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"Es ist nie zu spät, um eine glückliche Kindheit gehabt zu haben." So lautet ein berühmt gewordener Satz des Hypnotherapeuten Milton Erickson. Viele Menschen arbeiten in diesem Sinne gern und auch erfolgreich mit dem Konzept der Familienaufstellung. Es geht darum, die "innere Familie", die auch der Erwachsene noch in sich hat, zu heilen und aus der Familiengeschichte auch Kraft zu schöpfen. Familienaufstellungen finden in Gruppen statt. Der Ansatz der imaginativen Familienaufstellung macht es möglich, eine Aufstellung auch im Einzel-Coaching durchzuführen. Und dieses Buch zeigt auch Wege, wie die Leserin und der Leser mit der eigenen Vorstellungskraft zu diesem Thema arbeiten können.
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Seitenzahl: 366
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Cora Besser-Siegmund & Harry Siegmund
Imaginative Familienaufstellungen mit der wingwave-Methode
Neue Kraftquellen für die innere Familie
„Es ist nie zu spät, um eine glückliche Kindheit gehabt zu haben." So lautet ein berühmt gewordener Satz des Hypnotherapeuten Milton Erickson. Viele Menschen arbeiten in diesem Sinne gern und auch erfolgreich mit dem Konzept der Familienaufstellung. Es geht darum, die „innere Familie“, die auch der Erwachsene noch in sich hat, zu heilen und aus der Familiengeschichte auch Kraft zu schöpfen. Familienaufstellungen finden in Gruppen statt. Der Ansatz der imaginativen Familienaufstellung macht es möglich, eine Aufstellung auch im Einzel-Coaching durchzuführen. Und dieses Buch zeigt auch Wege, wie die Leserin und der Leser mit der eigenen Vorstellungskraft zu diesem Thema arbeiten können. Wer sich dann noch Unterstützung wünscht, kann im Coachfinder auf der Seite www.wingwave.com nach Coaches suchen, die zum Konzept „Imaginative Familienaufstellung“ eine Fortbildung absolviert haben.
Ein Buch für Menschen, die sich mit ihrer Familiengeschichte versöhnen möchten und Ressourcen der Generationen zuvor für ihr heutiges Leben und für ihre Zukunft nutzen wollen.
Die Diplom-Psychologen Cora Besser-Siegmund und Harry Siegmund sind Coaches, Psychotherapeuten und Lehr-Coaches. Sie entwickeln in ihrem Besser-Siegmund-Institut in Hamburg seit vielen Jahren maßgeschneiderte Kurzzeit-Coaching-Programme für ihre Kunden. Die Autoren orientieren sich am Bild vom Flügelschlag des Schmetterlings, der große und positive Veränderungen bewegen kann – im inneren Erleben und bei äußeren Erfolgen: „Maximaler Effekt mit minimalem Methoden-Einsatz“ heißt ihre Devise, wobei die Psychologen gezielt mit Emotionsmanagement und sinnvoller „Gehirnbenutzung“ arbeiten.
Überarbeitete Neuausgabe März 2025
Copyright © Besser-Siegmund-Institut, Hamburg
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Alle Infos über wingwave-Coaching gibt es auf www.wingwave.com , die wingwave-Musik für Ihr Selbstcoaching gibt es auf www.wingwave-shop.com und in den wingwave-Apps.
Cora Besser-Siegmund und Harry Siegmund
Imaginative Familienaufstellung mit der wingwave-Methode
wingwave Books: Coach Yourself!
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.
Alle Rechte vorbehalten.
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetztes ist ohne Zustimmung der Autorin unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Inhalt
Titelseite
Über dieses Buch
Über die Autoren
Impressum
1. Vorwort
2. Einführung: Familienprägung und Lebensglück
3. Die Methoden der Imaginativen Familienaufstellung
3.1. Das Gehirn – Sitz unserer Seelenlandschaft
3.2. wingwave-Coaching
3.3. Neurolinguistisches Coaching – Sprache wirkt Wunder!
3.4. Die Bedeutung des Myostatik-Tests (Muskeltests) in der Imaginativen Familienaufstellung
4. Das Thema „Familieninszenierung“
4.1. Das Modell-Lernen modelliert die Seele
4.2. Familienprägung als „Mausefalle“
4.3. Die Inszenierung von Gesundheit
4.4. Die Inszenierung von Beziehungen
4.5. Die Inszenierung von „neuen“ Familien
4.6. Die Inszenierung von Erfolg
4.7. Die Inszenierung des Berufs
4.8. Die Inszenierung der Lebenseinstellung
4.9. Die Sehnsucht eines jeden Menschen nach Gesundheit
5. Praxis-Teil I: Die Familienserie
5.1. Gebrauchsanweisung für den Leser
5.2. Einstellungssache: die mentale Kameraführung
5.2.1. Kurz-Zusammenfassung: Die mentale Kameraführung
5.3. Der Zauber von Familienserien
5.3.1. Kurz-Zusammenfassung: Wie heißt Ihre Familienserie?
5.4. Die Puppe in der Puppe in der Puppe ... oder: In welchem Jahr spielt mein Film?
5.4.1. Kurz-Zusammenfassung für die Selbsterfahrung: Zu welcher Zeit spielt mein Film?
5.5. Die sichere Festung: der Fernsehsessel
5.5.1. Kurz-Zusammenfassung: Der sichere Fernsehsessel
5.6. Die Inszenierung der Prägungszeit
5.6.1. Kurz-Zusammenfassung: Die Inszenierung der Prägezeit
5.7. Der Pilotfilm: Eine Familie stellt sich vor
5.7.1. Kurz-Zusammenfassung: Der Pilotfilm
6. Praxis-Teil II: Die Erlebnisse des Zuschauers
6.1. Kurz-Zusammenfassung: Das Zuschauerurteil
6.2. Wichtige Fragen aus der Zuschauer-Sicht
6.2.1. Die Positionen im Vorstellungsraum
6.2.2. Eltern
6.2.3. Geschwister
6.2.4. Großeltern und Urgroßeltern
6.2.5. Verstorbene
6.2.6. Menschen und Institutionen von wichtiger Bedeutung für die Familie
6.2.7. Haustiere
6.2.8. Das eigene jüngere Ich
6.2.9. Kurz-Zusammenfassung: Das Gegenwarts-Ich stabilisieren
7. Praxis-Teil III: Die Bilanz
7.1. Das Vorbild-Phänomen
7.1.1. Kurz-Zusammenfassung: Das Vorbild-Phänomen
7.2. Das Vererbungs-Phänomen
7.2.1. Kurz-Zusammenfassung: Das Vererbungs-Phänomen
7.2.2. Das Solidaritäts-Phänomen
7.2.3. Kurz-Zusammenfassung: Das Solidaritäts-Phänomen
7.3. Das Krankheitsmuster-Phänomen
7.3.1. Kurz-Zusammenfassung: Das Krankheitsmuster-Phänomen
7.3.2. Das Beziehungsphänomen
7.3.3. Kurz-Zusammenfassung: Das Beziehungs-Phänomen
7.4. Die Mausefalle: das Rollen-Phänomen
7.4.1. Kurz-Zusammenfassung: Das Rollen-Phänomen
7.5. Das Arbeitsplatz-Phänomen
7.5.1. Kurz-Zusammenfassung: Das Arbeitsplatz-Phänomen
7.6. Self-Fulfilling Prophecy: das Zukunfts-Phänomen
7.6.1. Kurz-Zusammenfassung: das Zukunfts-Phänomen
7.7. Das Negativ-Phänomen
7.7.1. Kurz-Zusammenfassung: Das Negativ-Phänomen
7.8. Umgang im inneren Dialog mit sich selbst: das Eigentor-Phänomen
7.8.1. Kurz-Zusammenfassung:Wege aus dem Eigentor-Phänomen
7.9. Das „The-Poor-Me“-Phänomen
7.10. Das Lebensmotto-Phänomen
7.10.1. Kurz-Zusammenfassung: Das Lebensmotto-Phänomen
7.11. Der Belief-Check
8. Praxis-Teil IV: Die Befreiung durch die eigene Kreativität
8.1. Die systemische Veränderungsphilosophie
8.2. Feen und Engel: seit jeher Helfer der Menschen
8.3. Gaben und Fähigkeiten
8.4. Mit dem jüngeren Ich Freundschaft schließen
8.4.1. Kurz-Zusammenfassung: Freundschaft mit dem kleinen Ich
8.5. Heilung durch systemisches Denken: die heilsame Reihenfolge
8.6. Heilung durch die präzise Zieldefinition: Körper und Farben
8.6.1. Kurz-Zusammenfassung: Körper und Farben
8.7. Die äußerliche Veränderung der Familiendynamik
8.7.1. Kurz-Zusammenfassung: Die äußerliche Veränderung der Familiendynamik
8.8. Der Timeline-Check: Aufstellungen weiterer Generationen
8.8.1. Kurz-Zusammenfassung: Der Timeline-Check: Aufstellungen weiterer Generationen
8.9. Das „Gefühls-Erbe“ der Eltern
8.9.1. Kurz-Zusammenfassung: Das „Gefühls-Erbe“ der Eltern
8.10. Das geheilte jüngere Ich: Die „Reinstellung“
8.10.1. Kurz-Zusammenfassung: Das geheilte jüngere Ich
8.11. Kraft, um das Gut ertragen zu können
8.11.1. Kurz-Zusammenfassung: Kraft, um das Gute ertragen zu können
8.12. Die Integration
8.12.1. Kurz-Zusammenfassung: Die „Integration“
8.13. Transfer in die Gegenwart
9. Sonderfälle
9.1. Umgang mit „gefährlichen“ Familien
9.2 Neue Familienmitglieder
10. Überlegungen für den Umgang mit anderen Menschen
10.1. Gestaltungsraum Partnerschaft
10.2. Gestaltungsraum Familie
10.3. Gestaltung Arbeitsplatz
10.4. Gestaltungsraum Freundschaft
10.5. Gestaltungsraum Gesellschaft
11. Die positiven Ergebnisse aus der Imaginativen Familienaufstellung
12. Literaturverzeichnis
13. Kontakt und weitere Informationen
13.1. wingwave-Homepage und wingwave-Coaches in Ihrer Nähe
13.2. Online-Shop www.wingwave-shop.com
13.2. wingwave-App für Ios und Android
14. wingwave-Ausbildung
15. www.wingwave-shop.com
Pippi Langstrumpf ist das stärkste Mädchen der Welt. Sie lebt ganz allein in der Villa Kunterbunt. Und obwohl keiner auf sie aufpasst, ist sie kerngesund, äußerst vergnügt und sprüht vor Lebensfreude. „Aber wer sagt dir, wenn du abends ins Bett gehen sollst und all so was?“, fragen Pippis Freunde Thomas und Annika. „Das mach ich selbst“, antwortet Pippi. „Erst sag ich es ganz freundlich, und wenn ich nicht gehorche, dann sag ich es noch mal streng, und wenn ich dann immer noch nicht hören will, dann gibt es Haue.“
Jeder Erwachsene muss sich – wie Pippi Langstrumpf – durch die eigene Überzeugungskraft ins Bett schicken. Wir müssen uns selbst fördern, tadeln, motivieren und loben. Dabei gehen wir mit uns selbst so um, wie es in der Kindheit die anderen Menschen unserer Familie mit uns machten: aufbauend oder destruktiv, mit Liebe oder Gewalt, Verständnis oder ewiger Nörgelei. Die Prägung aus der Kindheit ist der Kern, das „Saatkorn“ für die Atmosphäre, die wir als Erwachsene in uns selbst, mit anderen Menschen und somit in unserem Leben erzeugen. Pippi Langstrumpf ist kerngesund – das heißt gesund im Kern, in ihrer Ursprungskraft. Sie hat Glück. Selbstvertrauen, Zuversicht, Kreativität und Humor sind ein Teil ihres Selbst. Vielleicht ist sie deshalb „das stärkste Mädchen der Welt“. Kein Wunder, dass sie ohne Erwachsene prima auskommt und diese bei Bedarf mit ihrer Fröhlichkeit sogar ansteckt und auf ihre Seite zieht. Pippis Mutter ist zwar gestorben und ihr Vater ist auf See verschollen – aber Pippi gedeiht, weil sie beide Elternteile als liebevoll und lebensbejahend in Erinnerung hat.
Abbildung 1: Pippi Langstrumpf, Illu von Lola Siegmund
Wie schön wäre es, wenn wir alle aus einem so gesunden Kern heraus unsere Lebenskraft entwickeln würden, selbst unser bester Helfer wären und andere Menschen positiv und mitreißend berühren könnten. Und hier nun die gute Nachricht: Die Prägung eines „gesunden Kerns“ können wir nachholen, selbst wenn wir rein biographisch betrachtet eher nicht das große Glück mit unserer Lebensgeschichte hatten. Wir können unsere eigenen Voraussetzungen täglich weiterentwickeln und uns so immer wieder neue Zukunftschancen schaffen. Die umfangreichen, sicher wichtigen Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen Kindheitserlebnissen und Persönlichkeitsentwicklung benutzen heutzutage psychologisch versierte Erwachsene leider allzu oft als Alibi, um sich nicht verändern zu müssen. Sie erzählen die ewige „Das-ist-so-weil-meine-Eltern-Geschichte“. Doch man muss nicht ein Leben lang in den Problem-Mustern dieser Startjahre wie in einem mentalen Käfig verharren.
Seit über vielen Jahren arbeiten wir mit einem besonders effektiven Ansatz, der es ermöglicht, die ganz eigene Persönlichkeit zu entwickeln und zu leben. Die Basis dieser Intervention ist die Methode „Reimprinting“ (Neu- oder Wieder-Prägung), die von NLP-Mitentwickler Robert Dilts begründet wurde. In den 90er Jahren beschrieben wir dann unseren Umgang mit dem Reimprinting in unserem ersten Buch zu diesem Thema: „Du musst nicht bleiben, wie Du bist.“ Neu war hier u.a. die Nutzung des Mediums Fernsehen für die heilende Wirkung der Familienaufstellung. Auch in diesem Buch zeigen wir, wie die kulturelle Verankerung dieser heiß geliebten und viel kritisierten „Kiste“ in unseren Köpfen zur Inspiration für heilsame Familienprozesse werden kann. Tatsächlich „basteln“ wir mit unseren Klienten im Familien-Coaching eine „eigene Familienserie“, wobei der Klient zum Regisseur seiner individuellen Lebens-Aufführung wird.
Inzwischen nennen wir diese Arbeit „Imaginative Familienaufstellung“. Dabei spielt auch die wingwave-Methode – dieses „Emotions-Coaching“ wird noch ausführlich erklärt – eine wichtige Rolle. Dieser kurzzeittherapeutische Ansatz ermöglicht eine besonders tiefgreifende und nachhaltig befreiende Aufarbeitung unserer Familien- und Lerngeschichte in vergleichsweise kurzer Zeit. Die Intervention dauert bei einem dafür ausgebildeten Therapeuten oder Coach einen halben bis zwei Tage oder zwei bis zehn Sitzungen. Die heilende und befreiende Wirkung hält über einen längeren Zeitraum; sie entwickelt sich nach der Intervention innerhalb der nächsten Wochen und Monate, und noch ein halbes Jahr später erleben Klienten die positiven Effekte überrascht und bewusst zugleich. Selbstverständlich schließt diese Methode nicht aus, dass im Rahmen einer Therapie oder eines Coachings auch an anderen Themen weitergearbeitet und der Klient durch seine Prozesse begleitet wird.
Jeder an seiner persönlichen Lebensqualität interessierte Mensch kann von der imaginativen Familienaufstellung profitieren: „Ich habe schon oft über mich nachgedacht und an mir gearbeitet – aber nur bei dringendem Bedarf. Diese Methode hingegen erscheint mir wie ein präventiver, gründlicher innerer Frühjahrsputz, bei dem man wirklich einmal durch alle Ecken und Winkel geht“, sagte eine Klientin zu diesem Thema. Diese Metapher – welche sicher nicht auf jeden passt – erinnert an das Wort „Psychohygiene“. Dieser Begriff meint, dass auch gesunde und leistungsfähige Menschen, die keine Krankheit „vorzuweisen“ haben, von effektiven psychologischen Methoden profitieren können. Diese Personen nennt man in der Zusammenarbeit dann Klienten im Gegensatz zu den leidenden oder kranken Patienten. Beiden Gruppen kann die Imaginative Familienaufstellung dabei helfen, das seelische Wohlgefühl und die körperliche Gesundheit langfristig zu steigern.
Damit dieses Buch für den Leser die erfrischende und erneuernde Wirkung der Imaginativen Familienaufstellung richtig transportiert, vermitteln wir diese Methode spielerisch, kreativ und oft auch humorvoll. Das ist deshalb so wichtig, weil der Stoff einem ernsten Thema gewidmet ist – nämlich unserem Lebensglück.
Es treffen sich zwei Freunde: „Paul, warum guckst du denn so finster?“, fragt der eine. „Ach, ich habe vorgestern im Lotto eine Million gewonnen“, mault Paul. „Aber dann müsstest du dich doch freuen!“ „Du weißt ja noch nicht, was gestern passierte. Aus Australien erhielt ich die Nachricht, dass meine verstorbene Tante mir ihre ganzen Ländereien vermacht hat.“ „Mensch, ich würde an deiner Stelle Luftsprünge machen. Junge, du hast eine Glücksträhne zu fassen!“ „Von wegen“, zischt Paul den verdutzten Freund an. „Was ist denn dann mit heute? Wie abgeschnitten!“
Paul hat offensichtlich große Schwierigkeiten, zu seinem Lebensglück zu finden. Die äußeren Hilfestellungen des Schicksals entwertet er, weil er in sich selbst kein „Glücks-Programm“ entwickelt hat, um mit dem Positiven etwas anfangen zu können. Obwohl es sich bei dieser Geschichte um einen satirischen Scherz handelt, erzählt sie eine ernste Lebenswahrheit, denn jeder von uns kennt so einen Paul. Wie schaffen es Menschen, ihre äußeren Chancen und inneren Fähigkeiten chronisch zu ignorieren? Sie haben einfach etwas anderes über sich und ihre Rolle im Leben gelernt. Viele dieser Menschen waren in ihrer Kindheit tatsächlich in der Situation, vom Glück „wie abgeschnitten zu sein“. Kinder sind kleine Lebenskünstler. Sie lernen schnell, sich mit einer ihnen aufgezwungenen Lebenssituation zu arrangieren. Aufgezwungen deshalb, weil Kinder bis zu einem gewissen Alter ihr Leben aus eigener Kraft nicht so verändern können, wie es theoretisch einem Erwachsenen möglich wäre. Sie haben nicht die Chance umzuziehen, zu kündigen oder sich scheiden zu lassen.
Wenn Paul beispielsweise in einer materiell armen Familie aufgewachsen ist, hat er nicht ununterbrochen darunter gelitten, weniger schöne Sachen als andere Gleichaltrige zu bekommen. Nehmen wir an, dass Pauls wenig verdienender Vater laut Familienlegende viele verkannte Talente besaß, die von anderen ungerechterweise nie gefördert oder gewürdigt wurden. Die gesunde Kreativität des Kindes hat Paul dann ermöglicht, sich sein Leben mit Hilfe von „Lebensbrillen“ schönzufärben und als „richtig“ zu empfinden. Vielleicht hat ihm das Motto geholfen: „Wir sind nicht reich, aber dafür talentiert und glücklich.“ Das bedeutet unausgesprochen: „Reiche Menschen haben im Leben in der Regel Pech und taugen nichts.“ Man muss nur ein paar Fernsehserien über Familiendynastien, Reichtum und Macht gesehen haben und schon vergeht einem der Wunsch nach materiellen Gütern.
Das vereinfacht vieles. Der Grund dafür, dass ich kein eigenes Haus mit Swimming-Pool besitze, ist dann bei weitem nicht das bescheidene Einkommen. Nein, ich will gar nicht so ein Haus besitzen, das ist die eigentliche Erklärung! Später kann Paul seine Lebensgeschichte vielleicht sogar positiv im Umgang mit anderen Menschen einsetzen: „Ich bin nicht so einer, dem alles zugeflogen ist. Mich hat das Schicksal stets nachteilig behandelt. Und trotzdem stehe ich hier und mache weiter.“ Das erzeugt bei den Mitmenschen Hochachtung vor seiner Tapferkeit, bei Frauen vielleicht das Bedürfnis, Paul durch Liebe und Wärme für die erlebten Ungerechtigkeiten und Enttäuschungen zu entschädigen. So wird die frühere materielle Armut zur Kraftquelle für Pauls späteres Selbstwertgefühl, für seine Beurteilungskriterien anderer Menschen und seine Sicht von der Welt. Das Ganze funktioniert nur, wenn ihn das Flair des „materiellen Pechvogels“, der einen harten Lebensweg hat, weiterhin ziert.
Deswegen kann er sich über den Lottogewinn und die Erbschaft überhaupt nicht freuen. Seine ganze Persönlichkeit steht in Gefahr, auf den Kopf gestellt zu werden, denn Pauls „innere Wahrheit“ wird angegriffen. Pauls innere Seelenlandschaft kann nur blühen und gedeihen, wenn außen Pech und Ungerechtigkeit sein Leben regieren. Mit dem Überlebenswillen des kreativen Kindes verzerrte er früher seine innere Wahrnehmung, heute verzerrt er die Bedeutung der äußeren Ereignisse zur Rettung seiner persönlichen Identität. Und er schafft es dann tatsächlich, sich auch bei diesem Geldsegen noch als vom Glück übergangener Pechvogel zu fühlen.
Kann man Paul nun vorwerfen, er wolle sich mit Absicht unglücklich machen? Mit Sicherheit nicht. Lebensglück hat nicht nur etwas mit Wollen, sondern überwiegend etwas mit Können, also dem handfesten Verhaltens- und Erlebensrepertoire eines Menschen zu tun. Dieses Repertoire gestaltet dann die Erwartungen, die ein Mensch an das Leben hat und auf die er sich innerlich einstellt. Passieren gravierend andere Ereignisse als jene, für die man sich jahrelang mit viel Geschick „ausgerüstet“ hat, befürchtet das Unbewusste eine „Fehlinvestition“ von Lebensenergie.
Bei vielen Menschen geht es – wie Paul - um die Daseinsberechtigung von Lebensweisheiten und Wahrnehmungsschubladen, die man aufgrund tiefgreifender Erfahrungen in der Kindheit für sein Leben eingerichtet hat. Dabei ist es grundsätzlich eine sehr positive Einrichtung, dass wir durch unser Miteinander mit den anderen Menschen unserer Familie eine Grundausrüstung für das Leben mitbekommen. Wir übernehmen Werte, Normen Verhaltensweisen und Umgangsformen. Dabei hat der Mensch Glück, dem durch das Prägungsprinzip positive und gesundheitserhaltende Lebensformen von Kindesbeinen an in Fleisch und Blut übergegangen sind – egal ob arm oder reich geboren. Wichtig sind dabei auch die Ansprüche, die wir an das Leben stellen.
Bedenken Sie beispielsweise, wie viele Frauen sich wiederholt mit gewalttätigen Männern zusammentun. Ihnen wird dann von vielen klugen Menschen unterstellt, sie würden ganz gezielt aus masochistischen Gründen immer wieder in diese Beziehungsfallen tappen. Tatsächlich leiden diese Frauen oft kein bisschen unter einem geheimnisvollen Zwang zum Unglücklich-Sein. In vielen Gesprächen bestätigten mir betroffene Frauen, dass Sie aufgrund mangelnder Erfahrung und schlechter Vorbilder in der eigenen Familie weder eine Vorstellung von einem „guten Mann“, noch von einer selbstbewussten und sich behauptenden Frau haben. Und ohne Vorstellung und Erwartung lassen sich auch keine Ansprüche stellen, wie das Beispiel einer Klientin deutlich zeigt: „Eigentlich kann ich nur Gutes über meinen Mann berichten. Er ist selten betrunken, hat mich noch nie geschlagen und geht regelmäßig arbeiten. Ich weiß auch nicht, warum ich so oft unzufrieden bin.“
Stellen Sie sich vor, ein Mensch hätte die ganze Kindheit hindurch nur Grießbrei gegessen: morgens, mittags, abends. Nach vielen Jahren serviert ihm jemand Grießbrei mit Kirschen. Dieser Mensch muss doch vom Verstand her denken, er hätte sich wegen der Kirschen enorm verbessert, auch wenn es das neue Gericht wiederum völlig eintönig täglich gibt. Selbstverständlich leidet er unter dieser Eintönigkeit, aber er kann aufgrund seiner „mageren“ Vorgeschichte die Ursache seines Leidens bewusst nicht erkennen – so wie die oben zitierte Frau offensichtlich blind für die Mängel ihres Mannes ist. Hat sich hingegen ein anderer Mensch in der Kindheit an eine normale und abwechslungsreiche Mischkost gewöhnt, muss er bei dem Angebot „täglich Grießbrei mit Kirschen“ gar nicht lange überlegen. Ihr oder ihm wird sich unbewusst gesteuert und ganz automatisch – ohne jedes Selbstbehauptungstraining – der Magen bei dieser Vorstellung umdrehen. Er ist einfach etwas anderes gewohnt und diese Prägung ist sein spontaner und tief verwurzelter Schutz. Menschen mit positiven Vorbildern aus der Ursprungsfamilie sind daher später von anderen nur schwer zu gängeln oder zu ihrem persönlichen Nachteil zu verführen.
Auf diese Weise kann die Familienprägung bestimmen, ob wir unser Lebensglück leicht oder nur sehr schwer finden können. Das gilt nicht nur für unser Lebensmotto, das Selbstwertgefühl oder die Partnerwahl. Wie wir noch darstellen werden, sind alle Bereiche, in denen wir unser Menschenleben auskosten, von dieser Gültigkeit berührt: Gesundheit, Freundschaft, Beruf, Pläne und Gedanken – sogar Reichtum, wie das Beispiel von Paul zeigt. Wie wichtig ist da die Möglichkeit, als Erwachsene unsere ursprüngliche Prägung mit positiven und bereichernden Lebensmöglichkeiten zu erweitern! So werden wir offen für äußere Chancen und unsere eigenen brachliegenden Kraftquellen. Und wir lernen, unser Lebensglück anzupacken und zu gestalten, anstatt es – wie Paul – zerrinnen zu lassen.
Die imaginative Familienaufstellung ist ein wirkungsvoller Weg, um für sich selbst die Regie für eine positive Prägung des Erwachsenen-Ichs zu übernehmen. Bevor wir in die Fallbeispiele einsteigen, stellen wir Ihnen zunächst die Methoden und Basisgedanken dieses Ansatzes vor.
In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat sich ein breites Interesse für das Thema Familienaufstellung entwickelt. Heutzutage denkt man bei diesem Thema oft zunächst an den Namen Bert Hellinger, der seinen Ansatz der Familienaufstellung ab den 80er Jahren einer breiten Öffentlichkeit bekannt machte. Familienaufstellungen wurden jedoch schon zuvor in der Psychotherapie eingesetzt. Man denke nur an die bekannte Familientherapeutin Virginia Satir, die schon in den sechziger Jahren systemische Aufstellungen mit Familien durchführte. All diese Arbeiten hatten und haben gemeinsam, dass sie mit größeren Gruppen von teilnehmenden Personen durchgeführt werden. Hier können bei der praktischen Durchführung organisatorische Schwierigkeiten auftreten: Manchmal bekommt man für die Aufstellung nicht genügend Teilnehmer zusammen, es können nicht alle Familienmitglieder zum gleichen Termin erscheinen oder der Therapeut verliert den Überblick über das seelische Wohlergehen der vielen involvierten Personen, denn sehr oft sind die mit-aufstellenden Teilnehmer vom Geschehen ebenso berührt wie der arbeitende Klient.
Ende der achtziger Jahre entwickelte der amerikanische NLP-Trainer Robert Dilts die Reimprinting-Methode und zeigte damit, wie man mit jedem Klienten eine Familienaufstellung im mentalen Vorstellungsvermögen durchführen kann. Gegenstände werden bei dieser Methode symbolisch für jedes Familienmitglied im Raum auf den Fußboden gelegt und bilden so ein Familienmuster für die familiäre Lerngeschichte des Klienten: Man „steht sich nahe“, „ist auf Abstand“, „hält zusammen“ oder „hat sich gegenseitig nicht im Blick“. Der Klient kann den Familienmitgliedern dann von außen – also aus der Erwachsenen- oder Sachverständigen-Perspektive heraus – Ressourcen für die Fähigkeit zu einem glücklichen, förderlichen und konstruktiven Familienleben zukommen lassen.
Während der faszinierenden Arbeit mit dieser Thematik stellten wir fest, dass eine konstruktive Familienaufstellung auch im „geistigen Raum“ vollzogen werden kann. Wir lassen heute unsere Klienten „mentale Orte“ in ihrer inneren Vorstellungswelt für die Imagination ihrer Ursprungsfamilie wählen. Dabei sehen die Klienten sich selbst als Kind-Ich oder jüngeres Ich von außen und gruppieren dazu die entscheidenden Bezugspersonen aus der relevanten Familienkonstellation: Beispielsweise sieht man den Bruder eng neben der Mutter, „rechts außen“ vom jüngeren Ich, den Vater wähnt man vielleicht sogar links hinter dem eigenen Kopf (er war vielleicht damals im Krieg oder fuhr zur See), und hinter der Mutter steht, wie ein großer Schatten, deren Mutter bzw. die eigene Großmutter.
Es ist sehr interessant, dass jeder Klient derartige „innere Orte“ in der Vorstellungswelt für seine Ursprungs-Familienmitglieder benennen kann. Weiterhin ist interessant, dass diese inneren Orte auch für unterschiedliche Resonanzen in der Gefühlswelt der Klienten stehen: so können beispielsweise links aufgestellte Personen als emotional weniger wichtig als rechts aufgestellte wirken, Figuren im Hintergrund empfindet man vielleicht bedrohlicher und imposanter, als wenn man sie sich im Zentrum der Aufstellung vorstellt usw. Die emotionalen Bewertungen dieser inneren Orte variieren natürlich individuell von Klient zu Klient. Sehr lesenswert ist zu diesem Thema auch das NLP-Buch „Das Spiel sozialer Beziehungen“ von Lukas Derks. Derks geht davon aus, dass geistige Landkarten in der inneren Vorstellung für Orientierung in unseren Beziehungen sorgen und spricht hier von der „Verortung“ von wichtigen Bezugspersonen im mentalen Repräsentationssystem.
Abbildung 2: Das limbische System und seine Lage im Gehirn
Eine gute Erklärung für die emotionale Orientierung im Raumdenken bietet der Psychiatrie-Professor Manfred Spitzer in seinem Buch „Lernen – Gehirnforschung und die Schule des Lebens.“ Er berichtet über messbare Vorgänge im limbischen System – das ist das „Emotions-Zentrum“ unseres Gehirns. Es befindet sich unter den beiden Hälften des Cortex, unseres „Denk-Hirns“. Ein Teil des limbischen Systems ist der Hippokampus. „Nerven im Hippokampus lassen sich direkt dabei beobachten, wie sie neue Inhalte lernen“, schreibt Spitzer. Er schildert eindrucksvoll, wie man allein durch die Beobachtung von Hippokampus-Aktivitäten auf einem Computerbildschirm den Aufenthaltsort von Mäusen in bestimmten Käfig-Ecken vorhersagen kann – ohne Tiere und Käfig dabei zu sehen. Diese Aktivitäten kann man erst zehn Minuten, nachdem eine Maus einen Käfig kennen gelernt hat, erkennen. Bei diesen Experimenten hatte „jedes Neuron eine Vorliebe für einen bestimmten Platz im Käfig und feuerte immer dann besonders stark, wenn sich das Tier in der linken hinteren Ecke befand. Es feuerte aber auch dann (und zwar schwächer), wenn sich das Tier in der Nähe der linken hinteren Ecke aufhielt. Im Hippokampus wird die Lokalisation des Tieres im Raum also nicht nur durch ein einzelnes Neuron kodiert, sondern durch das variable Aktivitätsmuster vieler Neuronen, die mit Ortskodierung beschäftigt sind.“
Wir vermuten, dass diese emotionale Raumorientierung nicht nur für äußere Orte, sondern auch für die Erlebniswelt des inneren Vorstellungsraums eine wichtige Rolle spielt. Immer wieder konnten wir feststellen, dass bei gelungenen Aufstellungsprozessen die Familienmitglieder bei der imaginativen Vorstellung ihre inneren Orte wechseln – was in der Regel zu eindrucksvollen emotionalen Befreiungen führt. Dieses „Zurechtrücken“ vollzieht der Klient keinesfalls bewusst in dem Sinne: „Ich rücke jetzt den Vater näher an den Bruder heran.“ Vielmehr ergibt sich die Neuordnung der Familie durch das gezielte Lösen von emotionalen Blockaden und durch die dadurch freigesetzte Kreativität des Klienten. Hierbei spielt die wingwave-Intervention eine entscheidende Rolle, da dieses Verfahren einen direkten Zugang zum limbischen System und somit zu den Emotionen ermöglicht.
Indem die Ressourcen des Klienten auf diese Weise wieder fließen, kommt auch heilende Bewegung in die Familie: „Jetzt sehe ich, wie der Vater und der Bruder aufeinander zugehen.“ „Es“ passiert dann einfach. Die so erzielen Ergebnisse sind dann besonders stabil, da sie aus der Tiefe der Emotionen und der Aktivierung der gesamten kreativen Kräfte des Klienten entspringen. Sie erfassen nicht nur den Verstand, sondern bewegen die gesamte Seelenlandschaft und das Körpergefühl des Menschen.
An dieser Stelle möchten wir kurz wissenswerte Informationen aus der Gehirnforschung und den drei wichtigen erlebnisaktivierenden Methoden vorstellen, welche in der imaginativen Familienaufstellung eingesetzt werden. Bei den Methoden handelt es sich um wingwave-Coaching, Neurolinguistisches Coaching und um den Myostatiktest, einem Muskeltest, mit dem die Kraft in den Fingern geprüft wird. Da einige Leser diese Verfahren sicherlich schon kennen, beschreiben wir sie nur in ihren wesentlichen Zügen, um deren Bedeutung für die imaginative Aufstellungsarbeit hervorzuheben.
Wie kann es funktionieren, dass wir Menschen unsere Familie und andere Lebensereignisse als einen Teil von uns verinnerlichen? Wir nehmen unsere Umgebung über die fünf Sinne wahr: Sehen, Hören, Fühlen, Riechen und Schmecken. Das gilt sowohl für die Wahrnehmung von Menschen als auch für das sinnliche Erleben von Speisen, Orten, Konzerten, Landschaften, Wetterverhältnissen usw. Das gilt für alle Situationen, in denen unsere Sinnesorgane funktionieren: 24 Stunden täglich. Die fünf „Sinneskanäle“ senden ständig sämtliche Informationen zu unserem wohl wichtigsten Organ: dem Gehirn. Das geschieht auch während der ersten Lebensjahre, in denen wir tagtäglich die Mitglieder unserer Familie hautnah erleben.
Jedes Denken, Fühlen, Verhalten, jede körperliche Befindlichkeit wird von diesem faszinierenden Organ gesteuert. Das Gehirn „programmiert“ unsere Körperbewegungen, unsere Sprache und auch alle unbewussten Abläufe wie etwa Herzschlag, Atmung und Verdauung. Es nimmt – wie gesagt – alle Eindrücke auf, die über unsere Umgebung ständig auf uns einwirken. Es sorgt dafür, dass Ihre Hände in diesem Moment dieses Buch zuverlässig halten, so dass Ihre Augen in Ruhe diese kleinen schwarzen Zeichen – Buchstaben genannt – nacheinander betrachten können. Mit Hilfe von Sehnerven werden die Buchstaben-Bilder direkt zum Gehirn geleitet. Dort werden aus den Buchstabenfolgen Worte wiedererkannt. Das Gehirn verbindet diese Worte mit inneren Bildern, Vorstellungen, Assoziationen und Gefühlen. Als Ergebnis erleben Sie am Ende fast den gleichen „Film“ vor dem geistigen Auge wie wir ihn jetzt vor unserem geistigen Auge denken. Und während ich jetzt denke, bewegt mein Gehirn meine einzelnen Finger so, dass diese wieder präzise Buchstaben tippen können. Es ist tatsächlich ein kleines Wunder, was sich genau jetzt, während Sie diese Zeilen lesen, abspielt.
Dieser Meinung sind zumindest die Wissenschaftler, die sich in den letzten Jahren sehr intensiv mit der Erforschung des Gehirns beschäftigt haben. Es ist erstaunlich, was man schon alles über das Gehirn weiß – und es ist ebenso verblüffend, wie viele Fragen noch offen sind. So paradox es klingen mag: Jede neue Erkenntnis über das Gehirn vermehrt die offenen Fragen. Das menschliche Gehirn besteht bei einem Gewicht von etwa drei Pfund aus ungefähr hundert Milliarden Nervenzellen. Einige Experten vermuten sogar die weitaus größere Zahl von einer Billion Zellen. Jede einzelne Gehirnzelle steht über ihre verzweigten Nervenenden wiederum in Verbindung mit jeweils zehntausend anderen. So wird der viel zitierte Vergleich mit einem Computer dem menschlichen Gehirn mit seinen unzähligen Möglichkeiten keineswegs gerecht. Die Gehirnforscher tendieren vielmehr dazu, die einzelne Gehirnzelle mit einem Computer zu vergleichen.
Diese äußerst komplexe „Verkabelung“ auf elektrochemischer Basis mit Hilfe so genannter „Nervenboten-Stoffe“ ergibt einen enorm leistungsfähigen Informationsspeicher. Er stellt unvorstellbare Kapazitäten für die Informationsverarbeitung und Zusammenarbeit der verschiedenen Körpersysteme untereinander bereit. So ist jeder Mensch für sich schon eine eigene Welt und diese „Gehirnwelt“ macht die individuelle Seelenlandschaft aus. In dieser „Seelenwelt“ leben die verschiedenen Gehirnfunktionen wie eine große „innere Familie“. Und auch das Innere, die Persönlichkeit, kann wie eine echte Familie eine erfolgsfördernde oder -behindernde Atmosphäre haben. Der Gehirnforscher Gazangia spricht hier von einer „inneren Gesellschaft“ und Ornstein, ebenfalls ein bekannter Gehirnforscher nennt in seinem Buch „Multimind“ unsere vielen Teile der Persönlichkeit eine „inneren Horde“. Der bekannte NLP-Trainier Thies Stahl verglich in Deutschland als Erster die Dynamik dieser „Horde“ oder „Gesellschaft“ in uns mit den Umgangsweisen der verschiedenen Mitglieder einer Familie.
Viele Forscher sind sich heute entsprechend einig, dass das Gehirn verschiedenste Funktionen in „Schaltkreisen“ gestaltet, man spricht hier auch von „Matrizen“ und allgemein von der „Konnektivität“ des Gehirns. So gibt es nicht in dem Sinne „echte“ spezialisierte Zentren wie etwa das Sprach- oder Sehzentrum oder gar das Ich-Zentrum. Sogar das Sehen gilt heute als eine Gesamtleistung des Gehirns und nicht nur als isolierte Aktivität der Sehrinde. „Wenn eine Zelle des zentralen Nervensystems eine neue Information erhält, erfahren auf elektrochemischem Wege gleichzeitig alle anderen Zellen diese Neuigkeit“, formulierte sinngemäß der Forscher Walter Zieglgänsberger vom Max-Planck-Institut auf einem Vortrag zu diesem Thema im Rahmen einer Vortragsreihe über Schmerztherapie.
Machen Sie sich bitte bewusst, dass Sie entsprechend nicht etwa den Vater an der einen und die Mutter an der anderen Ecke des Gehirns „gespeichert“ haben. Nein, jede einzelne Gehirnzelle „weiß“ in ihrer Chemie um diese beiden wichtigen Menschen in Ihrem Leben. Man hat festgestellt, dass Sinneseindrücke wie beispielsweise Bilder, Sprache oder Schmerz den Zellkörper der Zelle sogar in der chemischen Zusammensetzung beeinflussen. Die chemische Antwort auf das äußere Erlebnis kann erstaunlicherweise – so Zieglgänsberger – noch Wochen nach der tatsächlichen Wahrnehmung erfolgen. So hat man faszinierenderweise Zellen im zentralen Nervensystem entdeckt, die erst Tage und Wochen nach feinem Schmerzreiz eine Reaktion darauf zeigen. Während der tatsächlichen Schmerzeinwirkung „tun sie, als ob nichts wäre“. Sicher haben auch Sie schon erlebt, dass eine wichtige Erfahrung mit Verzögerung „wirkt“. „Das muss ich erst einmal sacken lassen“, heißt es in der Umgangssprache. Die Fachleute sprechen nicht von „sacken lassen“, geistigem „Verdauen“, sondern von der „neuronalen Bahnung“ des Erlebten. Einmal gebahnt und verarbeitet, prägen besonders intensive Wahrnehmungen die Substanz der einzelnen Gehirnzelle nachhaltig für viele Jahre und Jahrzehnte. So erklärt es sich auch, dass Sie in der Seelenlandschaft die Phänomene „Raum und Zeit“ oft völlig anders erleben als real. „Mir ist, als wäre es gestern gewesen“, beschreiben Menschen alte Erlebnisse, die für ihre Lebensqualität immer noch wie Gegenwart wirken. „Verblassen“ dann die Erinnerungen, geht das offensichtlich mit einer Veränderung in der Chemie der verantwortlichen Zellen einher.
Nicht nur der Gehirnzellkörper selbst speichert Erinnerungen, sondern auch die Verbindungen zwischen den Zellen – neuronale Verknüpfungen genannt – sorgen effektiv und zuverlässig für die Speicherung wichtiger Lebensdaten. Die neuronalen Verknüpfungen sind lebendige Gebilde, die aus Eiweißbausteinen ständig gebaut und auch umgebaut werden. Sie sorgen quasi für eine „Verkabelung“ des Erlebten oder Gelernten in verschiedensten „Abteilungen“. Machen Sie dazu einen kleinen Test: Strecken Sie die Arme zur Decke, schauen Sie nach oben und sagen Sie dazu: „Ich bin depressiv!“ Die meisten Menschen berichten dann spontan, dass die Körperhaltung nicht zum Wort passe. Das Gehirn speichert das Wort „depressiv“ also nicht nur hinsichtlich seiner Schreibweise oder seiner medizinischen Bedeutung ab. Irgendwo in den Gehirnzellen ist auch festgelegt, welche Körperhaltung und welches Gefühl „richtig“ für dieses Wort ist. Ist etwas Erlerntes stabil in den Gehirnzellen und den neuronalen Verknüpfungen repräsentiert, sprechen wir von einem Engramm. Das Engramm für den Begriff „depressiv“ berührt also nicht nur die Sprach- oder Sehabteilung, sondern auch die Muskel- und Körperbewegungssysteme im Gehirn.
Beeindruckende Erlebnisse speichern die Gehirnzellen nachhaltig ab. Sie machen es so perfekt, dass wir sämtliche unserer Fertigkeiten selbst dann zur Verfügung haben, wenn wir sie monate- und jahrelang nicht mehr real ausübten. Sollten Sie vielleicht zwei Jahre lang nicht mehr Fahrrad gefahren sein, können Sie nach dieser Zeit mühelos wieder losradeln – so gut wurde diese „Programmierung“ zwischenzeitlich vom Gehirn „gepflegt“. Anders ist es bei den – immer wieder zitierten – Ratten: Diese Tiere zeigen täglich komplett das gesammelte Repertoire all ihrer jemals gespeicherten Fähigkeiten. Man nimmt an, dass unsere Träume teilweise auch der „Pflege und Wartung“ unserer am Tage real gelebten und unausgelebten Fähigkeiten dienen. Wenn das Gehirn schon Fertigkeiten wie Fahrradfahren und das Einmaleins so perfekt wartet, wie effektiv hat es dann wohl die zutiefst intensiven Grunderlebnisse mit der Ursprungsfamilie „gesichert“?
Es hat sie so gut gesichert, dass die Ursprungsfamilie heute wie ein Teil von uns in den Gehirnzellen „sitzt“. In der Psychologie spricht man von der „Internalisierung“ der Familie oder einzelner ihrer Mitglieder. Umgangssprachlich „verinnerlichen“ wir Menschen, indem sie uns „nicht aus dem Kopf“ gehen, „einen Platz in unserem Herzen“ haben oder sie uns „nicht loslassen“. Aber Achtung: Das alles sind nur Gleichnisse und absolut keine Tatsachen! Kein einziger Mensch sitzt real körperlich in Ihnen, das würde auch räumlich nicht funktionieren. Was tatsächlich in Ihnen als erwachsener Mensch wirkt, sind die Chemie und die „Verkabelung“ der eigenen Gehirnzellen – und nicht die Familie selbst. Ihr Gehirn gehört Ihnen allein und ist Teil Ihres eigenen Körpers.
Keiner kann Ihre Biographie ungeschehen machen. Jedoch sind sind Sie nicht verpflichtet, störende und blockierende Elemente Ihrer Lebensgeschichte als einen Bestandteil Ihrer heutigen Gehirnaktivität zu konservieren. Diese Elemnte gehören höchstens in ein Foto-Album, das Sie zuklappen und im Schrank wegschließen können. Die Gegenwart und die Zukunft sollten Sie durch Ihre Ressourcen, Fähigkeiten und Talente gestalten.
Jede positive Veränderung eines Menschen beginnt im Kopf, genauer gesagt: im Gehirn. Wann immer psychologische Methoden bei einem Menschen eine Veränderung im Denken, in der Befindlichkeit und in der Gesundheit bewirken, haben sie das Gehirn dieser Person zum Verbündeten gewonnen. Das Gehirn ist der eigentliche Sitz der Psyche. Wenn wir lernen, das Gehirn zur Gestaltung unserer Seelenlandschaft zu benutzen, anstatt es lediglich zu besitzen, können wir uns tatsächlich selbst prägen. Denn das Gehirn ist lebendig. Es rollt nicht wie ein Auto bei der Geburt vom Band und bleibt dann für immer so bestehen. Wir sprechen nicht umsonst von „geistiger Nahrung“. Tatsächlich ist das Gehirn ein geistiges Verdauungssystem. Es gestaltet unsere Seelenlandschaft aus den Bestandteilen unserer geistigen Nahrung. Genauso verarbeitet der Körper alle Lebensmittel über die Verdauungsorgane. Die Nahrungsqualität entscheidet über den qualitativen Zustand unseres Körpers, der auch tagtäglich neugestaltet werden möchte, wie es die Bedürfnisse Hunger und Durst überzeugend anzeigen. Sehen, Hören, Fühlen, Riechen und Schmecken sind die „Nahrungsmittel“ des Gehirns.
Gute Qualität und die richtigen „Rezepte“ dieser Nahrungsmittel ermöglichen unsere tägliche geistige Gesundheit.
Sie haben als Erwachsener sehr viel Kostbares erlebt und gelernt, was weit über die Prägung der Ursprungsfamilie hinausgeht. Auch diese Kraftquellen – und deren „Rezepte“ – sind schon lange ein Bestandteil Ihres Nervensystems – ob nun bewusst oder unbewusst. Mit der Imaginativen Familienaufstellung kann man im Sinne einer „kreativen Gehirnbenutzung“ die alten Prägungen mit diesen neuen Erfahrungsschätzen zu einer heilsamen Verbindung verschmelzen: in der einzelnen Gehirnzelle, in den neuronalen Verknüpfungen, dann in der Seelenlandschaft und in der Persönlichkeit und schließlich ganzheitlich in Geist und Körper. Die im Folgenden beschriebenen drei Methoden sind besonders gut dazu geeignet, dieses Ziel zu erreichen und zu erleben.
Diese Methode arbeitet mit einem Verfahren, das vielen Menschen zunächst „unglaublich“ erscheint: Der Coach winkt den Klienten vor den Augen hin und her und erzeugt dadurch „wache REM-Phasen (Rapid Eye Movement)“, die oft in wenigen Minuten zu einem deutlichen Stressabbau sowie einer spürbar gesteigerten Leistungskraft und Zuversicht angesichts des jeweils behandelten Themas führen. Die Augenbewegungen der Klienten werden dabei abwechselnd in der nach oben, mittig und nach unten gerichteten Blickrichtung schnell hin- und hergeführt. So wird beim Klienten eine Ansprache möglichst vieler Gehirnzellen und eine gleichzeitige Koordinationstätigkeit der beiden Gehirnhälften erreicht. Die äußerst schnell einsetzenden positiven Effekte in der „Live-Situation“ des Klienten halten dann über Monate stabil an, wie eine neue Erhebung von uns bei über 800 gecoachten Personen gezeigt hat.
Die amerikanische Psychotherapeutin Francine Shapiro hat auf Basis wacher REM-Phasen die Methode Eye Movement Desensitization and Reprocessing – kurz EMDR genannt – für die Therapie von posttraumatischen Belastungsstörungen entwickelt. Dieses Verfahren zählt heute weltweit zu den effektivsten und am besten beforschten Interventionen zur Überwindung von Stressreaktionen nach Gewalttaten, Unfällen, Naturkatastrophen und Kriegserlebnissen. Zunächst wurde das Verfahren bei uns als „Winke-Winke-Therapie“ belächelt. Im Jahr 2002 erhielt Shapiro dann für ihre Entwicklung der EMDR-Methode den internationalen Freud-Preis.
Die traumhafte Wirkung dieser neuen Methoden ist aber nicht so „magic“, wie sie zunächst erscheint. Auch bei wingwave-Coaching wird „nur mit Wasser gekocht“, denn die Wirkmechanismen beruhen auf nachvollziehbaren Verarbeitungsmustern unseres Gehirns und unseres gesamten Nervensystems. Jede Nacht zeigen wir Menschen im Traumschlaf diese schnellen Augenbewegungen. In dieser Schlafphase integrieren wir die Ereignisse des Tages in unsere innere Erlebniswelt und verarbeiten unsere Emotionen. Dieses natürliche Nachtschlaf-Phänomen ist daher die älteste Therapie der Welt. Außerdem hat die Gehirnforschung gezeigt, dass die Gehirnaktivitäten während dieser REM-Phasen nahezu identisch mit jenen Mustern sind, die sich beim aktiven Lernvorgang im Gehirn messen lassen. Rapid Eye Movement steht demnach in einem engen Zusammenhang mit unserer Behaltensleistung. Vielleicht sind auch deshalb die Erfolge beim wingwave-Verfahren so stabil.
Welche Art von selbsttragenden Ressourcen werden durch die wingwave-Methode zum Fließen gebracht? Es sind die Kräfte der Emotionen, mit denen in diesem Coaching bewusst gearbeitet wird. Der Wortstamm von Emotionen, „Motio“, ist das lateinische Wort für Bewegung. Und genau so verhalten sich gesunde Emotionen: Ob Freude, Euphorie, Wut oder Angst – sie fluten wie eine Welle durch unser Erleben und unseren Körper, um dann ebenso wieder abzufließen, wie sie gekommen sind. Einige Emotionen „verfliegen“ oder „verrauchen“ sogar, nachdem sie sich zunächst in uns zusammengeballt haben – so schildert es zumindest der Volksmund.
Heute weiß man, dass Emotionen eine entscheidende Rolle für die Qualität unseres Verhaltens und für unsere Entwicklungs- und Lern- und Leistungsprozesse spielen. „Limbische Marker“ nennt man derartige emotionale Einfärbungen von Erinnerung und Verhalten, die auch bei der Familienprägung des Menschen von großer Bedeutung sind. Dieser Begriff weist darauf hin, dass das so genannte limbische System in unserem Gehirn eine entscheidende Rolle für die Organisation unserer Emotionen spielt. Dieser im Vergleich mit dem Cortex entwicklungsgeschichtlich ältere Teil ist dafür zuständig, dass wir uns „bewegt“ fühlen, wenn wir sehr schöne und sehr belastende oder erschreckende Dinge erleben. Denn Emotionen bewegen spürbar unseren Körper. Wir haben Herzklopfen beim Verliebt-Sein oder ballen die Fäuste, wenn wir wütend sind. Gefäße, Kreislauf, Muskeln und der Stoffwechsel lassen uns dann die betreffenden Informationen aus der Außenwelt deutlich mit unserem gesamten Nervensystem fühlen.
Jeder Mensch kann selbst die heftigsten Emotionen ohne Schaden überstehen, da der Körper sich bei einer gesunden Emotions-Balance stets wieder von allein reguliert und auf „ausgeglichen“ zurückschaltet. Bei einigen Erlebnissen – wie etwa einem Streit über das Thema „Aufräumen“ – brauchen Körper und Seele vielleicht nur ein paar Stunden für das Zurückschwingen in die Ausgeglichenheit. Trauerreaktionen benötigen hingegen Wochen oder viele Monate. Unsere Sprache beschreibt diesen ständigen Trend zur Emotions-Balance mit vielen bekannten Redewendungen, wie etwa „Ich bin darüber hinweggekommen“ oder: „Ich habe es überwunden“.
Manchmal kann es aber auch sein, dass Emotionen so intensiv oder über so lange Zeit auf uns wirken, dass Geist und Seele Probleme mit dem Zurückschwingen in die emotionale Balance bekommen. Wie ein großer unhandlicher Gegenstand scheinen sie dann nirgends hinzupassen und fangen an, den gesunden Fluss der Erlebniswelt eines Menschen zu behindern. Die Emotion tut genau das nicht mehr, was ihr Name verspricht: Sie wird starr und unbeweglich. Die vielen erfolglosen Versuche der Integration sind oft so anstrengend, dass wir davon aufwachen: Jeder kennt den unruhigen Schlaf oder gar Albträume in Stress- oder Sorgenphasen seines Lebens. So werden vor allem die unangenehmen Emotionen – wie Angst, Hilflosigkeit, Abscheu oder Wut – nicht mehr von allein abgebaut, blockieren das subjektive Wohlgefühl und somit auch die individuelle Persönlichkeitsentwicklung des Menschen. Auch für dieses Phänomen ist unsere Sprache reich an Redewendungen: „Es wurmt mich immer noch“, sagt man. „Es steckt mir noch in den Knochen“ oder: „Das hat mir einen Knacks gegeben.“
Gerade Familienmuster wirken nicht durch die rein äußerliche „Aufführung“ der beteiligten Familienmitglieder auf uns, sondern vielmehr durch die emotionale Atmosphäre, die damit einhergeht. Die so genannte „gespannte“ Atmosphäre kann in all ihren Facetten auf Kinder wirken: Sie spüren nicht nur die eigene Hilflosigkeit, sondern beispielsweise auch die Ängstlichkeit der Mutter oder das Enttäuscht-Sein des Vaters in sich – und das manchmal über Monate und Jahre hinweg. Als Erwachsener fängt man an, diese Prägungen zu verstehen. Man kann sie beschreiben und analysieren. Das sind jedoch kognitive Vorgänge, die der Cortex – unser Denkhirn – leistet. Dieses Verstehen reicht oft noch nicht aus, um auch anders zu fühlen.
wingwave wendet sich zusätzlich an die Emotionserinnerung, geht sozusagen „eine Etage tiefer“. Hier werden bei der Imaginativen Familienaufstellung die wachen REM-Phasen gezielt eingesetzt, um sich von blockierenden Prägungs-Emotionen zu befreien. Darüber hinaus weben die Klienten Ressourcen in ihre Prägungsmuster hinein, indem sie jedem Familienmitglied neue kreative Verhaltens- und Erlebnismöglichkeiten zukommen lassen. Auch dieser Vorgang wird durch das lernintensive wingwave-Verfahren emotional verankert. Wie genau das funktioniert, schildern wir anschaulich in einem spannenden Fallbeispiel.
Die bewusst initiierte Hin- und- Herbewegung der Augen zählt man übrigens zu den Möglichkeiten der „bilateralen Gehirnstimulation“. Es gibt noch weitere Möglichkeiten, dieses „Zusammenspiel der Gehirnhälften“ wirkungsvoll anzuregen: auch taktile oder auditive Links-Rechts-Interventionen führen zu ähnlich guten Ergebnissen. Beispielsweise kann man sich selbst wunderbar in einen erholsamen Ruhezustand „herunterpegeln“, wenn man vor der Brust die Arme überkreuzt und schnell abwechselnd die beiden Schultern oder Oberarme sanft klopft. Besonders angenehm wirkt auch der Einsatz der wingwave-Musik. Hier hören Sie in Kombination mit einer Entspannungsmelodie über Kopfhörer abwechselnde Rechts- und Links-Takte direkt am Ohr. Diese auditive Stimulation führt zu einer Reihe von interessanten und positiven Effekten.
Sportwissenschaftler haben herausgefunden, dass das Hören der wingwave-Musik beim Training den Trainingspuls niedrig und gleichbleibend hält. Kreative hören die Musik, um zu guten Ideen beim Malen, Komponieren oder Texten zu kommen. Gestresste hören die wingwave-Musik für einen entspannten Feierabend oder zum guten Ein- und Durchschlafen. Leichte Muskelverspannungen lockern sich beim Einsatz dieses Mediums.
Wir stellen die wingwave-Musik vor, weil einige Leser die im Buch vorgestellten Schritte der imaginativen Familienaufstellung vielleicht sogar selbst ausprobieren wollen. Nicht jeder will gleich zum Coach oder Therapeuten gehen. In Ansätzen – Ausnahme sind traumatische Familienerinnerungen – ist eine solche Selbsterfahrung „nach Buch“ durchaus möglich. Die wingwave-Musii kann dabei eine sehr gute Hilfe sein, da sie ebenso bilateral stimuliert wie das „Winken“ des Coaches oder Therapeuten im Prozess des Imaginativen Familien-Coachings. Wir werden diese Möglichkeit im weiteren Verlauf dann genau beschreiben.
Das Neurolinguistische Coaching gehört heute mit zu den effektivsten Kurzzeitverfahren der Kommunikationspsychologie und ist ein weiteres Methodenelement der Imaginativen Familienaufstellung. Traditionell basiert das Verfahren auf der kognitiven Verhaltenstherapie, die vor allem die Wichtigkeit unserer inneren Kommunikation mit uns selbst fokussiert. Einer der Begründer war der Psychologe Albert Ellis mit seinem Konzept der Rational-Emotiven Verhaltenstherapie, auch als RETV abgekürzt. Es geht um die Erkenntnis, dass wir Menschen täglich mit über achtzigtausend Sätzen mit uns selbst sprechen. Das sind Gedanken oder einzelne Wörter, die uns durch den Kopf gehen. Diese „linguistischen“ Einwirkungen, die unser Gehirn täglich meistens automatisch produziert, verursachen wiederum Gefühle und diese Emotionen bestimmen unser subjektives Erleben.
Dabei können ein und dasselbe Wort oder ein und derselbe Satz bei unterschiedlichen Menschen ganz individuelle, oft sogar gegenteilige Emotionen auslösen. Viele Menschen würden sagen, dass das Wort „Kreativität“ eine positive Wirkung verbreitet. Hat aber ein Mensch ein paar Jahre in einer Werbeagentur gearbeitet, könnte der Begriff sich für sie oder ihn zum „Stresswort“ entwickelt haben. Vielleicht hat der Vorgesetzte öfter genervt gesagt: „Nun sei doch mal kreativ, wofür bezahle ich dich schließlich?“ In der Tat sagte einmal einer unserer Coachingkunden mit einer entsprechenden beruflichen Erfahrung: „Ich kann das Wort ‚Kreativität‘ wirklich nicht mehr hören, ich bekomme dann Pickel!“
im Coaching-Prozess bewirkt das Know-how über den geschilderten neurolinguistischen Wort-Effekt einen immensen Vorteil für den Coachingkunden, denn er bietet Coach und Coachee die Möglichkeit, ein Coaching punktgenau, zielorientiert und äußerst zeitökonomisch durchzuführen – indem Sprache als Kompass genutzt wird. Wir können beim Aufstellungsprozess sogar auch Aussagen testen wie: „Die Großtante muss mit aufgestellt werden“ oder punktgenau die Emotionen der aufgestellten Personen prüfen: „Die Mutter schämt sich“ oder „Der Bruder ist gekränkt“.
Weiterhin nehmen wir beim Neurolinguistischen Coaching die vielfältigen sprachlichen Varianten auf, die unsere Sprache für das Phänomen der „inneren Einstellung“ bereithält: Da steht jemand im Mittelpunkt, ist eine Randfigur, man malt sich Szenen in den buntesten Farben auf oder Erinnerungen verblassen. Dann kann man „klein sein mit Hut“ oder stets „von oben herab“ auf andere Menschen schauen, indem die Person denkt, sie sei die „Größte“. Es gibt ein „Licht am Horizont“ oder „man sieht schwarz“. Diese imaginativen Inszenierungen unserer inneren Wahrnehmungswelt werden gern auch „Kopfkino“ genannt. Und in der Tat können unsere Klienten durch die imaginative Aufstellung lernen, Regisseur oder Drehbuchschreiberin der individuellen Persönlichkeits-Geschichte zu werden.
All diese linguistischen Grundlagen fließen auch in die Imaginative Familienaufstellung ein. Die Basis zum Vorgehen der Aufstellung im Vorstellungsraum entstand – wie bereits beschrieben – durch Robert Dilts Arbeit in der Schule des Neurolinguistischen Programmierens. Er arbeitete zunächst mit „Bodenankern“, die verschiedenen Personen eines Familiensystems zugeordnet werden. Unsere Imaginative Familienaufstellung nutzt so genannte „Spots“ im gesamten Vorstellungsraum: oben, links, rechts und unten. Allerdings werden die Spots tatsächlich „vor“ dem Menschen platziert, nicht hinter dem Gesichtsfeld. Wir kommentieren das so: „Es heißt eben Vorstellung und nicht etwa Hinterstellung oder Nebenstellung.