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Im Zeitraum der alliierten Bombenangriffe von 1941-1945 war das Harzgebiet nur selten Angriffsziel. Jedoch lag dieses Gebiet häufig auf der Anflugstrecke der Bombergeschwader in das mitteldeutsche Industriegebiet. Dennoch blieben Wernigerode, Halberstadt, Oschersleben und insbesondere Nordhausen nicht verschont. Oftmals war die Harzregion zudem für die deutsche Luftwaffe Abfanggebiet für die alliierten Bomberverbände, was zu unzähligen Luftkämpfen führte. Wie viele Flugzeuge im Harzgebiet angestürzt sind, darüber lässt sich nur spekulieren - von 244 Abstürzen wird in diesem Buch berichtet. Doch es waren mit Sicherheit einige Flugzeuge mehr, wovon die meisten bis heute als verschollen gelten. Das Buch ist illustriert mit einer farbigen Übersichtskarte der Flugzeugabstürze, drei weiteren Karten sowie mit 36 zeitgenössischen Abbildungen.
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Seitenzahl: 80
Veröffentlichungsjahr: 2018
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Neue Erkenntnisse, welche zum Druckzeitpunkt der ersten Auflage im August 2016 noch nicht vorlagen, haben uns veranlasst eine zweite überarbeitete Auflage zu erstellen. Gleichzeitig tilgen wir kleine Fehler zu den Daten der Abstürze.
Das ist bei geschichtlichen Abhandlungen nichts ungewöhnliches, denn wir waren nicht dabei, sondern müssen uns auf Dokumente und schriftliche Hinterlassenschaften stützen und diese können mitunter fehlerbehaftet sein. Zudem gibt es bis heute zahlreiche vermisste Flugzeuge, zu deren Verbleib jede Nachricht fehlt.
Bei der Überarbeitung dieses Buches hat uns insbesondere der Vermisstenforscher Stefan Ilsemann geholfen, der dem Missing Allied Air Crew Research Team kurz MAACRT angehört.
Um einen eventuellen Vergleich zur 1. Auflage zu geben, folgt nun die Benennung der Nummern, bei denen wir Änderungen vorgenommen haben: (23), (24), (25), (30), (35), (36), (43), (44), (45), (225), hinzugefügt wurden zudem die Nummern (245), (246), (247) und (248), welche der zeitlichen Abfolge zugeordnet wurden.
Bernd Sternal
Gernrode, im Januar 2018
Nachdem ich bereits in „Im Anflug auf Planquadrat Julius-Caesar“ über die Flugzeugabstürze des Zweiten Weltkrieges im nördlichen Harzvorland berichtet habe, will ich mich in diesem Buch den Abstürzen über dem Harz-Gebirge zuwenden. Erneut greife ich dazu auf die umfangreiche Datensammlung und Dokumentation von Werner Hartmann aus Halberstadt zurück – hier und da gibt es jedoch Überschneidungen.
Als Standardwerk gilt das Werk „Bombenkrieg von 1939 - 1945“ des österreichischen Historikers Maximilian Czesany aus dem Leopold Stocker Verlag, Graz/Stuttgart. Ich möchte mich jedoch in meinem kleinen Werk nicht den globalen Ereignissen und Erkenntnissen zuwenden, sondern ausschließlich denen des Harzes.
Schauen wir einmal über den Tellerrand des Harzes hinaus, so ist folgende Analyse Czesanys über militärische Auseinandersetzungen und die Verluste durch Kriegstote besonders beachtenswert. Im Laufe der Jahrhunderte bewegte sich das Verhältnis der Kriegstoten zwischen dem Militär und der Zivilbevölkerung immer weiter zu Ungunsten Letzterer. Lag das Verhältnis der Opfer zwischen Militär und Zivilbevölkerung im Ersten Weltkrieg noch bei 20 : 1, so war es im Zweiten Weltkrieg bereits weitgehend ausgeglichen und lag etwa bei 1 : 1. Danach veränderte sich dieses Verhältnis dramatisch zu Ungunsten der Zivilisten: Koreakrieg 1 : 5; Vietnamkrieg 1 : 20.
Dazu muss festgestellt werden, dass sich dieses Verhältnis mit der Erfindung des Luftkrieges und später des Raketenkrieges zunehmend zu Ungunsten der Zivilbevölkerung verschoben hat. Wurden früher Schlachten auf einem Schlachtfeld – Mann gegen Mann – gewonnen oder verloren, so änderten sich durch den Einsatz von Flugzeugen und Raketen die Militärstrategien grundlegend. Ein Bombenabwurf ist nicht mit einem Gewehrschuss oder einem Schwerthieb zu vergleichen – diese trafen den Gegner ganz gezielt. Eine Bombe oder eine Rakete hingegen ist nicht so gezielt einzusetzen, zudem sind ihre Wirkungen erheblich großflächiger und Nebenwirkungen sind kaum kalkulierbar. Gezielt werden Luftangriffe immer wieder gegen die Zivilgesellschaft geführt. Dies geschieht im krassen Gegensatz zu den Genfer Konventionen – um den Kriegsgegner zu demotivieren, so beispielsweise geschehen bei zahlreichen alliierten Bombenangriffen auf deutsche Städte – auf Nordhausen in der Harzregion komme ich dabei später noch zurück –, den amerikanischen Atombombenangriffen auf Hiroshima und Nagasaki, sowie den amerikanischen Flächeneinsätzen von Napalm im Vietnamkrieg.
Das Haager Abkommen hält dazu in Artikel 25 fest: „Es ist untersagt, unverteidigte Städte, Dörfer, Wohnstätten und Gebäude, mit welchen Mitteln es auch sei, anzugreifen oder zu beschießen.“
Hat sich jemals irgendeine kriegsführende Partei darangehalten? Sir Arthur Travers Harris, Marshal of the Royal Air Force und Oberbefehlshaber des RAF Bomber Command während des 2. Weltkrieges, äußerte sich so: „Menschen können aus Feuersbrünsten entkommen, und die Zahl der Opfer wäre verschwindend gering. Zusätzlich zu dem Schrecken des Feuers wollen wir Boches (Deutsche) unter den Trümmern ihrer Häuser begraben, Boches umbringen und terrorisieren. Daher der Anteil der Sprengbomben.“
Vom britischen Propagandaminister und Vertrauten Winston Churchills, Brendan Bracken, stammt folgendes Zitat: „Wir beabsichtigen das Volk, das für diesen Krieg verantwortlich ist, in jeder uns möglichen Weise zu bombardieren, in Flammen aufgehen zu lassen und erbarmungslos zu vernichten.“
Beide Männer zählen zu den umstrittensten Personen des Luftkrieges im 2. Weltkrieg.
Mit diesen zwei Zitaten möchte ich jedoch keinesfalls den Eindruck erwecken, den Briten oder anderen alliierten Mächten die Kriegsschuld aufzuladen, dennoch haben sie das internationale Völkerrecht mit Füßen getreten. Aber so ist das wohl im Krieg!
Daher noch die sinngemäße Wiedergabe eines Satzes aus einer Rundfunkrede Hermann Görings aus dem Jahr 1938: „Wenn auch nur ein feindliches Flugzeug unser Reichsgebiet überfliegt, will ich Meier heißen!"
In diesem Buch, das auf der langjährigen Forschungsarbeit von Werner Hartmann basiert – und durchaus als Band 2 angesehen werden kann – werden die südlich an Planquadrat Julius-Caesar (C-J) angrenzenden Gebiete behandelt, die in der Luftlagekarte mit Kaufmann-Anton (K-A), Kaufmann-Berta (K-B) und Kaufmann-Caesar (K-C) bezeichnet werden und etwa wie folgt begrenzt sind:
im Norden durch die Linie Seesen-Egeln
im Süden durch die Linie Worbis-Kyffhäuser
im Westen durch die Linie Seesen-Osterode
im Osten durch die Linie Egeln-Eisleben
Kerngebiete sind somit die Luftschutz-Planquadrate Kaufmann-Anton (K-A), Kaufmann-Berta (K-B) und Kaufmann-Caesar (K-C).
Deutsche Luftlagekarte – Region Harz - in Planquadraten 1944 Karte nach Abbildung aus Archiv Werner Hartmann, Halberstadt
Der Harz hatte, was diesen Luftkrieg betrifft, im Zweiten Weltkrieg einiges Glück. Nur Halberstadt und Nordhausen wurden durch alliierte Flächenbombardements stark in Mitleidenschaft gezogen.
Lange hätte Göring eigentlich seinen Namen nicht behalten dürfen und uns allen müsste er als Meier bekannt sein, denn bereits im Sommer 1940 tauchten britische Lancaster-Bomber über Berlin auf. Je länger der Krieg andauerte, umso tiefer drangen britische und US-amerikanische Bomber in Massen über die deutschen Grenzen ein, um ihre todbringende Last abzuwerfen. Welcher Politiker steht jedoch schon zu seinem Wort, das ist heute nicht anders als vor mehr als 75 Jahren.
Luftlagekarte Deutschland Oktober 1944 , Abbildung: Archiv Werner Hartmann, Halberstadt
Am massivsten war wohl die Hauptstadt des Deutschen Reiches, Berlin, im Fokus der Kriegsgegner. In ihrem Werk „Kriegsschicksale Deutscher Architektur“ geben die Autoren Hartwig Beseler und Nils Gutschow an, dass Berlin im 2. Weltkrieg 207 Luftangriffe zu überstehen hatte, woran 23.407 Flugzeuge beteiligt waren, die insgesamt 52.055 t Bombenlast abwarfen; 125.775 Gebäude wurden dabei zerstört oder beschädigt.
Bezogen auf das gesamte damalige Deutsche Reich sowie seine besetzten Gebiete hören sich die Zahlen von Czesany sogar noch weit unglaublicher an: Insgesamt gingen auf Deutschland 2.770.540 t Bomben nieder.
Das von mir im Folgenden behandelte Gebiet des Harzes umfasst nur etwa 1 % des Reichsgebietes: Das Deutsche Reich umfasste 1936 etwa 470.700 qkm; der Harz mit Umland etwa 4.030 qkm.
Natürlich können die nun geschilderten Flugzeugabstürze – ob abgeschossen oder verunfallt – keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Ich bin daher jedem Leser dankbar, wenn er mir neue oder weiterführende Informationen zukommen lassen kann. Zu sagen ist auch, dass seit Kriegsbeginn eine äußerst strenge Geheimhaltung für deutsche Flugzeugabstürze und -abschüsse galt. Daher erschienen in den damaligen Medien dazu kaum Informationen und entsprechende heutige Recherchen bringen nur selten neue Erkenntnisse. Zahlreiche Flugzeuge werden wohl heute noch mehrere Meter tief im Erdreich begraben sein, von den Bombenblindgängern gar nicht zu reden.
Seite → - →: Karte der Abstürze im Harzgebiet Archiv Werner Hartmann, Halberstadt
(1) Im Oktober 1940 stürzte zwischen Nienhagen und Emersleben ein Schulungsflugzeug der Luftwaffe vom Typ Arado AR-96 ab. An Bord der Maschine von den AGO-Flugzeugwerken GmbH Oschersleben waren der Testpilot Friedrich sowie der Kontrolleur Dreier; beide verloren ihr Leben.
Flugplatz Halberstadt, Foto: Archiv Werner Hartmann, Halberstadt
Todesanzeige der Piloten des 5. Absturzes, Abb.: Archiv Werner Hartmann, Halberstadt
(5) Fast ein Jahr nach dem ersten Absturz traf es erneut die AGO-Flugzeugwerke Oschersleben. Bei einem Testflug stürzte ein nicht bekannter Flugzeugtyp mit drei Mann Besatzung ab. Da zu jener Zeit von den AGO-Werken angeblich ausschließlich einsitzige Jagdflugzeuge sowie zweisitzige Aufklärer gebaut wurden, kann auch keine Vermutung geäußert werden. Die Besatzung, Testpilot Ernst Pape, Uffz. Heinz Schmellenkamp und Uffz. Heinz Ebert, fand den Fliegertod.
(6) Im Jahr 1942 stürzte zwischen Lochtum und Abbenrode ein Jagdflugzeug des Typs Messerschmitt Bf-109 ab. Der uns unbekannt gebliebene Pilot verlor dabei sein Leben.
Ich bin Ingenieur, zudem auch ausgebildeter Flugzeugmechaniker, und war in den 1970 er Jahren für drei Jahre in der Flugzeugwerkstatt eines Jagdbombergeschwaders tätig. Ich habe selbst – in Friedenszeiten – mehrere Flugzeugabstürze als Mitglied eines Bergungskommandos miterleben müssen und kenne daher die Vielfältigkeit möglicher Absturzursachen, aber auch die brachiale Gewalt, die bei einem Absturz wirkt.
Im Ersten Weltkrieg nahmen zahlreiche Abstürze und sogar Abschüsse ein gutes Ende. Die Piloten konnten ihre Maschinen letztlich noch landen, wenn auch teilweise mit schweren Bruchlandungen. Ursachen dafür waren die erhebliche „Segelfähigkeit“ der Flugzeuge, die vergleichsweise niedrigen Geschwindigkeiten und geringen Flughöhen. Auch waren die Luftkampf- und Flugabwehrwaffen in ihrer Wirkung noch nicht so zerstörerisch wie im 2. Weltkrieg.
(7) Am 24. November 1942 stürzte etwa 1 km nordwestlich von Halberstadt ein deutscher Bomber Dornier Do-217 des Kampfgeschwaders KG 2 ab. Als Absturzursache wird Vereisung angegeben. Diese war zu jener Zeit, bei entsprechendem Wetter, noch ein erhebliches Problem, sowohl für zahlreiche technische Funktionssysteme der Flugzeuge, wie auch für die Sicht des Flugzeugführers. Und obwohl in modernen Flugzeugen entsprechende Enteisungssysteme verbaut sind, stellen Vereisungen auch heute noch Probleme und Risiken dar. Die vier Besatzungsmitglieder, Uffz. Liebscher, Uffz. Schneker, Uffz. Großfeld und Obergefreiter Schneider überlebten den Absturz nicht.