden uns in einem Wettlauf mit der Zeit, gejagt von der Klimakrise und über uns das Damoklesschwert eines drohenden ökologischen Kollapses.

Der Startpfiff ertönte schon vor mehr als dreißig Jahren. Aber gestartet sind wir bis heute nicht. Das ist lange nicht aufgefallen. Es gab kein schallendes Gelächter von den Rängen eines riesigen Stadions. Da war nur diese Handvoll hartnäckiger Fans, deren Rufe im Stadion wider- und schließlich verhallten. Ansonsten: gähnende Leere. Niemand wollte Eintrittsgeld für dieses Rennen zahlen. Klimakrise und ökologischer Kollaps schienen lange Zeit noch so weit weg, dass die meisten ihre Energie lieber auf andere Disziplinen verwendet haben, bei denen es mehr Zuschauer*innen gab. Jetzt sind wir so sehr in Rückstand geraten, dass fraglich ist, ob wir überhaupt noch ins rettende Ziel gelangen. Die Zuschauer*innen haben mittlerweile doch begriffen, dass dieses Rennen von entscheidender Bedeutung ist. Aller Augen ruhen jetzt auf uns. Wenn wir nicht gewinnen, sind wir raus. Ausgeschieden. Disqualifiziert. Und wir werden nie wieder die Chance erhalten, eine fatale Niederlage gutzumachen. Dafür ist es dann zu spät.

Jede*r erlebt krachende Niederlagen. Erst schmerzen sie, aber irgendwann ziehen wir Erkenntnisse aus ihnen. Mit jedem Jahr Lebenserfahrung werden wir geübter darin, die Gefahren eines herben Rückschlages frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden. Wir können Szenarien abschätzen, erkennen Stolpersteine schon weit im Voraus und gehen zu großen Risiken aus dem Weg. Leider haben wir in diesem Fall die Gefahren sträflich unterschätzt. Wir alle würden, führen wir mit rasender Geschwindigkeit auf eine Wand zu, bremsen oder das Steuer herumreißen. Alles andere wäre lebensmüde.

Aber in Sachen Klimakrise halten wir, den Fuß weiter auf dem Gaspedal, geradewegs auf die Wand zu. Dabei ahnen wir mittlerweile alle, wie die Folgen der Klimakrise aussehen werden. Wissenschaftliche Studien und Berichte lesen sich wie Science-Fiction-Romane über den Untergang der Welt. Obwohl Wissenschaftler*innen nicht dafür bekannt sind, Szenarien unnötig auszuschmücken, fantasievolle Spannungsbögen zu bauen und voreilige Aussagen zu treffen. Wenn selbst sie von Katastrophen sprechen, wie schlimm muss die Lage dann sein?

Steigen wir nicht endlich auf die Bremse, können wir die Folgen der Klimakrise nur noch minimal verringern und rasen mit voller Geschwindigkeit ins Verderben. Auf die Gefahr, dass wir uns wiederholen: Die menschliche Existenz steht auf dem Spiel.

Die Klimakrise wird dramatische Folgen haben. Bereits jetzt hat sich die Erde um circa ein Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau erwärmt1, und sie erwärmt sich weiter. Um wie viel Grad, ist noch offen, weil unklar ist, wie sich die Weltgemeinschaft verhalten wird. Noch wird in öffentlichen Debatten immer von dem »1,5-Grad-Ziel« gesprochen – dabei müsste längst klar sein, dass das eigentlich kein Ziel, sondern eine Grenze ist. Und trotzdem kann die potenzielle Erhitzung nach aktuellem Stand noch sehr viel weiter voranschreiten. Was passieren wird, wenn die Erde sich zwischen 1,5 und 4,5 Grad erwärmt, dafür gibt es Prognosen.2 Was diese Vorhersagen tatsächlich bedeuten, kann sich kaum jemand von uns vorstellen. Denn wenn die Erderhitzung einmal richtig in Gang gekommen ist, steigt sie ungebremst höher und verstärkt sich von selbst.3

Die Klimakrise ist heute schon eine Klimakatastrophe

Das Klima hat sich in den 4,6 Milliarden Jahren, seitdem die Erde existiert, immer verändert. Aber die gegenwärtige Veränderung ist in vielerlei Hinsicht anders. Sie geschieht dieses Mal nicht auf natürliche Weise, sondern ist von uns Menschen verursacht. Und sie findet in sehr kurzem Zeitraum mit rasanter Geschwindigkeit statt. Wir sind dieses Mal nicht mit fünf, sondern mit 500 km/h unterwegs. Welche Blessuren die Menschheit davontragen wird, liegt in unserer Hand.

Schon jetzt ist klar, dass die Klimakrise eigentlich eine Klimakatastrophe ist. Wir müssen davon ausgehen, dass über die Hälfte der Gletscher auf der Nordhalbkugel bis 2100 geschmolzen sein werden.4 Die riesigen Flächen der Permafrostböden, die etwa ein Viertel der Erdoberfläche in den nördlichen Breiten ausmachen5, tauen jetzt schon und werden weiter tauen. Dadurch gelangen große Mengen Treibhausgase in unsere Atmosphäre, die die globale Erhitzung weiter beschleunigen. Während immer noch von der 1,5-Grad-Grenze gesprochen wird, sind Prognosen, die für dieses Szenario für das Jahr 2090 gemacht wurden, bei den Permafrostböden schon heute erreicht.6 Immer mehr Landschaften werden sich dann von Kohlenstoffspeichern in Treibhausgasquellen verwandeln und die Erwärmung beschleunigen.

Der Meeresspiegel steigt stetig7 – der Anstieg beschleunigt sich immer mehr. Wenn das Grönland-Eis komplett schmilzt, könnte unser Meeresspiegel um bis zu 7,2 Meter angehoben werden.8 Angesichts dessen klingt es fast beruhigend, dass sich die aktuellen Prognosen bis 2100 alle auf einen durchschnittlichen Meeresspiegelanstieg von höchstens einem Meter belaufen.9 Aber dieser eine Meter bedeutet für viele Inselstaaten und Küstenregionen, dass sie schon bald ganz oder teilweise unter Wasser stehen werden. Schon in ein paar Jahrzehnten werden wir gezwungen sein, ganze Landstriche von unseren Landkarten zu streichen. Verschwunden, überspült, unter Wasser. Ob wir unseren Kindern dann noch auf seltsam verklärte Weise von den Malediven, von Bangkok, Kiribati, Jakarta oder anderen Orten, an denen wir unser Fernweh befriedigt haben, erzählen werden? Oder werden wir beschämt schweigen und unsere Urlaubsfotos kistenweise im Keller verstecken?

Die meisten Menschen würden behaupten, die biologische und geografische Vielfalt unseres Planeten zu kennen und zu lieben. Trotzdem zerstört die Menschheit sie fortwährend. Wenn sich dieser Umgang mit der Natur nicht entscheidend ändert, werden bis 2100 auf bis zu 40 Prozent der Landflächen völlig neuartige klimatische Bedingungen herrschen.10 Die Wetterextreme werden in Zahl und an Intensität so zunehmen, dass es vermehrt zu Überschwemmungen, Stürmen und Dürren kommt.11 Praktisch alle Teile der Welt werden davon betroffen sein.12Auch in Deutschland werden Waldbrände und Dürren im Sommer, die die Ernten bedrohen, zunehmen.13Lebensräume, zunächst und vor allem in strukturschwachen Gebieten des globalen Südens, werden unbewohnbar.14

Eine weitere Konsequenz, die unabsehbares Leid heraufbeschwört: Für zwei Milliarden Menschen wird die Versorgung mit Trinkwasser gefährdet.15 Abgesehen davon, dass dann in den betroffenen Regionen durch Verteilungskämpfe die Kriegsgefahr wachsen wird, werden sich Parasiten und tropische Krankheiten ausbreiten.16 Insektenbefall und eine Zunahme von tropischen Krankheiten: Was klingt wie die biblischen Plagen, wird bald unsere Realität sein.

Aber damit nicht genug. Schon jetzt hat ein neues Massensterben von Tier- und Pflanzenarten durch die Klimakrise begonnen, das als das sechste Massenaussterben bezeichnet wird.17