Im Krieg auf dem Balkan - Leopold Rosenmayr - E-Book

Im Krieg auf dem Balkan E-Book

Leopold Rosenmayr

4,3

Beschreibung

Leopold Rosenmayr schildert in diesem Erfahrungsbericht sein Leben als 18-jähriger Dolmetscher der Deutschen Wehrmacht 1943 in Wien und von 1944 bis 1945 in Griechenland. Er schildert den Kampf zwischen Besatzern und Freiheitskämpfern/Partisanen ebenso wie den von ihm überwiegend zu Fuß zurückgelegten Rückzug durch Mazedonien, Bosnien, Serbien, Kroatien und Slowenien und die Turbulenzen im sowjetisch besetzten Wien der Nachkriegszeit. Das biografische Erleben wird zu einer besonderen Art von Zeitgeschichte gestaltet. Es entsteht der Beitrag eines Repräsentanten der ältesten Generation, der sich entschlossen hat, die jahrelange Konfrontation mit Gewalt, Verbrechen, Hass, Vernichtung und Schuld noch einmal nachzuerleben und niederzuschreiben. Damit will Rosenmayr heute einen Beitrag zur geschichtlichen Wahrheit des 20. Jahrhunderts leisten.

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[1>>]

 

[3>>]Leopold Rosenmayr

IM KRIEG AUF DEM BALKAN

Erinnerungen eines Soldaten an den Zweiten Weltkrieg

2012

BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR

[4>>]Gedruckt mit der freundlichen Unterstützung durch:

MA7, Kulturabteilung der Stadt Wien

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Datensind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Privat

© 2012 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien Köln WeimarWiesingerstraße 1, A-1010 Wien, www.boehlau-verlag.com

Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig.

Lektorat: Volker Manz, KenzingenUmschlaggestaltung: Gerhard Sindelar, WienGestaltung der Bildtafeln: Gerhard Sindelar, WienSatz: Michael Rauscher, WienDruck und Bindung: FINIDR s. r. o.Gedruckt auf chlor- und säurefrei gebleichtem PapierPrinted in the Czech Republic

ISBN 978-3-205-78851-5eISBN 978-3-205-79265-9

[5>>] Inhalt

Widmung

Vorwort

Einleitung

TEIL I: GRIECHENLAND

  1. Abfahrt in den »Einsatz«

  2. Auf den Trümmern einer Stadt: Beograd im Februar 1944

  3. Beschuss durch Partisanen – Ankunft in Megalo Pefko

  4. Britischer Waffenschmuggel durch U-Boote und Fischer

  5. Mütterliche Sorge einer Griechin für mich in Megalo Pefko

  6. Erkundigung auf eigene Faust

  7. Der Bürgermeister von Aspropyrgos und sein Sterben

  8. Der Hirtenjunge Kostas als mein Helfer und Freund

  9. Afroditi aus den Weingärten

10. Überfall durch Partisanen – niederösterreichische Bauern als Opfer

11. »Es lebe die Rote Armee«

12. Briefe von dem durch Partisanen getöteten Freund

13. Bahnsprengung

14. Eleni aus Athen

15. Torpedos, Bomben und Tiefflieger zum Abschied aus Griechenland

TEIL II: BALKAN

  1. Überfälle aus der Luft

  2. Waldwunder

  3. Ein Blick in die Moschee von Skopje

  4. Unter Beschuss am Pass bei Prilep

  5. Einmal wacht die Urangst auf

  6. Rettung eines Verwundeten aus den mazedonischen Bergen

[<<5||6>>]  7. Die kleine Lutherbibel im Hosenbein des gefallenen Kameraden

  8. Die fast versäumte Rettung

  9. Vergewaltigung und Tod auf dem Dorfplatz

10. Am Rande des Auwaldes – Brot von Miluše

11. Mundharmonika in der Kriegsnacht

12. Im Bann des Ziegelwerks

13. Flucht vor der Panzerbüchse und Rückkehr um der Ehre willen

14. Duell der Scharfschützen

15. Auf dem Turm von Našice

16. Die Freigabe durch den todgeweihten Freund

17. Mein Tagebuch, das in meinem Brotbeutel am Ast hing

18. Gefangen im letzten Augenblick des Krieges

19. Ausbruch aus dem Gefangenenlager – Flucht in die Heimat

20. Der britische Posten auf der Brücke über die Drau nach Kärnten

21. Der bittere Abschied von Kostas

22. Im Dienste des London-Irish-Regiments der 8th Army

TEIL III: NACHKRIEGSZEIT IN ÖSTERREICH

1. Miluše in Wien

2. Schutzlosigkeit im Nachkriegsösterreich

3. Meine Verhaftung durch die Sowjets in Wien

4. Doppelrolle zwischen den Mächten

5. Angebot im niedrigen Spionagemilieu

6. Mein Vater kehrt aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft heim

7. Aktivität und Ordnung als rettende Kräfte im Lager

8. Schlaf neben den Toten auf der Pritsche

Danksagungen

Geografisches Register

Personenregister

Bildteil

Zum Autor

[7>>]Widmung

Ich widme dieses Buch dem liebsten Menschen, den ich kenne.

Diese wunderbare Frau hat mir Einfühlungsvermögen und Zuwendung in einer Weise erfahrbar gemacht wie nie jemand zuvor. Aus vielerlei Schmerz und Verzweiflung, Krisen und Irrwegen hat sie mich gerettet.

Sie hat mich menschlich, aber auch durch ihre reiche psychologische und historische Kenntnis über die in diesem Buch behandelte Zeit des Zweiten Weltkriegs kritisch und mit vielen Hinweisen hin zu neuer, eigener Erkenntnis begleitet. Auch insofern kann ich sie als Retterin bezeichnen. Durch die Gemeinsamkeit zwischen ihr und mir ist dieses Buch auch ein gemeinsames geworden. Allein wäre mir das Buch nie gelungen.

Wir haben etwas ans Licht gebracht, das als schrecklich Erlebtes über viele Jahrzehnte hinweg tief in mir verborgen geblieben war. Jetzt konnte es befreit werden. Wirkliche und wirksame innere Freiheit kann man ja nur durch ein bewältigtes Leben samt seinen Erinnerungen gewinnen.

So sehr das Vergangene unwiderruflich geschehen ist, so kann die ausgearbeitete Erinnerung daran, um Wahrhaftigkeit bemüht, Wege in eine bessere Zukunft aufscheinen lassen. Ohne Elfi hätte ich nicht die Kraft und nicht die Überzeugung gehabt, diese schmerzvollen Wege zu suchen und auch zu gehen. Intellektuelle Kapazität und bis ans Äußerste gehende Hilfsbereitschaft, beides zusammen bekam ich von ihr geschenkt. Durch ihre Großzügigkeit hat sie mich verändert und mir Chancen für diesen Weg eröffnet.

Ich bekam Menschlichkeit und Liebe und moralische Unterstützung aus der reichen inneren Erfahrung eines anderen Menschen. Erst dadurch konnte ich mein Herz öffnen und eine Brücke bauen zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Trauer und Glück, zwischen einem grausamen Gestern und einem trotz allem hoffnungsvollen Morgen.

Leopold Rosenmayr

[9>>]Vorwort

Professor Leopold Rosenmayr, geboren am 3. Februar 1925 in Wien, gehört einem Jahrgang an, von dem mindestens ein Drittel als junge Männer den Zweiten Weltkrieg nicht überlebte. Sie wurden in mehrere von Adolf Hitler und seinem NS-Regime begonnene Kriege einbezogen, die nur eine Minderheit von ihnen wirklich freiwillig mitmachte. Die jungen Männer fielen in den Reihen der Wehrmacht, der SS, der Luftwaffe, der Kriegsmarine oder des Volkssturms – an der Ostfront gegen die Rote Armee, auf dem Balkan gegen griechische und jugoslawische Partisanen, an der Westfront und in Italien gegen amerikanische, britische, französische, kanadische, australische, neuseeländische und polnische Einheiten, in Finnland und Norwegen gegen sowjetische oder britische Truppen, oder sie gingen mit ihrem Kriegsschiff im Atlantik und im Mittelmeer unter. Etwa ein weiteres Drittel kehrte mehr oder weniger schwer verwundet in ihre Heimat zurück – in zerstörte Städte, Industriebetriebe und Bahnhöfe, in geplünderte Häuser, Wohnungen, Geschäfte und Bauernhöfe. Die Traumatisierung der Soldaten und Zivilbevölkerung nach beinahe sechs Jahren Krieg ist den Nachgeborenen nicht mehr nachvollziehbar. Daher sind mündliche und schriftliche Erinnerungsberichte sowohl für die betroffene Generation als auch für alle nachkommenden Generationen unverzichtbar.

Im Mai 2005 – also 60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa – stellte Reinhard Koselleck, einer der führenden deutschen Sozialhistoriker und als Jahrgang 1923 Angehöriger der sogenannten »Kriegsgeneration«, die für die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg prinzipielle Frage: »Welche Folgerungen ergeben sich aus dem Befund, dass wir in Europa zwar eine gemeinsame Geschichte haben, aber keine gemeinsamen Erinnerungen?« – Die Armeen der Sowjetunion, der USA und Großbritanniens erzwangen Anfang Mai 1945 die totale Niederlage NS-Deutschlands und befreiten Dutzende Millionen vom NS-Terrorsystem Unterdrückte, Unterworfene und KZ-Häftlinge aus vielen europäischen Völkern. Die große Mehrzahl der Deutschen und Österreicher, die sich als »Besiegte« die totale Niederlage einzugestehen hatten, war keineswegs in gleicher Weise »befreit« wie etwa die Griechen und die Südslawen. Die meisten Deutschen und Österreicher waren auch nicht in gleicher Weise Opfer wie die von den Deutschen unterworfenen Nachbarn oder gar die zur Vernichtung [<<9||10>>]freigegebenen Völker. Daher Kosellecks Appell: »Wir müssen also lernen, in der wissenschaftlichen Fragestellung wie im Alltag, mit den Differenzen zu leben, die nicht von heute auf morgen auflösbar sind.«

Seit einem Vierteljahrhundert ist ganz Europa in ein »Zeitalter des Gedenkens« (Pierre Nora) eingetreten. Offensichtlich wurde sich die »Erlebnisgeneration« des Zweiten Weltkriegs in ihrem Pensionsalter der Differenzen zwischen den angebotenen und teilweise verordneten Deutungen und ihren konkreten Erinnerungen immer bewusster, und offensichtlich begann die Kinder- und Enkelgeneration konkretere Fragen zu stellen und auch konkretere Nachforschungen zu unternehmen. Jedenfalls stellte dieses »zweite Gedächtnis« nicht mehr die heroischen Leistungen im Weltkrieg in den Vordergrund, sondern die schmerzlichen und traumatischen Erinnerungen, die vorher verschwiegen oder verdrängt worden waren. Hierbei traten vier Großphänomene deutlich in den Vordergrund: die Verbrechen des Nationalsozialismus, der NS-Völkermord an den Juden, die Verbrechen des Stalinismus und die Verbrechen im Zuge millionenfacher Vertreibungen. Ob allerdings die Verurteilung des Vergessens und die »Pflicht zur Erinnerung« (Henri Rousso) zu einem gemeinsamen europäischen Gedächtnis führen, muss offenbleiben.

Rosenmayrs Erinnerungen führen uns von seinem Aufbruch aus Wien im Februar 1944 als gerade 19 Jahre alt gewordener Soldat (»Schütze«) und ausgebildeter Dolmetscher für Neugriechisch über Belgrad nach Mittelgriechenland, in den Bade- und Fischerort Megalo Pefko, unweit von Eleusis, wo er dem Stab des Jägerregiments 22 der 11. Luftwaffen-Felddivision zugeteilt wurde, das die Küste bei Salamis bis Theben im Norden und bis zum Kanal von Korinth im Süden bewachen sollte. Rosenmayr schildert in eindrücklicher, unter die Haut gehender Sprache die keineswegs selbstverständliche Gastfreundschaft in griechischen Privathäusern, seine lange Kameradschaft und Freundschaft mit dem griechischen Hirtenjungen Kostas, der ihm bis Mai 1945 nicht von der Seite wich, Rosenmayrs Auseinandersetzungen um die Erteilung von Fischereigenehmigungen (die Fischer besorgten auch Waffen von britischen U-Booten), Überfälle von griechischen Partisanen auf deutsche Stützpunkte und Verstümmelung der Ermordeten (unter ihnen Weinviertler Bauern), Folterungen von Geiseln, Hinrichtungen von Partisanen, Exekutionen durch den Sicherheitsdienst der SS sowie ein Attentat auf ein hohes Viadukt an der Bahnlinie Athen–Eleusis, das einen ganzen Zug in die Tiefe riss, in dem hauptsächlich griechische Frauen mit ihren Kindern saßen, die auf dem Markt in Athen ihre Produkte verkauft hatten. Knapp vor dem Beginn des Rückzugs aus Griechenland und der Einschiffung in Piräus geriet Rosenmayr sogar noch in die Versuchung, von einer gebildeten Kurierin der [<<10||11>>]Partisanen zum Überlaufen überredet zu werden. Zwar schaffte Rosenmayrs Schiffskonvoi eine gesicherte Abfahrt, wurde aber im Hafen von Saloniki von britischen Lightening-Bombern »empfangen«, die die Treibstofflager und Munitionsdepots in Brand schossen.

Nun begann der lange Rückmarsch der deutschen Heeresgruppe E unter dem Oberbefehl des Generalobersten Alexander Löhr, eines gebürtigen Österreichers, von Saloniki bis Kärnten. Im Jahre 1994 hat mir ein griechischer Chauffeur eines Lkw-Zuges in Saloniki erzählt, dass er für die Strecke Saloniki–Wien (Großmarkt), etwa 1.500 km, jeweils zwei Nächte und einen Tag gebraucht habe, mit kurzen Grenzkontrollen in Gevgelija und Spielfeld. Der Gefreite Rosenmayr sollte für die Strecke neun Monate benötigen, vom September 1944 bis Mai 1945. Bereits in der Nähe der Grenzstation Gevgelija gab es den ersten Fliegerangriff auf den Zug, der vor allem der Dampflokomotive galt. Von Prilep her versuchten Tito-Partisanen, den deutschen Rückzug zu stören, in Kavadarči griffen bulgarische Tiefflieger (mit deutschen Maschinen) die Kolonnen an. Vorerst ging es bis Skopje zügig voran, wo zwar die Synagoge, nicht aber die Moschee niedergebrannt war. In Vranje, in Südserbien, aber wurde der deutsche Vormarsch von bulgarischen Truppen, die mit der neuen Regierung auf die Seite der Roten Armee gewechselt hatten, gestoppt und zum Rückzug auf Kumanovo gezwungen. Der neue Regimentskommandeur Major Pabst, ehemaliger Offizier der k. u. k. Armee, führte nun die Abwehrkämpfe gegen die angreifenden Bulgaren und den Rückmarsch über Skopje und das Amselfeld (Kosovo Polje), von wo Schwerverwundete nach Hause geflogen wurden.

Die Erlebnisberichte Rosenmayrs setzen erst wieder Anfang 1945 ein. Die Division dürfte – nach dem Vormarsch der Roten Armee über Serbien und die Vojvodina nach Ungarn und einer Stabilisierung der Front in Syrmien – über den Sandžak und Ostbosnien nach Ostslawonien gezogen sein. In der Nähe von Vukovar erstarrte Rosenmayr vor dem Leichnam einer vergewaltigten Frau. Später quartierte er sich bei noch nicht evakuierten Slawoniendeutschen ein. An der Drau geriet die Division in direkte Kämpfe mit der Roten Armee, die am linken Ufer der Drau nach Westen marschierte. Bei einem Duell der Scharfschützen fiel der steirische Kamerad Rosenmayrs; auch ein rheinländischer Kamerad wurde tödlich verwundet. Der Rückzug durch Našice, das überwiegend von kroatischen Partisanen besetzt war, endete bereits in einer Flucht. »Alles trieb dem Ende entgegen«, bemerkt Rosenmayr resignierend, apathisch. Auch ein Teil der Zivilbevölkerung war auf der Flucht, lange Trecks wälzten sich in Richtung österreichischer Grenze. Rosenmayr konnte sogar einige Tage auf einem Kosakenpferd reiten. In der Untersteiermark kapitulierte die deutsche [<<11||12>>]Heeresgruppe vor der jugoslawischen Armee, die Kriegsgefangenen mussten die Waffen abgeben, Zwangsarbeit in jugoslawischen Bergwerken drohte. Bevor die Kriegsgefangenen mit Stacheldraht umzäunt wurden, riskierten Rosenmayr und Kostas die Flucht in die Wälder und entkamen. Slowenische Bauern halfen ihnen weiter, dann stießen sie – schon in Südostkärnten (bei Ruden) – auf eine steinerne Brücke über die Drau, die von einem britischen Soldaten bewacht war. In Wolfsberg wurde Rosenmayr als Dolmetscher in britische Dienste übernommen und trug die Uniform des London-Irish-Regiments. In Begleitung britischer Offiziere traf er bei Spittal an der Drau auch auf viele Kosaken, die bald an die Rote Armee ausgeliefert werden sollten. Hingegen gab es ein gesundes Wiedersehen mit der Mutter, dem Bruder und dem aus sowjetischer Gefangenschaft völlig entkräftet heimgekehrten Vater. Seine Erzählungen beeindrucken noch heute.

Erst im Herbst 1946 aus der britischen Armee entlassen, wurde Rosenmayr unter dem Vorwurf antisowjetischer Propaganda bei einer Studentenkonferenz in London vom sowjetischen Geheimdienst in Wien verhaftet und zur Zusammenarbeit gezwungen. Freilich vertraute er sich sofort dem britischen Geheimdienst an und erfuhr einiges über den seinerzeitigen britisch-griechischen Waffenschmuggel in Attika. Letzten Endes blieb es eine Episode »im niedrigen Spionagemilieu«.

Wesentlich bedeutender war für Rosenmayr die direkte Ermunterung durch Bundeskanzler Leopold Figl: »Wir brauchen Sie in Österreich […], Ihre Forschungen, die sind notwendig für den Aufbau unseres Landes.«

Wien, im Herbst 2012Univ.-Prof. Dr. Arnold Suppan,Vizepräsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

[<<12||13>>]Einleitung

WARUM UND MIT WELCHER ABSICHT ICH DIESES BUCH SCHRIEB

Das Foto des damals 19-jährigen Soldaten, heute 87 Jahre alten Autors auf dem Umschlagbild des Buches zeigt diesen Menschen im Bereich der Akropolis unterhalb des Tempels der Athene, der Göttin der Weisheit, sitzend und seltsam naiv in die Kamera lächelnd. Dem jungen Mann fehlte damals nicht nur Weisheit, sondern auch jegliches Überblickswissen über die Herausforderungen und Qualen, die den Griechen ab 1941 angetan worden waren. Auf Kommando Hitlers hatte die Wehrmacht das Land mit großer technischer Überlegenheit überfallen.

Nach und nach entwickelten die Griechen mehr und mehr Widerstand mit den über die Seewege eingeschmuggelten Waffen. Sie spezialisierten sich auf Überfälle gegen die Sieger und wurden als Partisanen (Andartes) zu Helden des Widerstandes, besonders auf Kreta und am Peloponnes und auch sonst überall, wo es Berge und Wälder mit Verstecken gab.

Bei der Ausbildung als Wehrmachtsdolmetscher in Wien hatten wir weder über den ideologisch-politischen Hintergrund noch über die Taktik und Techniken der Partisanen in Griechenland etwas erfahren. Ich wusste auch nicht, dass bei einer Unterstützung der Partisanen mit Lebensmitteln ganze Dörfer von der deutschen Wehrmacht angezündet wurden und dabei Menschen durch die Brände ihr Leben verloren. Man ließ sie manchmal einfach verbrennen. Das geschah in Griechenland 1942–1945, nicht überall, aber unter manchen Kommandeuren. Die deutsche Besatzungsmacht nahm Geiseln, und wo ein deutscher Wehrmachtsangehöriger bei einem Partisanenüberfall sein Leben verlor, wurde dafür, je nach dem Rachedurst des jeweiligen regionalen Kommandanten, eine Vielzahl von Geiseln, völlig unschuldig Festgenommene, hingerichtet.

Erst durch Einzelaktionen und die Reaktionen auf sie, wie ich sie im über den Bürgermeister von Aspropyrgos in Kapitel 7 berichte, bekam ich Einblick in die Grausamkeiten als lokale Einzelfälle. Dass ich aber, so sehr ich sie auch individuell da und dort zu verhindern vermochte, als Teil, als kleines Glied in dieser Besatzungsmacht für den verbrecherischen großen Rahmen mitverantwortlich war, das stand mir damals nicht vor Augen. Das geschah auch dann nicht, als ich z. B. als Dolmetscher zu Hilfe gerufen wurde, um Frauen zu beruhigen [<<13||14>>], die sich im Spital zu Kontrolluntersuchungen hatten einfinden müssen. In der Phase der größten Hungersnot hatten sich diese Frauen, um ihren Kindern Nahrungsmittel vom Schwarzmarkt kaufen zu können, im Wehrmachtsbordell als Prostituierte verdingt. Sie liefen Gefahr, wegen Infektionen nicht mehr weiter »beschäftigt« zu werden, sammelten sich in einer Gruppe auf dem Flachdach des Spitals und drohten, in einem kollektiven Selbstmord sich auf die Straße hinunterzustürzen. Ich sollte sie nun durch Beschwörungen in ihrer Muttersprache davon abhalten. Das gelang mir auch, und ich konnte sie schließlich überzeugen, nicht hinunterzuspringen. Ich beschwor sie, ihr Leben für ihre Aufgaben und ihre Kinder auch nach dem Krieg zu erhalten, und hatte schließlich Erfolg damit.

Es war ein vager Begriff von »Pflicht«, dem ich mich als Soldat unterwarf. Und ich folgte einer Schwärmerei für das klassische Griechenland, seine Monumente, Tempel und Statuen, die aber nicht realitätswirksam werden konnte, und kaum zu einer verstärkten Anteilnahme an den Leiden und 1944 auch am Hunger der griechischen Zivilbevölkerung führten. Die Bilder der Antike hatte ich schon im Lehrbuch des klassischen Griechisch kennengelernt. Im Gymnasium in Wien hatte ich die Fundamente der Sprache des alten Hellas und seiner Götter fünf Jahre hindurch studiert. Das aber blieb eine abgehobene Zone, die mir als eine Art emotionaler Schutzmantel für die offensichtlichen Leiden diente, die ich im Alltag wahrnehmen und als mögliche Quelle offenen Aufruhrs beobachten musste. Ich war ein Rädchen in der Maschinerie der Schrecken und der Unterdrückung geworden.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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