Im Sonnenwinkel 7 – Familienroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Im Sonnenwinkel 7 – Familienroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Im Sonnenwinkel ist eine Familienroman-Serie, bestehend aus 75 in sich abgeschlossenen Romanen. Schauplätze sind der am Sternsee gelegene Sonnenwinkel und die Felsenburg, eine beachtliche Ruine von geschichtlicher Bedeutung. Wundervolle, Familienromane die die Herzen aller höherschlagen lassen. Kitty Keller, trotz ihrer dreißig Lebensjahre knabenhaft aussehend, betrachtete ihre Freundin Claudia Reinhard nachdenklich. Diese lachte etwas gezwungen. »Mach es dir doch erst mal bequem und schau mich nicht so kritisch an«, sagte sie mit ihrer dunklen Stimme. Claudia Reinhard war ein sehr apartes und überaus weibliches Wesen. Weich waren die Züge ihres ovalen Gesichts, weich und träumerisch schimmerten die grauen Augen, die einen wirkungsvollen Kontrast zu ihrem blauschwarzen Haar bildeten. Kitty machte es sich bequem. »Nun erzähl mal, Claudia, wer dich eigentlich auf dieses Erlenried gebracht hat. Hier ist deine Welt doch am Gartenzaun zu Ende. Woher willst du Ideen für deine Geschichten nehmen?« »Woher habe ich sie früher genommen?« entgegnete Claudia belustigt. »Sehr abwechslungsreich war mein Leben bisher doch auch nicht. Hier gibt es eine Menge netter Kinder, und ich komme ihnen durch Kai und Bibi hautnah. Bleib ein paar Tage hier, dann wirst du sehen, daß es gar nicht so langweilig ist, wie du annimmst. Ich bin Dr. Rückert jedenfalls sehr dankbar, daß er mir zu diesem Haus verholfen hat. Es war ein glücklicher Zufall, daß der Käufer von seinem Vertrag zurückgetreten ist.« »Und warum ist er wohl zurückgetreten?« fragte Kitty.

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Im Sonnenwinkel – 7 –

Wir gehören zusammen

… wenn wir schon keinen Papi haben!

Patricia Vandenberg

Kitty Keller, trotz ihrer dreißig Lebensjahre knabenhaft aussehend, betrachtete ihre Freundin Claudia Reinhard nachdenklich.

Diese lachte etwas gezwungen.

»Mach es dir doch erst mal bequem und schau mich nicht so kritisch an«, sagte sie mit ihrer dunklen Stimme.

Claudia Reinhard war ein sehr apartes und überaus weibliches Wesen. Weich waren die Züge ihres ovalen Gesichts, weich und träumerisch schimmerten die grauen Augen, die einen wirkungsvollen Kontrast zu ihrem blauschwarzen Haar bildeten.

Kitty machte es sich bequem.

»Nun erzähl mal, Claudia, wer dich eigentlich auf dieses Erlenried gebracht hat. Hier ist deine Welt doch am Gartenzaun zu Ende. Woher willst du Ideen für deine Geschichten nehmen?«

»Woher habe ich sie früher genommen?« entgegnete Claudia belustigt. »Sehr abwechslungsreich war mein Leben bisher doch auch nicht. Hier gibt es eine Menge netter Kinder, und ich komme ihnen durch Kai und Bibi hautnah. Bleib ein paar Tage hier, dann wirst du sehen, daß es gar nicht so langweilig ist, wie du annimmst. Ich bin Dr. Rückert jedenfalls sehr dankbar, daß er mir zu diesem Haus verholfen hat. Es war ein glücklicher Zufall, daß der Käufer von seinem Vertrag zurückgetreten ist.«

»Und warum ist er wohl zurückgetreten?« fragte Kitty. »Sicher doch, weil er beizeiten noch eingesehen hat, daß man es auf die Dauer hier nicht aushalten kann.«

»Irrtum! Er bekam eine Stellung im Ausland angeboten, du Skeptikerin! Es hat ihm sehr leid getan, daß er das Haus nicht mitnehmen konnte.«

Kitty blickte sich um.

»Na ja«, räumte sie ein, »das Haus ist sehr hübsch, aber sonst… Wie fühlen sich denn deine Trabanten?«

»Pudelwohl. Wir haben die nettesten Nachbarn, die man sich vorstellen kann, und sind eigentlich rundherum zufrieden.«

Kitty warf ihr einen schrägen Blick zu.

»Und Marc?« fragte sie gedankenvoll.

Claudia machte eine abwehrende Bewegung.

»Erwähne seinen Namen bitte nicht mehr«, sagte sie unwillig.

Kitty zündete sich eine Zigarette an.

»Das ist es also«, bemerkte sie nachdenklich. »Es hat zwischen dir und Marc etwas gegeben, und daraufhin hast du dich in die Einsamkeit zurückgezogen. Was war denn los?« erkundigte sie sich neugierig. »Etwa eine andere?«

»Du hast es erfaßt, und nun Schluß damit!«

Aber Kitty zeigte sich nicht geneigt, das Thema zu wechseln.

»Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß Marc eine andere haben soll. Warst du da nicht ein bißchen voreilig?«

»Man kann sich manches nicht vorstellen«, entgegnete Claudia. »Ich freue mich wirklich, daß du gekommen bist, aber ich möchte dich eindringlich bitten, Marc nicht mehr zu erwähnen. Die Kinder haben mich schon genug tyrannisiert. Ich hoffe, daß sie sich seiner bald nicht mehr erinnern werden.«

*

Diese Hoffnung trog jedoch. Kai hatte sein Ohr an die Tür gepreßt und wandte sich zu seiner kleinen Schwester um.

»Sie haben eben von Marc geredet«, raunte er ihr zu. »Komm, Bibi, wir verziehen uns lieber, sonst merkt Mami noch, daß wir gelauscht haben.«

Auf Zehenspitzen stiegen sie die Treppe empor.

»Du hast gelauscht«, rechtfertigte Bibi sich, als sie ihr Spielzimmer erreicht hatten, »ich nicht!« Sie war das kleine Ebenbild ihrer Mutter und mit ihren sechs Jahren ein energisches Persönchen. »Aber jetzt möchte ich gern wissen, was sie über Marc geredet haben.«

»Nicht viel«, brummte der achtjährige Kai. »Mami will überhaupt nichts mehr von ihm wissen. Verstehst du das, wo wir doch gedacht haben, daß er mal unser Papi

wird?«

»Ich verstehe gar nichts«, meinte Bibi. »Nicht mal auf Wiedersehen hat er uns gesagt.«

»Konnte er ja nicht. Er war ja in Afrika. Mami hat das ganz bestimmt mit Absicht gemacht, daß wir ihn nicht mehr sehen konnten.«

Bibi stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus. »Ich mag Marc aber immer noch. Da kann Mami reden, was sie will. Du, Kai, wir müssen ihm mal schreiben. Vielleicht weiß er auch nicht, was Mami hat.«

»Aber wenn Mami uns dann böse ist?« überlegte er. »Sie sagt doch immer, wir sollen keine Frage stellen. Es kann ja sein, daß Marc wirklich eine andere geheiratet hat.«

»Das ist doch Quatsch! Wen denn?« entgegnete Bibi entsetzte.

»Weiß ich doch nicht. Er war ja viel unterwegs«, stellte Kai fest. »Ich gehe jetzt mal zu Susi. Habe vergessen, was für Hausaufgaben wir heute haben.«

»Und ich gehe zu Bambi«, erklärte Bibi darauf. »Mir wird es langweilig.«

»Wir müssen aber Bescheid sagen. Vielleicht bleibt Kitty ein paar Tage. Dann hat Mami Gesellschaft.«

»Sie muß aber ihr Buch fertigschreiben«, äußerte Bibi. »Kitty redet so viel.«

»Aber nett ist sie schon. Sie hat uns auch schöne Sachen mitgebracht. Außerdem ist sie deine Patentante.«

»Ich mag sie auch ganz gern«, versicherte Bibi, »aber deswegen brauche ich doch nicht den ganzen Tag zu Hause hocken.«

*

Claudia hatte nichts dagegen einzuwenden, daß ihre Kinder mit ihren Freunden spielten. Ihr war es lieber, wenn sie außer Haus waren, bis sie mit Kitty klargekommen war.

Kitty Keller war ihre einzige Freundin. Sie kannten sich von Kindheit an, und eigentlich hatte es nie Geheimnisse zwischen ihnen gegeben. Davon abgesehen, arbeitete sie auch mit ihr zusammen, denn Kitty war eine sehr begabte Illustratorin, die Claudias Kinderbücher mit reizenden Zeichnungen ausstattete. Das war auch der Grund, daß sie die Freundin so rasch von ihrem neuen Wohnort in Kenntnis gesetzt hatte.

Seit vierzehn Tagen wohnte Claudia Reinhard mit ihren beiden Kindern in Erlenried.

Es hatte einiges Aufsehen verursacht, als es sich herumsprach, daß Claudia Journalistin war, jetzt aber überwiegend Kinderbücher schrieb. Vor allem für die Kinder in Erlenried und Sonnenwinkel war das ein Ereignis gewesen, und auch jetzt sprach Bambi Auerbach wieder darüber mit ihrer Mutter.

»Die Geschichte von Tom und Pinky gefällt mir sehr gut, Mami«, stellte sie fest. »Ricky hat sie mir gestern abend noch fertig vorgelesen. Schreibt Frau Reinhard immer so hübsche Geschichten?«

»Das nehme ich schon an«, erwiderte Inge Auerbach lächelnd.

»Ich möchte gern noch mehr kennenlernen«, fuhr Bambi fort. »Die mag sogar Hannes, wenn ihm sonst auch Abenteuergeschichten lieber sind.«

»Wir werden mal sehen, ob wir noch ein paar besorgen können. Ich möchte nicht gern, daß du dir noch mehr von Bibi schenken läßt.«

»Warum heißt Frau Reinhard auf dem Buch gar nicht Reinhard, sondern Ernest?« fragte Bambi weiter.

»Vielleicht ist das ihr Mädchenname oder ihr Pseudonym«, meinte ihre Mutter.

»Was ist ein Pseudo… dingsda? Ich kann es nicht richtig sagen.«

»Das ist ein Künstlername.«

»Wozu braucht man das?«

Bambi ging den Dingen immer auf den Grund. Sie konnte unverdrossen fragen, wenn sie etwas wissen wollte. Inge kannte das und seufzte in sich hinein.

»Sie will ihren richtigen Namen sicher nicht preisgeben«, erklärte sie.

»Wenn sie aber doch so hübsche Geschichten schreibt? Das kann doch jeder wissen.«

»Man kann mancherlei Gründe dafür haben. Die Hauptsache ist doch, daß dir ihre Geschichten gefallen, und du weißt auch, wer sie schreibt. Gib dich damit zufrieden.«

»Bibi und Kai sind nett. Ein bißchen kommt mir Tom in der Geschichte wie Kai vor und Pinky wie Bibi.«

Wie kritisch sie doch schon ist, dachte Inge. Über alles denkt sie nach. Auch jetzt schaute sie ihre Mutter sehr aufmerksam an.

»Sie haben auch keinen Vater wie Tom und Pinky«, bemerkte sie. »Ich finde das traurig. Ob er im Himmel ist? Bibi und Kai sagen nichts davon.«

»Dann frag auch nicht, Bambi. Aber da kommt Bibi. Was wollt ihr heute unternehmen?«

»Wir spielen mit Beate Schule. Sie bringt uns das Schreiben bei.«

»Damit hat es doch noch Zeit, bis du zur Schule kommst«, meinte Inge, die gar nicht so gern wollte, daß Bambi zu schnell groß wurde.

»Aber Bibi will schreiben lernen, und da will ich es auch. Sie kommt mit Manuel in die Schule, und ich muß noch ein Jahr warten. Das finde ich gar nicht schön, Mami.«

»Aber ich. Ich bin froh, wenn du noch bei mir bleibst«, stellte Inge fest. »Nun mach Bibi die Tür auf. Ihr könnt noch den Rest Pudding essen, bevor ihr zu Beate geht.«

*

Wie alle Kinder in Erlenried, hatte sich Bibi zuerst mit Bambi angefreundet, die eine so bezwingende Art hatte, daß man schnell mit ihr vertraut wurde. Bibi war jedoch auch ein ungewöhnlich reges Kind und ebenso phantasievoll wie die kleine Bambi.

Schwanzwedelnd wurde sie von dem Collie Jonny und von Bambi begrüßt, die sofort erklärte, daß sie noch ein wenig Pudding essen könnten.

Die beiden Mädchen setzten sich gleich zu Inge in die Küche. Ein reizendes Gespann waren die beiden, wie Inge wieder feststellen konnte. Bibi lobte den guten Pudding begeistert.

»Kochen kann meine Mami nicht so gut«, bemerkte sie. »Ihr brennt schnell mal was an, weil sie mit ihren Gedanken nie ganz dabei ist. Marc sagt aber…«

Sie unterbrach sich und blickte erschrocken auf ihren Teller.

»Wer ist denn Marc?« fragte Bambi aber schon. »Ein zweiter Bruder von dir, den ich noch nicht kenne?«

»Unser Freund«, erwiderte Bibi rasch.

»Du sollst nicht so neugierig sein!« mahnte Inge die Kleine.

»Entschuldigung«, sagte Bambi, »ich wollte nicht neugierig sein.«

Sie waren schnell fertig und schickten sich nun an, zu Beate Lindemann zu gehen, die zwei Häuser weiter wohnte. Auch dorthin folgte ihnen Jonny.

»Ich soll nämlich nicht von Marc reden«, raunte Bibi Bambi zu. »Mami hat das nicht gern. Aber unser Freund ist er trotzdem«, fügte sie aggressiv hinzu.

Gar zu gern hätte Bambi mehr von diesem Marc erfahren, aber sie bändigte ihre Neugierde. Doch Bibi

schien ihr Herz erleichtern zu wollen.

»Deswegen will ich ja auch schreiben lernen«, fuhr sie fort. »Ich will ihm einen Brief schreiben, wenn Mami es nicht tut.«

Bambi überlegte schnell. Dieser Marc schien also auch Frau Reinhards Freund zu sein. Da wollte sie doch lieber ihren Mund halten, denn so viel hatte sie schon gelernt, daß man sich in die Angelegenheiten der Erwachsenen nicht einmischte.

»So schnell lernt man aber nicht schreiben«, meinte sie nur.

Bibi machte ein betrübtes Gesicht.

»Dann muß ich wohl doch mal mit Kai reden«, bemerkte sie. »Er kann ja schreiben. Er ist nur zu faul dazu.«

*

Wie Claudia es schon vermutet hatte, ließ Kitty nicht locker. Eine Zeitlang hatte sie sich ablenken lassen und sich mit Claudia über die neuen Illustrationen unterhalten, dann kam sie doch wieder auf Marc zu sprechen.

»Erzähl mir nur nicht, daß du dir keine Gedanken machst«, sagte sie zu Claudia. »Marc ist der Mann für dich, und du kannst ihn nicht so einfach aus deinem Gedächtnis streichen. Außerdem glaube ich auch nicht, daß er das kann.«

Claudia stöhnte in sich hinein.

»Was du glaubst, ist ganz egal, meine liebe Kitty. Aber schön, wenn du doch keine Ruhe gibst, kauen wir noch einmal alles durch.«

Sie sah sehr deprimiert aus, und Kitty tat es leid, etwas aufzurühren, was Claudia ganz offensichtlich vergessen wollte. Aber sie war schließlich ihre Freundin und wollte es einfach nicht hinnehmen, daß dieses empfindsame Wesen ein zweites Mal tief enttäuscht wurde.

Ihre Ehe mit Benno Reinhard war dramatisch genug verlaufen. Sie war heilfroh gewesen, als diese gleich nach Bibis Geburt geschieden wurde.

Benno und Claudia hatten nicht zusammengepaßt, das war ihr früher klargeworden als ihrer Freundin selbst. Benno war ein krasser Egoist gewesen und exzentrisch dazu, aber Marc war genau das Gegenteil.

Unvorstellbar, daß diese so lang währende Liebe zerbrochen sein sollte. Immerhin mußte etwas Entscheidendes vorgefallen sein.

Claudia blickte zum Fenster hinaus.

»Es ist Marion«, sagte sie leise.

»Marion Warner, seine Sekretärin?« bemerkte Kitty gedehnt. »Das glaube ich nicht.«

»Du siehst doch sonst den Tatsachen ins Auge«, spottete Claudia. »Ich habe sie zusammen gesehen, und als ich ihn am nächsten Tag anrief, ließ er sich verleugnen.«

»Und am Telefon war natürlich die kesse Marion«, brummte Kitty.

»Wer sonst! Sie war immer zuerst am Telefon. Sie sagte, daß es besser wäre, wenn ich nicht mehr anrufen würde. Es hätte sich manches geändert, und ich sollte mir lieber Unannehmlichkeiten ersparen.«

»Und darauf hast du natürlich nicht mehr angerufen«, meinte Kitty kopfschüttelnd.

»Er hätte ja auch anrufen können!« begehrte Claudia auf.

»Da ist was faul im Staate Dänemark!« erklärte Kitty. »Vielleicht mußte er plötzlich verreisen, und diese Schlange hat seine Abwesenheit ausgenutzt, um eine hübsche kleine Intrige in Szene zu setzen, auf die du auch prompt hereingefallen bist. Natürlich ist Marc ein Mann, der auch anderen Frauen gefällt, und ich könnte mir sehr gut vorstellen, daß sie sich gewisser Schliche bedienen, um ihn zu erobern. Aber ich finde es albern von dir, die Flinte ins Korn zu werfen, nur weil diese dumme Ziege vage Andeutungen gemacht hat. Du hast sofort die Koffer gepackt und bist mit Kai und Bibi von der Bildfläche verschwunden. So war es doch?«

»Ich habe einen lang gefaßten Plan in die Tat umgesetzt«, erwiderte Claudia ungehalten. »Die Stadt hatte ich einfach über, und Rückerts hatten uns auch schon lange eingeladen. Alles andere hat sich dann sehr rasch ergeben. Damit du aber beruhigt bist, als ich dann meine Sachen packte, habe ich Marc doch noch mal angerufen, doch er war auf Reisen, und Marion war auch nicht da. Man sagte mir, daß er in dringenden Familienangelegenheiten unterwegs sei. Übrigens war ein Mann am Telefon, den ich nicht kenne, und wie du ja weißt, hatte Marc bisher keine Familie.« Tränen drängten sich in ihre Augen. Sie schlug die Hände vor ihr Gesicht und lief aus dem Zimmer.

Na warte, Marc, dachte Kitty, du sollst in der Hölle schmoren, wenn das stimmt, was Claudia annimmt! Ich habe ein dickeres Fell! Mit mir kommst du nicht aus! Du wirst es mir schon erklären müssen, warum du dich mit diesem kleinen Flittchen eingelassen und Claudia so maßlos enttäuscht hast.

Jetzt war es besser, sie in Ruhe zu lassen. Sollte sie sich mal richtig ausweinen. Das half manchmal auch.

Kitty ging hinaus auf die Terrasse und blickte sich um. Zwischen Felsenburg und Sonnenwinkel liegt ein Paradies, hatte Claudia ihr geschrieben. Und in diesem Paradies wollte sie nun leben.

Schön und gut, dachte Kitty weiter, ein Paradies mag es wohl sein, aber ohne Marc wird Claudia niemals glücklich werden.

*

Kai hatte seine Hausaufgaben gleich mit Susanne gemeinsam gemacht.

Petra Höllering, Susannes Mutter, brachte ihnen Kakao und Plätzchen. Sie war froh, daß Susanne so gern mit dem lebhaften Kai beisammen war, der sie mit seinen spaßigen Bemerkungen oft zum Lachen brachte.

Zwar hatte Susanne sich rasch mit den Kindern angefreundet, aber sie bevorzugte doch die Gesellschaft von Mädchen und die der jüngeren Kinder. Seit Kai hier wohnte, hatte sich das geändert.

»Weiß deine Mutter, daß du hier bist, Kai?« erkundigte sich Petra aber doch vorsichtshalber.

Er nickte. »Kitty ist da. Da hat sie Gesellschaft«, erwiderte er. »Und Bibi ist bei Bambi.«

»Wir könnten eigentlich auch noch ein bißchen runtergehen«, schlug Susanne vor.

»Ach, die spielen wieder Schule«, meinte er. »Ich bin froh, wenn ich sie hinter mir habe. Aber es ist schon prima, daß wir beieinander sind.«

Petra hatte die beiden wieder allein gelassen.

»Schreibe ich eigentlich deutlich, Susi?« fragte Kai jetzt.

»Ich finde schon«, antwortete sie und nickte bestätigend.

»So deutlich, daß man es auch lesen kann, wenn es länger unterwegs ist?«

»Wenn du mit Tinte schreibst, freilich.«

»Wenn es doch nur nicht so schwer wäre, einen Brief zu schreiben«, seufzte er. »Ich weiß gar nicht, wie ich das anfangen soll.«

»Wem willst du denn schreiben?« fragte sie. »Deinen früheren Freunden?«

»Jemine! Das fehlte noch! Nein, das kann ich dir nicht sagen. Hast du schon mal einen Brief geschrieben?«

»Schon viele Briefe, an Mami, als ich noch nicht bei ihnen war«, erklärte Susanne.

»Warum warst du nicht bei ihnen?« fragte er erstaunt.

Susanne errötete. »Ich war bei meiner Omi, als sie noch lebte. Mami und Papi sind noch nicht lange verheiratet.«

Kais Augen wurden kugelrund.

»Aber du hast doch schon große Geschwister?« wunderte er sich.

»Die hat Papi mitgebracht«, bekannte sie stockend, »und Mami mich, aber nun verstehen wir uns alle.«

Seine Stirn legte sich in Falten.

»Habt ihr euch früher nicht verstanden?« bohrte er.

»Ach, das ist jetzt vorbei«, meinte sie. »Dagmar und Adrian waren schon so viel älter. Sie mußten sich erst an mich gewöhnen, und Dagmar war auch gar nicht so gern hier. Das ist aber nun auch anders. Sie ist jetzt sehr gern hier.«

»Und der junge Mann, der öfter zu euch kommt, ist das ihr Freund?«

Susanne nickte. »Das ist Christian Stoll. Sie heiraten mal, wenn Dagmar erwachsen ist.«

»Aber sie ist doch schon erwachsen.«

»Sie will erst einen Beruf haben. Sie wird doch Fotografin. Sie macht schon ganz hübsche Bilder.«

Kai überlegte. »Kostet das viel?«

»Weiß ich nicht. Soll sie euch mal fotografieren? Das macht sie bestimmt umsonst. Soll ich es ihr sagen?«

Kai starrte nachdenklich zum Fenster hinaus.

»Aber Mami soll es nicht wissen. Und umsonst braucht sie es auch nicht zu machen. Wir haben noch Geld im Sparschwein. Aber ich möchte schon gern ein Bild von uns haben, wo wir ganz deutlich drauf sind. Das möchte ich nämlich jemand schicken, aber du darfst es nicht verraten, Susanne!«

Er sagte Susanne, um dieser Bitte ernsten Nachdruck zu verleihen. Eifrig nickte sie.