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Dieses Buch ist für Menschen, die Musik lieben und sich für Künstler und Künstlerinnen begeistern können. Es wurde von einer Frau geschrieben, die mit Enthusiasmus, Erfahrung und Engagement Musiker/innen ins Rampenlicht und in die Charts geführt hat. Elfi Küster war Musik-Promoterin in den aufregendsten Jahren des Musikbiz. Rod Stewart, Madonna, Joe Cocker, Bette Midler, AD/DC, Rod Stewart, Tom Jones, Heinz Rudolf Kunze, Mick Jagger, Prince, Peter Maffay, Andrea Bocelli und, und, und: Sie wurden promotet. Seit ihrem Debüt und dann immer wieder. Vor jeder neuen Veröffentlichung, vor jeder Tournee. Elfi Küster wurde in dieser Branche zur Legende. Die Künstler vertrauten ihr. Sie teilte das Leben der Stars im Backstagebereich und es kam zu Begebenheiten, die in keinem anderen Beruf der Welt so passieren können: lustige Momente, dramatische Situationen, spontane Albernheiten, traurige Geschichten, Siege und Niederlagen. Küster schreibt temporeich und unterhaltsam. Manchmal ironisch – und nimmt sich dabei nicht aus. Dieses Buch ist Ihr Backstage-Pass, liebe Leser. Folgen Sie Elfi Küster hinter die Fassaden von Image, Make-up und Kulissen. Erleben Sie Künstler und Künstlerinnen live, ungeschminkt und menschlich ganz nah dran.
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Seitenzahl: 278
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Elfi Küster
Backstage-Storys über AC/DC, Joe Cocker, Tom Jones, Peter Maffay, Prince, Rod Stewart und viele andere Top-Stars
© 2025 Elfi Küster E-Mail: [email protected] Gestaltung: Katja Frauenkron, Deichgrafikerin E-Book-Adaption: Sabine Abels und Erik Kinting
Lektorat: Hollow Skai, skaibooks IT-Hilfe in Not: Peter Esch Assistenz & Social Media: Lena Schack facebook.com/elfi.kuester.3/ instagram.com/elfikuester/ Herstellung: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Köpenicker Straße 154a, 10997 Berlin Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung: [email protected] Alle Rechte vorbehalten.
Vorneweg im Schnelldurchlauf
Alice Cooper
AC & The Cops
Joe Cocker
Five Words for me and one for the Road
Madonna
Im Nachtzug mit Madonna
Ausgetrickst
Blitz, Donner & AC/DC
Schwein gehabt
Blizzard über München
Über Komposthaufen
Rod Stewart
Witzbold in Frankfurt
Schlingel in München
Schlitzohr in Hamburg
Bette Midler
My Soul Sister
Soulsister mit Ablaufdatum
Sister Sledge
Vier süße Krawallschwestern …
Heinz Rudolf Kunze
Sein ist mein ganzes Herz
A Look-A-Like named HRK
Tennissocken als Wonderbra
Tom Jones
Mein Tanz mit dem Tiger
Crosby, Stills & Nash
Harmoniegesang mit drei Streithammeln
Ry Cooder
Der Mann, der dir mit seiner Slide-Gitarre die Seele streichelt
Prince
Schnipseljagd in London
100 Party-Girls in Hamburg
D’r Prinz kütt in Düsseldorf
Per Taxi zum Klo in Paris
Purple Sky over St. Pauli
Joachim Witt
Glück, Zufall oder Fügung?
Glück
Zufall
Fügung
Chris Isaak
Sell the Farm & Send the Money!
Mick Jagger
Hol mal was aus Platin, Schatz
Vangelis & Andrea Bocelli
Mit Henry Maske durchgeboxt
Durchgeboxt
Filippa Giordano
Vom Shooting-Star zur Pech-Marie
Shooting Star
Kalte Füße in Sizilien
Ein Octopus sieht rot
Giordano: Top Priority-Act
Let it rain, let it rain, let it rain.
Aus der Traum!
Neuer Anlauf
Zero Points in Berlin
Aus die Maus
2. Chance vergeigt
Roy Black
Comeback & Goodbye
Peter Maffay
Kein Weg zu weit
Zum Start Schlickerschlacker-Sahnematsch
En Vogue
Chaostage in Münster
100.000 Mark für Reisekosten …?
Noch alles im grünen Bereich
Nix Abalone – nehmen andele Fisch!
Night Cap an der Bar
Paolo Conte
Isse nullo problemo, Bella
Manfred Krug
Telefonsex mit Manne
Marky Mark & Prince Ital Joe
He didn’t fuuuck dat bitch!
„Der Scheißkerl hat mich vergewaltigt!“
Stefan Gwildis
Der George Clooney aus Barmbek
Tori Amos
Promotion fängt beim Nein erst an
Roger Cicero
Ich hätt so gern noch Tschüss gesagt
Zucchero
Hochzeitsnacht mit Miles Davis
Die erste Begegnung
Hochzeitsnacht mit Miles Davis
ZUGABE
Meine allererste Künstler-Betreuung, 1972
Arturo Benedetti Michelangeli
Als Lang Lang noch pling pling machte.
Alles ist wahr. Aber nicht alles war so.
Crashkurs
Was macht ein Promoter ? Wie wird man Promoterin?
Aber wer sind wir? Und wie sind wir?
Warum das alles?
Warum war Promotion das Mittel der Wahl?
Nachwort von Hollow Skai
Danksagungen & Gedenken
Bildnachweise
Elfi Küster war PR-Chefin und Medienflüsterin in der Musikbranche. Sie öffnet den Blick hinter die Fassaden von Make-up, Image und Kulisse der großen Pop- und Rock-Stars. Hier berichtet die Insiderin über ihre Erfahrungen mit Legenden der Musikgeschichte.
Dieses Buch ist Ihr Backstagepass!
„Elfi war die Grande Dame der Promotion.“
Peter Urban
„Ihr vertrauten die Stars.“
Hamburger Morgenpost
„Ohne Elfi wäre ich wohl ganz schnell in der Versenkung verschwunden. Ihr verdanke ich alles.“
Joachim Witt
„Sie hat dafür gesorgt, dass ich ahnungsloses, bebrilltes Küken aus der Provinz nicht totgebissen wurde.“
Heinz Rudolf Kunze
Was haben sie alle gemeinsam: Alice Cooper, Madonna und Joe Cocker, Bette Midler, Rod Stewart und Tom Jones, Heinz Rudolf Kunze, Mick Jagger und Prince, Peter Maffay, Andrea Bocelli und, und, und: Sie wurden promotet. Seit ihrem Debüt und dann immer wieder. Vor jeder neuen Veröffentlichung, vor jeder Tournee. Von meinen Kollegen,– und auch mal von mir.
Musik war schon immer tonangebend in meinem Leben. Aber ich hatte nichts gelernt und auch nicht studiert, als ich 1963 beim Verlag Henri Nannen bzw. Gruner + Jahr angestellt wurde und PR-Assistenz für die „stern“-Schallplatten machte. Learning by doing. Ich hatte ein Faible für Jazz-Musik, Blues und R’n‘B und fand Gleichgesinnte in angesagten Clubs. Im Laufe der beruflichen Jahre kam das gesamte Spektrum amerikanischer und britischer Rock- und Pop-Musik dazu. Ich war und bin bis heute kein fundierter Musikkenner – mich hat aber das damit verbundene Lebensgefühl nachhaltig angezogen. 1972 wechselte ich zur Musikabteilung des Chemiekonzerns und Tonband-Produzenten BASF, dessen Vorstand von André Heller belehrt wurde: „Meine Herren, ich kann Ihnen versichern – es gibt einen Unterschied zwischen Kunst und Kunstdünger.“ Das ließen sich die Vorstände nicht zweimal sagen – und stellten die Musikabteilung kurzerhand ein.
Daraufhin kam ich für ein Jahr bei der Deutschen Grammophon Gesellschaft unter und lernte den großen Unterschied zwischen klassischer Musik und der Welt des Pop und Rock kennen.
Anschließend betrieb ich ein Schallplattengeschäft in der Hamburger City, in dem die namhaftesten DJs der Clubszene ein- und ausgingen und samstags nach Ladenschluss bei Kaffee und Kuchen und anderen Substanzen mit mir die Neuerscheinungen und Importe durchhörten. So bekam ich ein Gespür dafür, welche Titel ein Hit werden könnten und welche nicht.
1976 lockte mich ein Stellungsinserat zur WEA, der deutschen Vertretung der US-Musiklabels Warner, Elektra und Atlantic. Erst war ich die Sekretärin von Siggi Loch, dem Big Boss, schon bald wurde ich aber seine Pressechefin und hatte es zehn Jahre lang mit den wichtigsten internationalen Künstlern zu tun, von AC/DC bis ZZ Top. Den ganzen Katalog der Superstars. Bei der Schwesterfirma der WEA, eastwest, leitete ich sodann die gesamte Promotionabteilung. Und mit zarten 53 Jahren gründete ich schließlich meine eigene PR-Agentur und betreute Roger Cicero und Stefan Gwildis, Annett Louisan, Zucchero und andere Cremeschnitten wie das erfolgreiche Rilke-Projekt.
Mit diesem Buch nehme ich Sie an die Hand und führe Sie hinter die Fassaden von Image und Make-up. Sie erfahren etwas über die Tricks und Tücken auf dem Weg der Künstler in die Charts. Passagenweise klingt das vielleicht etwas frech, ist aber immer empathisch und respektvoll gemeint. Situationskomik und eine Portion Selbstironie würzen die Episoden. Kein Namedropping um seiner selbst willen, auch wenn es große Namen sind. Keine Schlüsselloch-Hechelei. Die Geschichten sollen unterhalten und berühren. Sie sollen die Härte dieses Genres beschreiben, aber auch das ganz große Glück auf der Zielgeraden. Ein „Making of“ im Zeitraffer – und gleichzeitig, ganz nebenbei, eine Hintergrundskizze der goldenen 80er und 90er Jahre im Musikbusiness, dessen größte Hits noch heute ihre Halbwertzeit nicht erreicht haben.
Ich kann Ihnen versprechen: Sie werden sich nicht langweilen, auch wenn Sie zum Beispiel kein expliziter Fan von Joe Cocker oder Madonna sind. Oder wenn Sie Filippa Giordano nicht kennen.
Nach meinem Rückzug aus dem Business fehlten mir die Künstler, der Stress, die Medienmenschen und der Erfolg. Ich schrieb meine Erinnerungen auf. Das half gegen die Phantomschmerzen. Die Texte befanden sich lange Zeit im Dornröschenschlaf. Jetzt habe ich sie wachgeküsst.
Ich wünsche Ihnen unterhaltsame Stunden!
Elfi Küster
Ich war auf dem Weg nach München, um Alice Cooper zu betreuen. Seine Maschine aus London sollte eine halbe Stunde nach meiner landen. Ich wollte deshalb gleich bei der Kofferausgabe auf ihn warten, war mir aber nicht sicher, ob ich ihn ohne sein markantes Bühnen-Make-up erkennen würde. Die Zollbeamten hatten schon einen Blick auf mich geworfen, weil ich keine Anstalten machte, durch die Kontrolle zum Ausgang zu gehen. Ich verschwand deshalb für eine Weile auf dem Klo. Dann wurde die Landung der British-Airways-Maschine angekündigt.
Alice Cooper reiste allein und mit kleinem Gepäck. Ein höflicher, stiller Mann, unauffällig gekleidet. Etwas übernächtigt sah er aus mit seinen verschatteten Augen. Später erkannte ich, dass das keine Augenringe waren. Sein sehr spezielles Bühnen-Make-up hatte sich anscheinend schon permanent in seine Haut gefressen.
Auf dem Interviewplan standen unter anderem „Musikexpress“, „Rolling Stone“, „BRAVO“, „PopCorn“ und der Radiosender Bayern 3. Nach der Live-Übertragung des Interviews saßen wir noch mit dem Redakteur Jim Sampson (oder war das vielleicht Fritz Egner?) der Lobby des Funkhauses zusammen, als eine Gruppe von Fans hereinschneite. Sie hatten die Sendung gehört, sich zusammentelefoniert und wollten ihrem Idol nun nahe sein. (Gut, dass es damals noch keine SMS- oder Internetmobilmachung gab, aber auch so waren es cirka 15 Jungs, die aufgeregt um ihr Idol herumjiffelten).
Cooper signierte freundlich Autogrammbücher, gab ihnen Autogrammkarten und bedankte sich für ihr Kommen. Das war den Fans aber noch nicht genug, sie wollten unbedingt wissen, was er heute noch unternehmen würde, und boten sich als Stadtführer an. Ich machte mich so groß, wie meine 163 Zentimeter es zuließen, und bat sie freundlich, aber auch unmissverständlich, den Künstler jetzt in Ruhe zu lassen und das Foyer zu räumen. Daraufhin zogen sie ab.
Alice Cooper hatte Hunger. Er wünschte sich ein Restaurant mit typisch deutscher Küche: „But no Wiener Schnitzel, please.“ Er wollte von blonden Frauen im Dirndl bedient werden und sein Bier aus einem Maßkrug trinken. Ein Redakteur empfahl uns das „Grüntal“: Küche und Flair bayrisch und gut. „Sounds good, Älfie.“
Wir stiegen also in die angemietete Limousine. Am Steuer saß Karl, wie so oft, wenn wir WEA-Promoter in München zu tun hatten. Im Hauptberuf war er Polizist. In seinen dienstfreien Stunden verdiente er sich aber gern etwas dazu. Entweder als Fahrer oder als Statist bei TV-Produktionen. Sein Lockenkopf war in einigen Derrick-Folgen zu sehen gewesen und einmal sogar in einem Tatort.
Weiß der Geier, wie schnell die Fans in ihren Autos unsere Spur aufgenommen hatten. Mit einem Konvoi aus einem alten hellblauen Kadett, einem ehemals grünen Renault 4 mit schwarz ausgebessertem Kotflügel und einem Manta klemmten sie sich an Karls Stoßstange. Fuhr er nach links, fuhren sie links. Bog Karl rechts ab, folgten sie ihm nach rechts. Karl versuchte es mit der Rotlicht-Falle: Vor einer grünen Ampel stehen bleiben, und dann, wenn das Signal gerade auf Rot umschaltete, losjagen. Es war ihnen aber völlig egal, dass sie ein Strafmandat riskierten. Alice Cooper amüsierte sich über ihre Hartnäckigkeit.
Dann bog Karl plötzlich von dem regulären Weg zum „Grüntal“ ab und fuhr durch schmale, von hohen Hecken gesäumte Straßen einer Villen-Gegend. Alle Rostlauben hinter dem großen Benz her. Was sollte das denn werden? Die Sache fing an, uns zu gefallen.
Links vor einer Hecke parkte ein unauffälliger VW-Bus mit dunklen Scheiben. Karl hielt an, stieg aus, schlenderte hinüber und sprach mit dem Fahrer. Er gestikulierte, lachte und zeigte auf die Verfolger-Kolonne. Dann kam er zurück.
Das „Füat Di“ hörte sich eigentlich ganz gemütlich an, das ihm nachgerufen wurde. Er setzte sich wieder hinters Lenkrad, zog den Wagen langsam nach vorn. Der VW-Bus schob sich gleich hinter unsere Limousine und stellte sich quer. Nach wenigen Metern hielt Karl an. Alice drehte die Scheiben runter, um besser sehen zu können: Da standen plötzlich drei uniformierte Grenzschützer – oder Polizisten – und bedeuteten den Verfolgern, dass sie sofort umzudrehen hätten, sonst … Und um ihren Gesten mehr Nachdruck zu verschaffen, hielten sie ihnen ihre Maschinenpistolen vor die Motorhauben. Mir standen die Haare zu Berge und ich befürchtete eine Eskalation, die am nächsten Tag für ungewollte Überschriften in der Boulevardpresse sorgen könnte. Cooper hingegen war zum ersten Mal an diesem Tag hellwach. Der Fahrer lächelte stolz über seinen Coup und startete ohne seine Verfolger im Schlepptau durch zum Restaurant.
Cooper wollte natürlich wissen, was da los war. „Ganz einfach“, sagte Karl lachend und ich musste übersetzen: „An der Ecke wohnt der CSU-Innenminister Zimmermann, der hat Tag und Nacht Polizei vor der Tür. Ich bin ja ein Kollege von ihnen. Die langweilen sich immer unendlich bei diesen Personenschutz-Diensten. Da kamen wir gerade recht.“
Karl wollte noch etwas loswerden: „Ich habe jetzt aber ein Problem. Die Männer haben mir zwar einen Gefallen getan, aber glauben mir nicht, dass das hier wirklich Alice Cooper ist.“ Dem Mann konnte geholfen werden. Cooper schrieb Autogrammkarten mit den Namen für die Polizisten. Er war begeistert über diesen Special Service. Der Fahrer hatte sich mit dieser Geschichte qualifiziert und wurde von Alice mit zum Essen an den Tisch gebeten.
Und dann gab es die schönsten Anekdoten aus dem Leben eines Münchner Cops und reichlich Bier. Bald verstand Cooper auch Karls strammes Bajuwarisch ohne meine Übersetzung. Die krosse Bauernente, die von breithüftigen, blonden Frauen serviert wurde, war auch nach seinem Geschmack.
Als wir das Restaurant verließen, saßen die Fans auf der Terrasse. Sie waren aber überhaupt nicht böse, sondern stolz, dass sie uns wiedergefunden hatten. Nun hatten sie sich ja wirklich auf den Schreck noch einen Smalltalk mit Alice Cooper verdient.
Anschließend wollte er noch unbedingt auf die Piste, aber wohin? Das urige „Sugar Shack“, erprobt in solchen Fällen, hatte schon geschlossen. Dann gab es nur noch das aufgebrezelte „P1“ an der Prinzregentenstraße. Ich sprang aus dem Auto und begehrte Einlass – der mir prompt verwehrt wurde. Wir waren nicht hip genug und sollten ein anderes Mal wiederkommen, heute sei geschlossene Gesellschaft. „Alter Schwede, hör mal zu – der Mann hier ist Alice Cooper!“ Der Türsteher lachte schallend und knallte uns die Tür vor der Nase zu. Den Spruch kannte er noch nicht. Okay, dann eben in die Bar vom Park Hilton zum Schlenderschluck.
Als Pressechefin der WEA, wie Warner Music damals noch hieß, hatte ich 1978 nach einer Reihe von Zwischenstationen mein berufliches Halbzeithoch im Musikbusiness erreicht. Ich war glücklich. Mit und für Musiker zu arbeiten, war mein ersehntes Ziel gewesen. Und die WEA war die renommierteste Plattenfirma in Sachen Rock, Pop und Jazz. Das W stand für das Warner-Repertoire mit Sahne-Pop und Soul, das A für R’n’B, Rock und Jazz von Atlantic, und das E dazwischen für Elektra, ein kleines Label. Das hatte aber einen sehr ausgewählten Westcoast-Katalog und sein Sub-Label Asylum einen delikaten Singer-Songwriter-Künstlerstamm. Und bei Elektra sollte ein Album von Joe Cocker erscheinen – Luxury You Can Afford. Also bei uns!
Joe Cocker gehörte für mich seit Woodstock zu den ganz Großen, besonders seit dem wunderbaren Album und Road Movie Mad Dogs & Englishmen. Den Film hatte ich schon mehrmals gesehen, als ich noch gar nicht in dieser Branche war. Nun sollte ich also Gelegenheit haben, diesen einmaligen Sänger, dessen Stimme mir direkt in die Kniekehlen ging, persönlich kennenzulernen.
Besser noch: Ich konnte was für ihn tun! Ich konnte ihm helfen! Denn die Schlagzeilen über meinen damaligen Favoriten waren nicht gut. Er tat mir leid, weil er nach Strich und Faden von seinen Agenten ausgenutzt wurde. Er hatte es ihnen wohl auch leicht gemacht und das Kleingedruckte in seinem Vertrag nicht ausreichend verstanden. Ende 1968 war er mit dem Beatles-Cover „With A Little Help From My Friends“ in England die Nummer 1 in den Charts. 1969 dann sein Durchbruch beim Woodstock-Festival. Nicht nur mit seiner markanten Stimme, auch mit den nicht minder markanten Luftgitarren-Bewegungen eines Linkshänders wurde der zerzauste kleine Mann aus Sheffield unverwechselbar.
Blauäugig ließ er sich für eine 56-tägige Tournee verpflichten. Fast 40 Musiker reisten mit dem Tross und ungezählte Techniker – man hatte Joe Cocker aber nicht gesagt, dass er sie von seinen Konzertgagen bezahlen müsste. Nicht nur die Honorare, auch die Reisekosten, die Technik, die Hallen, die Werbung – alles. Er trug das gesamte Risiko dieser gewaltigen Unternehmung allein, hatte aber von diesem trickreichen Business keine Ahnung. Ein unendlicher Konzert- und Reisemarathon, zusätzlich noch viele unbezahlte Promo-Auftritte auf Festivals und in TV-Shows. Ein gigantischer Rausch. Mit einem ebenso gigantischen Kater danach. Cocker war jetzt 25, berühmt, pleite und – schrankfertig.
Mit weiteren Veröffentlichungen hielt er sich über Wasser, aber es war kein großer Wurf dabei, der ihm den Arsch hätte retten können. Das bedeutete für ihn: touren, touren, touren. So hielt sich seine Popularität, aber seine finanzielle Situation blieb desolat. Er war zum Tingeln verdammt. Das hatte zur Folge, dass Joe Cocker einige Jahre ziemlich haltlos und sturzbesoffen herumtrudelte. Er war am Ende. 1974 hatte er heftige psychische Probleme, wurde wegen Drogendelikten und Körperverletzung sogar inhaftiert und konnte einige Konzerte nicht absolvieren. Dafür haute dann auch schon mal ein Veranstalter mit der Abendkasse ab.
1978 kam ich ins Spiel. Ein neuer Anfang, ein neuer Plattendeal. Luxury You Can Afford, produziert von der New-Orleans-Legende Allen Toussaint, eingespielt mit einem Kollektiv von 28 Musikern, alle aus dem obersten Regal. Bedingung der Plattenmanager bei Elektra: „Stop drugs & booze.“
Das Album-Cover zeigte einen für einen Musiker merkwürdig korrekt gekleideten Mann mit linkisch ausgebreiteten Armen. So stellt man sich seiner künftigen Schwiegermutter vor. Aber mit der Musik auf dem Album hatte diese Körpersprache nichts zu tun. Man konnte es auch so sehen: „Ich tue alles, was ihr von mir wollt. Ich liebe euch – bitte habt mich auch lieb und kauft diese Platte. Ich brauche euch. Noch nie so dringend wie jetzt.“
Cocker wollte definitiv aus dem Schlamassel raus, und er meinte es ernst. Er ließ sich sogar darauf ein, auf Interviewreise zu gehen, wohl wissend, dass alle Fragen mehr mit seiner unseligen Vergangenheit zu tun haben würden als mit diesem neuen Album, auf das er seine ganze Hoffnung setzte. Zwei Tage sollten in Hamburg mit effizienten Interviews auflagenstarker Print-Titel gefüllt werden, aber die Medien hatten Cocker schon abgeschrieben. Cocker war kein Thema mehr. Wir mussten also Überzeugungsarbeit leisten, um wenigstens eine Handvoll Journalisten für ein Interview zu gewinnen. Auf TV-Sendungen wollte das Headquarter ohnehin verzichten, dafür war Cocker noch zu instabil.
Die Anweisung war eindeutig: keine Minibar im Hotel, kein Restaurant, in dem Alkohol ausgeschenkt wird. Überhaupt: kein Alkohol in Sicht- und schon gar nicht in Reichweite. Das Hotel Interconti in Hamburg war kooperativ. Das war noch die kleinste Übung. Dort kannte man ganz andere Extravaganzen von Weltstars. Der Weg ins Restaurant führte allerdings an einer Bar vorbei. Die war aber zur Frühstückszeit noch geschlossen, also keine Gefahr. Und abends – wir mussten halt aufpassen, dass Cocker sich auf dem direkten Weg durch die Lobby zum Fahrstuhl begab.
Schwieriger war es da schon, ein nettes, nicht zu teures Restaurant für das fällige Company-Dinner am Abend nach den Interviews zu finden, in dem kein Alkohol ausgeschenkt wurde. Wir landeten schließlich bei einem Afghanen am Mittelweg. Der Inhaber war ein Fan von Joe Cocker und wollte auf den Ausschank von Alkohol in Flaschen auch für die anderen Gäste an diesem Abend verzichten – was er dann schon nach drei Minuten wieder vergaß.
Joe Cocker war bereits am Vorabend angereist. Mein Kollege Stefan Michel hatte ihn abgeholt und ihn und seinen Begleiter eingecheckt. Der war jedoch kein erfahrener Tour-Manager, wie sich bald herausstellen sollte.
Mein Auftritt erfolgte erst am nächsten Morgen, kurz vor dem ersten Interview im Hotel. Joe Cocker und der Manager saßen noch beim Frühstück. „Moin Joe, ich bin Elfi, die Pressechefin, und das ist meine Assistentin Gaby. Wir sind in den nächsten Tagen für dich da. Hier ist der Interviewplan. Wir haben eine Suite gemietet, direkt neben deinem Zimmer. Wir wollen den Tag so angenehm wie möglich für dich machen. Gibt es Themen, zu denen du nichts sagen willst?”
Das war ja eine berechtigte Frage, obwohl Journalisten es hassen, wenn sich Promoter einmischen und Fragen abblocken. Aber wir wollten diesen Mann wirklich nicht ins Messer laufen lassen.
„Nein“, fuhr der Manager Cocker über den Mund, bevor der selbst etwas sagen konnte. „He is definitely not going to make any problems.”
Aua. Eine Antwort auf meine Frage war das nicht gerade. Dem Hilfs-Manager war das Wohlergehen von Cocker ziemlich egal. Er genoss es einfach, einen bezahlten Trip durch Europa zu unternehmen. Vormittags shoppen, abends poppen, und das möglichst auf Spesen. Er hatte sich in London eine Mini-Kamera gekauft, eine Rollei A110, und kam damit nicht klar. Da ich auch eine hatte, konnte ich ihm das System erklären: Man muss sie ritsch-ratsch aufziehen, um den Film zu transportieren. Schnell hatte der Manager seinen Spitznamen weg: Ritsch-Ratsch.
Tja, und dann saß ich da mit Joe Cocker an einem Tisch. Ich konnte es immer noch nicht fassen. Ein etwas verbeulter und zerknitterter, aber sehr höflicher Mann mit einem liebenswürdigen Lächeln und fusseligen Haaren. Über seinem dunklen Hemd spannte sich eine dünne Strickjacke in einer undefinierbaren Farbe. Artig hörte er sich meine enthusiastischen Komplimente an. Ob er darauf etwas sagte oder nur in sein Brötchen gebissen hat – die Antwort habe ich jedenfalls nicht verstanden, so wie ich überhaupt kein Wort von dem verstand, was er sagte. Dabei konnte ich eigentlich ganz gut Englisch.
Ritsch-Ratsch lachte abfällig: „So reden sie in Sheffield.” Hilfreicher wäre es gewesen, wenn er mir auch nur eines von Cocker geraunzten Worte übersetzt hätte. Erst später kam ich auf den Gedanken, dass er ihn wohl selbst nicht verstanden hatte. Wahrscheinlich schon die ganze Reise nicht! Als würde ein Friese mit einem Bayern O-Ton reden.
„Und wo kommst du her?“, fragte ich Ritsch-Ratsch. Nicht dass es mich interessiert hätte, aber dann musste ich doch lachen. „Nuuuh Ooohr-le-ans, Louuuh-iii-sij-äääh-na“, dehnte er gefühlte drei Minuten lang. So reden sie eben in New Orleans.
In der Tat haben wir die nachfolgenden 48 Stunden immer nur Bahnhof verstanden, bis auf fünf Worte, die waren unmissverständlich. Wir mogelten uns durch, indem wir immer auf die Endungen seiner Sätze achteten. Ging die Sprachmelodie nach oben, wurde bestätigend wahlweise gelacht, gelächelt, mit dem Kopf genickt oder der Kopf geschüttelt. Wir achteten auf seine Körpersprache und ahnten, ob er sich in einem Gespräch mit einem Redakteur wohlfühlte oder lieber zum Schluss kommen wollte. Wie die mit seinem Genuschel klarkamen, weiß ich nicht. Sie nahmen halt erst mal auf, was er so absonderte. Gaby erinnert sich heute noch lachend daran, dass Joe einmal aus einem Gespräch rausgelaufen war und wenig später verschmitzt grinsend mit einem vollen Bierkrug in der Hand wiederkam. Er hatte schon längst gespinxt, wo die Bar war. Nur so hielt er das durch.
Abends holte ich ihn zum Company-Dinner mit dem Produktmanager und Kollegen vom Vertrieb ab. Kleine Besetzung. Keine höhere Charge dabei, kein Marketing- oder gar Managing Director, so wichtig war Cocker gerade nicht. Auf der Status-Skala zwischen Sekt und Selters rangierte er bei „Leitungswasser, abgestanden“. Aber ohne Chefs war es auch viel lustiger. Cocker machte mich nach, wie ich ihn immer anstarren würde, um ihn zu verstehen. Wir aßen lecker und blieben solidarisch nüchtern.
Dann war Cocker nach Musik, er wollte singen. Er hätte Lust, jetzt in einen Club zu gehen, ob wir wüssten, wo er einsteigen könnte ...
Ich musste gar nicht lange nachdenken, wo wir hinkönnten. Ins “Pö“, damals die angesagteste Musikkneipe in Hamburg, ach was, in ganz Deutschland. Drehscheibe für Musiker und die Branche, für Medienleute und Fans. Die Telefonnummer hatte ich im Kopf. Ich rief also an, um zu erfahren, wer dort abends auf der Bühne stünde. Voll ins Schwarze getroffen: Bad News Reunion! Zufall oder Fügung? Hochkarätige Musiker der Hamburger Szene. Peter Urban, Abi Wallenstein, Jocki Brückner, Michael Schlüter – die perfekte Begleitband für Joe Cocker. Musikalisch war man auf einer Linie. Wir hatten ein absolut spektakuläres Erlebnis vor uns. Ich bestand nur noch aus Adrenalin.
Harriet, die legendäre Tresenfrau, war am Telefon. Sie freute sich. „Du Harriet“, sagte ich, „das ist jetzt ganz wichtig: Räum bitte alle Flaschen unter den Tresen. Und wenn jemand was trinken will, mach das dezent. Kein Eisklirren, kein Zapfhahn-Zischen. Denk dir was aus, wie du das hinkriegst.“ „Isser auf Entzug?“, lachte sie verständnisvoll. „Geht klar!“ „Wir sind gleich da!“
Gleich war nicht sehr gleich – ich musste erst noch die Rechnung zahlen. Mein kleiner Afghane erwies sich als Schlitzohr. „Was sind denn das hier für vier Flaschen Rotwein auf der Rechnung? Wir haben doch gar keinen getrunken!“
„Du musst verstehen“, wand er sich trotzig: „Für Verdienstausfall.“
Ritsch-Ratsch murmelte dann noch, er würde ja nicht gebraucht, und fragte, wie er man am besten zum „Amphore“ käme. Das war damals der skandalöseste Mitmach-Pornoclub auf dem Kiez. Was für eine Arschgeige!
Ein Limousinen-Service mit Fahrer etc. fiel für Cocker mangels Status aus. Also quetschten wir uns in meinen kleinen weißen Kadett. Es war gerade heftiges, klirrendes Winterwetter. Die Räumfahrzeuge hatten den Schnee hoch an den Straßenrändern aufgetürmt, sodass es sich als schwierig erwies, eine Lücke als Parkplatz zu finden. Ich stellte mich einfach vor die Einfahrt einer Garage, die hoffentlich in dieser Nacht nicht mehr benutzt würde.
Ob sich nun das „Pö” in der Zwischenzeit so elektrisch aufgeladen hatte, weil ein Weltstar erwartet wurde, oder, was wahrscheinlicher war, weil die lokale Stromversorgung unter der Schneelast zusammenbrach: Am Lehmweg gingen die Lichter aus. Genau in dem Augenblick, als wir die Schwingtür öffneten. Und das war das Aus für Mikrofone, Monitore, Verstärker, Lautsprecher, Instrumente. Blieb nur noch das Klavier, der gute, alte Bühnenhobel. Harriet verteilte die Notfall-Kerzen.
Joe Cocker und Peter Urban besprachen sich kurz, und dann rieselte es Sternenstaub. Ein überwältigendes Erlebnis, diesen großartigen Sänger so intim zu erleben. Direkt. Unplugged. Bei Kerzenschein! Peter und Joe fanden sich schnell ein.
Ich stand da wie die Freiheitstatue. Glücksdämlich strahlender Blick, mein Diktiergerät in der erhobenen Hand. Dieses Konzert musste ich für die Ewigkeit festhalten, und wenn es mit einem lausigen Recorder war!
Bei all meiner Verzückung bekam ich die Gefahr nicht mit, die sich gerade von rechts in Form von Maurer-Gunnar anschlich, einem der eher unangenehmeren Stammgäste im „Pö”. Dem hatte Harriet gerade ein großes Wasserglas mit Whisky eingeschenkt. Randvoll. Aber sie realisierte nicht, dass er den nicht selbst trinken wollte, sondern sich damit in Richtung Bühne aufmachte. Joe Cocker sah ihn kommen.
„Hey Cocker”, flüsterte Maurer-Gunnar, „ich geb dir einen aus.“ Cocker beugte sich zu ihm herunter und griff nach der im Kerzenlicht verlockend bernsteinfarben schimmernden Flüssigkeit. Er leerte das Glas in einem Zug, bevor wir reagieren konnten. Er sang noch ein wenig, aber schon nach wenigen Minuten taumelte er. Kurz bevor er ganz zusammenklappte, zogen wir ihn schnell von der Bühne runter. Er kniete auf dem Boden und atmete schwer.
Die Situation wurde nun brenzlig. Die ersten Reporter trafen ein, durch wen und wie auch immer informiert. Da Joe Cocker im Dunklen auf dem Boden hockte, bemerkten sie ihn erst gar nicht, als sie durch die Schwingtür in Richtung Tresen trabten. Mit einem meiner Kollegen wollten wir Cocker aufrichten und rausbringen. Der Mann war schwer wie ein Gummisack voller Wasser. Um seine Kräfte zu wecken, flüsterte ich ihm eindringlich lockend ins Ohr, (aber auch mit einer Spur schlechten Gewissens): „Joe Cocker, komm mit, wir fahren ins Hotel. Du und ich. Komm mit mir, komm, steh auf! Wir helfen dir.“ Er versuchte, die Augen auf einen Punkt zu fokussieren, schaute mich schließlich an und rappelte sich brabbelnd hoch. Schnell in den Mantel und nach draußen mit ihm. Da lehnten wir ihn erst mal an die Wand, damit ich mein Auto holen konnte. Der „Bild“-Fotograf stapfte direkt an ihm vorbei, ohne ihn zu erkennen. Ein Trunkenbold halt, der mal an die frische Luft musste.
Die half ein wenig. Cocker stabilisierte sich. Er kletterte auf den Rücksitz, und mit einem Kollegen fuhren wir ins Interconti. Cocker zupfte von hinten zaghaft an meinen Locken. Aber ich hatte nur einen Blick für die eisglatte Straße. Das fehlte noch, ein Unfall mit Joe Cocker im Auto.
Im Hotel lungerte Ritsch-Ratsch an der Bar herum. Er half, den armen Sünder nach oben ins Zimmer zu bugsieren, und entkleidete ihn bis auf Unterwäsche und Socken.
„You can leave your socks on, Joe“, sang ich ihm vor, deckte ihn zu und wünschte ihm eine erholsame Nacht. Sicherheitshalber stellte ich noch eine Flasche Wasser auf die Nachttischkonsole und in Ermangelung eines Eimers einen Sektkühler neben sein Bett – für den Fall des Falles. Mit den Folgen von Alkohol kannte ich mich aus.
Da setzte er sich noch mal auf und bedeutete mir, dass er mir was ins Ohr flüstern wollte. Und jetzt, glaubt‘s oder glaubt‘s nicht, verstand ich auf Anhieb, was er wollte: Jedes der fünf Worte war sonnenklar. – Aber die behalte ich für mich. Für immer.
Ich dimmte das Licht und ließ ihn allein in seinem minibarlosen, freudlosen, elfilosen Zimmer in der vierten Etage.
Unten angekommen, baute sich Ritsch-Arsch vor mir auf und machte auf Manager. Er sprach plötzlich hastig, als er versuchte, mir die Schuld daran in die Schuhe zu schieben, dass Cocker was getrunken hatte. Ich wehrte mich: „Und wo warst du? War‘s wenigstens nett im Amphore? Ha’m sie dich rangelassen? Hat es dir was gegeben?“ Ich drehte mich um, rannte raus, sprang in den Wagen und fuhr zurück ins „Pö“. Jetzt brauchte ich dringend einen Drink, aber hoch bis zum Eichstrich!
Im „Pö” war die Hölle los. Nachdem wir den Laden verlassen hatten, hatte eine wilde Rangelei eingesetzt. Maurer-Gunnar lief Gefahr, gelyncht zu werden, weil er diese heilige Stunde vermasselt hatte. Werner Burkhardt von der Süddeutschen Zeitung, ein absolut seriöser und lange bekannter Freund, steckte Gunnar erst mal zornig eine brennende Kerze in den Bart. Harriet löschte beherzt, indem sie ihm einen Krug Bier ins Gesicht schüttete. Die Musiker packten betreten zusammen. Die Stromversorgung lief wieder. Harriet machte das große Licht an, was bei ihr hieß: „Jetzt könnt ihr alle mal gern verschwinden, es reicht mir.“
Die Interviews für den nächsten Tag wurden gecancelt. Das Album erreichte in den Staaten zwar kurz einen unteren Platz in den Charts, blieb aber bedeutungslos, obwohl es Hammer-Songs wie „A Whiter Shade Of Pale“ und „I Heard It Through The Grapevine“ enthielt. Vielleicht lag es am lädierten Image von Cocker, vielleicht am merkwürdigen Albumcover. Heute wird eine Audio-CD bei Amazon für 199 Euro gehandelt.
Joe Cocker berappelte sich. Sein Duett mit Jennifer Warnes und dem programmatischen Titel „Up Where We Belong“ im Jahr 1982 wies in die richtige Richtung, und 1984 ging dann die Post ab. Jedes Album, jede Single toppten weltweit die Charts. Die Medienleute drängelten sich um Interviews, die TV-Sender luden ihn in Samstagabend-Shows ein. Große Hallen waren lange im Voraus ausverkauft.
In den späten 1980er Jahren traf ich ihn bei „Wetten daß …?“ im Backstage-Bereich wieder. Er promotete gerade Unchain My Heart und sah wohl aus. Einen kleinen Bauchansatz hatte er ja schon immer gehabt, aber nun war sein Gesicht auch etwas runder, was ihm ausgesprochen gut stand. Modernes Outfit. Klare, blaugraue Augen. Die styling-resistenten Wuschelhaare zu einem modischen Kurzhaarschnitt getrimmt. Maßanzug.
Er war auf dem Weg zur Bühne. Sein Gang war aufrecht und selbstbewusst. Hinter ihm eine ganze Prozession von Managern und eilfertigen PR-Agenten im hierarchischen Gänsemarsch. Er warf mir einen Blick zu, stoppte kurz, lächelte unverbindlich und überlegte, wo er mich einsortieren sollte. Er hatte mich offensichtlich nicht wiedererkannt. Sollte ich mich etwa in diesem Moment aufdrängen und ihn daran erinnern, dass unsere Wege sich mal gekreuzt hatten, als er gerade ganz unten war? Ich lächelte zurück, freundlich, aber ebenfalls zurückhaltend. Dann ging er weiter auf die Warteposition hinter den Kulissen und konzentrierte sich auf seinen Auftritt.
Ein Album von ihm habe ich mir lange nicht gekauft – ich hätte sofort die Bilder aus dem „Pö“ im Kopf. Meine Mini-Cassette auf dem alten Diktiergerät hatte ich versehentlich schon längst überspielt. Aber nachdem dieser Text fertig war, habe ich mir Luxury You Can Afford runtergeladen. Es ist bewegend, die Songs zu hören. Damals wie heute. Mir kommen dabei die fünf Worte wieder in den Kopf und ich muss leise kichern. Immer noch.
Am ist 22.12.2004 ist Joe Cocker gestorben. Ich habe mir an diesem Tag alle Platten aus unserem Regal rausgesucht und beim Anhören wieder und wieder mit Joe angestoßen. „This one is for the road, Joe!”
Ich stand schon eine ganze Weile in der Ankunftshalle von Terminal 2 am Hamburger Flughafen. Der junge Fahrer vom Limousinen-Service kam dazu und stellte sich als Tim vor. Er war neu im Job, nervös und hatte Schweißhände. Ein nasskaltes, ansaugendes Schmatzen, und blitzschnell verschwand meine rechte Hand in der Jackentasche, wo sie ein Tempotuch fand. In der anderen Hand hatte ich einen kleinen Blumenstrauß. Niedlich. Will heißen: nicht so teuer. Die Sängerin, auf die ich wartete, war ja noch nix weiter als eine von vielen Neulingen, die ihr Glück versuchten. Doch die Signale aus Burbank, der US-Zentrale von Warner, waren ungewöhnlich: „Pay her respect and be careful. She has potential.“
Es war nicht die erste Europa-Reise für Madonna. Warner bzw Sire Records, das Label, hatte Madonna Monate zuvor bereits für ein Coaching nach Paris geschickt. Sie sollte sich mit der europäischen Kultur vertraut machen. Seither war sie nicht gut zu sprechen auf die Franzosen. Für heute stand nichts weiter auf dem Plan. Die Künstlerin und ihre Begleittruppe sollten sich vom Jetlag erholen. Eventuell sollte es noch ein gemeinsames Abendessen mit dem PR-Team und den Kollegen vom Marketing geben, wenn sie denn mochte. Wollte sie aber nicht. Für den nächsten Morgen stand die Fahrt nach Bremen zur Live-Produktion im Musikladen an, am Tag darauf eine Aufzeichnung für Formel Eins in München.
Zwischen all den anderen Passagieren leuchtete Madonna wie ein neonbuntes Glühwürmchen. Ihre gutgebauten und gutgelaunten Begleiter schoben zwei Gepäckwagen mit hoch aufgetürmten Koffern am Zoll vorbei. Ein dynamischer, auf Erfolg frisierter Fluggast überholte Madonna mit seinem Rollköfferchen und verdrehte dabei so lange den Kopf nach ihr, bis er gegen die Glastür vom Ausgang prallte. Dahinter stand ich.
„Hi, I’m Elfi, your host the next days. Welcome in Germany and … let‘s spend some nice days together.” Sie sagte weder „Hi“ noch „good morning“ oder was auch immer. Sie stand nur vor mir – kleiner als ich mit meinen 1,63 Meter! – und musterte mich ausführlich und aufmerksam. Kein Lächeln, aber auch nicht unfreundlich. „I like your sweater“, waren dann endlich ihre ersten Worte. Ich freute mich, denn dem sah nämlich sonst kaum jemand an, wie teuer er gewesen war.
Im Verlauf der nächsten Tage sollte ich dieses Abchecken von ihr noch öfter erleben, zum Beispiel wenn ich sie mit Journalisten oder den Teams in den TV-Studios bekannt machte.
