Immer wenn du Schwalben siehst - Bernd Rosarius - E-Book

Immer wenn du Schwalben siehst E-Book

Bernd Rosarius

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Beschreibung

Er suchte nach Jahrzehnten seine erste große Liebe, und wollte wissen, wie es ihr ergangen ist.. Er befand sich in einer lebensbedrohlichen Katastrophe.

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Widmung

Diese Erzählung widme ich allen Menschen, die in ihrer Erinnerung die erste Liebe festgehalten haben

Bernd Rosarius

Eine Frau kann mit 19 entzückend sein, mit 29 hinreißend. Aber erst mit 39 ist sie absolut unwiderstehlich. Und älter als neununddreißig wird keine Frau, die einmal unwiderstehlich war.

Coco Chanel

Arbeitsende? Er konnte sich nicht dagegen wehren, obwohl er gerne weitergearbeitet hätte, doch die Zeit war reif für das Ende seiner Werktätigkeit. Sein Chef hatte ihm zum Abschied gesagt: "Nun können Sie das Leben genießen, Golf spielen und Reisen." Er nahm den kleinen Scheck und den Blumenstrauß schweigend entgegen und verließ seine zweite Heimat. Rente war das Wort zur Stunde, an das er sich gewöhnen musste. Roland Herzog spürte keine Lust, sich lange mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Er wollte sein Häuschen renovieren und dazu gehörte eine genaue Analyse jedes Quadratmeters. Wo war es angebrachter, als auf dem Dachboden zu beginnen? Die steile Treppe bereitete ihm Probleme. Die Schmerzen in seiner Hüfte, das in Mitleidenschaft gezogene rechte Bein, verursachten Stiche, die durch seinen ganzen Körper drangen. Trotzdem kroch er auf dem Dachboden herum und kontrollierte jeden Koffer, alte Taschen und Kartons. Er entstaubte sie und begutachtete die Inhalte. Alte Kleidungsstücke, ausrangierte Werkzeuge, Campingausrüstungen und Angelgeräte. Nichts von dem konnte er gebrauchen. Es waren alles Utensilien aus längst vergangenen Jahren. Plötzlich stutzte er. Eine kleine handliche Kiste entnahm er einem großen Karton. Als er diese öffnete, fielen ihm alte Fotos, Briefe und Andenken entgegen. Ein vergilbtes Foto erregte ihn. Es war das Bild seiner großen Jugendliebe Luise Rewe. Sie lebte mit ihren Eltern in Detmold. Ihr Vater war Regierungsbeamter, ihre Mutter Hausfrau. Luise und Roland waren fast jeden Tag zusammen. Sie liebten die Detmolder Altstadt, den Schlosspark, das Theater und die Fußgängerzone. Schon in der Schule waren sie befreundet. Sie erlernte den Beruf der Blumenbinderin und er lernte in einem Grafikstudio den Beruf des Grafikers. Sie schworen sich, immer zusammenzubleiben und später zu heiraten. Leider kam es anders. Die Trennung war unausweichlich. Ihre Eltern zogen nach München und sie musste mit. Ihr Vater bekam ein lukratives Angebot in der Bayerischen Staatskanzlei. An diesem Tag, unter dem Dach seines Hauses, flossen Tränen, weil er an die letzten Abschiedsworte seiner Geliebten denken musste. „Immer wenn du Schwalben siehst, bringen sie dir einen Gruß von mir.“ Mit dem Bild in der Hand ging er zum Dachfenster. Er hielt das Foto schräg, damit das Tageslicht das Bild besser ausleuchten konnte. Roland küsste das Bild und sagte: „Mein liebes Schwalbenkind. Ich hatte dich vergessen, doch die Erinnerung kam zurück, kraftvoll, schmerzhaft und sehnsuchtsvoll. Warum will ich das Haus renovieren? Will wissen, wie es dir ergangen ist., ob du überhaupt noch lebst und ob du glücklich bist. Ich komme und suche dich!“

***

Die Renovierung seines Hauses war Geschichte, bevor sie begonnen wurde. Seine Gedanken umkreisten die Vergangenheit, befanden sich im Zentrum seiner Jugendliebe und die Zeit, die sie miteinander verbrachten. Ihr Vater Rudolf war Beamter, das waren die spärlichen Erinnerungen. Roland saß einen Tag und eine Nacht an seinem PC, um im Internet nach Spuren zu suchen. Er fand keine. In der Kiste vom Dachboden fielen ihm einige Briefe auf, darunter ein paar Zeilen von Luise Rewe. Im Schlusssatz stand geschrieben: „Wenn du Karin Mollenhauer triffst, grüße sie von mir.“ Karin schoss es Roland durch den Kopf. Es war Luises Freundin, und er hatte sie zweimal gesehen. Ob sie noch lebte? Roland machte sich auf den Weg zum Detmolder Einwohnermeldeamt. Es ist nicht problemlos, bei der Behörde Daten zu erfragen. Roland musste seinen ganzen Charme spielen lassen, und das konnte er. Als die Sachbearbeiterin Rolands Geschichte erfuhr, sah sie in ihrem Computer nach, und sprach mit sanfter Stimme: „Die Dame heißt Karin Schmidt, geborene Mollenhauer und wohnt noch heute im Nibelungenweg.“ Roland dankte der Beamtin für ihre Hilfe, die nicht unbedingt legal war. Die Hausnummern in der besagten Straße waren nicht erkennbar oder kaum vorhanden. Er ging von Haus zu Haus, sah auf die Türschilder, bis er auf den gesuchten Namen stieß. Eine ältere Dame, die sich auf einem Stock abstützen musste, öffnete die Tür und fragte freundlich, was er denn wolle. „Entschuldigen sie bitte die Störung. Mein Name ist Roland Sievers…ich“, er wurde plötzlich mit einem kurzen spitzen Ruf unterbrochen „Roland, du bist es wirklich, hast dich kaum verändert, komm rein.“ Sie ließ Roland den Vortritt, und beide nahmen an dem Wohnzimmertisch aus Eichenholz Platz. „Lust auf einen Kaffee“, rief die Frau und wartete Rolands Antwort nicht mehr ab. Sie ging in die Küche, um alles Notwendige zu erledigen, dabei fragte sie: „Wir haben uns Jahrzehnte nicht gesehen. Nachdem Luise weggezogen war, hatte ich vielleicht noch ein Jahr Kontakt zu ihr…und du?“ Karin kam mit zwei großen Tassen Kaffee zurück, stellte sie auf den Tisch und sah Roland dabei tief in die Augen. „Ihr habt euch doch geliebt. Wann hast du das letzte Mal von ihr gehört?“ „Wir hatten uns noch ein Jahr geschrieben, dann war Schicht im Schacht. Nun möchte ich wissen, was aus ihr geworden ist, kannst du mir dabei helfen?“ Karin überlegte kurz. „Ihr Vater war an die Bayerische Staatskanzlei versetzt worden. Ihre Mutter war zum Zeitpunkt des Umzugs schon schwer krank. Luise wollte nicht weg, sie wollte bei dir bleiben, aber sie musste umziehen, sie war ihren Eltern gegenüber verpflichtet. Die Briefe, die sie mir schrieb, trugen die Adresse Adlerstraße, 81827 München. Karin und Roland unterhielten sich bis in den späten Abend und tauschten Erinnerungen aus, die sie mit Luise hatten. Roland erfuhr, dass Karin Witwe ist und dass ihr Sohn in der oberen Etage wohnt, solo. Er hatte eine Scheidung hinter sich. Kinder gab es keine. Roland Recherchen im Internet hatten zuvor schon leichte Wellen geschlagen, zudem er einen kleinen Preis als Belohnung ausgesetzt hatte, wenn er Informationen über Luise Rewe bekommen würde. Er bekam Antworten, meistens waren es Trittbrettfahrer. Die Frage, die alle Schreiberlinge beantworten mussten, lautete: „Wie wurde Luise von mir damals genannt?“ Unglaubliche Antworten bekam er daraufhin, die richtige war nicht dabei. Schwalbenkind wäre das gesuchte Wort gewesen. Roland setzte sich in seinen Automatik-Mercedes und fuhr nach München. In der Adlerstraße hatte er im Amedia -Hotel einige Übernachtungen gebucht. Im Internet gab er seinen Aufenthaltsort preis, damit man ihn jederzeit erreichen konnte. Sein Handy stand Tag und Nacht auf Bereitschaft. Es war am späten Nachmittag des Folgetages, als Roland mit der Zeitung im Foyer des Hotels saß und genüsslich ein Glas Bier trank. Plötzlich stand eine schwarz gekleidete Frau vor ihm und sagte. „Warum suchen sie meine Mutter? Was wollen sie von ihr?“ Roland fuhr wie von der Tarantel gestochen aus dem Sessel. Bevor er sich aber auf ein Gespräch einlassen konnte, legte die Dame einen Zettel auf den Tisch, drehte sich um und verließ das Hotel. Roland sah ihr vom Fenster aus nach. Auf der Straße sah er einen Mann auf die Frau zugehen. Sie gerieten in Streit und der Mann schlug der Frau mit der flachen rechten Hand ins Gesicht. Die Frau verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Roland lief zeitgleich mit zwei weiteren Gästen aus dem Hotel, um der Frau zu helfen. Die richtete sich wieder auf und zum Roland gewandt sagte sie: „Das war mein Bruder.“ Sie stieg in ein wartendes Taxi und fuhr davon. Roland sah auf den Zettel, darauf stand: „Luise Rewe, LMU, Nussbaum Straße 7. Zurück im Hotel fragte Roland an der Rezeption, was das für eine Adresse sei? Der Angestellte sah Roland fragend an, bevor er antwortete. „Das ist eine Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie."

***

Rolands Besuch in dieser Institution war von Zweifeln gepeinigt, Fragen beschäftigten ihn. Warum ist sie in dieser Einrichtung? Wie muss sie sein? Welche Umweltvoraussetzungen haben sie gezwungen, dort ihr Dasein zu fristen. Nachdem er den Gebäudekomplex betreten hatte, erkundigte er sich an der Aufnahmestelle nach Luise Rewe. „Eine Frau Rewe gibt es bei uns nicht“, sagte die freundliche Dame am Schalter. „Das ist ihr Mädchenname“ warf Roland ein und die Dame tippte eifrig auf der Tastatur herum. „Hier gibt es eine Luise Bremer, geb. Rewe, sie haben recht. Sie wohnt Parterre Station 1a, übrigens direkt im Zugang zum Park. Dort lässt es sich aushalten.“ Roland bedankte sich artig und genauso freundlich und er suchte die Station 1a auf. Zuvor aber bat er die Stationsoberschwester Renate zum Gespräch. Er erzählte ihr seine Geschichte. Schwester Renate nahm sich Zeit und hörte zu. Sie sagte: „Wissen sie, Frau Bremer lebt nicht mehr in unserer Welt. Sie ist nicht ansprechbar, lässt sich führen und schaut teilnahmslos aus blutleeren Augen. Löschen Sie ihre Erinnerungen, es ist eine fremde Frau, die auf ewig im Dunkeln lebt. Wenn sie etwas erreichen, würde es uns freuen. Sie ist im Garten und sitzt bei der großen Eiche auf einer Bank. Roland beeilte sich nicht, den Weg zu seiner Jugendliebe zu gehen, zu viele Gedanken gingen ihm gleichzeitig durch den Kopf. Zuerst sah er sie von hinten, bewegungslos auf der Bank sitzend. Graumeliert war ihr Haar, schlank ihr Körper, so taxierte er sie, als er sich ihr näherte. Die Frontseite überraschte ihn. Sie hatte eine ansprechende Figur, doch ihr Blick ging ins Leere. Leise, um sie nicht zu erschrecken, sagte er. „Luise, ich bin es Roland.“ Er zog das vergilbte Bild aus der Tasche und legte es in ihre Hände, dann nahm er neben ihr auf der Bank Platz. „Das sind wir beide, aufgenommen vor vielen Jahren in Detmold. Kannst du dich daran erinnern?“ Nein, sie konnte sich nicht erinnern. Sie nahm den Mann neben sich nicht wahr. Das Foto fiel aus den schlaffen Händen zu Boden. Eine erfolglose Stunde blieb Roland bei ihr, dann suchte er Schwester Renate auf, die ihn zu