Impfen Pro & Contra - Martin Hirte - E-Book

Impfen Pro & Contra E-Book

Martin Hirte

0,0
17,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die individuelle Impfentscheidung treffen – die Neuausgabe des Impf-Klassikers, komplett überarbeitet Welche Impfung ist wirklich sinnvoll und welche kann ruhigen Gewissens ausgelassen werden? Was sind die Risiken und Nebenwirkungen? Dr. Martin Hirte, renommierter Kinderarzt, hat sein Standardwerk der Vor- und Nachteile des Impfens komplett überarbeitet. Auf dem aktuellen Stand der Forschung bietet dieser sachkundige Ratgeber einen umfassenden Überblick über jede einzelne Impfung und ermöglicht eine klare Orientierung bei der Impfentscheidung. Rundum informiert vom Impf-Experten Dr. Martin Hirte bietet mit der aktualisierten Neuausgabe seines umfangreichen Standardwerks "Impfen – Pro & Contra" eine fundierte Orientierungshilfe bei der individuellen Impf-Entscheidung. Er liefert die wichtigsten Informationen zu den Impfungen, der Pharmaindustrie, Zusammensetzung der Inhaltsstoffe sowie die Zulassung und Verabreichung von Impfstoffen. Er diskutiert die in Deutschland, Österreich und der Schweiz empfohlenen Impfungen sowie deren Nutzen und Risiken. Zusätzlich geht er auf die wichtigsten Reise-Impfungen ein. Unter diesen Gesichtspunkten werden unter anderem die Impfungen für Tetanus, Diphterie, FSME, HPV, Hepathitis, Masern, Mumps, Pneumokokken, Meningokokken, Röteln, Windpocken und COVID 19 besprochen. 

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 804

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Martin Hirte

Impfen Pro & Contra

Das Handbuch für die individuelle Impfentscheidung

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Die individuelle Impfentscheidung treffen – die Neuausgabe des Impf-Klassikers

Welche Impfung ist wirklich sinnvoll und welche kann ruhigen Gewissens ausgelassen werden? Was sind die Risiken und Nebenwirkungen? Dr. Martin Hirte, renommierter Kinderarzt, hat sein Standardwerk der Vor- und Nachteile des Impfens komplett überarbeitet. Auf dem aktuellen Stand der Forschung bietet dieser sachkundige Ratgeber einen umfassenden Überblick über jede einzelne Impfung und ermöglicht eine klare Orientierung bei der Impfentscheidung.

 

Rundum informiert vom Impf-Experten

Dr. Martin Hirte bietet mit der aktualisierten Neuausgabe seines umfangreichen Standardwerks »Impfen – Pro & Contra« eine fundierte Orientierungshilfe bei der individuellen Impf-Entscheidung. Er liefert die wichtigsten Informationen zu den Impfungen, der Pharmaindustrie, Zusammensetzung der Inhaltsstoffe sowie die Zulassung und Verabreichung von Impfstoffen. Er diskutiert die in Deutschland, Österreich und der Schweiz empfohlenen Impfungen sowie deren Nutzen und Risiken. Zusätzlich geht er auf die wichtigsten Reise-Impfungen ein. Unter diesen Gesichtspunkten werden unter anderem die Impfungen für Tetanus, Diphterie, FSME, HPV, Hepathitis, Masern, Mumps, Pneumokokken, Meningokokken, Röteln, Windpocken und COVID 19 besprochen.

 

Weitere Informationen finden Sie unter: www.droemer-knaur.de

Inhaltsübersicht

Impfungen allgemein

Krankheit und Prophylaxe

Die Geschichte des Impfens

Impfen: moralische Verpflichtung?

Impfpflicht?

Freie Impfentscheidung

Beratungspflicht

Die deutsche Impfkommission STIKO

Die Zulassung von Impfstoffen

Interessenkonflikte

Interessenkonflikte in der STIKO

Interessenkonflikte in Impfkommissionen anderswo

Interessenkonflikte in der WHO

Das Deutsche Grüne Kreuz

Die Situation der Impfärzte

Die Impfstoffhersteller

Duopolmarkt: Impfstoffe für Kinder und ihre Hersteller

Pharmaindustrie und Forschung

Interessengelenkte Impfforschung

Korruption in der Wissenschaft

Korrumpierte Fachzeitschriften

Unterschlagene Studien

Manipulierte Studien

Pharmaindustrie und Medizinbetrieb

Herstellung und Zusammensetzung von Impfstoffen

Totimpfstoffe

Problemfall Aluminium

Lebendimpfstoffe

Genetische Impfstoffe

Der Impfzeitpunkt

Die Unreife des Immunsystems

Unreife des Nervensystems

Die Impfung von Frühgeborenen

Wann impfen?

Impfabstände

Der Nutzen von Impfungen

Nebenwirkungen von Impfungen

Erforschung von Nebenwirkungen vor der Zulassung eines Impfstoffs

Erfassung von Nebenwirkungen nach der Zulassung

Meldepflicht von Verdachtsfällen einer Impfnebenwirkung

Meldestatistik von Impfnebenwirkungen

Impfreaktion, Impfkrankheit und Impfkomplikation

Impfschäden

Wahrscheinliche oder gesicherte Impffolgen

Fieber

Virusausscheidung

Akute allergische Reaktionen

Kreislaufkollaps (Synkope)

Krampfanfälle

Schrilles Schreien

Hypotone hyporesponsive Episode

Infektanfälligkeit

Entwicklungsstörungen

Allergische Erkrankungen

Autoimmunerkrankungen

Todesfälle

Impfkritik

Homöopathie und Impfungen

Anthroposophische Medizin und Impfungen

Aufklärung vor Impfungen

Kontraindikationen

Was tun bei Impfschadenverdacht?

Die individuelle Impfentscheidung aus Sicht des Arztes

Zusammenfassung

Referenzen

Die Impfungen im Einzelnen

Öffentlich empfohlene Impfungen

Rotavirus

Tetanus

Diphtherie

Polio

Keuchhusten

Hib

Hepatitis B

Pneumokokken

Meningokokken

Masern

Mumps

Röteln

Windpocken

HPV

FSME

Influenza

COVID-19

Respiratorisches Synzytial-Virus

Reiseimpfungen

Referenzen

Hepatitis A

Tollwut

Cholera

Gelbfieber

Typhus

Japanische Enzephalitis

Denguefieber

Malaria

Anhang

»Entscheidungsbaum Impfen« im ersten Lebensjahr

Auswahl von Impfstoffen für die individuelle Impfentscheidung

Tabelle 1: Einzelimpfstoffe (Totimpfstoffe)

Tabelle 2: Kombinationsimpfstoffe für Säuglinge und Kleinkinder

Tabelle 3: Kombinationsimpfstoffe mit Zulassung ab drittem bis sechsten Geburtstag (Totimpfstoffe)

Tabelle 4: Gehalt an Aluminium (Al3+) in Impfstoffen

Impfempfehlungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz

Deutsche Impfempfehlungen

Österreichischer Impfplan

Schweizerischer Impfplan

Impfalternativen

Tetanus

Diphtherie

Polio

Keuchhusten

Hib

Masern

Mumps

Röteln

Hepatitis B

Windpocken

Glossar

Impfungen allgemein

Krankheit und Prophylaxe

Mit der Geburt eines Kindes beginnt für Sie als Eltern ein Lebensabschnitt, in dem Sie plötzlich eine sehr große Verantwortung übernehmen müssen. Bisher gewohnt, allein für sich selbst zu sorgen, müssen Sie nun Entscheidungen treffen, bei denen es um das Leben und Wohlbefinden eines anderen Menschen geht, der völlig von Ihnen abhängig ist.

Unter anderem stellt sich die Frage nach dem Umgang mit Krankheiten. Die moderne Medizin erzeugt hier größte Erwartungen: Krankheiten sollen verhindert oder so schnell wie möglich beseitigt werden. Die Angst vor ansteckenden Krankheiten und das Verlangen nach größtmöglicher Sicherheit wurden während der Coronapandemie durch Politik und Medien massiv befördert. Das führte bis zur Umdeutung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit – ursprünglich ein Abwehrrecht gegen staatliche Übergriffe wie z.B. Folter oder menschenverachtende medizinische Experimente – zu einem Recht auf Gesundheit und langes Leben, unter Umständen auch auf Kosten der bürgerlichen Freiheiten.

Niemand wird sich der Verhütung oder Behandlung lebensbedrohlicher Erkrankungen entgegenstellen. Antibiotika und Impfungen sind und bleiben wichtige Instrumente zur Kontrolle gefährlicher Infektionskrankheiten. Doch das Konzept, Bakterien oder Viren grundsätzlich als Feinde zu betrachten, und die immer effizienteren Anstrengungen, sie mit Antibiotika, Virushemmern oder Impfungen zu bekämpfen, muss aus dem Blickwinkel einer ökologisch ausgerichteten und individuellen Medizin kritisch gesehen werden. Es könnte ein Grund dafür sein, dass die Häufigkeit chronischer Erkrankungen Jahr für Jahr zunimmt.

Der menschliche Organismus enthält 40 Billionen Bakterien (Mikrobiom) und zehnmal so viele Viren (Virom). Sie bilden ein komplexes, individuelles und sich ständig wandelndes Ökosystem, das bisher nur ansatzweise verstanden wird. Kinder mit ungezwungenem Kontakt zu anderen Menschen und zur Natur entwickeln ein robusteres Immunsystem als Kinder, die ständigen Hygienemaßnahmen ausgesetzt sind, früh und viel geimpft werden und häufig Antibiotika bekommen. Die Hygieneregeln während der Coronapandemie 2020/22 führten bei vielen Kindern zur Rückentwicklung des Mikrobioms und des Immunsystems, was heftige Krankheitswellen durch Erkältungs- und Magen-Darm-Viren zur Folge hatte (Hardtmuth 2021).

Impfen ist ein unantastbares Dogma geworden, und dies hat sich in der Coronapandemie verfestigt. Kein Impfwissenschaftler, der seiner Veröffentlichung nicht vorausschickt, dass es sich bei Impfungen um die wirksamsten und wichtigsten präventivmedizinischen Maßnahmen handelt. Durchimpfungsraten sind zu einem Maßstab für die Qualität von Gesundheitssystemen geworden. Erstaunlicherweise wissen wir jedoch noch wenig darüber, welchen Einfluss Impfungen auf die allgemeine Gesundheit haben und ob sie die Lebensqualität und Lebensdauer wirklich entscheidend steigern.

Bei medizinischen Maßnahmen, die massenhaft angewendet werden – und bei den meisten Impfungen ist das Ziel eine mindestens 95-prozentige Erfassung der gesamten Bevölkerung –, muss die langfristige Wirkung auf den Einzelnen und auf die Gemeinschaft, also die Nachhaltigkeit, besonders gut geprüft werden.

Das erste Gebot jeder ärztlichen Handlung ist der Leitsatz, der auf Hippokrates zurückgeführt wird: »Zuallererst: keinen Schaden zufügen« (»Primum nil nocere«).

Die Fähigkeit unseres Immunsystems, Krankheitserreger abzuwehren und Gesundheit zu erhalten, hat viel mit unserem Lebensstil zu tun. Auch die meisten chronischen Krankheiten sind durch unsere Lebensweise mitbedingt. Eine wichtige Aufgabe von uns Ärzten besteht darin, die Menschen zu einem gesunden Lebensstil zu befähigen und auch auf die dafür notwendigen gesellschaftlichen Bedingungen hinzuweisen.

Zur Gesundheit trägt bei, wenn wir den Selbstheilungskräften eine Chance geben und sparsam mit starken Medikamenten umgehen.

Zur Gesundheit tragen menschliche Beziehungen bei, indem wir miteinander sprechen, uns berühren, in den Arm nehmen.

Zur Gesundheit trägt gesunde Ernährung bei. Wir brauchen eine Umkehr bei der Produktion unserer Lebensmittel.

Zur Gesundheit trägt eine gesunde Umwelt bei: die Luft, die wir atmen; das Wasser, das wir trinken; die Kleidung, die wir tragen; der Boden, den wir nutzen.

Zur Gesundheit tragen menschenwürdige Arbeitsbedingungen und gerechte Löhne bei.

Zur Gesundheit trägt ein soziales Netz bei, das vor Armut schützt, auch im Alter. Wir brauchen eine Sozialpolitik, die diesen Namen wirklich verdient, und bezahlbare Wohnungen.

Zur Gesundheit trägt eine gerechte Gesellschaft bei, in der Gier und Machtstreben einer kleinen Gruppe von Egoisten kontrolliert werden.

Zur Gesundheit trägt ein weltweites solidarisches Zusammenleben bei, frei von Kriegen, Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Ausbeutung; fairer Handel ohne Kinderarbeit, keine Kriegstreibereien, keine Waffenexporte.

Die Geschichte des Impfens

Bereits um das Jahr 1000 n. Chr. hatte man in China herausgefunden, dass man nach überstandenen Pocken immun gegen die Erkrankung war. So wurden Kleinkinder künstlich mit Pocken infiziert, um sie im späteren Leben vor erneuter Ansteckung zu schützen. Die mit dieser Methode verbundenen hohen Risiken erschienen bei der damals sehr hohen Kindersterblichkeit erträglich.

Schriften aus dem 18. Jahrhundert belegen, dass diese Art Impfung auch in der arabischen Medizin bekannt war. Die Methode breitete sich nach Europa aus. Man ging dazu über, Pockenimpfstoff von besonders milden Pockenfällen zu isolieren, um möglichst wenig Schaden anzurichten (Variolation). Der Erfolg war jedoch gering, die Nebenwirkungen waren erschreckend.

Am 14. Mai 1796 führte in England Edward Jenner an einem Buben die erste Pockenimpfung durch, die aus dem Inhalt einer Kuhpocken-Pustel hergestellt war. Jenner hatte beobachtet, dass Menschen, die sich bei Kühen infiziert hatten, den Pocken gegenüber resistent waren. Sechs Wochen nach der Impfung des Buben infizierte er ihn mit echten Pocken – ein Versuch, der heute vor keiner Ethikkommission Bestand hätte – und hatte offensichtlich Immunität erzielt, denn der Junge erkrankte nicht.

Die Pockenimpfung blieb zunächst umstritten, denn der Impfstoff war nicht standardisiert und hatte nur eine geringe Schutzwirkung (erst der im 20. Jahrhundert eingeführte gefriergetrocknete Impfstoff zeigte bessere Impferfolge). Da die Pockenerkrankung jedoch weiterhin grassierte und Zigtausende von Menschenleben forderte, wurde ab Anfang des 19. Jahrhunderts in den westlichen Ländern nach und nach die Pockenimpfung eingeführt. Am 8. April 1874 erklärte die deutsche Regierung durch das Reichsimpfgesetz die Pockenschutzimpfung zur Pflichtimpfung. Gleichzeitig wurde die Entschädigung für Bürger garantiert, die durch die Impfung gesundheitlich beeinträchtigt wurden. Einer von 16000 erlitt nämlich schwere Nebenwirkungen, vor allem die gefürchtete Impfenzephalitis mit Todesfolge oder schwerer körperlicher und geistiger Behinderung (ÄZ2005).

Ende des 19. Jahrhunderts wurde aufgrund der Arbeiten von Louis Pasteur (1822–1895), der Mikroben als Ursache von Krankheiten identifiziert hatte, die Entwicklung von Impfstoffen vorangetrieben. Er hatte unter anderem die Erreger der Geflügelcholera untersucht und dabei entdeckt, dass Erreger, die mehrere Wochen im Labor »vergessen« worden waren, abgeschwächt waren und nicht mehr krank machten. Die damit infizierten Hühner waren sogar vor einer späteren Choleraerkrankung geschützt. Pasteur entwickelte immunologische Modelle zur Funktion von Impfungen und erste Verfahren zur Impfstoffherstellung. Er schuf in Anlehnung an die Kuhpocken auch den Begriff »Vakzination« (vom lateinischen Wort vacca [»Kuh«]) für die Impfung mit lebenden oder toten Erregern. Das deutsche Wort »Impfung« stammt aus dem Gartenbau und leitet sich vom lateinischen imputare und griechischen emphyteúein ab, was »einpflanzen, pfropfen« bedeutet.

Die zunächst entwickelten Impfstoffe waren gegen die großen Seuchen gerichtet: Pocken (1798), Tollwut (1885), Pest (1897), Diphtherie (1925), Tuberkulose (1927), Wundstarrkrampf (1927) und Gelbfieber (1937). Bereits 1926 gab es auch erste Versuche mit einer Keuchhustenimpfung. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg konnten aufgrund der wissenschaftlichen Fortschritte weitere Impfstoffe, nun auch gegen Viruserkrankungen, entwickelt werden: Kinderlähmung (Totimpfstoff 1955, Lebendimpfstoff 1962), Masern (1964), Mumps (1967), Röteln (1970) und Hepatitis B (1981).

Die ersten Impfstoffe waren nach heutigen Kriterien schlecht gereinigt und hatten sehr viele Nebenwirkungen. Bis zum Zweiten Weltkrieg waren Impfungen zudem nur für die besser gestellten Bevölkerungsanteile in den westlichen Industrieländern zugänglich. Die Erkrankungszahlen etwa an Tetanus gingen daher kaum zurück.

In den Fünfziger- und Sechzigerjahren wurden die ersten großflächigen Impfkampagnen gestartet: In Europa und den USA wurde die Polio-Schluckimpfung in allen Bevölkerungsschichten propagiert (»Schluckimpfung ist süß – Kinderlähmung ist bitter«), was zu einem dramatischen Rückgang der Erkrankungszahlen führte.

Ab 1967 rief die Weltgesundheitsorganisation WHO erstmalig zu dem Versuch auf, eine Krankheit weltweit auszurotten: die Pocken. In allen Ländern warb man für die Pockenimpfung, unter ständiger Überwachung von Durchimpfungs- und Erkrankungszahlen. Letztlich brachte jedoch erst die konsequente Isolierung der Erkrankten und ihrer Kontaktpersonen den Durchbruch. Im Jahr 1980 erklärte die WHO die Erde als pockenfrei, 1982 wurde in Deutschland die Impfpflicht gegen Pocken aufgehoben. Ob die Pocken damit endgültig besiegt sind, ist unsicher: Es gibt noch militärische Vorräte von Pockenviren und die Möglichkeit der Wiederbelebung des Virus aus kommerziell erhältlichen Erbgutschnipseln.

Ab dem Jahr 1974 startete die WHO weitere weltweite Impfprogramme, die »Expanded programs on immunization«. Bis dahin waren weniger als fünf Prozent der Kinder in den ärmeren Ländern der Welt geimpft worden. Nun sollten die Kinder in allen Ländern der Welt gegen Tuberkulose, Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Kinderlähmung und Masern immunisiert werden. Seit den Neunzigerjahren kamen dazu noch die Impfungen gegen Hepatitis A und B, Pneumokokken, Hib, Mumps, Röteln, Windpocken und in betroffenen Ländern die Impfung gegen Gelbfieber.

Ein wichtiger Erfolg dieser Impfprogramme war das Verschwinden der Kinderlähmung in der westlichen Hemisphäre in den 1990er-Jahren. Die Krankheit ist heute nur noch in wenigen Ländern der Welt heimisch, bei jährlich nur noch wenigen gemeldeten Fällen. Auch der Rückgang weiterer Erkrankungen wie Diphtherie, Hib, Masern und Röteln ist in erster Linie auf die Impfungen gegen diese Krankheiten zurückzuführen.

Die Gefährlichkeit der meisten Erkrankungen, ablesbar an den Todesfallstatistiken, war allerdings schon vor Beginn der großen Impfprogramme rückläufig. Hierzu trug vor allem der steigende Lebensstandard bei: bessere Wohnverhältnisse, bessere Ernährung, sauberes Trinkwasser, weniger Existenzängste.

Todesfälle durch klassische Seuchen wie Diphtherie oder Masern sind in den reichen Ländern des Nordens eine extreme Rarität. Der Großteil der Infektionskrankheiten hat heute für den Einzelnen kaum noch eine Bedeutung. Beflügelt durch diese Erfolge, hat sich die WHO die Ausrottung von Polio, Masern und Hepatitis B zum Ziel gesetzt.

Weltweite Impfprogramme zur Ausrottung von Krankheiten entwickeln eine enorme Eigendynamik, da sie nur dann erfolgreich sein können, wenn ein Großteil der Bevölkerung – in der Regel mehr als 95 Prozent – möglichst früh im Leben daran teilnimmt. Der Verfassungsrechtler Prof.Dr. Rüdiger Zuck sieht das Selbstbestimmungsrecht im Impfbereich gefährdet, weil »das Allgemeininteresse an einer hohen Durchimpfungsrate bis zur Grenze jeglicher Abwägungsresistenz in den Vordergrund gerückt worden ist« (Zuck 2011).

Medienberichte und Broschüren zum Impfthema stellen einseitig die Gefahren von Krankheiten und den Nutzen von Impfungen in den Vordergrund. Wie erfolgreich diese Strategie ist, zeigt eine Studie, in der die subjektive Wahrnehmung von Gefahren und das tatsächliche Risiko miteinander verglichen wurden (Höppe 2005). In dieser Studie setzten Eltern die Gefahren von Zeckenbissen auf Rang 2, von Meningitis auf Rang 4, von Kinderkrankheiten auf Rang 6 und von Hepatitis auf Rang 7 – Risiken, die in der Impfpropaganda eine große Rolle spielen. Experten gaben den entsprechenden Risiken lediglich die Ränge 19, 20, 29, 36 auf der Risikoskala.

Die häufigsten Todesursachen bei Kindern und Jugendlichen sind Unfälle, Gewalt und Suizid mit über 1000 Todesfällen pro Jahr.

Die wesentlichen Ursachen für die Säuglingssterblichkeit in den reicheren Ländern liegen in der Neugeborenenperiode: Geburtskomplikationen, Frühgeburtlichkeit, angeborene Fehlbildungen, plötzlicher Kindestod oder bakterielle Infektionen. Die Rate der Todesfälle im Säuglingsalter, die durch weitere Impfprogramme oder neue Impfungen verhütet werden kann, macht weniger als 0,005 Prozent aus. Amerikanische Forscher stellen die kontinuierliche Ausweitung der Impfempfehlungen am Beispiel der Meningokokkenimpfung infrage:

»Die geringe Zahl von Todesfällen in den USA, die durch Impfungen verhütet werden kann, macht es schwierig, die Einführung immer neuer Impfungen bei Säuglingen zu rechtfertigen … Wir müssen feststellen, dass es irgendwann einfach zu teuer wird, für einen immer geringeren Ertrag immer kostspieligere Interventionen/Behandlungen einzuführen; es muss einen Haltepunkt geben, der unsere Werte und Ressourcen widerspiegelt. Derzeit haben wir keine einheitlichen Standards, die definieren, wo dieser Punkt liegt. Ihn festzulegen muss damit beginnen, dass wir diese Frage ehrlich und leidenschaftslos angehen und eine offene, transparente und nachhaltige Debatte mit einem breiten Spektrum von Akteuren führen, unter anderem mit Kinderärzten, Patientengruppen und politischen Entscheidungsträgern« (Gill 2017).

Impfen: moralische Verpflichtung?

Ein häufig vorgetragenes Argument für Impfungen ist der »Herdenschutz« oder auch »Gemeinschaftsschutz«. Das bedeutet, dass durch die Impfung eines Großteils der Bevölkerung der entsprechende Krankheitserreger seltener wird oder verschwindet und damit auch für die Ungeimpften die Erkrankungswahrscheinlichkeit sinkt.

Mit dem Argument des Herdenschutzes wird versucht, Druck in Richtung Impfung auszuüben. Manche Medizinethiker argumentieren, der Herdenschutz, den eine hohe Impfrate gewährt, stelle ein öffentliches Gut dar, an dem jeder teilhat; das führe aber auch zur moralischen Verpflichtung, zu diesem Gut beizutragen und sich selbst oder seine Kinder impfen zu lassen.

Ein Herdenschutz tritt jedoch nur dann ein, wenn die Impfung nicht nur die betreffende Krankheit verhindert, sondern auch deren Übertragung. Dazu sind die meisten Impfungen nicht in der Lage:

Manche Impfstoffe zielen nicht auf den Erreger, sondern nur auf deren Gifte (Tetanus, Diphtherie),

manche wirken nicht oder nicht ausreichend auf die Schleimhäute (Polio-Totimpfstoff, Keuchhusten, COVID-19),

manche verlieren mit der Zeit ihre Wirkung (Masern, Mumps, Windpocken, Pneumokokken, Meningokokken, COVID-19),

manche werden nur durch sehr engen Kontakt wie z.B. Geschlechtsverkehr übertragen (Hepatitis B).

Eine Herdenimmunität wird durch die Impfungen gegen Masern, Röteln und Haemophilus influenzae B (Hib) erzeugt. Bei diesen Impfungen ist ein Appell an die Verantwortung für die Gemeinschaft gerechtfertigt. Alle anderen Impfungen haben eine Bedeutung nur für die Geimpften selbst und allenfalls ihre Partner (Hepatitis B).

Es gibt nicht nur Impfen oder Nicht-Impfen. Will man eine informierte Entscheidung treffen, ist jede einzelne Impfung gesondert zu betrachten. Der Harvard-Epidemiologe Martin Kulldorf schreibt: »Impfstoffe sind nicht alle gut oder schlecht. Einige sind extrem wichtig, andere sind fragwürdig, und einige sind gut für die einen, aber schädlich für die anderen. Als Experte für Impfstoffsicherheit bin ich der Meinung, dass wir eine differenzierte Debatte brauchen« (Kulldorf 2023).

Impfpflicht?

Spätestens seit der Verabschiedung des Patientenrechtegesetzes im Jahr 2013 ist klar: Ohne Aufklärung und freiwillige Zustimmung darf kein medizinischer Eingriff durchgeführt werden, also auch keine Impfung. Impfwillige müssen differenziert über jede Impfung informiert werden, einschließlich der Offenlegung von Risiken und ungeklärten Fragen.

Eine staatlich verordnete Impfpflicht steht dem legitimen Anspruch auf eine selbstbestimmte informierte Entscheidung entgegen. Niemand darf gegen seinen Willen zum Mittel für bestimmte Zwecke gemacht werden. Niemand darf medikamentösen Maßnahmen unterworfen werden, die gesundheitliche Schäden oder Todesfälle verursachen können.

David Sackett, einer der Pioniere der beweisgestützten Medizin (»evidence-based medicine«, EBM) schrieb 2002: »Die Präventivmedizin weist alle drei Elemente von Arroganz auf. Erstens ist sie aggressiv, verfolgt symptomlose Menschen und sagt ihnen, was sie tun müssen, um gesund zu bleiben. Gelegentlich beruft sie sich auf die Kraft von Gesetzen (Impfungen, Sicherheitsgurte) und schreibt einzelnen Patienten oder der gesamten Bevölkerung jeden Alters und jeder Lebensphase etwas vor. Zweitens ist die Präventivmedizin überheblich, da sie davon überzeugt ist, dass die von ihr befürworteten Maßnahmen denjenigen, die sie annehmen und befolgen, im Durchschnitt mehr nützen als schaden werden. Und schließlich ist die Präventivmedizin anmaßend und greift diejenigen an, die den Wert ihrer Empfehlungen in Frage stellen« (Sackett 2002).

Im Zusammenhang mit der Coronapandemie wurde im Frühjahr 2022 intensiv über eine Impfpflicht debattiert. Hauptargumente der Befürworter waren die angebliche Überlastung des Gesundheitssystems und die mögliche Herbeiführung eines Herdenschutzes. Weder traf indes das eine zu, noch war das andere erreichbar. Der Londoner Jurist Kai Möller gab zu bedenken: »Die absolut geschützte, in der Menschenwürdegarantie verankerte Patientenautonomie wäre unter Dauerfeuer, wenn Engpässe im Gesundheitssystem die Rechtfertigung dafür liefern könnten, Menschen gegen ihren Willen und unter Straf- oder Bußgeldandrohung zu einer medizinischen Behandlung zu verpflichten« (Möller 2022).

Die Entscheidung für oder gegen eine Impfung betrifft den innersten Kern der Persönlichkeit. Sie ist eine Abwägungsentscheidung zwischen den Gefahren der jeweiligen Krankheit und Nutzen und Risiken der dagegen gerichteten Impfung. Der Jurist Volker Boehme-Neßler nahm in seinem Gutachten zur COVID-19-Impfpflicht folgendermaßen Stellung: »Durch eine Impfpflicht nimmt der Staat den Bürgerinnen und Bürgern diese hochkomplexe, riskante und sehr intime Entscheidung ab. Aus selbstbestimmten Bürgern und Bürgerinnen werden Objekte des staatlichen Handelns. Das verstößt gegen die Menschenwürdegarantie der Verfassung. Sie verlangt, dass der Staat Menschen niemals als Objekte behandelt, immer als selbstbestimmte Subjekte« (Boehme-Neßler 2022).

Von Impfpflicht-Befürwortern wird immer wieder auch eine angebliche »Impfmüdigkeit« als Argument angeführt – eine Behauptung, die durch die ständig wachsende Zahl geimpfter Kinder widerlegt wird. Die Impfraten liegen in Deutschland seit Jahren höher als in vielen anderen EU-Ländern, selbst in Ländern mit Impfpflicht. Schon vor dem »Masernschutzgesetz« waren in Deutschland 97 Prozent aller Vorschulkinder gegen Masern geimpft. Eine akute Bedrohungslage gab es zu keinem Zeitpunkt.

Dennoch wurde die Impfung in Deutschland 2020 gesetzlich vorgeschrieben – ganz offensichtlich politischer Aktionismus und Wichtigtuerei. Verletzt werden unter anderem das Elternrecht, die Gleichheitsrechte von Eltern und Kindern und die Berufsfreiheit und Gleichheitsrechte von Ärztinnen und Ärzten (Rixen 2019). Klagen gegen dieses »Masernschutzgesetz« wurden 2022 vom Bundesverfassungsgericht zurückgewiesen (BVG2022). Eine Ausweitung von Pflichtimpfungen ist damit zu befürchten.

Eine Impfpflicht greift erheblich in die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen und das Grundrecht gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1GG ein: »Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich.«

Die zur Durchsetzung einer Impfpflicht diskutierten Sanktionen – Kindergartenausschluss, Sorgerechtsentzug, Geldstrafen, Beugehaft, Zwangsvollstreckung – führen zu Zweifeln und Widerstand in Teilen der Bevölkerung. Das Vertrauen in das öffentliche Gesundheitswesen wird nachhaltig gestört. Der Staat gerät in Verdacht, die kommerziellen Interessen der Pharmaindustrie zu bedienen. »Wenn die Wissenschaft dem Staat dient und der Staat der Unternehmenswelt, dann werden alle korrupt, und die Gesellschaft rückt einen Schritt näher an die Wiederkehr der dunkelsten Zeiten der Medizin« (Rawlinson 2017).

Die kontinuierlichen Ausweitungen und Verschärfungen des Infektionsschutzgesetzes und die Zwangsmaßnahmen während der Coronapandemie offenbarten, wie wenig die Selbstbestimmung über die eigene Gesundheit und den eigenen Körper respektiert wird, wenn erst einmal der Anspruch erhoben wird, dass sich niemand mehr ansteckt und niemand mehr stirbt. Es droht ein totalitärer, technokratischer Gesundheits- und Hygienestaat mit Impfpflichten, Maskenpflichten, Isolationsmaßnahmen und weiteren Einschränkungen. Chinas letztlich gescheiterte Zero-COVID-Politik war ein warnendes Beispiel.

Impfpflicht ist ein (bio)politisches Instrument von Macht und Kontrolle über den physischen Leib der Bürger, eine Art staatlich organisierte Körperverletzung. In Anlehnung an die Menschenrechte wird ein Menschenrecht auf Gesundheit konstruiert, das keiner ernsthaften ethischen, philosophischen oder juristischen Prüfung standhält.

Das Impfdogma mit dem Bestreben nach Zwangsimpfungen ist jedoch nicht nur potenziell gewaltsam, sondern auch wissenschaftsfeindlich, denn es gefährdet eines der Grundprinzipien der freien Wissenschaft: die Möglichkeit, die jeweils herrschende Lehrmeinung infrage zu stellen. In Italien werden seit Einführung der Impfpflicht 2017 impfkritische Ärzte und Politiker mit Redeverboten belegt, und jede demokratische Debatte über das Thema Impfungen wird unterbunden. Italien war 2021 auch das erste europäische Land, das eine COVID-19-Impfplicht für alle über 50-jährigen Bürger einführte.

Viele Eltern sind misstrauisch angesichts der Verschärfung der Impfdebatte, der paternalistischen Haltung vieler Ärzte und der Drohkulisse verpflichtender Impfungen. Wird der Druck noch weiter erhöht, werden sich viele aus der kinderärztlichen Versorgung verabschieden1.

Weder die Weltgesundheitsorganisation noch das Europäische Zentrum für die Prävention ECDC befürworten obligatorische Impfprogramme. Sie seien schwer durchzusetzen, sie polarisieren und könnten dazu führen, dass immer mehr Menschen Ausnahmegenehmigungen fordern. Es gebe in Europa nirgendwo einen erkennbaren Zusammenhang zwischen Impfzwang und höheren Impfraten. Es müsse hingegen mehr getan werden, um die Immunisierungslücken bei Jugendlichen und Erwachsenen zu schließen (Arie 2017).

Eine Impfpflicht ist nicht nur totalitär, sondern auch überflüssig, denn wenn bei einer hochgefährlichen Infektionskrankheit erhebliche Schäden und/oder eine Überlastung des Gesundheitssystems drohen, und wenn in einer solchen Situation gut wirksame und nebenwirkungsarme Impfstoffe zur Verfügung stehen, dann wird die Akzeptanz ausreichend hoch sein.

Eine gewisse Mitwirkungspflicht bezüglich Impfungen gibt es in Deutschland bei Bewerbern um einen Arbeitsplatz, bei dem immungeschwächte Patienten (Krebspatienten, Frühgeborene) durch Infektionskrankheiten gefährdet werden könnten. Hierzu zählen Masern, Mumps, Röteln, Windpocken, Keuchhusten und neuerdings auch COVID-19. Nach Paragraf 23a des deutschen Infektionsschutzgesetzes darf der Arbeitgeber in diesen Fällen Daten des Bewerbers über dessen Impf- und Antikörperstatus erheben, »um über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder über die Art und Weise einer Beschäftigung zu entscheiden«. Der Bewerber oder Arbeitnehmer kann zwar nicht gezwungen werden, seine Daten herauszugeben, aber es bleibt offen, welche Konsequenzen der Arbeitgeber daraus zieht (DÄ 2016).

Freie Impfentscheidung

Die Impfentscheidung ist – bei all den Unsicherheiten, die in diesem Bereich vorhanden sind und immer sein werden – letztlich eine individuelle und zum Teil auch intuitive Entscheidung. Sie ist von einem rationalen, wissenschaftlichen Standpunkt aus nur bedingt angreifbar. Wichtige Fragen wie die positiven Auswirkungen mancher Krankheiten auf das Immunsystem sowie mögliche langfristige Nebenwirkungen und die Nachhaltigkeit vieler Impfungen sind nicht untersucht.

Selbst wenn man die Risiken von Krankheit oder Impfung exakt beziffern könnte – umfassende und korrekte Erhebungen vorausgesetzt –, wäre noch nichts über die konkrete Gefährdung des Einzelnen ausgesagt. Zwar drohen auch durch bestimmte Krankheiten körperliche Schäden, Behinderungen oder im Extremfall sogar der Tod. Ein Kind könnte aber auch durch eine Impfung schlimmstenfalls zu Schaden kommen oder durch die Verhinderung bestimmter Krankheiten den Vorteil verlieren, den diese auf die langfristige Gesundheit ausüben.

Die Entscheidung, ob man Absichten wie Krankheitsausrottung und Kostenvermeidung mittragen will, muss jeder mit seinem Gewissen vereinbaren.

Die Selbstbestimmung über die Gesundheit ist eines der Ziele der WHO, die dem Spannungsfeld zwischen Staat und Individuum Rechnung trägt: »Die Menschen sind zu befähigen, dass sie die Verantwortung für ihre eigene Gesundheit übernehmen können« (WHO2015).

In Artikel 6 der Allgemeinen Erklärung über Bioethik und Menschenrechte, am 19. Oktober 2005 einstimmig von der UNESCO-Generalkonferenz angenommen, heißt es:

»Jede präventive, diagnostische und therapeutische medizinische Intervention hat nur mit vorheriger, freier und nach Aufklärung erteilter Einwilligung der betroffenen Person auf der Grundlage angemessener Informationen zu erfolgen« (UNESCO2005).

Auch der Verfassungsrechtler Prof.Dr. Zuck betont das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen und sieht es durch die Voreingenommenheit der Behörden gefährdet:

»Wenn niemand zum Objekt staatlicher Gewalt gemacht werden darf, dann schließt das auch die Befugnis des Einzelnen ein, in Freiheit sich selbst zu bestimmen … Erforderlich ist die Wiederbelebung des Gleichrangs öffentlicher Interessen mit den berührten Individualinteressen. Das setzt Aufklärung voraus, die den Schutzbedarf des Einzelnen wirklich ernst nimmt« (Zuck 2011).

Die Impfempfehlungen sind Ratschläge, die man beherzigen kann, aber nicht muss. Die Entscheidung für oder gegen Impfungen liegt beim Einzelnen, im Fall von Kindern bei ihren Eltern2. Die Gesundheitsbehörden und Ärzte können und dürfen dieser Entscheidung mit Rat und wahrheitsgetreuen Argumenten zur Seite stehen. Will man Impfprogramme durchführen, ist Überzeugungsarbeit gefragt.

Die Vereine »Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung e.V.«3 und »Initiative freie Impfentscheidung e.V.«4 engagieren sich für den Erhalt der freien individuellen Impfentscheidung nach differenzierter, umfassender und ergebnisoffener ärztlicher Beratung.

Beide Vereine fordern umfassende und unabhängige Untersuchungen zu Sicherheit und Nachhaltigkeit von Schutzimpfungen und Impfprogrammen und die freie und öffentliche Diskussion der entsprechenden Forschungsergebnisse. Auf den Websites können aktuelle Informationen zum Thema Impfen abgerufen werden. Ärzte und Laien, die diese Ziele unterstützen wollen, sollten sich diesen Initiativen anschließen.

Beratungspflicht

In Deutschland gibt es seit 2015 eine Impfberatungspflicht für Eltern vor Aufnahme ihrer Kinder in Gemeinschaftseinrichtungen (Paragraf 34 Abs. 10a neu IfSG). Sie sieht vor, dass Eltern einen Nachweis bei der Leitung der Einrichtung vorlegen, dass eine Impfberatung stattfand. Wenn das nicht geschieht, kann die Einrichtung das Gesundheitsamt informieren, ist aber nicht dazu verpflichtet.

Die deutsche Impfkommission STIKO

In Deutschland waren die Impfempfehlungen ursprünglich Sache der Bundesländer, wodurch die Impfpläne innerhalb der Bundesrepublik sehr unterschiedlich ausfielen. Das Bundesseuchengesetz legte 1961 jedoch eine Entschädigungspflicht der Bundesländer für Impfschäden durch öffentlich empfohlene Impfungen fest. Die Länder sahen sich somit genötigt, ihre Empfehlungen besser abzusichern und zu vereinheitlichen.

Daher wurde 1972 die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut ins Leben gerufen. Das Robert Koch-Institut ist Leitinstitut für die Erkennung, Überwachung und Verhütung von Infektionskrankheiten und zentrale Forschungseinrichtung des Bundesministeriums für Gesundheit, vor allem auf dem Gebiet der Infektionskrankheiten. Auf der Website des Instituts5 finden sich die Beschreibungen aller meldepflichtigen Infektionskrankheiten und in den Infektionsepidemiologischen Jahrbüchern die Meldezahlen der vergangenen Jahre. Wochenaktuell werden die Meldezahlen in den epidemiologischen Bulletins veröffentlicht. Einen weiteren Zugang zu den Meldungen bietet das RKI über SurvStat@RKI6, eine webbasierte Schnittstelle zu den Meldedaten, die allerdings schwierig zu handhaben ist.

1991 beschloss die Konferenz der Gesundheitsminister, dass die Empfehlungen der STIKO künftig die Grundlage für die öffentlichen Impfempfehlungen der Länder bilden. Dies ist auch im Infektionsschutzgesetz so festgelegt, das in den Paragrafen 20 bis 23 den Impfbereich gesetzlich regelt.

Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt für die ersten zwei Lebensjahre, beginnend mit dem Alter von acht Wochen, einen umfangreichen Impfkalender mit derzeit (2022) 13 Impfstoffen, die in bestimmten Abständen und Kombinationen mehrfach verabreicht werden sollen (die aktuellen Impfempfehlungen finden sich im Anhang dieses Buches). In den ersten beiden Lebensjahren summiert sich das auf 32 bis 33 Einzelimpfstoffe. Ähnliche Impfpläne gibt es in der Schweiz7 und in Österreich8 (siehe Anhang).

Die öffentliche Empfehlung einer Impfung erfolgt durch die Bekanntmachung in den amtlichen Mitteilungsblättern der zuständigen Landesgesundheitsbehörden, auf der Homepage des Robert Koch-Instituts9 sowie in der medizinischen Fachpresse.

Seit der Gesundheitsreform 2011 sind die gesetzlichen Kassen zur Kostenübernahme aller von der STIKO empfohlenen Impfungen verpflichtet. Welche geballten finanziellen Interessen auf das öffentliche Impfwesen einwirken, zeigt die Tatsache, dass Impfstoffe durch die erweiterten Impfempfehlungen der letzten Jahre zur umsatzstärksten Präparategruppe auf dem deutschen Arzneimittelmarkt geworden sind. Der Staat verdient mit, indem er 19 Prozent Mehrwertsteuer auf Impfstoffe erhebt, und unterliegt dadurch einem pikanten Interessenkonflikt.

Die STIKO-Empfehlungen dienen im Fall von haftungsrechtlichen Ansprüchen Impfgeschädigter als »vorweggenommenes wissenschaftliches Gutachten« und begründen im Schadensfall auch einen Versorgungsanspruch an den Staat (Staatshaftung). Voraussetzung ist allerdings, dass ein vom Paul-Ehrlich-Institut in Langen zugelassener Impfstoff verwendet wurde.

In der STIKO befinden sich derzeit (2022) siebzehn Fachleute: Kliniker und Wissenschaftler aus Mikrobiologie und Immunologie – meist Professoren medizinischer Fakultäten – sowie Vertreter des öffentlichen Gesundheitsdienstes und der niedergelassenen Ärzte. Die Berufung der STIKO-Mitglieder erfolgt durch das »Bundesministerium für Gesundheit im Benehmen mit den obersten Landesgesundheitsbehörden« (IfSG § 20,2) für jeweils drei Jahre, wobei die Berufungskriterien im Dunkeln bleiben. Friedrich Hofmann, STIKO-Vorsitzender seit 2007, legte sein Amt im Frühjahr 2011 unter anderem wegen fehlender Transparenz bei der Berufung von STIKO-Mitgliedern nieder.

Alle STIKO-Mitglieder arbeiten ehrenamtlich, die Aufwandsentschädigungen sind gering. Die geringen personellen und finanziellen Ressourcen verhindern, dass ältere Impfempfehlungen überprüft werden. Dringend müssten beispielsweise Impfempfehlungen aus der Zeit, als die STIKO mit Pharmalobbyisten durchsetzt war, auf ihr Nutzen-Risiko-Verhältnis untersucht werden (1995–2013: Hepatitis B für Kinder, Windpocken, Pneumokokken, Meningokokken C, Rotaviren, HPV).

Kritik an den STIKO-Empfehlungen kommt vor allem aus der verfassungsrechtlichen Perspektive. Sie hätten eine vorrangig gesundheitspolitische Zielsetzung und vernachlässigten, dass zum Erreichen dieser Ziele die Gesundheit des Impflings eingesetzt werden muss. Impfnebenwirkungen würden weitgehend ausgeklammert, Impfkomplikationen als selten relativiert. Damit werde übersehen, dass für den Betroffenen auch seltene Risiken relevant sind. Die Impfempfehlungen erlaubten daher »keinen sachgerechten Abwägungsvorgang« und würden der gesetzlichen Informationspflicht des Staates in verfassungswidriger Weise nicht gerecht (Zuck 2017). Für den Betroffenen genüge der Hinweis, sein eigener Tod oder eine dauerhafte gravierende Gesundheitsbeschädigung sei ein seltenes Ereignis, nicht.

Der Kinderarzt Stefan Nolte schrieb: »Ziel des öffentlichen Gesundheitswesens und seiner Ausführungsorgane, in diesem Fall auch der niedergelassenen Ärzte, darf es nicht sein, Menschen zu Impfungen zu überreden und zu bedrängen, sondern für die größtmögliche Wirksamkeit und Sicherheit der Impfstoffe zu sorgen und durch rechtzeitige und umfassende Information über Nutzen und Risiken der Impfungen Überzeugungsarbeit für Impfungen zu leisten. Die pauschalen Impfempfehlungen der STIKO, die ein individuelles Impfvorgehen ausdrücklich nicht vorsehen, sollten hinterfragt und ausgedünnt werden« (Nolte 2015).

Die STIKO überarbeitete erst 2018 mit Unterstützung des Zentrums Cochrane Deutschland ihr methodisches Verfahren (STIKO2018). Sie befolgt nun Standards der evidenzbasierten Medizin einschließlich des GRADE-Systems, eines besonderen Verfahrens zur Berücksichtigung der Qualität von Evidenz. Neue wissenschaftliche Bewertungen einzelner Impfungen sind online abrufbar.

Dass die Impfempfehlungen jedoch nicht ausschließlich wissenschaftlich begründet sind, sondern auch politischem Druck gehorchen, zeigten die Vorgänge um die Empfehlungen zur COVID-19-Impfung von Kindern und Jugendlichen (ÄZ2021).

Die Zulassung von Impfstoffen

In Deutschland werden Impfstoffe durch das Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel Paul-Ehrlich-Institut zugelassen, geprüft und für den Handel freigegeben. Die Finanzierung dieser Einrichtung erfolgt aus Steuermitteln.

In Österreich wird die Zulassung durch das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen BASG/AGES Medizinmarktaufsicht erteilt. Sie finanziert sich vor allem über Gebühren der Unternehmen für Zulassungs- oder Änderungsanträge.

Die Schweizerische Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Heilmittel Swissmedic finanziert sich zu vier Fünfteln über Gebühren der Antragsteller und über eine Umsatzbeteiligung an den von ihr zugelassenen Medikamenten.

Auf Ebene der Europäischen Union ist die EMA (European Medicines Agency) zuständig für Impfstoffzulassungen. Zwingend vorgeschrieben ist die europäische Zulassung für Impfstoffe, die gentechnologisch hergestellt sind.

In vielen westlichen Ländern erwirtschaften die Zulassungsbehörden einen Großteil ihres Budgets durch Gebühren, die sie von der pharmazeutischen Industrie erhalten: in den USA65 Prozent, in Europa 89 Prozent und in Australien 96 Prozent. Zusätzliche Einnahmen werden durch »beschleunigte Zulassungsverfahren« generiert, die in Europa inzwischen 50 Prozent aller Neuzulassungen ausmachen. Die Industrienähe der Behörden hat einen »Drehtüreffekt« zur Folge, durch den viele Beamte nach ihrer Pensionierung für die gleichen Unternehmen arbeiten, die sie vorher reguliert haben (Demasi 2022).

Zulassungsbehörden unterliegen einem starken Druck vonseiten der Hersteller, denn die wollen ihre Entwicklungskosten möglichst schnell amortisieren und ziehen alle juristischen und politischen Register, wenn einem Produkt die Zulassung versagt wird. Behörden, die sich über Gebühren der Antragsteller finanzieren, stehen in einem erheblichen Interessenkonflikt, denn sie werden von den Firmen alimentiert, deren Produkte sie beurteilen sollen.

Die Zulassungsbehörden arbeiten quasi als Dienstleistungsbetriebe für die Pharmaindustrie.

In einem Beitrag des British Medical Journal zur »Illusion der evidenzbasierten Medizin« hieß es: »Die Regulierungsbehörden werden von der Industrie finanziert und verwenden von der Industrie finanzierte und durchgeführte Studien, um Arzneimittel zuzulassen, ohne in den meisten Fällen die Rohdaten zu sehen. Welches Vertrauen haben wir in ein System, in dem es Arzneimittelherstellern erlaubt ist, ihre eigenen Hausaufgaben zu machen, anstatt ihre Produkte von unabhängigen Experten im Rahmen eines öffentlichen Regulierungssystems testen zu lassen?« (Jureidini 2022).

Da sich Hersteller in Europa die Zulassungsbehörde aussuchen können, bei der sie sich die besten Chancen ausrechnen, stehen die nationalen Zulassungsbehörden der EU-Länder untereinander in starker Konkurrenz. Sie verlangen keine Arzneimitteltests durch unabhängige Untersucher, sondern verlassen sich einzig und allein auf Studien der Hersteller ohne klare Kriterien für die Prüfung der Sicherheit.

Wenn doch einmal ein Arzneimittel unter Verdacht gerät, schwerwiegende Nebenwirkungen hervorzurufen, wird der Hersteller lediglich aufgefordert, neue Belege für die Sicherheit des Arzneimittels beizubringen. »Dies ist so ähnlich, als ob der Richter den Angeklagten mit einer ergänzenden Spurensicherung am Tatort beauftragen würde. Natürlich fallen die so gesammelten Belege günstiger für das Präparat aus, als wenn sie von einer unabhängigen Stelle kommen würden« (Sawicki 2013).

Immer wieder kommt es vor, dass Zulassungen erst dann widerrufen werden, wenn schon viele Patienten zu Schaden gekommen sind. Im Oktober 2009 ließ die EMA den Impfstoff Pandemrix gegen die Schweinegrippe im Eilverfahren zu, obwohl er kaum auf Nebenwirkungen untersucht worden war. Die Massenimpfung mit Pandemrix führte letztendlich zu Hunderten von Erkrankungen an der schweren und unheilbaren neurologischen Störung Narkolepsie. Die EMA sah sich gezwungen, die Zulassung nachträglich einzuschränken (DÄ2011a).

Die bedingten Zulassungen der COVID-19-Impfstoffe in den Jahren 2020 bis 2022 waren der Gipfel der Fahrlässigkeit. Vonseiten der Politik war massiver Druck auf die EMA ausgeübt worden (ZDF2020). Sicherheit und Wirksamkeit der Impfstoffe war in keiner Weise ausreichend untersucht, und es dauerte Monate, bis sich die Öffentlichkeit ein Bild von der mäßigen Wirksamkeit und der schlechten Verträglichkeit machen konnte.

Transparency International kritisierte das Fehlen verbindlicher Richtlinien und Vorschriften für die Veröffentlichung klinischer Studienergebnisse. Durch den immensen Zeitdruck auf die Hersteller und die riesigen Geldbeträge, die eingesetzt wurden, sei das Risiko für Manipulation noch weiter gestiegen. So seien bei den 20 wichtigsten Impfstoffen nur die Hälfte der klinischen Studien und nur sieben Prozent der Verträge veröffentlicht worden. Für 88 Prozent der registrierten Studien lägen keine öffentlich zugänglichen Protokolle vor, was bedeute, dass wichtige Details aus dem Verlauf der klinischen Studien unbekannt bleiben (TI2021).

Die Behörden müssen gesetzlich verpflichtet werden, in erster Linie den Interessen der Verbraucher und nicht denen der Pharmafirmen oder der Politik zu dienen.

Nur restriktive und transparente Zulassungsbedingungen schützen die Anwender vor den massiven kommerziellen Interessen der Pharmaindustrie. Die Überwachung von Arzneimitteln nach der Zulassung (»postmarketing surveillance«) muss einer Behörde übertragen werden, die mit der Zulassung nichts zu tun hat und somit nicht unter dem Druck steht, ihre eigenen Entscheidungen zu rechtfertigen. Impfempfehlungen werden von der breiten Bevölkerung nur dann akzeptiert, wenn bei den Behörden die Bereitschaft erkennbar ist, Antworten auf die vielen ungelösten Fragen rund um die Anwendung von Impfstoffen zu finden. Solange immer nur von »Impfmüdigkeit« die Rede ist, fehlt dazu offensichtlich der Wille.

Interessenkonflikte

Interessenkonflikte in der STIKO

Seit 2008 müssen die deutschen STIKO-Mitglieder ihre Interessenkonflikte öffentlich auf der Website des Robert Koch-Instituts deklarieren. Elf der achtzehn derzeitigen (2022) STIKO-Mitglieder deklarieren Interessenkonflikte, sechs davon solche, die den Anschein der Befangenheit begründen und zum Ausschluss von den betroffenen Beratungspunkten führen (Leitlinienwatch 2020). Sie erhielten Vortragshonorare von Pharmaherstellern, nahmen an wissenschaftlichen Treffen oder Pressegesprächen teil, die von Herstellern organisiert und finanziert waren, wirkten an pharmafinanzierten Studien mit oder saßen beziehungsweise sitzen in Arbeitsgemeinschaften, die von Impfstoffherstellern gesponsert werden.

Seit 2012 sind die STIKO-Protokolle auf der Website des Robert Koch-Instituts öffentlich zugänglich, sodass nachvollziehbar ist, wer von Beratungen und Abstimmungen ausgeschlossen wurde. Dies wird jedoch nicht konsequent gehandhabt: Das langjährige STIKO-Mitglied Prof. Ulrich Heininger fungiert beispielsweise trotz seiner Nähe zur Firma GSK als Sprecher der STIKO-Arbeitsgruppe Masern-Mumps-Röteln.

Bei seiner Amtsübernahme im April 2011 erklärte der damalige STIKO-Vorsitzende Jan Leidel: »Ich bitte die Skeptiker um einen Vertrauensvorschuss. Die STIKO ist sicher nicht dazu da, die Profite der Impfstoffhersteller zu steigern, sondern soll dazu beitragen, schwere Krankheiten und Todesfälle zu verhindern.«10 Tatsächlich hat sich die in den 2000er-Jahren beängstigende Pharmanähe der STIKO etwas gebessert. Impfstudien werden nun genauer auf ihre Beweiskraft geprüft und Impfempfehlungen werden ausführlich wissenschaftlich begründet.

Dies schützt jedoch nicht vor dem Einfluss der Politik, wie das wiederholte Einknicken der STIKO gegenüber dem massiven Druck von Politikern und Medien im Rahmen der COVID-19-Impfkampagne zeigte. Anlässlich der Coronapandemie wurde die STIKO noch enger an das Gesundheitsministerium gebunden durch Gründung einer Pandemie-Arbeitsgruppe (PAIKO-AG), der auch externe Experten und der Gesundheitsminister angehören.

Interessenkonflikte in Impfkommissionen anderswo

Interessenkonflikte bestehen nicht nur in der deutschen Impfkommission. In praktisch allen Ländern der Welt und bis in die Spitze der Weltgesundheitsorganisation hinein werden Impfexperten finanziell von der Industrie »umarmt«.

Auch und vor allem in Sachsen: Hier residiert die einzige regionale Impfkommission und Mutter aller Impfempfehlungen, die Sächsische Impfkommission (SIKO) mit 13 Mitgliedern. Eine Deklaration von Interessenkonflikten sucht man vergeblich, obwohl schon eine kurze Recherche im Internet Verbindungen zum Impfstoff-Multi GlaxoSmithKline (GSK) aufdeckt. In dessen Dresdner Niederlassung ist die Impfstoffproduktion angesiedelt, und böse Zungen behaupten, dass in dieser Ursuppe auch die umfassenden sächsischen Impfempfehlungen gebraut werden. Ein Vorsitzender der SIKO empfahl schon mal in einer GSK-Pressemitteilung den hauseigenen nasalen Grippeimpfstoff Fluenz Tetra, SIKO-Mitglieder sprachen bei Impfveranstaltungen des Konzerns, und Impfseminare der SIKO sowie der Sächsische Impftag werden von GSK und anderen großen Impfstoffherstellern gesponsert.

In der Schweiz müssen die Mitglieder der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EKIF) seit 2010 ihre Interessenkonflikte öffentlich machen, nachzulesen auf der Website des Bundesrats unter dem Stichwort »Interessenbindungen«11. 2022 saßen vier der vierzehn EKIF-Mitglieder im Beirat von VacUpdate, einer Organisation, deren Impfveranstaltungen unter anderem von GlaxoSmithKline, MSD, Pfizer und Sanofi-Pasteur gesponsert werden. Ein weiteres EKIF-Mitglied wies sich als Experte für den Beirat Windpocken-Impfung beim Pharmahersteller MSD (Merck) aus.

Zuständig für die österreichischen Impfempfehlungen sind der Oberste Sanitätsrat und das Nationale Impfgremium. Alle Mitglieder sollen zwar regelmäßig Erklärungen zu Interessenkonflikten abgeben, sie bleiben aber unter Verschluss; eine Information der Öffentlichkeit ist nicht vorgesehen. Das zeugt von einem seltsamen Demokratieverständnis, denn die Bürger hätten doch als Erste ein Recht darauf, über die diversen Aktivitäten der von ihnen gewählten und bezahlten Staatsdiener und Experten unterrichtet zu werden.

Legendär sind die Interessenkonflikte in den USA – einem Land, in dem der Marktradikalismus für übermächtigen Einfluss der Industrie sorgt. Bei der Arzneimittelbehörde FDA wurde ein gigantischer »Drehtüreffekt« aufgedeckt: Mindestens 2700 ehemalige FDA-Mitarbeiter wechselten in den letzten Jahren zur Pharmaindustrie, 1100 derzeitige FDA-Mitarbeiter haben den umgekehrten Weg eingeschlagen und sind von der Industrie zur Behörde gewechselt (Grid 2022). Die staatliche Infektionsschutzbehörde CDC hat eine lange Geschichte von finanziellen Abhängigkeiten und beunruhigenden Interessenkonflikten. Sie nimmt finanzielle Zuwendungen von Impfstoffherstellern an und sponsert gemeinsam mit der Pharmaindustrie Organisationen, die die Ausweitung von Impfempfehlungen und Impfpflicht zum Ziel haben (Lenzer 2015, Doshi 2017, Huntoon 2020). Die Unabhängigkeit und wissenschaftliche Relevanz der von den CDC abgegebenen Empfehlungen ist dadurch mehr als fraglich.

Interessenkonflikte in der WHO

Die Weltgesundheitsorganisation WHO ist eine ursprünglich ausschließlich von den Mitgliedsländern der UN getragene Gesundheitsorganisation, die Empfehlungen zum Einsatz von Medikamenten, Impfstoffen und anderen medizinischen Maßnahmen und Verfahren gibt. Ursprünglich war es die Politik der WHO, in den armen Ländern der Welt kompetente Gesundheitssysteme aufzubauen und zu unterhalten und die Menschen dazu zu befähigen, Verantwortung für ihre Gesundheit zu übernehmen. Im Focus standen auch die Bekämpfung von Umweltverschmutzung und Armut. Allen Kindern sollten günstige Basisimpfungen gegen Tetanus, Diphtherie, Polio, Keuchhusten, Masern und Tuberkulose zur Verfügung gestellt werden.

Seit 2003 darf sich die WHO auch mit privaten Geldern finanzieren, was inzwischen zu einer totalen Dominanz privater Geldgeber geführt hat.

Die WHO wird mittlerweile zu 80 Prozent von privaten Geldgebern, Konzernen und Stiftungen finanziert, die die Organisation buchstäblich gekapert haben. Mit etwa einem Fünftel der Privatspenden ist die Bill & Melinda Gates Foundation die größte private Geldgeberin. Die privaten Gelder sind meist zweckgebunden und beeinflussen massiv die Politik der WHO. Sie hat sich dadurch mehr und mehr zu einer Organisation entwickelt, die Gesundheit durch Impfprogramme herstellen will. Andere wichtige Aufgaben bleiben unterfinanziert (BUKO2017).

Die 15-köpfige Impfkommission der WHO, die Strategische beratende Expertengruppe für Impfungen (SAGE), ist mit der Aufgabe betraut, Impfprogramme zu koordinieren und zu überwachen. Die Mitglieder sind zwar angehalten, Interessenkonflikte zu deklarieren, diese werden aber nicht veröffentlicht. Während einer virtuellen Sitzung im Jahr 2020 legten sieben SAGE-Mitglieder Verbindungen zur Bill & Melinda Gates Foundation offen (Loffredo 2020).

1999 wurde auf Initiative von Bill Gates die Global Alliance for Vaccines and Immunization (GAVI) gegründet, ihr heutiger Name lautet kurz: Gavi, the Vaccine Alliance. Sie ist bei der WHO für die Durchführung weltweiter Impfprogramme zuständig und hat ein Finanzvolumen von über einer Milliarde US-Dollar, wobei der Hauptanteil von 750 Millionen US-Dollar von der Bill & Melinda Gates Foundation stammt, neben Millionenbeträgen der Rockefeller-Stiftung, des Pharmariesen Sanofi und anderer Geldgeber. Anlässlich des Besuchs von Bill Gates 2010 in Deutschland ließ die Organisation Ärzte ohne Grenzen verlautbaren, Deutschland müsse darauf bestehen, dass bei der Gavi Interessenkonflikte aufgelöst werden und Transparenz hergestellt wird: »Es ist nicht akzeptabel, dass die Pharmaindustrie als Hauptauftragnehmer von GAVI selbst im Verwaltungsrat sitzt.«

Die Gavi verfolgt, beeinflusst durch ihre Sponsoren, teure technikzentrierte Lösungen, die von oben her verordnet werden. Die Empfehlung teurer neuer Impfstoffe und Impfstoffkombinationen steht im Mittelpunkt. Dies bläht das Gesundheitsbudget ärmerer Staaten auf, ohne einen echten Gewinn an Lebensqualität zu bringen.

Während in Indien beispielsweise nur die Hälfte aller Kinder gegen die fünf »Klassiker« Tetanus, Diphtherie, Polio, Masern und Keuchhusten geimpft waren, führte die Regierung auf Betreiben der Gavi einen teuren Fünffachimpfstoff zusätzlich gegen Hib und Hepatitis B ein und ersetzte die Masernimpfung durch die fast dreimal so teure MMR-Impfung. In vielen Entwicklungsländern wurden auf Betreiben der Gavi die Pneumokokkenimpfung und die Rotavirusimpfung in die Impfprogramme aufgenommen, anstatt – was billiger, effektiver und nachhaltiger wäre – das Stillen zu propagieren und für sauberes Trinkwasser und rauchfreie Atemluft zu sorgen.

Die hohen Kosten ausgeweiteter Impfprogramme wirken sich negativ auf die Versorgung mit den wichtigsten Grundimpfungen aus und verschlingen Ressourcen, die für die Basisgesundheitsversorgung benötigt werden. Einfache Maßnahmen mit hoher Wirksamkeit – etwa keimfreies Trinkwasser und Kanalisation – kommen unter diesen Umständen zu kurz:

»Gesundheit ist keine Ware, die sich wie Computerprogramme vermarkten ließe. Sie lebt von der demokratischen Partizipation derjenigen, um deren Gesundheit es geht. Und da spielen soziale Faktoren eine ungleich größere Rolle als kurativ-medizinische Angebote. Letztere, das hat zuletzt sogar die Unternehmensberatung McKinsey einräumen müssen, bestimmen nur zu 15 Prozent das Wohlbefinden der Menschen. Viel wichtiger sind gute und ausreichende Ernährung, Bildung, hygienische Wohnverhältnisse, würdige Arbeit, Einkommen und Ähnliches. Diese sozialen Determinanten der Gesundheit, für die sich die WHO lange starkgemacht hat, spielen heute immer weniger eine Rolle. Und das auch aufgrund der Einflussnahme durch Geldgeber wie Bill Gates« (Gebauer 2020).

Bleibt noch zu erwähnen, dass die Bill & Melinda Gates-Stiftung keine Ethik- und Nachhaltigkeitsstandards in ihrer Investitionspolitik hat und mehr als eine Milliarde Dollar in Pharmaunternehmen wie die Impfstoffhersteller GSK, Pfizer, Sanofi und Merck, in Öl-, Kohle-, Chemie- und Bergbau-Giganten sowie in Coca-Cola investiert. Die WHO wird also durch Geschäftsgewinne aus Big Food und Big Pharma finanziert. Das riesige Vermögen von Bill Gates ist nicht zuletzt dadurch zustande gekommen, dass Microsoft seit Jahren systematische Steuervermeidung betreibt.

Die Bill & Melinda Gates Foundation und die von ihr finanzierte Gavi gehörten zu den vier Nichtregierungsorganisationen, die während der Coronapandemie in einer Art Machtübernahme die internationale Pandemiepolitik koordinierten und gezielt in die Entwicklung von Tests, Behandlungen und Impfungen investierten (WELT2022).

Die deutsche Journalistin Kathrin Hartmann stellte in ihrem Buch Aus kontrolliertem Raubbau fest:

»Noch nie in der Geschichte hatte eine einzige sogenannte Wohltätigkeitsorganisation so viel globale Macht wie die Bill & Melinda Gates Foundation. Wie ein Krebsgeschwür wächst ihr Einfluss in alle gesellschaftlich relevanten Bereiche hinein und beansprucht dort zunehmend Deutungshoheit und Kontrolle über Gesundheit, Bildung, Klima, Landwirtschaft und Welternährung« (Hartmann 2015).

Eine Reform der WHO und ihrer Finanzierung ist dringend notwendig, um von Wohltätigkeitskapitalisten12 wie Bill Gates unabhängig zu werden.

Das Deutsche Grüne Kreuz

Ein starker privater Verbreiter des Impfgedankens in Deutschland ist das Deutsche Grüne Kreuz, eine dem Etikett nach »gemeinnützige Vereinigung (e.V.) zur Förderung der gesundheitlichen Vorsorge und Kommunikation in Deutschland«. Es betreibt eine intensive Medienarbeit in Tageszeitungen, Rundfunk und Fernsehen. Leiter des wissenschaftlichen Beirats des Grünen Kreuzes ist der ehemalige STIKO-Vorsitzende Jan Leidel.

Das Grüne Kreuz steht dem weltgrößten Impfstoffhersteller Sanofi-Aventis nahe und geriet in die Schlagzeilen unter anderem im Zusammenhang mit Schmiergeldern für Pharmapromotion im Fernsehen (Spiegel 2000). Nach Recherchen des arznei-telegramms lässt sich das Grüne Kreuz seine Aktionen von Firmen bezahlen, weist diese dabei aber nicht als Sponsoren aus, verschleiert also finanzielle Zusammenhänge und deren Größenordnung (AT2009). Im Zusammenhang mit der Einführung der HPV-Impfung organisierte das Grüne Kreuz eine vom Gardasil-Hersteller Sanofi mit Millionenbeträgen gesponserte Medienkampagne.

Das Grüne Kreuz arbeitet auch mit dem Deutschen Kaffeeverband e.V. zusammen und lobt auf seiner Website die gesundheitsfördernde Wirkung von Kaffee. Bis zur Insolvenz von fünf Tochtergesellschaften konnte man über den Onlineshop des Grünen Kreuzes sogar dubiose Gesundheitsprodukte kaufen. 2010 musste der Verein nach einem Insolvenzverfahren mehr als die Hälfte seiner Angestellten entlassen und den Firmensitz in Marburg verkaufen. Die Organisation ist weiterhin als gemeinnützig anerkannt.

Die Situation der Impfärzte

Die Impfstoffentwicklung hat in den letzten 20 Jahren zu immer mehr und immer komplizierteren Impfempfehlungen geführt. Ärzte müssen darüber und auch über mögliche Nebenwirkungen aufklären. Bei der großen Zahl empfohlener Impfungen bietet selbst eine halbstündige Impfberatung kaum zwei Minuten Zeit pro Impfung.

Eine vernünftige und umfassende Impfberatung ist schon aus zeitlichen Gründen im normalen Praxisalltag kaum noch zu realisieren.

Die Vergütung für eine Impfberatung ist, gemessen am Zeitaufwand, gering und erfolgt im Bereich der gesetzlichen Kassen nur dann, wenn tatsächlich geimpft wird. Darüber hinaus ist die Vergütung von Impfmaßnahmen so gestaffelt, dass ein Arzt, der auch weniger als das Maximalvorgehen anbietet, finanzielle Nachteile hat.

Ärzte, die bereit sind, auf Wunsch der Eltern auch weniger oder später zu impfen, werden unter Druck gesetzt. Im Jahr 2006 forderte der Deutsche Ärztetag die Ärztekammern auf, zu prüfen, ob gegen Ärzte, die sich explizit und wiederholt gegen empfohlene Schutzimpfungen aussprechen, berufsrechtliche Schritte eingeleitet werden können, da sie »mit ihrem Verhalten gegen das Gebot der ärztlichen Sorgfalts- und Qualitätssicherungspflicht verstoßen«. STIKO-Mitglied Ulrich Heininger und der kinderärztliche Verband DAKJ wiederholten 2017 diese Forderung und bezogen sie auch auf Ärzte, die Eltern raten, Impfungen später als von der STIKO empfohlen durchführen zu lassen (DAKJ2017).

Von offiziellen Stellen wird immer wieder der »Leitlinien«-Charakter der STIKO-Empfehlungen betont. Leitlinien haben im Grunde jedoch die Funktion von Orientierungshilfen und keine rechtsverbindliche Wirkung.

Daher war das Urteil des Deutschen Bundesgerichtshofs vom 15. Februar 2000 für die STIKO ein Riesenerfolg: Die STIKO-Impfempfehlungen gelten seitdem als medizinischer Standard, als Norm guter ärztlicher Behandlung – grotesk angesichts der unterschiedlichen Impfempfehlungen allein schon in den europäischen Nachbarländern (Rabe 2023). Die empfohlenen Impfungen sind nach Lesart des BGH ärztliche Routinemaßnahmen, die von den Patienten eingeklagt werden können und über die sich der Patient keinen Kopf mehr zerbrechen muss, da »das Verhältnis zwischen Nutzen und Schadensrisiko für den Impfling von diesen Gremien bereits abgewogen« ist (BGH2000), die eigene Meinung also quasi vor der Praxistür an den Nagel zu hängen ist.

In einem von der GAÄD (Gesellschaft Anthroposophischer Ärztinnen und Ärzte in Deutschland) in Auftrag gegebenen Gutachten bestätigt der namhafte Verfassungsrechtler Prof.Dr. Rüdiger Zuck, dass Ärzte im Rahmen einer Impfberatung nicht gezwungen werden können, gegen ihr Gewissen zu handeln (Zuck 2006). Der Arzt müsse zwar über den medizinischen Standard (das heißt die öffentlichen Impfempfehlungen) informieren, aber

»da der Arzt wegen der durch Art. 12 I GG gewährleisteten Therapiefreiheit nicht gezwungen werden kann, gegen sein Gewissen zu handeln, darf er ernsthafte Einwände gegen den medizinischen Standard äußern und den Patienten darüber informieren, auch aus der besonderen Sicht der von ihm vertretenen besonderen Therapierichtung. Er trägt aber auch hier die Beweislast dafür, dass solche ernsthaften Einwände über seine persönliche Überzeugung hinaus gegeben sind.«

Wegen des in der Verfassung garantierten Grundsatzes der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 II GG) dürften Ärzte nicht daran gehindert werden, ihre Meinung und Kritik im Rahmen der wissenschaftlichen Diskussion zu äußern, selbst wenn diese Äußerungen »explizit und wiederholt« gegen STIKO-Empfehlungen gerichtet sind. Die Verhängung eines Maulkorbs gegen Ärzte, »unabhängig von der Art und Qualität ihrer Kritik«, komme nicht in Betracht, es sei denn, bei den öffentlichen Empfehlungen handle es sich »um Verlautbarungen vergleichbarer Weise, wie wenn der Papst ›ex cathedra‹ gesprochen hätte«. Zuck kommt abschließend zu der Bewertung, dass geltende Bestimmungen völlig ausreichen, die ärztliche Sorgfaltspflicht und Verpflichtung zur Qualität abzusichern.

Lesenswert ist in diesem Zusammenhang eine Stellungnahme des Allgemeinarztes Peter Frommherz, der im Rahmen einer Masernepidemie in Coburg massiv als »Impfgegner« angegriffen wurde:

»Mein Anliegen ist es, klarzustellen, dass die Entscheidung und letztendliche Verantwortung für die Impfung beim Patienten selbst liegt. Ich denke, dass es meine ärztliche Pflicht ist, die freie Entscheidung des Patienten zu respektieren, auch wenn sie medizinischen Standards widersprechen sollte. In der heutigen Medizin sind leider gegenläufige Tendenzen wahrnehmbar … Ob wir uns diesen totalitären Praktiken unseres medizinischen Wissenschafts- und Geschäftsbetriebes anschließen wollen, möge jeder für sich entscheiden. Hinzuzufügen ist lediglich noch, dass jeder medizinische Standard auf dem Konsens von bestimmten Entscheidungsträgern beruht, die sich jedoch oft nicht in allen Gesichtspunkten einig sind, d.h., der medizinische Standard ist meistens ein Kompromiss. Ferner gibt es auch neue Gesichtspunkte, wie sich zum Beispiel die Frage nach möglichen Vorteilen einer durchgemachten Erkrankung im Gegensatz zu deren Verhinderung durch Impfung auswirkt … Diese notwendige Offenheit einer ständig fortschreitenden medizinischen Wissenschaft spiegelt sich insofern völlig berechtigt in der Entscheidungsfreiheit des Patienten wider, enthebt aber auch uns Ärzte nicht von der Pflicht, uns unser eigenes Urteil zu bilden und dieses zu verantworten« (Frommherz 2001).

Um juristische Fallstricke bei der Impfaufklärung zu vermeiden, sollten Ärzte und Eltern wissen:

Ärzte müssen in jedem Fall über alle öffentlich empfohlenen Impfungen (nach Auffassung der STIKO sogar über alle, die verfügbar sind) möglichst umfassend und daher am besten mit Merkblättern aufklären. Dazu gehört auch die Aufklärung über die Risiken, sollten sie auch noch so gering sein. Ohne dokumentierte Aufklärung läuft heute nichts mehr.

Ärzte müssen jedoch nicht gegen ihre eigene Überzeugung beraten. Wichtig ist aber eine gute Begründung, wenn sie ein Impfvorgehen abweichend von der STIKO empfehlen. Durch die Patientenrechtgesetzgebung (§ 630e BGB: Aufklärungspflichten) ist unmissverständlich formuliert: »Bei der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können.«

Die Wahlfreiheit und individuelle Entscheidung des Patienten beziehungsweise seiner Eltern stehen grundsätzlich nicht infrage. Es ist daher selbstverständlich, dass Ärzte auch gegen ihre Überzeugung eine öffentlich empfohlene Impfung durchführen müssen, wenn die Eltern es wünschen.

Wünschen Eltern ein Abweichen von den öffentlichen Impfempfehlungen, so ist dem Arzt unbedingt zu empfehlen, dies zu dokumentieren und es sich möglichst schriftlich von den Eltern bestätigen zu lassen. Dabei reicht etwa folgender Wortlaut aus: »Ich bin über die Impfempfehlungen der STIKO aufgeklärt worden, möchte aber nicht, dass mein Kind (danach) geimpft wird« (Schirach 2008).

Die Impfstoffhersteller

Ähnlich wie auf anderen Märkten findet auch im Bereich der Impfstoffherstellung ein zunehmender Konzentrationsprozess statt. Gab es Anfang der Siebzigerjahre noch über 25 Impfstoffhersteller, so werden die heutigen Impfstoffe im Wesentlichen von vier international operierenden Pharmariesen produziert und vermarktet: GlaxoSmithKline (Großbritannien), Sanofi (Frankreich), Pfizer (USA) und Merck.

Der letzte große Deal war 2015 die Übernahme der Impfsparte von Novartis durch GlaxoSmithKline, in dessen Folge einige wichtige, aber weniger lukrative Impfstoffe vom Markt verschwanden, zum Beispiel der Diphtherie-Einzelimpfstoff, IPV-Virelon (gegen Polio), Td-pur (gegen Tetanus und Diphtherie) sowie Td-Virelon (gegen Tetanus, Diphtherie und Polio).

Aufstrebend ist das dänisch-deutsche Biotechunternehmen Bavarian Nordic, das von der EU unterstützt wird und seit 2002den Pockenimpfstoff Imvanex für den Fall eines Biowaffenangriffs herstellt und bevorratet. Die Firma übernahm 2021 von GSK die Vermarktung der Impfstoffe Encepur gegen FSME und Rabipur gegen Tollwut, entwickelte mit Johnson & Johnson den Ebola-Impfstoff Mvabea und versuchte sich in der Herstellung eines COVID‑19-Impfstoffs.

Im Produktportfolio der Pharmagiganten spielen nationale Interessen keine Rolle. Eher werden Impfempfehlungen an die vorhandenen Impfstoffe angepasst als umgekehrt. Durch das Masernschutzgesetz in Deutschland wurden sogar mangels eines Einzelimpfstoffs die Impfungen gegen Mumps und Röteln ebenfalls verpflichtend.

In Europa werden die meisten Impfstoffe heute nur noch von einem (Monopol) oder zwei Herstellern (Duopol) angeboten.

Duopolmarkt: Impfstoffe für Kinder und ihre Hersteller

Antigen

GSK

Sanofi

Pfizer

Merck (MSD)

Tetanus Diphtherie

 

Td-Mérieux

Td-Immun

 

Tetanus Diphtherie Keuchhusten

Polio

Boostrix Polio

Repevax

 

 

Fünffachimpfstoff

Infanrix-IPV+Hib

Pentavac

 

 

Sechsfachimpfstoff

Infanrix hexa

Hexyon

 

Vaxelis

Pneumokokken

Synflorix

 

Prevenar 13

Vaxneuvance

Meningokokken C

Menjugate

 

NeisVac

 

Meningokokken ACWY

Menveo

 

Nimenrix

 

Meningokokken B

Bexsero

 

Trumenba

 

Rotaviren

Rotarix

 

 

RotaTeq

MMR

Priorix

 

 

M-M-RvaxPro

MMRV

Priorix-Tetra

 

 

ProQuad

Windpocken

Varilrix

 

 

Varivax

Hepatitis B

Engerix-B

 

 

HBVaxPro

Hepatitis A

Havrix

 

 

Vaqta

HPV

Cervarix

 

 

Gardasil

Die vier großen Impfstoffhersteller zählen zu den zehn größten pharmazeutischen Unternehmen der Welt. Sie sind börsennotierte Aktiengesellschaften, die ihre ganze Marktmacht einsetzen, um die Umsätze zu steigern. Dabei entwickeln sie eine beträchtliche kriminelle Energie: Alle vier wurden in den USA schon zu hohen Geldstrafen verurteilt wegen Fälschungen von Studien, falschen Angaben zur Sicherheit von Medikamenten, Werbung für nicht zugelassene Anwendungen von Arzneimitteln oder Schmiergeldzahlungen an Ärzte (Groeger 2014). Die Pharmaindustrie ist neben der Öl- und Autoindustrie die Branche mit den meisten Rechtsverstößen (Rawlinson 2017). Während einer Diskussion über den Vioxx-Skandal – die Firma Merck zahlte 2007 mehr als vier Milliarden Schadenersatz an Patienten, die durch das riskante Rheumamittel geschädigt worden waren – sagte Catherine DeAngelis, Herausgeberin des Journal of the American Medical Association (JAMA): »Was die Menschen daraus lernen sollten, ist, dass man nichts, aber auch gar nichts glauben sollte, was von einem Pharmaunternehmen veröffentlicht wird. Glauben Sie es einfach nicht. Das ist der Ausgangspunkt.«13

Die Einnahmen durch den Verkauf von Impfstoffen steigen schneller als die aus anderen Sparten des Pharmamarkts. Zwischen 2014 und 2020 kletterten die Umsätze aus der Impfstoffproduktion weltweit von 32 auf 59 Milliarden Euro, bis 2023 stiegen sie – vor allem durch die COVID-19-Impfstoffe – weiter auf 80 Milliarden Euro. Pfizer nahm 2022 allein mit dem Impfstoff Comirnaty32 Milliarden Dollar ein, das entsprach fast einem Drittel seines gesamten Jahresumsatzes (PPW2019, statista 2023).

In Deutschland dürfen Pharmafirmen den Preis für Medikamente im ersten Jahr nach der Einführung in beliebiger Höhe festlegen. In vielen anderen Ländern gilt dies dann als Referenzgröße. Für die Hersteller entstehen so gut wie keine Marketingkosten, da die meisten Impfstoffe, die auf den Markt kommen, öffentlich empfohlen werden. Es gibt auch kaum Konkurrenz durch billige Nachahmerpräparate, denn die Produktionsanlagen sind in der Regel zu teuer und aufwendig für kleine Generikahersteller. Dadurch sind stabile oder steigende Umsätze über Jahrzehnte garantiert. Tritt doch einmal ein Konkurrent auf, wird er durch Patentanträge abgedrängt – so geschehen im August 2017, als indische Produzenten in Konkurrenz zu Pfizer und GSK billige Pneumokokkenimpfstoffe für nationale Gesundheitssysteme und humanitäre Organisationen auf den Markt bringen wollten.

Die Mono- beziehungsweise Duopolisierung ist auch einer der Gründe, warum es immer wieder zu Lieferengpässen kommt, von denen kaum ein Impfstoff verschont bleibt. Es gibt weltweit nur noch wenige Standorte für die Impfstoffproduktion, und die sind durch ihre schiere Größe schwerfällig und fehleranfällig. Fällt eine Impfstoffcharge wegen Qualitätsproblemen aus, wird auch das Konkurrenzprodukt wegen Übernachfrage knapp.

Möglicherweise loten die Konzerne auch durch gezielte Lieferengpässe aus, welche Impfstoffe zugunsten einer rationelleren Produktion und höherer Gewinne verzichtbar sind. Auffälligerweise bleiben die teuersten Impfstoffe – Sechsfachimpfstoffe, MMR-Impfstoffe, Impfstoffe gegen Pneumokokken und HPV – in aller Regel lieferbar. Im Jahr 2015 beteiligten sich in Frankreich 200000 Menschen an einer Petition gegen GlaxoSmithKline, weil die Firma den Dreifachimpfstoff DTaP nicht mehr lieferte und Schulanfänger mit dem sechsmal so teuren Sechsfachimpfstoff geimpft werden mussten.

Pharmaindustrie und Forschung

Interessengelenkte Impfforschung

Die medizinische Wissenschaft ist in immer stärkerem Maße von privaten Geldgebern abhängig. Dies ist Folge des neoliberalen Umbaus von Universitäten und Forschungseinrichtungen: Markt und Wettbewerb sollten gestärkt, die Hochschulen »entfesselt« werden. Die öffentliche Finanzierung der Forschung wird seit Jahren immer weiter zurückgefahren, und die freie, unabhängige und evidenzbasierte Wissenschaft, die die Interessen der Verbraucher und Patienten wahrnimmt, wird immer mehr ins Abseits gedrängt (Lieb 2015, DLF2019). Stattdessen bestimmen kommerzielle Interessen mehr und mehr die Forschungsgegenstände mit dem Ziel, gewinnbringende Patente und Produkte zu schaffen.

»Die Verantwortung der Pharmaindustrie gegenüber ihren Aktionären bedeutet, dass hierarchische Machtstrukturen, Produkttreue und PR-Propaganda Vorrang vor wissenschaftlicher Integrität haben« (Jureidini 2022).

Die Produkte werden attraktiv gemacht, ihre Nachteile heruntergespielt. Studien, die ungünstige Ergebnisse bringen, werden oft erst gar nicht publiziert.

Impfstudien, die von der Pharmaindustrie selbst durchgeführt oder an private klinische Forschungsunternehmen vergeben werden, sind daher mit Vorsicht zu genießen. Oft sind nur ausgebuffte Statistiker in der Lage, zwischen den Zeilen zu lesen und möglichen Manipulationen auf die Spur zu kommen. Die Rohdaten der Studien werden in der Regel nicht veröffentlicht, sodass unabhängige Überprüfungen erschwert sind.

Ärzte des internationalen und unabhängigen Forschungsnetzwerks Cochrane, auch bekannt unter dem einstigen Namen Cochrane Collaboration, deckten 2019 auf, dass in den veröffentlichten Studien zur Wirksamkeit der HPV-Impfung ein großer Teil der Daten nicht berücksichtigt worden war (TI2019). Einer der Autoren, der dänische Forscher Lars Jørgensen, schrieb: »Da die eingeschlossenen Studien in erster Linie auf die Bewertung des Nutzens ausgelegt waren und nicht ausreichend auf die Bewertung der Schäden, ist unklar, inwieweit der Nutzen der HPV-Impfstoffe die Schäden überwiegt. Der begrenzte Zugang zu klinischen Studienberichten und Studiendaten mit Fallberichtsformularen verhinderte eine gründliche Bewertung« (Jørgensen 2020).

Auch bei den COVID-19-Impfstoffen gab es Manipulations- und Vertuschungsversuche. Die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA plante, die Rohdaten der Pfizer-Studie zum COVID-19-Impfstoff Comirnaty ursprünglich erst 2097 zu veröffentlichen. Der britische Evidenzmediziner Tom Jefferson schrieb empört: »In Anbetracht der unzureichenden und überstürzten Tests und der Kultur der Geheimhaltung ist es fraglich, ob eine informierte Einwilligung (in die Impfung, d. Verf.) gültig ist, bevor nicht alle Dokumente … veröffentlicht sind« (Demasi 2021). Im Januar 2022 ordnete ein texanisches Gericht die Veröffentlichung der gesamten Pfizer-Unterlagen von 450000 Seiten bis Herbst 2022 an. Eine unabhängige Gruppe von Fachleuten machte sich an die Auswertung. Im Vorwort des ersten Teils der Analyse hieß es, hier sei möglicherweise ein massives Verbrechen gegen die Menschheit dokumentiert, denn der fraglichen Wirkung des Pfizer-Impfstoffs stünden massive Nebenwirkungen gegenüber (Wolff 2023).

In den Zulassungsstudien der Impfstoffhersteller wird oft gar nicht geprüft, ob tatsächlich die jeweilige Krankheit verhindert wird. Gerade bei selteneren Krankheiten wären dazu sehr große Probandengruppen notwendig. Ersatzweise werden in solchen Fällen Antikörperbestimmungen vor und nach der Impfung durchgeführt. Ob dies jedoch einem anhaltenden Schutz gleichkommt, zeigt sich meist erst nach der Anwendung im wirklichen Leben.

Die in einer Studie nachgewiesene Wirkung einer Impfung ist nicht gleichbedeutend mit ihrem Nutzen.

Erst in den 2000er-Jahren wurde bekannt, dass die vermeintlich gut wirksamen und sicheren Säuglingsimpfstoffe in den Entwicklungsländern zu einer erhöhten Säuglingssterblichkeit führen (Aaby 2000). Die COVID-19-Impfstoffe hatten nach ersten Studienergebnissen eine angebliche Wirksamkeit von 90 bis 100 Prozent – in der Realität zeigte sich aber eine deutlich schlechtere und nur wenige Monate anhaltende Wirkung. Im Golfstaat Bahrain blieb die Gesamtzahl bakterieller Meningitiserkrankungen zwischen 1990 und 2013